TE OGH 1988/7/14 7Ob24/88

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Veröffentlicht am 14.07.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Werner B***, Transportunternehmer, Schwechat, Himberger Straße 30, vertreten durch Dr. Otto Schuhmeister, Dr. Rolf Schuhmeister und Dr. Walter Schuhmeister, Rechtsanwälte in Schwechat, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei V*** DER Ö*** B***,

Versicherungs-Aktiengesellschaft, Wien 2., Praterstraße 1-7, vertreten durch Dr. Ferdinand Neundlinger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei N*** S*** A*** Versicherungsgesellschaft, Direktion für Österreich, Wien 2., Praterstraße 78, vertreten durch Dr. Werner Walch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 500.000,-- sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 25. März 1988, GZ 3 R 32/88-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 11. November 1987, GZ 28 Cg 590/85-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.574,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 961,35 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Unternehmen des Klägers transportierte im Jänner 1985 im Auftrag der K*** Gesellschaft mbH ("Kühltrans") Käse von Österreich nach Oran (Algerien). Bei der Ankunft am Bestimmungsort wurde festgestellt, daß der Käse verdorben war.

Auf Grund einer zwischen der K*** und der beklagten Versicherungsgesellschaft abgeschlossenen Frachtführerhaftpflichtversicherung begehrt der Kläger die Feststellung der Deckungspflicht der beklagten Partei. Die K*** habe den Kläger zur Klageführung ermächtigt. Entsprechend den Allgemeinen Versicherungsbedingungen sei auch der vom Versicherungsnehmer direkt beauftragte Fremdunternehmer von der Versicherung umfaßt. Im Laderaum des Sattelzuges müßten höhere als im Frachtbrief vorgesehene Temperaturen geherrscht haben. Diese seien jedoch für den Lenker nicht erkennbar gewesen, weil das Fernthermometer die im Frachtbrief vorgesehene Temperatur angezeigt und der Lenker keine Möglichkeit gehabt habe, die Temperatur im versiegelten Frachtraum zu überprüfen. Das Kühlaggregat sei regelmäßig gewartet worden. Ein Zertifikat habe bestätigt, daß das Kühlaggregat bis Juni 1985 bei regelmäßiger Durchführung der Servicearbeiten betriebssicher sei. Die letzten Überprüfungen durch die T*** K*** Handelsgesellschaft mbH

("Thermoservice") seien am 14. November 1984 und 20. Dezember 1984 erfolgt und hätten ergeben, daß gegen den weiteren Betrieb vom sicherheitstechnischen Standpunkt keine Bedenken bestünden. Nach dem 20. Dezember 1984 sei der Sattelauflieger stillgestanden. Mit Schreiben vom 11. Juli 1985 habe die beklagte Partei die Haftung für den entstandenen Schaden abgelehnt, weil sich das Kühlaggregat nicht in mängelfreiem Zustand befunden habe. Es bestehe ein Handelsbrauch, daß die Versicherungsprämie für die CMR-Versicherung nach jenem Betrag berechnet werde, der dem Spediteur vom Frächter in Rechnung gestellt werde. Allfällige vom Spediteur bezahlte Fährkosten und Nebenspesen würden nicht berücksichtigt. Ein spätester Ankunftstermin sei im Frachtbrief nicht angeführt worden. Der Kläger sei nicht auf die drohende Verderblichkeit hingewiesen worden. Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Der Käse sei über einen Zeitraum von mindestens einem Tag einer Lagertemperatur von über 25o C ausgesetzt gewesen. Es seien lediglich Aufzeichnungen des Kühlschreibers für einen Zeitraum von 2 Tagen und 4 Stunden zwischen dem 29. Jänner und 7. Februar 1985 sichergestellt worden, in welcher Zeit der Temperaturverlauf zwischen +10o und +25o C gelegen sei. Es sei festgestellt worden, daß verschiedene - näher bezeichnete - Mängel zum Ausfall der Kühlfunktion geführt hätten. Auch der Thermograph und das Thermometer seien funktionsunfähig gewesen. Nach Art. 9.1.3 der Allgemeinen Bedingungen für die Versicherung von Transporten im gewerblichen Güterfernverkehr mit Lastkraftwagen ("ABVT") obliege es dem Kläger, den technischen Zustand der Fahrzeuge laufend zu überprüfen und Mängel sofort beheben zu lassen. Der Kläger sei dieser Verpflichtung vor Fahrtantritt nicht nachgekommen, obwohl ihm die Defektanfälligkeit des Kühlsattelaufliegers bekannt gewesen sei. Der Kläger habe der beklagten Partei mit Schreiben vom 24. Juni 1985 Kopien von 5 Servicerechnungen bis zum 5. Oktober 1984 übermittelt und darauf hingewiesen, daß der Kühlsattelauflieger vom 9. Oktober 1984 bis 9. Jänner 1985 nicht in Verwendung gewesen sei. Er habe diese Auskunft am 10. Juli 1985 telefonisch bekräftigt. Tatsächlich jedoch sei der Kühlsattelauflieger zwischen dem 20. November 1984 und 11. Dezember 1984 bei zumindest 7 Transporten von Kühlnahrungsmitteln im Einsatz gewesen. - Als Prämienberechnungsgrundlage gelte das vom Versicherungsnehmer seinem Auftraggeber in Rechnung gestellte Gesamtentgelt einschließlich aller Nebengebühren und Frachtzuschläge (Punkt 7.2. der ABVT). Gemäß Punkt 8.1.1. der ABVT sei die beklagte Partei von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Anmeldungsmodus schuldhaft verletzt werde. Aus der Umsatzmeldung der K*** vom 20. Februar 1985 gehe eine Bruttofracht von S 42.000,-- hervor. Die Frachtrate habe jedoch S 105.000,-- betragen. Es seien auch die Frachtkosten für die Fähre in die Prämienberechnung einzubeziehen. Der Kläger habe den Fahrer nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes ausgewählt. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende Feststellungen:

Die K*** mietete den gegenständlichen Kühlsattelauflieger mit Vertrag vom 27. Oktober 1983. Der Mietvertrag wurde auch vom Kläger als Depotleiter unterfertigt. Bei der Rückgabe des Sattelzuges am 8. Oktober 1984 wurde auf dem Vertrag unter anderem vermerkt, daß das Kühlaggregat "nicht in Ordnung lt. FS" sei. Auch dieser Vermerk wurde von der K*** und vom Kläger (als Depotleiter) unterschrieben.

Die T*** bestätigte in Überprüfungen gemäß § 22 der Kälteanlagenverordnung vom 16. November 1983, 18. Juni 1984, 14. November 1984 und 20. Dezember 1984, daß sich die Kälteanlage in einem solchen Zustand befindet, daß gegen ihren weiteren Betrieb vom sicherheitstechnischen Standpunkt keine Bedenken bestehen. Es liegen unter anderem Reparaturrechnungen der T*** vom 14. November 1984 und 20. Dezember 1984 vor. In jener vom 20. Dezember 1984 wird bestätigt, daß eine Kontrolle des Kühlaggregates betreffend Kühlsystem und aller sonstigen Funktionen durchgeführt und dieses in Ordnung befunden wurde.

Die K*** schloß am 19. Jänner 1984 mit der beklagten Partei eine Frachtführerhaftpflichtversicherung ab. Es wurde besprochen, daß die K*** für den Fall, daß die eigene Kapazität nicht ausreicht, auch Fremdunternehmer beschäftigt. Der Begriff Bruttofrachtentgelt lt. Punkt 4.2.1. der Zusatzbedingungen wurde nicht erörtert.

Die ABVT enthalten unter anderem folgende Bestimmungen:

5.1. Ausgeschlossen sind Ansprüche

5.1.2. aus Überschreitung von Lieferfristen, die den Umständen nach nicht angemessen oder vorbehaltlos vereinbart worden sind;

5.2. Ausgeschlossen sind ferner Ansprüche aus Schäden,

5.2.1. die der Versicherungsnehmer, seine gesetzlichen Vertreter, Prokuristen oder selbständige Leiter von Zweigniederlassungen vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben;

5.2.2. die sonstige Erfüllungsgehilfen des Versicherungsnehmers vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben, soferne der Versicherungsnehmer oder eine der in

5.2.1. genannten Personen bei der Auswahl und Überwachung der Erfüllungsgehilfen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt grob fahrlässig nicht beachtet haben;

5.4. Konnte nach den Umständen des Falles ein Schaden aus einer oder mehreren der in 5.1.1. bis 5.2.4. bezeichneten Ursachen entstehen, so wird bis zum Nachweis des Gegenteils durch den Versicherten vermutet, daß er daraus entstanden ist;

7.2. Bei Versicherung auf Basis des Frachtaufkommens gilt als Prämienberechnungsgrundlage das vom Versicherungsnehmer seinem Auftraggeber in Rechnung gestellte Gesamtentgelt einschließlich aller Nebengebühren und Frachtzuschläge.

8.1. Bei Versicherungen gemäß 7.2. ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, der N*** am Ende eines jeden Kalendermonats spätestens bis zum 20. des Folgemonats, sämtliche unter den Versicherungsschutz dieser Polizze fallenden Transporte auf den von der N*** zur Verfügung gestellten Anmeldescheinen

anzumelden .....

8.1.1. Wird der Anmeldemodus gemäß 8.1. schuldhaft verletzt, so ist die N*** von der Verpflichtung zur Leistung frei .....

9. Obliegenheiten.

9.1. Allgemeine Obliegenheiten.

9.1.1. Dem Versicherungsnehmer obliegt es,

9.1.1.1. die Fahrer und/oder Frachtführer mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns auszuwählen;

9.1.1.3. den technischen Zustand der eingesetzten Fahrzeuge laufend zu überprüfen und dabei festgestellte Mängel sofort beheben zu lassen;

9.3. Verletzen der Versicherungsnehmer, seine gesetzlichen Vertreter, Prokuristen und selbständige Leiter von Zweigniederlassungen eine der vorstehenden Obliegenheiten, so ist die N*** von der Verpflichtung zur Leistung frei, es sei denn, daß die Verletzung unverschuldet ist.

9.3.1. Verletzen sonstige Erfüllungsgehilfen des Versicherungsnehmers schuldhaft eine der vorstehenden Obliegenheiten, so ist die N*** von der Verpflichtung zur Leistung frei, soferne der Versicherungsnehmer oder eine der in 9.3. genannten Personen bei der Auswahl oder Überwachung der Erfüllungsgehilfen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt grob fahrlässig nicht beachtet hat.

9.3.2. § 6 des Versicherungsvertragsgesetzes findet keine Anwendung.

Die Zusatzbedingungen lauten unter anderem:

4.2.1. Die Prämie für die Versicherung von Transporten, die durch vom Versicherungsnehmer direkt beauftragte Fremdunternehmer durchgeführt werden, beträgt 3,5 % vom vereinbarten Bruttofrachtentgelt.

Der Kläger führte während der Zeit, in der der Kühlsattelauflieger auf Depot stand, auf Grund einer Erlaubnis des Vermieters zur unentgeltlichen Benützung unter anderem in der Zeit vom 20. November 1984 bis 11. Dezember 1984 acht jeweils eintägige Fahrten von Tiefkühlware (Butter, Geflügel) durch, ferner am 7. Jänner 1985 eine Fahrt von Wien nach Salzburg. Die K*** hat diese Fahrten der beklagten Partei bekanntgegeben.

Die K*** beauftragte den Kläger mit der Durchführung eines Käsetransports von Salzburg nach Oran. Zugmaschine und Sattelauflieger wurden am 7. Jänner 1985 mit einem Transport Tiefkühlware von Wien nach Salzburg gebracht. Bei der BKV Butter und Käse Verkaufsgesellschaft mbH wurden 2.100 Kartons Emmentaler-Käse im Gesamtgewicht von 22.300 kg geladen. Die Lieferung wurde am 8. Jänner 1985 vom Zollamt Salzburg in der Ausfuhr abgefertigt. In den Zollpapieren gab die BKV den Wert des Käses mit S 761.648,-- und die Frachtkosten mit S 105.000,-- an. Im Frachtbrief vom 8. Jänner 1985, der als Absender die Spedition K*** aufweist, heißt es unter anderem: "Temperatur +3 bis +5oC! Die Ware ist konstant auf der Temperatur von +3 bis +5oC zu halten! Der Kühlschreiber ist unbedingt einzuschalten und die Aufzeichnungen des Kühlschreibers sind an die Firma BKV ..... unbedingt zurückzusenden!"

Die Rechnung der BKV vom 8. Jänner 1985 sieht die Verschiffung am 10. Jänner 1985 mit dem M/S Zeralda von Sete nach Oran, die Rechnung der Calberson International am 11. Jänner 1985 mit dem M/S Ardeche vor.

Der Käsetransport fuhr dessen ungeachtet zurück nach Wien. Der Sattelauflieger wurde abgestellt, das Zugfahrzeug führte am 9. Jänner 1985 einen Kühltransport von Pöttelsdorf nach Zalaegerzeg durch. Erst am 15. Jänner 1985 war der Käsetransport in Tarvis unterwegs. Der Fahrer Erich H***, der den Transport in Wien übernommen hatte, konnte das Kühlaggregat ein- und ausschalten und die Temperatur einstellen. Er verfügte über keine Ausbildung, um das Aggregat bei allenfalls auftretenden Schäden zu reparieren und hatte auch keine Einschulung zur Bedienung, Wartung und Reparatur eines Kühlaggregates erhalten. Er war angewiesen, bei Auftreten von Schäden sofort den Kläger zu verständigen.

Am 16. Jänner 1985 rief Erich H*** den Kläger an, daß er in Italien im Schnee stecke. Am Vormittag des 17. oder 18. Jänner 1985 traf er in Marseille ein und besorgte sich noch am selben Tag ein Visum. Der Transport wurde schließlich in das M/S Luberon eingeschifft, das am Samstag, dem 26. Jänner 1985, in Oran eintraf. Am oder nach Montag, dem 28. Jänner 1985, wurde der Kühlwagen geöffnet und die Ware vom Veterinärdienst als aufgequollen, verschimmelt und für den menschlichen Genuß ungeeignet beurteilt. Eine Temperaturprobe am 30. Jänner 1985 um 9,30 Uhr nach 10-minütigem Betrieb des Kühlsystems ergab vorne 18,5o und hinten 14,5o C. Die Aufzeichnungen des Kühlschreibers wurden dem Fahrer abverlangt und er gab sie heraus. Erich H*** fuhr in der Folge mit der Ware nach Salzburg zurück, wo er am 7. Februar 1985 eintraf.

Schon am 29. Jänner 1985 hatte die C*** I*** an die K*** Rechnung über die Fährkosten von FF 23.065 gelegt. In der Rechnung des Klägers vom 8. Februar 1985 an die K*** über den "Kühltransport Nr. vom 9. bis 14. Jänner 1985" ist ein mehrwertsteuerfreies Frachtpauschale von S 38.000,-- ausgewiesen. In der Frachtumsatzmeldung gab die K*** am 20. Februar 1985 die Bruttofracht des Transports von Salzburg nach Oran mit S 42.000,-- an.

Mit Schreiben vom 20. März 1985 an die K*** beklagte die BKV, daß sie - nachdem sie ihrem Kunden in Oran die Ankunft der Ware mit jenem Schiff avisiert gehabt habe, das am 10. Jänner 1985 von Marseille abgelegt habe - von der eingetretenen Verzögerung nicht verständigt worden sei, und gab ihren

Schaden - aufgeschlüsselt - mit S 492.160,45 bekannt.

Am 28. März 1985 unterfertigte die BKV eine Abfindungserklärung der BUNDESLÄNDER VERSICHERUNG, wonach sie gegen Bezahlung eines Betrages von S 492.160,-- auf alle wie immer Namen habenden Ersatzansprüche - ausgenommen eventuell anfallende Transportkosten - verzichte. Mit Schreiben vom 9. April 1985 forderte die BUNDESLÄNDER VERSICHERUNG den Kläger auf, den Betrag von S 495.160,-- an sie zu bezahlen, da sie ihren Versicherungsnehmer mit diesem Betrag entschädigt habe.

Mit Schreiben vom 2. Mai und 25. Juni 1985 forderte der Schadensbearbeiter der beklagten Partei, Wolfgang Z***, den Kläger auf, die Rechnung über die letzte durchgeführte Wartung des Kühlaggregates vor dem Schadensfall zu übersenden und ersuchte um Bekanntgabe, wann die nächste Wartung hätte erfolgen sollen. Der Kläger übersandte daraufhin 15 Rechnungskopien für die Zeit vom November 1983 bis Oktober 1984 und führte in einem Begleitschreiben aus, daß der Kühlsattelauflieger vom 9. Oktober 1984 bis 9. Jänner 1985 nicht in Verwendung gewesen sei. Er wiederholte diese Angabe gegenüber Wolfgang Z*** in einem Telefongespräch am 10. Juli 1985 und gab dabei überdies an, der Kühlzug sei erst am 13. Jänner 1985 von Wien weggegangen - obwohl er bereits am 10. Jänner 1985 die Fähre von Marseille aus hätte nehmen sollen -, weil der Fahrer, der die Ware von Salzburg abgeholt habe, kein Visum für die nordafrikanischen Staaten erhalten habe und der sodann eingesetzte Fahrer erst habe ein Visum beantragen müssen, sodaß der Zug bis zu dessen Erteilung in Wien gestanden sei. Der Zug sei überdies drei Tage in Italien eingeschneit gewesen.

Der Höchstkurs im Zeitraum Jänner/Februar 1985 für Devisen-Ware-Paris betrug 231,24.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, die beklagte Partei sei gemäß Punkt 8.1.1. der ABVT leistungsfrei, weil das Bruttofrachtentgelt S 105.000,-- betragen, die K*** (als Versicherungsnehmer) im Anmeldeschein vom 20. Februar 1987 aber lediglich ein solches von S 42.000,-- angegeben habe. Die beklagte Partei sei auch leistungsfrei, weil der Kläger seine Auskunftspflicht dadurch verletzt habe, daß er wahrheitswidrig erklärt habe, das Fahrzeug sei von Oktober 1984 bis Jänner 1985 unbenützt abgestellt gewesen. Diese Erklärung sei deshalb von Bedeutung, weil die beklagte Partei dadurch erkennen könne, ob der technische Zustand der eingesetzten Fahrzeuge laufend überprüft worden sei. Es wäre Sache des Klägers gewesen, zu behaupten und beweisen, daß er die angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen habe. Der Kläger habe darüber hinaus, wohl um die Überschreitung der Lieferfrist entschuldbar erscheinen zu lassen, unzutreffende Angaben über deren Ursachen gemacht. Diese unrichtige Darstellung begründe ebenso wie die gewaltige Überschreitung der Lieferfrist Leistungsfreiheit.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und stellte in seiner rechtlichen Beurteilung in den Vordergrund, daß der Kläger die einem sorgfältigen Frachtführer vernünftigerweise zuzubilligende Lieferfrist (Art. 19 CMR) schon allein dadurch überschritten habe, daß der am 8. Jänner 1985 abgefertigte Käsetransport - wiewohl ein Erreichen der Fähre für den 10. Jänner 1985 vorgesehen gewesen sei - zunächst nach Wien gebracht und erst am 15. Jänner 1985 in Tarvis unterwegs gewesen, also 5 Tage später als vorgesehen abgefahren sei. Bei rechtzeitiger Abfahrt hätte allenfalls auch die zusätzliche wetterbedingte Verzögerung in Italien vermieden werden können. Nach den Umständen des Falles bestehe die Möglichkeit, daß der Schaden bei Einhaltung einer angemessenen Lieferfrist nicht eingetreten wäre, wenn etwa das Kühlaggregat erst zu Ende der Lieferfrist schadhaft geworden sein sollte. Die Bedeutung des Zeitablaufs für den Schutz der verderblichen Ware sei dem Kläger im Hinblick auf die vorgeschriebene Überprüfung des Kühlaggregates nach jeweils 500 Betriebsstunden und die Reparaturanfälligkeit erkennbar gewesen. Der Kläger habe weder behauptet, noch unter Beweis gestellt, daß der Schaden auch bei einer angemessenen Lieferfrist eingetreten wäre, etwa, weil das Kühlaggregat bereits in den ersten Tagen nach Übernahme der Ware schadhaft geworden wäre. Es sei daher gemäß Art. 5.4. der ABVT zu vermuten, daß die Überschreitung der Lieferfrist für den Eintritt des Schadens ursächlich gewesen sei. Das Berufungsgericht pflichtet dem Erstgericht darin bei, daß der Kläger auch seine Auskunftspflicht im Sinne des Punktes 9.2.1.2. der ABVT verletzt habe. Ein Kausalitätsgegenbeweis stehe dem Kläger diesbezüglich im Hinblick auf den Ausschluß des § 6 VersVG nicht zu. Die Beweislast für das Fehlen eines Verschuldens treffe überdies den Versicherungsnehmer (Punkt 9.3. der ABVT). Das Berufungsgericht ließ es dahingestellt sein, ob auch schon durch die allenfalls unrichtigen Angaben über das Bruttofrachtentgelt Leistungsfreiheit der beklagten Partei eingetreten sei (Punkt 8.1.1. der ABVT). Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus den Revisionsgründen des § 503 Abs 1 Z 2 bis 4 ZPO und beantragt, es im klagestattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt

Das Revisionsgericht hat die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit (§ 503 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO) geprüft; diese Revisionsgründe liegen jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Soweit der Kläger unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vorbringt, die zweite Instanz habe sich mit dem Vorbringen in der Berufung zum Teil überhaupt nicht auseinandergesetzt, dies werde auch als Nichtigkeit im Sinne des § 477 ZPO iVm § 503 Abs 1 Z 1 ZPO releviert, ist ihm entgegenzuhalten, daß Nichtigkeit im Sinne des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO - wie sie der Kläger offensichtlich im Auge hat - nur vorliegt, wenn die Fassung des Urteils so mangelhaft ist, daß dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann, wenn das Urteil mit sich in Widerspruch steht oder keine Gründe für die Entscheidung angegeben sind. Keiner dieser Gründe aber liegt vor; das Berufungsgericht hat insbesondere für jeden einzelnen entscheidenden Ausspruch Gründe angegeben (vgl. Fasching IV 139). Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht der Kläger geltend, es liege zwar eine Überschreitung der Lieferfrist vor, doch sei eine solche nur dann für die beklagte Partei leistungsbefreiend, wenn der Schadenseintritt durch die Verspätung erfolgt sei. Der Schaden sei jedoch durch einen Defekt am Kühlaggregat und nicht dadurch entstanden, daß die Ware zu lange gelagert wurde. Wann der Schaden am Kühlaggregat eingetreten sei, habe nicht festgestellt werden können. Er könnte durchaus bereits am letzten oder vorletzten Tag der planmäßigen Lieferfrist entstanden sein. Voraussetzung für die Vermutung im Sinne des Punktes 5.4. der ABVT sei, daß der Schaden tatsächlich durch die Überschreitung der Lieferfrist eingetreten sei. Da dies im vorliegenden Fall nicht feststehe, sei die Anwendung dieser Bestimmung verfehlt. Der Oberste Gerichtshof vermag diesen Ausführungen nicht beizupflichten. Nach der Bestimmung Punkt 5.4. der ABVT kommt es zu einer Beweislastumkehr, da dann, wenn nach den Umständen des Falles ein Schaden aus einer oder mehreren der in 5.1.1. bis 5.2.4. bezeichneten Ursachen entstehen konnte, bis zum Nachweis des Gegenteils durch den Versicherten vermutet wird, daß er daraus entstanden ist. Konnte daher der Schaden durch eine den Umständen nach nicht angemessene Überschreitung der Lieferfrist entstanden sein, wird vermutet, daß er hiedurch entstanden ist, so lange der Versicherte nicht das Gegenteil beweist. Nach Art. 19 CMR liegt eine Überschreitung der Lieferfrist vor, falls keine Frist vereinbart worden ist, wenn die tatsächliche Beförderungsdauer unter Berücksichtigung der Umstände die Frist überschreitet, die vernünftigerweise einem sorgfältigen Frachtführer zuzubilligen ist. Es ist eine Tatfrage, welcher Zeitraum einem Frachtführer danach zuzubilligen ist (Heuer, Die Haftung des Frachtführers nach dem Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr, 136). Da der Käsetransport in Salzburg am 8. Jänner 1985 abgefertigt und die Überfuhr nach Oran von Marseille aus am 10. oder 11. Jänner 1985 erfolgen sollte, wäre dem Kläger eine Beförderungsdauer von etwa 1 Woche zuzubilligen gewesen. Der Transport wurde jedoch nicht direkt durchgeführt, sondern aus Gründen, die der Kläger nicht aufzuklären vermochte, zunächst nach Wien gebracht und von dort aus erst am 14. Jänner 1985 begonnen, wobei diese Verspätung weitere Verzögerungen nach sich gezogen hat - Behinderung durch Schnee in Italien während eines Tages, mehrtägiger Aufenthalt in Marseille, schließlich zwei oder dreitägige Stehzeit in Oran, ehe die Entladung vorgenommen wurde - so daß das beförderte Gut den Empfänger etwa zwei Wochen später als vorgesehen, am 28. oder 29. Jänner 1985, erreichte. Es ist keine Frage, daß der Kläger damit die Lieferfrist in einer den Umständen nach nicht angemessenen Weise (Punkt 5.1.2. der ABVT) überschritten hat.

Es ist nun durchaus möglich, daß das Kühlaggregat des Sattelaufliegers, wenn es auch bei Antritt der Fahrt in ordnungsgemäßem Zustand (etwas Gegenteiliges wurde nicht festgestellt) war, bereits während der ersten Tage des Transports schadhaft wurde, also während jenes Zeitraums, der für die Lieferung den Umständen nach angemessen gewesen wäre. Es ist aber ebensogut möglich, daß der Defekt erst später aufgetreten ist, wie dies vom Kläger in der Revisionsschrift selbst vermutet wird. Entstand der Schaden am Kühlsystem aber erst nach Überschreitung der angemessenen Lieferfrist, hatte auch der an dem beförderten Gut eingetretene Schaden seine Ursache in dieser Überschreitung, da die Beschädigung des Gutes bei Einhaltung einer angemessenen Lieferfrist nicht eingetreten wäre. Konnte aber der Schaden durch Überschreitung der Lieferfrist entstanden sein, wird nach Punkt 5.4. der Versicherungsbedingungen, wie bereits ausgeführt wurde, vermutet, daß er daraus entstanden ist, solange nicht der Versicherte das Gegenteil beweist. Der Kläger hat das Gegenteil weder behauptet, noch auch bewiesen.

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ist schon aus diesem Grund von der Versicherung ausgeschlossen. Es bedarf deshalb keiner weiteren Prüfung, ob Leistungsfreiheit der beklagten Partei auch deshalb besteht, weil ihr allenfalls unrichtige Angaben über das Bruttofrachtentgelt gemacht wurden und weil der Kläger die im Punkt 9.1.2.1. der Versicherungsbedingungen festgelegte Auskunftspflicht verletzt hat. Es sei jedoch bemerkt, daß entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht aus Punkt 1.2.1. der ABVT nicht hervorgeht, daß die Verletzung der Auskunftspflicht nur dann als Obliegenheitsverletzung für die beklagte Partei leistungsbefreiend ist, wenn die Verletzung von rechtlicher Relevanz ist. Punkt 1.2.1. der Versicherungsbedingungen besagt nur, daß, soweit nach diesen Bedingungen die Kenntnis, das Verhalten oder die Erfüllung von Obliegenheiten von rechtlicher Bedeutung ist, bei der Versicherung von Fremdunternehmen auch deren Kenntnis, Verhalten oder Erfüllung von Obliegenheiten in Betracht kommt. Hat der Kläger die Auskunftspflicht verletzt, ist die beklagte Partei nach Punkt 9.3. der ABVT leistungsfrei, es sei denn, daß die Verletzung unverschuldet ist. Die genannte Bestimmung der Versicherungsbedingungen stellt - anders als § 6 Abs 3 VersVG, der zufolge Punkt 9.3.2. der Versicherungsbedingungen nicht anzuwenden ist; vgl. § 187 Abs 1 VersVG - weder auf den Grad des Verschuldens, noch auf die Relevanz der Verletzung ab. Leistungsfreiheit der beklagten Partei ist daher - ohne Rücksicht auf den Einfluß der Obliegenheitsverletzung auf die Feststellung des Versicherungsfalls und auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung - auch dann gegeben, wenn der Kläger seine Auskunftspflicht nicht vorsätzlich verletzt hat, es sei denn, die Verletzung wäre unverschuldet gewesen. Daß dies aber der Fall war, behauptet der Kläger gar nicht, er gesteht vielmehr ein fahrlässiges Verhalten in der Revision ausdrücklich zu.

Mit Recht haben daher die Vorinstanzen das Klagebegehren abgewiesen.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E15245

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00024.88.0714.000

Dokumentnummer

JJT_19880714_OGH0002_0070OB00024_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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