Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Adele G***, Pensionistin, Wien 4., Rienösslgasse 1/9, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 800.000,-- samt Anhang und Feststellung (Gesamtstreitwert S 850.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 11.Jänner 1988, GZ 14 R 258/87-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 29.Juni 1987, GZ 52 a Cg 1036/86-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Prozeßkosten.
Text
Begründung:
Die am 2.12.1921 geborene Klägerin war Professorin für die Fächer Deutsch und Latein am Bundesgymnasium Wien 13. Mit Bescheid des Stadtschulrates für Wien vom 27.10.1977, Zl.207.307/121-1977, berichtigt mit Bescheid vom 28.10.1977, Zl.207.307/123-1977, wurde die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen gemäß § 82 Abs 1 Z 1 Lehrerdienstpragmatik 1917, RGBl. Nr.319, mit 31.10.1977 bis auf weiteres in den zeitlichen Ruhestand versetzt. Mit Berufungsbescheid des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst vom 3.4.1978, GZ 111.241/3-18 A/a/77, wurde die Klägerin in Abweisung ihrer Berufung gemäß § 82 Abs 1 Z 1 Lehrerdienstpragmatik 1917, RGBl. Nr.319, mit Wirksamkeit von dem auf die Zustellung dieses Rechtsmittelbescheides folgenden Monatsletzten in den zeitlichen Ruhestand versetzt. Wie die Berufungsbehörde ausführte, habe die Klägerin nie bestritten, daß sie sich bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung des Stadtschulrates für Wien, länger als ein Jahr (507 Tage) im Krankenstand befunden habe; der Grund, warum sich die Klägerin im Krankenstand befunden habe, sei irrelevant. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin keine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Mit Schreiben vom 18.4.1978 und 11.1.1979 beantragte die Klägerin unter Hinweis, daß sie an einer Privatschule unterrichte, ihre Reaktivierung. Mit Bescheid des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst vom 12.3.1980, GZ 111.241/8-18 B/80, wurde das Ansuchen der Klägerin auf Wiederaufnahme in den Dienststand gemäß § 3 DVG 1958, BGBl. Nr.54, mangels Parteistellung zurückgewiesen. Aus § 16 Abs 1 BDG 1979 ergebe sich eindeutig, daß dem öffentlich-rechtlichen Bediensteten ein subjektives, aus dem Beamtenverhältnis erwachsendes Recht auf Wiederaufnahme in den Dienststand selbst dann nicht eingeräumt werde, wenn er die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen für die Wiederaufnahme in den Dienststand erfülle.
Die Klägerin begehrt nach Aufforderungsschreiben vom 20.12.1984, abgelehnt mit Schreiben der Finanzprokuratur vom 28.3.1985, mit der am 30.4.1986 eingebrachten Amtshaftungsklage den Zuspruch des Betrages von S 800.000 samt Anhang und die Feststellung, die beklagte Partei sei verpflichtet, ihr jeden weiteren Schaden zu ersetzen, der ihr aus der ihr im Jahre 1976 durch ungerechtfertigte Vorwürfe zugefügten Gesundheitsschädigung, der daraus resultierenden Ruhestandsversetzung und der damit verbundenen Bezugsminderung (Ruhebezugsminderung) entstehe und entstehen werde. Am 29.5.1976 seien ihr vom Direktor des Bundesgymnasiums Wien 13 in Gegenwart von vier Mitgliedern des Dienststellenausschusses Vorhaltungen über eine Reihe angeblicher Dienstpflichtverletzungen gemacht und in einer Niederschrift festgehalten worden; die schwertstwiegende Anschuldigung habe gelautet, die Klägerin habe bei 25 schriftlichen Lateinmaturaarbeiten aus dem Mai 1976 an die 100 Grammatikfehler und mehr als 120 Vokabelfehler weder markiert noch in die Beurteilung einbezogen. Wäre diese Behauptung richtig gewesen, so hätte sich die Klägerin durch eine derartige Fehlleistung wohl weitgehend für ihren Dienst als Lateinprofessorin disqualifiziert. Eben dies sei behauptet und ihre weitere Mitarbeit an der Reifeprüfung verhindert worden. In weiterer Folge sei die Unterrichtstätigkeit der Klägerin verhindert oder zumindest ihre zielführende Durchführung unmöglich gemacht worden, weil sich die Klägerin trotz intensivster Aufforderungen nicht freiwillig zur Versetzung in den Ruhestand bereit gefunden habe. Durch diese ungerechtfertigten Anschuldigungen, durch ihre oftmalige Wiederholung, durch Diffamierung vor Lehrerkollegen und auch in der Öffentlichkeit sei die Klägerin unter einen psychischen Druck gesetzt worden, dem sie nicht standgehalten habe. Obwohl sie bis dahin völlig gesund gewesen sei, eine positive Lebenseinstellung und auch eine sehr positive Einstellung zu ihrem Beruf gehabt habe, sei sie an einem psychosomatischen Herzleiden erkrankt, das sie für über ein Jahr krankheitsbedingt dienstunfähig gemacht habe. Die Dauer der krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit sei eine Folge der Fortsetzung der Druckausübung auf sie durch unrichtige Anschuldigungen und unrichtige Behauptungen sowie der Unmöglichkeit einer Überprüfung des Hauptvorwurfes, der Fehler bei der Maturaarbeitskorrektur, gewesen. Sie habe sich gegen die sie nur unter Überanstrengung ihrer psychischen Widerstandfähigkeit zur Wehr setzen können. Der Direktor habe Anschuldigungen gegen sie in Kenntnis ihrer Unrichtigkeit und mangelnden Berechtigung sowie in der erklärten Absicht erhoben, sie von der Schule wegzubringen. Im Jänner 1980 habe sich herausgestellt, daß mit der Überprüfung ihrer Korrekturen ein Kollege betraut gewesen sei, der wegen seiner eigenen fachlichen Schwierigkeiten als von vornherein ungeeignet habe erscheinen müssen und offensichtlich nur zwecks Sicherstellung des vom Schulleiter angestrebten und für die Klägerin vernichtenden Ergebnisses ausgewählt worden sei. Es sei der Klägerin zwar von Anfang an unmöglich erschienen, daß sie bei ihrer Maturaarbeitskorrektur tatsächlich eine derartige Fehlleistung erbracht haben sollte; um aber ganz sicher zu sein und die Unrichtigkeit der Anschuldigungen zu beweisen, hätte sie in die korrigierten und nachkorrigierten Maturaarbeiten Einsicht nehmen müssen. Dies sei ihr jedoch erst nach acht Jahren unermüdlicher Bemühungen, unterstützt durch ihren Gatten, unter Abhaltung von 50 öffentlichen Demonstrationen und nach teilweise mehrmaliger Befassung aller überhaupt in Frage kommender Organe einschließlich der Volksanwaltschaft und des Bundespräsidenten gelungen. Das Ergebnis dieser im Oktober 1984 ihr ermöglichten Einsichtnahme in die Maturaarbeiten sei gewesen, daß ihr höchstens sechs Korrekturfehler vorzuwerfen seien. Selbst wenn die ursprüngliche Nachkorrektur nicht gemäß einer entsprechenden Anordnung bewußt falsch vorgenommen worden wäre, stellte es zumindest eine grobe Fahrlässigkeit dar, daß dies nicht umgehend festgestellt worden sei. Anlaß dazu hätte der Widerspruch einer solchen anscheinend katastrophalen Fehlleistung zu der bis dahin sehr guten Dienstbeurteilung der Klägerin, die unzureichende Qualifikation des mit der Korrektur befaßten Kollegen und vor allem die Einwände der Klägerin, ihre Ersuchen und Anträge um Überprüfung bzw. Ermöglichung der Überprüfung sein müssen. Sowohl die Ruhestandsversetzung als auch die Unterlassung einer Aktivierung vor Eintritt des dauernden Ruhestandes stellten sich als grob fahrlässige Handlungen dar. Die zuständigen Organe und Behörden seien durch die mit höchster Intensität ausgeführten Bemühungen der Klägerin in jeder Weise davon in Kenntnis gewesen, daß die Klägerin die gegen sie erhobenen Anschuldigungen als unrichtig bezeichnet habe und daß ihre Erkrankung ein Resultat des durch diese unrichtige Anschuldigungen gegen sie ausgeübten psychischen Druckes gewesen sei. Es hätte für diese Organe und Behörden eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit sein müssen, zumindest und gerade wegen des Hauptvorwurfes der fehlerhaften Korrektur der Maturaarbeiten, eines Vorwurfes, der noch dazu einer weitestgehend objektiven Klarstellung zugänglich gewesen sei, eine Überprüfung vorzunehmen. Daß diese Überprüfung unterlassen worden sei, verwirkliche allein schon die Schuldform der groben Fahrlässigkeit. Daß ihr außerdem noch die Einsicht in die Maturaarbeiten verwehrt worden sei, könne bereits nur mehr aus der direkten Absicht erklärt werden, einen bereits zumindest als bedenklich erkannten Zustand nicht aufzuklären. Der Schaden sei ihr frühestens mit der Erkrankung, d.h. mit der Versetzung in den zeitlichen Ruhestand entstanden. Er sei ihr aber bis zur Einsichtnahme in die Maturaarbeiten im Oktober 1984 nicht bekannt geworden, da sie bis dahin keine Gewißheit über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Anschuldigungen gehabt habe und diese auch nicht als unrichtig habe beweisen können. Es sei daher für die Klägerin bis Oktober 1984 nicht festgestanden, ob ein schuldhaft zugefügter Schaden vorliege; nur ein solcher sei ein Schaden im Sinne des § 6 AHG. Der ihr zugefügte Schaden bestehe in der Differenz zwischen den Aktivbezügen, die sie ohne schuldhafte Zufügung der Gesundheitsstörung und damit bei Weiterbestehen des Aktivdienstverhältnisses erhalten hätte, und den Ruhestandsbezügen, die sie ab 1.5.1978 tatsächlich erhalte. Zur Frage, warum sie gegen den Berufungsbescheid des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst vom 3.4.1978 keine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde ergriffen habe, führte die Klägerin u.a. aus, daß selbst dann, wenn die Bescheide des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst richtig gewesen wären, sie dadurch, daß ungerechtfertigte Vorwürfe gegen sie erhoben worden seien, erkrankt sei und erkrankt geblieben sei. Im übrigen sei sie der Ansicht gewesen, daß eine Beschwerde von vornherein völlig aussichtslos gewesen wäre. Zwar sei der Tatbestand, der zur Ruhestandsversetzung geführt habe, schuldhaft herbeigeführt worden; dies ändere aber nichts daran, daß nach Eintritt dieses Tatbestandes der zwingenden Gesetzesanordnung über die Versetzung in den Ruhestand habe entsprochen werden müssen. Die Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen die Ruhestandsversetzungsbescheide sei unverschuldet unterlassen worden; behördlicherseits seien Erklärungen abgegeben worden, daß die Klägerin Aussicht auf Wiederindienststellung habe, eine solche Möglichkeit aber durch die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde verstellen würde.
Die beklagte Partei wendete ein, die Klägerin sei anläßlich der Lateinmaturaarbeiten zum Haupttermin 1976 weder bewußt unrichtig beschuldigt worden noch sei ihre weitere Tätigkeit an der Schule verhindert oder behindert worden. In den Krankenständen könne keine adäquate Folge der anläßlich der Matura aufgetretenen Meinungsverschiedenheiten erblickt werden. Die Klägerin sei Aufforderungen zum Dienstantritt nicht nachgekommen und habe damit selbst zu erkennen gegeben, daß sie die Anforderungen des Schuldienstes nicht mehr erfüllen könne. Dies habe sie sogar ausdrücklich zugegeben. Ein allfälliger Anspruch der Klägerin bestünde aber auch schon infolge Verletzung der Bestimmung des § 2 Abs 2 AHG nicht zu Recht, weil die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Berufungsbescheid vom 3.4.1978 nicht erhoben worden sei. Im übrigen seien allfällige Ansprüche der Klägerin verjährt. Der Klägerin sei es bereits lange vor 1983 ermöglicht worden, die korrigierten Maturaarbeiten einzusehen. Sie habe von dieser Möglichkeit aber keinen Gebrauch gemacht. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stehe nicht fest, warum die Klägerin eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof unterlassen habe. Eine Erklärung, sie möge eine solche unterlassen, weil dies eine Reaktivierung verhindern könne, sei von Organen der beklagten Partei nicht abgegeben worden. Die Klägerin sei darüber belehrt worden, daß ihr gegen den Bescheid vom 3.4.1978 eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof offenstünde. Rechtlich ging es davon aus, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen einer von der Klägerin erhobenen Beschwerde gegen den Berufungsbescheid vom 3.4.1978, die Behauptung der Klägerin, sie sei durch Psychoterror der Behörde in einen Zustand versetzt worden, der einen langdauernden Krankenstand nach sich gezogen habe, einer Überprüfung unterzogen hätte. Die Klägerin hätte aber für den Fall, daß der Verwaltungsgerichtshof ihrer Beschwerde, daß zu Unrecht Zeiten als Krankenstand bewertet worden seien, stattgegeben und den Bescheid aufgehoben hätte, den Schaden abwenden können. Der Anspruch der Klägerin sei aber auch verjährt. Die Klägerin habe vom Eintritt des Schadens am 14.4.1978 Kenntnis erlangt. Als Schädiger habe sie den Direktor des Bundesgymnasiums Wien 13 bezeichnet und diesen bezichtigt, er sei bereits 1976 Urheber der unrichtigen Anschuldigungen, die zu ihren Beschwerden geführt hätten, gewesen. Sie habe also ab 14.4.1978 Kenntnis des Schadens und des Schädigers sowie des rechtswidrigen Verhaltens eines Organes der beklagten Partei gehabt. Damit habe die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen begonnen. Der Geschädigte müsse den Kausalzusammenhang beweisen; auch hier müsse nicht eine absolute Sicherheit erzielt werden, sondern es reiche ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit aus. Die dreijährige Verjährungsfrist beginne mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen so weit kenne,daß eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden könne. Der Geschädigte dürfe nicht so lange zuwarten, bis er einen Prozeß zu gewinnen glaube. Die Klägerin habe behauptet, sie habe erst im Oktober 1984 Gewißheit von der Unrichtigkeit der wider sie erhobenen Anschuldigungen durch Einsicht in die Maturaarbeiten erlangen können; die Maturaarbeiten, deren fehlerhafte Korrektur die Klägerin bestreite, stellten ein Beweismittel dar, das auch im vorliegenden Rechtsstreit, hätte die Klägerin die Vorschrift des § 2 Abs 2 AHG nicht verletzt und wäre der Ersatzanspruch der Klägerin nach Ansicht des Gerichtes nicht verjährt, von der beklagten Partei hätten vorgelegt werden müssen, um die Behauptungen der Klägerin überprüfen zu können und um beurteilen zu können, ob die Vorgangsweise der Behörde vertretbar gewesen sei oder nicht. Es erübrige sich dann auch die Prüfung der Behauptung, daß der Klägerin die Einsicht in die Arbeiten verwehrt worden sei. Die Klage sei erst am 30.4.1986 bei Gericht eingelangt, so daß die Ersatzansprüche der Klägerin verjährt seien. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es übernahm die auf Grund eines mängelfreien Verfahrens getroffenen Feststellungen des Erstgerichtes. Im vorliegenden Fall hätte die Klägerin den geltend gemachten Schaden durch eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abstrakt gesehen abwenden können, weil ihr eine Beschwerde offen gestanden sei und sie damit die Möglichkeit gehabt habe, den ihre Versetzung in den Ruhestand verfügenden Bescheid außer Kraft zu setzen. Das Berufungsgericht verkenne nicht, daß die Klägerin den Amtshaftungsanspruch aus der Behauptung ableite, ein Schulorgan der beklagten Partei habe in rechtswidriger Weise auf sie psychischen Druck ausgeübt und dadurch ihre Erkrankung, als deren Folge sich längere Krankenstände ergeben haben, herbeigeführt, doch hätten die Folgen dieser schädigenden Handlung durch eine Beschwerde abgewendet werden können. Wenn nun die Berufungswerberin in ihrem Rechtsmittel die völlige Aussichtslosigkeit einer solchen Beschwerde behaupte und von der Rechtmäßigkeit des in Rede stehenden Bescheides ausgehen wolle, so mache sie damit den unzulässigen Versuch, die Frage des mangelnden Erfolges einer solchen Beschwerde im Amtshaftungsverfahren aufzurollen. Dies widerspreche dem Sinn des § 2 Abs 2 AHG. Auf die subjektive Meinung des Geschädigten, ob eine solche Beschwerde hätte aussichtsreich sein können, komme es nicht an. In der Unterlassung ordentlicher Rechtsmittel der im § 2 Abs 2 AHG ausdrücklich genannten Verwaltungsgerichtshofbeschwerde sei regelmäßig ein Verschulden zu erblicken. Die Klägerin habe gegen die sie treffende Rettungspflicht verstoßen und damit den geltend gemachten Amtshaftungsanspruch im Sinne des § 2 Abs 2 AHG verwirkt. Ein allfälliger Anspruch wäre aber auch verjährt. Von einem Schaden nach § 6 Abs 1 AHG könne nur dann gesprochen werden, wenn Anhaltspunkte dafür bestünden, daß ein vermögensrechtlicher Nachteil durch das schuldhafte Verhalten eines Organes herbeigeführt worden sei. Die Klägerin habe versucht, ins Treffen zu führen, daß es ihr trotz intensiver Bemühungen bis zum Oktober 1984 nicht gelungen sei, Einsicht in die schriftlichen Lateinmaturaarbeiten zu erhalten. Deshalb könne die Verjährungsfrist erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginnen. Dem sei entgegenzuhalten, daß die Klägerin die mangelnde Berechtigung der gegen sie erhobenen Vorwürfe auch ohne die Möglichkeit einer solchen Einsichtnahme im wesentlichen beurteilen hätte können. Sie behaupte, daß ihr nicht, wie von der Schulbehörde unterstellt, 220, sondern höchstens sechs Korrekturfehler unterlaufen seien. Es sei auszuschließen, daß die Klägerin bei einer derart krassen Differenz zwischen der Zahl der ihr vorgeworfenen und der Zahl der tatsächlich begangenen Korrekturfehler darüber hätte im Zweifel sein können, daß diese Vorwürfe ungerechtfertigt seien. Daß sie dieses Wissen auch tatsächlich gehabt habe, zeige die Tatsache, daß sie bereits jahrelang behauptet habe, gegen sie seien ungerechtfertigte Anschuldigungen erhoben worden, und daß sie die Öffentlichkeit in einer Vielzahl von Demonstrationen, durch Flugblätter und Wandzeitungen von der angeblich mangelnden Berechtigung dieser Anschuldigungen in Kenntnis gesetzt habe. Es sei davon auszugehen, daß ihr der gesamte ihren Anspruch begründende Sachverhalt bereits im Jahr 1978 so weit bekannt gewesen sei, daß sie habe beurteilen können, ob sie eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erheben könne. Bis zur völligen Gewißheit eines Prozeßerfolges werde der Beginn der Verjährungsfrist nicht hinausgeschoben. Jeder Rechtsstreit, der nicht durch Anerkenntnis oder Versäumnis zum Abschluß komme, schließe gewisse Risiken ein. Es gehe nicht an, die Verjährung erst zu einem Zeitpunkt beginnen zu lassen, zu dem dem Geschädigten der anzustrebende Prozeß nach seiner subjektiven Beurteilung bereits mehr oder weniger risikolos erscheine.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist berechtigt.
Ein Beweisverfahren in der Richtung, ob Organe der beklagten Partei der Klägerin rechtswidrig und schuldhaft einen Schaden zufügten, ist nicht durchgeführt worden. Beide Vorinstanzen kamen zur Abweisung des gestellten Begehrens, weil ein Amtshaftungsanspruch mangels Erhebung einer Beschwerde durch die Klägerin an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 2 Abs 2 AHG nicht zu Recht bestehe, ein solcher wäre überdies nach § 6 Abs 1 erster Satz AHG verjährt. Dem kann in beiden Richtungen nicht gefolgt werden. Auch der Ausschluß des Ersatzanspruches nach § 2 Abs 2 AHG setzt eine Sorglosigkeit des Amtshaftungsklägers im Umgang mit seinen Rechtsgütern voraus (SZ 57/172; SZ 55/190; SZ 55/81 ua; Loebenstein-Kaniak, AHG2 193). In der Unterlassung der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes durch die Klägerin kann eine solche Sorglosigkeit nicht erblickt werden. Zutreffend wurde im Berufungsbescheid des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst vom 3.4.1978 darauf hingewiesen, daß die nunmehrige Klägerin mehr als ein Jahr im Krankenstand gewesen sei, so daß sie kraft zwingender gesetzlicher Vorschrift in den Ruhestand versetzt werden müsse, ohne daß es eines Eingehens auf die Ursache ihrer Krankheit bedürfe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gab die Vorschrift des § 82 Abs 1 Z 1 Lehrerdienstpragmatik der Behörde keinen Ermessensspielraum; die Behörde war vielmehr verpflichtet, die Versetzung in den zeitlichen Ruhestand auszusprechen (VwGH 14.5.1979, ZfVB 1980/431; vgl. SZ 59/68). Diese Rechtslage und Spruchpraxis ließ die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes mit großer Wahrscheinlichkeit aussichtslos erscheinen; die Nichterhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde durch die Klägerin kann dann jedenfalls nicht als schuldhaft angesehen werden. Gleiches gilt für die Zurückweisung des Reaktivierungsantrages. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung in Übereinstimmung mit dem Verfassungsgerichtshof die Auffassung vertreten, daß ein Rechtsanspruch auf Ernennung zur Begründung eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses nicht besteht (VwSlg 10.048/A mwN). Auch die Wiederaufnahme in den Dienststand stellt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 16 Abs 1 BDG eine solche Ernennung dar (Zach, Beamtendienstrecht, § 16 BDG, Anm.9; vgl. VfSlg.8558/1979).
Die Klägerin führt ihre psychosomatische Erkrankung, die zur Versetzung in den Ruhestand geführt hat, auf ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten von Organen der beklagten Partei zurück. Ihr Hauptvorwurf läßt sich dahin zusammenfassen, daß Organe der beklagten Partei zu Unrecht die Klägerin beschuldigt hätten, sie habe anläßlich der Korrektur der schriftlichen Lateinarbeiten zum Hauptmaturatermin 1976 an die 100 Grammatikfehler und mehr als 120 Vokabelfehler weder markiert noch in die Beurteilung einbezogen. Wäre dieser Vorwurf (annähernd) richtig gewesen, mangelte es schon aus diesem Grunde an der Rechtswidrigkeit und an einem schuldhaften Vorgehen von Organen der beklagten Partei. Für den Beginn der Verjährung nach § 6 Abs 1 erster Satz AHG ist jener Zeitpunkt maßgebend, zu dem der Geschädigte auf Grund der ihm bekannten Tatsachen ohne nennenswerte Mühe auf das Verschulden irgendeines Organes des beklagten Rechtsträgers schließen kann (SZ 57/171 mwN; Loebenstein-Kaniak, AHG2 203). Dies entspricht der herrschenden Rechtsprechung zu § 1489 ABGB, wonach die dreijährige Verjährungsfrist grundsätzlich erst dann in Gang gesetzt wird, wenn neben der Kenntnis des Schadens dem Schädiger der gesamte seinen Anspruch begründende Sachverhalt so weit bekannt ist oder zumutbarerweise bekannt sein muß, daß er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erheben kann (SZ 56/76 mwN; Loebenstein-Kaniak aaO). Auf das Verschulden von Organen der beklagten Partei hätte die Klägerin mit ausreichender Gewißheit erst schließen können, als sie in diese Arbeiten und damit in die Nachkorrekturen Einsicht nehmen konnte. Das war nach ihren von der beklagten Partei, die behauptete, sie habe schon früher eine ihr angebotene und für sie zumutbare Einsichtnahme abgelehnt, bestrittenen Behauptungen im Oktober 1984 der Fall. Sicher sind die Maturaarbeiten auch für diesen Amtshaftungsstreit ein Beweismittel; für die Klägerin ging es aber nicht bloß um die Möglichkeit, in einem Amtshaftungsverfahren sich auf dieses Beweismittel berufen zu können, sondern durch Einsichtnahme vor Erhebung der Klage überhaupt beurteilen zu können, ob sie gegen Organe der beklagten Partei einen Schuldvorwurf erheben könne. Die Klägerin mag zwar persönlich überzeugt gewesen sein, daß der ihr gegenüber erhobene Vorwurf der völligen unzureichenden Korrektur nicht zutreffen mag; allein aus der Erinnerung konnte sie aber nicht annähernd beurteilen, ob und in welchem Umfang ihr dennoch aus Fahrlässigkeit derartiger Fehler unterlaufen sein mögen. Der erkennende Senat teilt daher nicht die Ansicht der Vorinstanzen, schon nach dem Vorbringen der Klägerin sei die dreijährige Verjährungszeit zum Zeitpunkt der Klagseinbringung bereits abgelaufen gewesen.
Der Revision ist Folge zu geben. Die Urteile der Vorinstanzen sind aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückzuverweisen. Im fortgesetzten Verfahren werden, wenn der Verjährungseinwand aufrecht erhalten wird, Feststellungen zu treffen sein, auf Grund derer der Beginn der Verjährungsfrist beurteilt werden kann; allenfalls wird in die Prüfung der materiellen Berechtigung der geltend gemachten Ansprüche einzugehen sein.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E14821European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00020.88.0719.000Dokumentnummer
JJT_19880719_OGH0002_0010OB00020_8800000_000