Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Prof. Rudolf H***, akademischer Maler, Mödling, Brühlerstraße 69, vertreten durch Dr. Manfred Lampelmayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Mag. Hermine H***, Restauratorin, Wien 9., Grundlgasse 5/10, vertreten durch Dr. Otto Kern, Dr. Wulf Kern, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterhalt (Streitwert restl. S 360.000 samt Anhang), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 28. Jänner 1988, GZ 43 R 1046/87-79, womit infolge Berufungen der klagenden und beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 27. März 1987, GZ 3 C 19/83-68, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.901,45 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.081,95 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem am 26. Juni 1970 vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien, 27 C 667/70, abgeschlossenen Vergleich verpflichtete sich der Kläger an die Beklagte, seine damalige Ehegattin, ab 1. Juni 1970 einen wertgesicherten monatlichen Unterhaltsbetrag von S 15.000 zu bezahlen. In der Folge wurde die Ehe der Streitteile gemäß § 55 Abs 3 EheG geschieden; gemäß § 61 Abs 3 EheG wurde ausgesprochen, daß den Kläger das Alleinverschulden an der Zerrüttung trifft. Mit dem am 29. Oktober 1981 vor dem Bezirksgericht Mödling, 2 C 4/80-19, abgeschlossenen Vergleich verpflichtete sich der Kläger, an die Beklagte ab 1. November 1981 einen monatlichen wertgesicherten Unterhaltsbetrag von S 20.000 zu bezahlen. "Diese Vereinbarung gilt unabhängig von der Berufstätigkeit der Beklagten".
Der Kläger begehrt ab 1. Juni 1983 die Herabsetzung des von ihm zu leistenden monatlichen Unterhaltes auf S 10.000, ab 1. Juni 1984 aber die Feststellung, daß der Unterhalt zur Gänze zu entfallen habe. Seit dem Vergleichsabschluß vom 29. Oktober 1981 hätten sich die Verhältnisse wesentlich geändert. Das Einkommen des Klägers habe sich in der Zwischenzeit halbiert. Der Kläger habe als emeritierter Hochschulprofessor ein Einkommen von S 35.000 monatlich. Die Sehkraft seiner Augen habe nachgelassen. Die Beklagte beziehe als Restauratorin ein eigenes Einkommen von monatlich S 40.000 (später heißt es monatlich S 13.000) netto. Die Vergleichsbestimmung, diese Vereinbarung gelte unabhängig von der Berufstätigkeit der Beklagten, habe sich nur auf eine Berufstätigkeit im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses, nicht jedoch auf eine zukünftige Berufstätigkeit bezogen.
Die Beklagte wendete ein, der Kläger verdiene mehr als zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses, ihre Einkünfte von rund S 13.760 netto monatlich seien gemäß dem Vergleich vom 29. Oktober 1981 überhaupt nicht zu berücksichtigen.
Das Erstgericht setzte den vom Kläger wertgesichert zu leistenden Unterhalt ab 1. Juni 1983 auf S 10.000 herab, das Mehrbegehren wies es ab. Es stellte fest, zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleiches vom 29. Oktober 1981 habe der Kläger mindestens S 87.500 monatlich verdient. Er sei damals wie heute mit 60 % an der Firma D*** mit dem Sitz in Vaduz beteiligt. Diese Gesellschaft sei Eigentümerin der Liegenschaft Mödling, Brühlerstraße 69, die vom Kläger gemietet worden sei und auf der er wohne. Es könne nicht festgestellt werden, ob dem Kläger Einkommen aus diesem Gesellschaftsverhältnis zufließe. Der Umfang des weiteren Vermögens des Klägers habe nicht festgestellt werden können; es werde jedoch als erwiesen angenommen, daß der Kläger mehr als fünf von ihm gemalte Bilder habe, über die er verfügen könne. Die Schaffenskraft des Klägers sei durch Minderung seiner Sehkraft eingeschränkt. Es sei jedoch anzunehmen, daß er noch in der Lage sei, halb so viele Bilder wie zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses zu malen. Die von ihm im einzelnen für seine Bilder erzielbaren Preise seien nicht feststellbar, der Kläger könne aber zumindest die Hälfte der früheren Preise erzielen. Die Einschätzung, um wieviel sein Einkommen gemindert sei, falle bei seinem verschleiernden Verhalten zweifellos schwer, der Kläger sei aber nach wie vor in der Lage, zumindest die Hälfte der Werke, die er früher geschaffen habe, zu malen. Unter Berücksichtigung der Geldwertverdünnung sei es ihm möglich, ebensoviel wie früher für ein Bild zu erzielen. Die Beklagte sei zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses schon diplomierte Restauratorin gewesen; ihr Einkommen zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses sei nicht feststellbar.
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß nach dem Inhalt des Vergleiches vom 29. Oktober 1981 eine Erhöhung des Einkommens der Beklagten keinen Einfluß auf die Unterhaltsverpflichtung des Klägers haben solle. Der Kläger sei dafür beweispflichtig, daß und inwieweit sich sein Einkommen reduziert habe. Eine präzise Feststellung der durch die körperlich bedingte Minderung der Schaffenskraft ausgelösten wirtschaftlichen Schlechterstellung des Klägers sei dem Gericht im Hinblick auf den Rang und Ruf des Klägers in der Kunstwelt auch nicht durch amtswegig vorzunehmende Einschätzung seiner Tätigkeit durch einen Sachverständigen zweckmäßig erschienen. Gemäß § 273 ZPO sei daher das Einkommen des Klägers in Relation zur reduzierten Seh- und Schaffenskraft vorzunehmen. Nach der Lebenserfahrung werde die Schaffenskraft und Vitalität eines Menschen ab dem 60., noch mehr aber ab dem 70. Lebensjahr allein durch den Alterungsprozeß entscheidend vermindert. Treten neben natürlichen Abnützungserscheinungen auch noch behindernde Leiden auf, so sei die Schaffenskraft eines alternden Menschen allein von seiner Willenskraft, noch tätig zu sein, abhängig. Dies gelte auch für den Kläger, der sich zur Fortsetzung seiner künstlerischen Tätigkeit bekannt habe. Dem Gericht sei bei Berücksichtigung der besonders gelagerten Umstände des Einzelfalles die Annahme einer Einkommensminderung von 50 % sachgerecht erschienen, wobei, wie es der Natur jeder Einschätzung entspreche, gewisse nur schwer und unter enormem Aufwand quantifizierbare Ungenauigkeiten in Kauf genommen werden müßten. Beide Teile erhoben Berufung. Das Berufungsgericht gab nur der Berufung der Beklagten Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das gesamte Klagebegehren abwies. Auf die Feststellung des Erstgerichtes über die Sehkraft des Klägers am linken Auge und die Schlußfolgerung, daß der Kläger nunmehr nur mehr die Hälfte seiner früheren Verkaufspreise erziele, müsse nicht näher eingegangen werden, weil es nur auf die gesamten finanziellen Verhältnisse des Klägers ankomme und zufolge seiner Unglaubwürdigkeit eine Veränderung dieser Verhältnisse zu seinem Nachteile nicht angenommen werden könne. Daß die Beklagte eigene Einkünfte habe, sei Grundlage des am 29. Oktober 1981 abgeschlossenen Vergleiches gewesen. Diese sollten bei der Unterhaltsverpflichtung des Klägers außer Betracht bleiben. Wenn diese Einkünfte der Beklagten seit dem Vergleichszeitpunkt gestiegen seien, so stelle dies keine Änderung der Vergleichsgrundlage dar, weil auf die Berücksichtigung der Eigeneinkünfte der Beklagten ohne Einschränkung verzichtet worden sei. Da sich die Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses 1981 nach den vorliegenden Verfahrensergebnissen nicht geändert hätten, sei vom bestehenden Unterhaltstitel nicht abzugehen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers, mit der er entgegen dem allgemeinen auf Aufhebung des Urteiles des Berufungsgerichtes gestellten Revisionsantrag die Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes anstrebt, ist nicht berechtigt.
Nur die Frage der Auslegung des Vergleiches vom 29. Oktober 1981 steht der Beurteilung des Obersten Gerichtshofes offen. Die Beurteilung, ob seit dem Vergleichsabschluß eine Änderung der Verhältnisse eingetreten sei, die eine Neubemessung des Unterhaltes rechtfertigten, gehört hingegen zu dem für den Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Bemessungskomplex (EFSlg. 52.708, 52.226, 49.374, 47.167 uva). Soweit daher der Revisionswerber unter Geltendmachung der Revisionsgründe nach § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO die Feststellung und Beurteilung des Berufungsgerichtes bekämpft, dem Kläger sei nicht gelungen, eine Veränderung seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten zu seinem Nachteil nachzuweisen, ist es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, darauf einzugehen. Die Auslegung des Vergleiches vom 29. Oktober 1981 bekämpft der Revisionswerber dahin, daß eine Änderung der Einkommensverhältnisse der Beklagten vom Ausschluß der Umstandsklausel nicht umfaßt sei. Da die Vorinstanzen zur Auslegung der dem Vergleich zugrundeliegenden Absicht der Parteien andere Beweismittel nicht herangezogen haben, ist die Auslegung dieses gerichtlichen Vergleiches ein Fall der rechtlichen Beurteilung (SZ 51/156; SZ 44/22; SZ 43/93 uva). Die Auslegung der Vorinstanzen ist aber zu billigen. Die Ansicht des Revisionswerbers, die Berufstätigkeit der Beklagten wäre nur für den Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses auszuklammern, nicht aber bei zukünftigen Bemessungen, läßt sich aus dem klaren Wortlaut des Vergleiches nicht ableiten. Eine solche Vereinbarung wäre auch den Parteien nicht zu unterstellen, da dann unbestimmt wäre, ab welchem Zeitpunkt allfällige Bezüge der Beklagten eine derartige Änderung der Vergleichsgrundlage, die zu einer Neufestsetzung des Unterhaltes führen könnten, bewirkten. Schon daraus folgt, daß Absicht der Parteien nur gewesen sein konnte, daß auch eine zukünftige Berufstätigkeit der Beklagten auf die Höhe des verglichenen Unterhaltes keinen Einfluß haben sollte.
Der Revision ist der Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E14810European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00586.88.0719.000Dokumentnummer
JJT_19880719_OGH0002_0010OB00586_8800000_000