TE Vfgh Beschluss 2001/10/3 G150/01

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Veröffentlicht am 03.10.2001
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung
62/01 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
AlVG §25 Abs4
AlVG §47 Abs1
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes betreffend Kürzung von Leistungen im Wege der Aufrechnung wegen Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges; Ablehnung des gleichzeitig eingebrachten Verfahrenshilfeantrags als aussichtslos

Spruch

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Der Antrag auf Gesetzesprüfung wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Unter Berufung auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG begehrt der Antragsteller mit selbst verfaßter Eingabe, §25 Abs4 erster Satz AlVG wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip, den Gleichheitsgrundsatz und die Eigentumsgarantie als verfassungswidrig aufzuheben. Weiters begehrt er, ihm für die Einbringung seines Antrages die Verfahrenshilfe zu bewilligen.

2. Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar (der zur Aufhebung beantragte Satz ist hervorgehoben):

Gem. §25 Abs1 AlVG ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes (der Notstandshilfe) zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Die Verpflichtung zum Ersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes besteht auch dann, wenn im Falle des §12 Abs8 AlVG das Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses festgestellt wurde, sowie in allen Fällen, in denen rückwirkend das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt oder vereinbart wird. Ebenso ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes (der Notstandshilfe) zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn nachträglich festgestellt wird, daß der Empfänger nicht arbeitslos im Sinne des §12 Abs3 litg AlVG war.

Abs4 lautet wörtlich:

"(4) Rückforderungen, die gemäß Abs1 vorgeschrieben wurden, können auf die zu erbringenden Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung mit der Maßgabe aufgerechnet werden, daß dem Leistungsbezieher die Hälfte des Leistungsbezuges freibleiben muß; sie vermindern den Anspruch auf die zu erbringenden Leistungen, auch wenn er gepfändet ist. Die regionalen Geschäftsstellen können anläßlich der Vorschreibung von Rückforderungen Ratenzahlungen gewähren, wenn auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners die Hereinbringung der Forderung in einem Betrag nicht möglich ist. Die Höhe der Raten ist unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners festzusetzen."

3. Zur Begründung seines Anfechtungsantrages führt der Antragsteller aus, daß er Notstandshilfe beziehe, die ihm das Arbeitsmarktservice mit "bescheidlosen" Mitteilungen zuerkannt habe. Für die Monate September, Oktober und Dezember 2000 sowie Jänner und Februar 2001 habe ihm das Arbeitsmarktservice die Notstandshilfe nicht in voller Höhe ausgezahlt, sondern jeweils eine Aufrechnung nach §25 Abs4 AlVG vorgenommen.

Es widerspreche aber dem Rechtsstaatsprinzip, dem Gleichheitsgrundsatz und der Eigentumsgarantie, wenn §25 Abs4 erster Satz AlVG eine Aufrechnung mit Gegenforderungen (Rückforderungen) des Arbeitsmarktservice zulasse, die vom Arbeitslosen bestritten bzw. noch nicht rechtskräftig festgestellt oder/und noch gar nicht fällig und vollstreckbar seien.

4. Der (Individual-)Antrag ist unzulässig; jener auf Bewilligung der Verfahrenshilfe offenkundig aussichtslos:

4.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist sohin, daß das Gesetz die Rechtssphäre der betreffenden Person berührt, also in deren Rechtssphäre eingreift, und diese - im Falle einer Verfassungswidrigkeit - verletzt.

4.1.1. Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß der Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar durch das Gesetz selbst tatsächlich erfolgt ist. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die - rechtlich geschützten - Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (vgl. VfSlg. 9084/1981).

4.1.2. §25 Abs4 erster Satz AlVG ermöglicht zwar unter den dort genannten Voraussetzungen einen Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers, mangels Bestimmung von Art und Ausmaß des Eingriffs bewirkt er ihn jedoch nicht unmittelbar.

Der konkrete Eingriff in die Rechtssphäre, der darin besteht, daß eine an sich gebührende (gem. §47 Abs1 erster Satz AlVG in der Regel zunächst formlos zuerkannte) Leistung im Aufrechnungswege gekürzt wird, erfolgt vielmehr erst durch einen über die Aufrechnung gem. §47 Abs1 zweiter Satz AlVG zu erlassenden Bescheid (vgl. etwa einen solchen Fall im E des VwGH vom 22.12.1998, 96/08/0387).

Diesen Bescheid kann der Antragsteller zunächst im Verwaltungsweg und letztendlich mit Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bekämpfen.

4.2. Der Antrag erweist sich daher mangels Legitimation des Antragstellers als unzulässig.

5. Da somit die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung vor dem Verfassungsgerichtshof offenbar aussichtslos erscheint, war sein unter einem gestellter Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abzuweisen.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG bzw. §72 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Arbeitslosenversicherung, VfGH / Individualantrag, VfGH / Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:G150.2001

Dokumentnummer

JFT_09988997_01G00150_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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