TE OGH 1988/7/28 7Ob624/88

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Veröffentlicht am 28.07.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf T***, Rentner, Traun, Böhmerwaldstraße 7, vertreten durch Dr. Eduard Saxinger und Dr. Peter Baumann, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagten Parteien 1. Helmut S***, Gastwirt, und 2. Helga S***, Gastwirtin, beide wohnhaft in Linz, Ödmühlweg 6, beide vertreten durch Dr. Erwin Höller und Dr. Reinhold Lingner, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 857.036,-- s.A., Rente (S 439.752,72) und Feststellung (S 100.000,--), Revisionsstreitwert S 599.012,96 und S 124.411,-- je s.A. und Feststellung (S 75.000,--) infolge der Revisionen beider Parteien gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 9. März 1988, GZ 3 R 324/87-49, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 19. Februar 1987, GZ 9 Cg 166/83-40 teils bestätigt teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision des Klägers wird nicht Folge gegeben.

Der Revision der Beklagten wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Teilurteil dahin abgeändert, daß es insgesamt zu lauten hat:

"1.) Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen S 394.482,66 samt 4 % Zinsen aus S 266.666,66 vom 1. Juli 1981 bis 26. Mai 1983, aus S 261.149,32 vom 27. Mai 1983 bis 21. Mai 1986 und aus S 394.482,66 seit 22. Mai 1986 zu bezahlen.

2.) Das Mehrbegehren, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen weitere S 329.541,34 samt 4 % Zinsen aus S 133.333,34 vom 1. Juli 1981 bis 26. Mai 1983, aus

S 135.574,68 vom 27. Mai 1983 bis 9. April 1984, aus S 175.574,68 vom 10. April 1984 bis 21. Mai 1986, aus S 307.941,34 vom 22. Mai 1986 bis 18. November 1986 und aus S 329.541,34 seit 19. November 1986 zu bezahlen, wird abgewiesen.

3.) Die Beklagten haften dem Kläger zur ungeteilten Hand für zwei Drittel aller künftigen Schäden aus dem Unfall vom 2. August 1980 in Linz, Ödmühlweg 6.

4.) Das Mehrbegehren, festzustellen, daß die Beklagten dem Kläger zur ungeteilten Hand auch für ein weiteres Drittel aller künftigen Schäden aus dem Unfall vom 2. August 1980 in Linz, Ödmühlweg 6, haften, wird abgewiesen.

5.) Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten."

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

In der Nacht vom 1. auf den 2. August 1980 hielt sich der Kläger in der Gastwirtschaft "Haselgrabenstuben" auf, die auf einer Liegenschaft der Beklagten betrieben wird. Nach dem Verlassen des Lokals gegen 3 Uhr früh stürzte er von einer Terrasse und erlitt dabei schwere Verletzungen. Die Beklagten wurden wegen dieses Unfalls rechtskräftig des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung schuldig erkannt, weil sie es als Betreiber der "Haselgrabenstuben" unterlassen haben, die Terrassenmauer ordnungsgemäß abzuschranken.

Der Kläger begehrt den Zuspruch von S 857.036,-- s.A. und zwar Schmerzengeld S 590.000,-- (unter Berücksichtigung eines Zuspruches von S 10.000,-- im Strafverfahren), Fahrkosten während der Heilbehandlung S 6.724,--, Verdienstentgang S 133.612,04 und Pflegekosten S 127.300,--, eine monatliche Rente von S 6.036,45 vom 1. Mai 1983 bis 31. Dezember 1985 und von S 6.849,62 ab 1. Jänner 1986 sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für alle seine künftigen Schäden. Zum Unfall sei es gekommen, weil die Beklagten entgegen einer behördlichen Auflage die Terrasse nicht abgeschrankt und auch für eine entsprechende Beleuchtung der Terrasse nicht gesorgt hätten.

Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage. Der Kläger sei beim Verlassen des Lokals alkoholisiert gewesen und habe offensichtlich versucht, über die 2,5 m hohe Mauer zum Parkplatz zu gelangen, um sich den Umweg über die Treppe zu ersparen. Die Mauer sei durch davor gepflanzte Bäume nur erschwert zugänglich gewesen. Überdies sei eine etwa 0,5 m hohe Abschrankung vorhanden gewesen. Wenn der Kläger beim Sprung von der Mauer gestürzt sei, habe er sich dies überwiegend selbst zuzuschreiben. Die Beleuchtungsverhältnisse seien ausreichend gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme eines Schmerzengeldteilbetrages von S 100.000,-- statt und traf folgende Feststellungen:

Um von der Straße zum Gasthaus der Beklagten zu gelangen, überquert man zunächst einen großen, asphaltierten Parkplatz, von dem eine 3,4 m breite, aus 12 Stufen bestehende Stiege zu der etwa 2,5 m höher gelegenen Terrasse vor dem Gasthaus führt. Zu beiden Seiten des Stiegenaufganges befindet sich eine Mauer, auf deren Krone in unregelmäßigen Abständen Beleuchtungskörper - auf eigenen Sockeln - angebracht sind. Zwischen dem terrassenseitigen Ende des Stiegenaufganges und der Hauswand befindet sich eine Rasenfläche, auf der drei Birken gepflanzt sind und die zum Parkplatz hin durch die an dieser Stelle 2,5 m hohe, 35 cm starke und 27 cm über das Rasenniveau reichende Mauer begrenzt wird. Die mit Waschbetonplatten ausgelegte Terrasse fällt zur Rasenfläche mit einer 23 bis 34 cm hohen Stufe ab. Die Entfernung vom Stiegenaufgang zur Hausmauer beträgt 3,6 m, der Abstand von der mit Waschbetonplatten ausgelegten Terrasse zu der die Rasenfläche umgrenzenden Mauer zwischen 2,3 m und 3,5 m. Die Zweige der Birken reichen nahezu über die gesamte Rasenfläche ("Vorplatz"). Ein Gehen entlang der Hausmauer bis zur Mauer ist dadurch behindert. Es ist nahezu unmöglich, in ungehinderter aufrechter Haltung über den Vorplatz zur oberen Kante der Mauer zu gelangen. Am leichtesten kann noch der dem Haus am nächsten gelegene Teil der Mauer erreicht werden. Der Abstand zwischen der dem Haus nächststehenden Birke und der Hauswand beträgt 1,5 m. Zwischen der Terrasse und der Rasenfläche befand sich am 1./2. August 1980 keine feste Abschrankung, sondern ein etwa 3,6 m langes, 10 cm breites Brett, das an seinen Enden auf einem je 35 cm hohen, locker in die Erde gesteckten Holzbalken auflag und von Gästen bereits des öfteren umgetreten worden war. Unterhalb der Mauer befanden sich vier Mistkübel.

Außer den auf den Mauersockeln, am Stiegenaufgang (2 Stück) und an der Hauswand (3 Stück) angebrachten Beleuchtungskörpern waren Leuchten mit Reklameaufschriften, davon zwei mit der Aufschrift "Coca-Cola", vorhanden. Die Beleuchtungskörper an der Hausmauer besaßen einen eigenen Stromkreis, ebenso auch die anderen angeführten Leuchten, mit Ausnahme einer "Coca-Cola"-Leuchte im Bereich zwischen der Straße und dem Haus, die ebenfalls einen eigenen Stromkreis aufwies.

Anläßlich der Baubewilligung für das gegenständliche Objekt vom 20. Juni 1974 wurde vorgeschrieben, daß Balkone, Loggien, Stiegenläufe, allgemein zugängliche Flachdächer und Terrassen mit mindestens 1 m hohen, entsprechend festen und witterungsbeständigen Abschrankungen zu versehen sind. Bei der Kollaudierung vom 14. April 1977 wurde von der Baubehörde festgestellt, daß noch die Abschrankung der Terrassenabgrenzung zur Haupttreppe herzustellen sei. Dieser Auflage war noch am 6. Mai 1981 nicht entsprochen worden. Der Kläger, der am 1. August 1980 bis um 22 Uhr als Schweißer tätig gewesen war, suchte nach seiner Arbeit, um etwa 23 Uhr, gemeinsam mit seiner Frau und einem befreundeten Ehepaar die Gastwirtschaft der Beklagten auf und unterhielt sich in der Folge vor allem mit einem ehemaligen Schulkollegen, den er zufällig in dem Lokal getroffen hatte. Beim Tanzen fiel der Kläger einmal dem Kellner Karl S*** auf, weil er laut lachte oder aufschrie. Nach

2.30 Uhr wurde der Kläger von zwei Personen vor das Haus geführt, wobei sie ihn unter den Armen hielten. Der Kläger war zu dieser Zeit angeheitert, aber nicht stark alkoholisiert. Er war auch in der Lage zu gehen und wurde von den beiden Männern nicht hinausgetragen oder hinausgeschleift. Die beiden Männer führten den Kläger zu einem unmittelbar im Bereich der Ausgangstüre befindlichen Tisch. Der Kläger widersetzte sich nicht beim Hinausführen, er verhielt sich ruhig und lag dann bäuchlings mit dem Kopf auf dem Tisch auf. Jemand brachte ihm die Tasche nach. Die Tasche und die Pantoffeln des Klägers lagen auf dem Boden.

Die Sichtverhältnisse waren zu dieser Zeit - zu der auch die anderen Gäste das Lokal verließen - so, daß man auf dem Terrassenbereich noch gut sehen konnte. Beim Gehen über die Stiege hinunter wurde es immer dunkler. Der Parkplatz lag zur Gänze im Finstern. Es brannten die Leuchten an der Hausmauer, nicht auch an der Umgrenzungsmauer des Vorplatzes und des Stiegenaufganges. Gäste, die das Lokal verließen, sahen den Kläger, der über dem Tisch lehnte, wobei er sich mit den Händen an der Tischplatte aufstützte, den Kopf nach unten gebeugt. Als eben diese Gäste über den Stiegenabgang zum Parkplatz kamen, hörten sie ein Geräusch, als ob etwas heruntergefallen wäre. Sie fanden den Kläger, der sich von dem Tisch wegbegeben hatte, über den "Vorplatz" gegangen war, über die Mauer auf einen darunterstehenden Mistkübel gestürzt und von dort zu Boden gefallen war. Es war in diesem Bereich so dunkel, daß ein Gast, der dem Kläger nach dem Unfall den Kopf hielt, nicht wahrnehmen konnte, daß der Kläger blutete. Im Parkplatzbereich war zu dieser Zeit nur die unmittelbar nach der Einfahrt von der Straße aufgestellte "Coca-Cola"-Tafel beleuchtet. Der Kläger lag nach dem Unfall bäuchlings, mit dem Kopf etwa 2,5 m von der Mauer entfernt, mit den Füßen in Richtung Mauer.

Die Fallbewegung erfolgte durch Vorwärtskippen des Klägers mit nachfolgendem Aufprall der oberen Gesichtsschädelhälfte. Der Kläger fiel dabei zunächst mit den Füßen auf dem Abfallkübel auf und führte dann eine Drehbewegung nach vorn aus. Beim Anstoßen an ein Hindernis, dessen Oberkante sich (so wie die durchschnittlich 30 cm über die Rasenfläche emporragende Mauerkante) unter dem Körperschwerpunkt befindet, wäre zu erwarten, daß der Absturz kopfüber erfolgt. Ein primärer Aufprall des Kopfes auf den Deckel des Abfalleimers ist aber weniger wahrscheinlich als ein Vorwärtskippen mit nachfolgendem Aufprall. Ein kraftvoller Absprung des Klägers von der Mauer mit dem Bestreben, sich von der Mauerkrone abzustoßen, ist auszuschließen.

Bei Annahme der größten feststellbaren Trinkmenge - 2/4 Liter Wein, die Hälfte einer 0,35 Liter Whisky-Flasche - hätte der Kläger zur Unfallzeit einen Blutalkoholspiegel von maximal 1,5 %o aufgewiesen. Bei einem solchen Wert ist die Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit in aller Regel nicht so stark herabgemindert, daß der Betroffene außerstandegesetzt würde, eine Gefahrenlage wie die im vorliegenden Fall bestehende zu erkennen und darauf entsprechend zu reagieren. Allerdings nimmt schon bei relativ niedrigen Blutalkoholwerten (ab etwa 0,5 %o) die Risikobereitschaft zu, so daß es bei einer höheren Konzentration zu einer individuell unterschiedlich starken Kritikminderung, Enthemmung und Überschätzung kommt. Bei Genuß gleicher Alkoholmengen treten nachts wesentlich stärkere Leistungsausfälle auf als untertags. Um etwa zwei Uhr nachts entsteht ein Leistungsminimum, wobei das Zusammenwirken von Übermüdung und Alkohol im Sinne eines additiven Effektes wirkt.

Der Kläger erlitt einen Schädelbasisbruch (ausgehend von der rechten Stirnhälfte), einen 6 mm dicken Bluterguß zwischen dem Stirnbein und der harten Hirnhaut (epidurales Hämatom), einen kleinen Bluterguß zwischen harter Hirnhaut und der Oberfläche des rechten Stirn- und Schläfenlappens (subdurales Hämatom), eine Läsion des rechten Sehnervs, eine 6 bis 7 mm lange Rißquetschwunde am rechten Oberlid sowie Hautabschürfungen im Gesicht und am linken Ellbogen. Im Gefolge dieser Verletzungen war der Kläger 12 Tage bewußtlos. Daran schloß sich eine Phase der Somnolenz (Bewußtseinsstörung in Form einer krankhaften Schläfrigkeit) und der Verwirrtheit an, später ein mittelgradiges organisches Psychosyndrom mit Störung der Frischgedächtnisfunktionen, Umständlichkeit, Perseverationstendenz, Stereotypie, Minderung der Konzentrationsfähigkeit und Reduktion der kognitiven Funktionsabläufe im Ausmaß einer Hirnleistungsschwäche mittleren Grades. Ferner erlitt der Kläger eine zentral-nervöse Sprachstörung mit Anomalie der Lautgebung, eine zentrale Facialisparese rechts (Schwäche der vom 7. Hirnnerv versorgten Muskulatur der rechten Gesichtshälfte); eine praktisch vollständige Erblindung des rechten Auges; eine Halbseitenschwäche der rechten Körperhälfte mit Betonung der rechten oberen Gliedmaße; eine mäßige Einschränkung der aktiven und passiven Beweglichkeit des rechten Schultergelenkes; eine spastisch-ataktische Gangstörung (langsame kurze Schritte mit gestörter Bewegungskoordination der unteren Gliedmaßen und erhöhter Muskelspannung im paretischen rechten Bein); eine herabgesetzte Berührungsempfindlichkeit an der rechten Körperhälfte und eine vom Kläger angegebene Erektionsschwäche mit daraus resultierender impotentia coeundi (derartige sexuelle Störungen sind schwer objektivierbar, doch bleiben nach Schädel-Hirntraumen häufig Potenzstörungen zurück). An Komplikationen kamen noch hinzu eine Lungenentzündung, ein Harnweginfekt und eine bakterielle Entzündung des linken Nebenhodens. Als Residuen der chirurgischen Behandlung blieben zurück ein 3,5 cm großer, häutig gedeckter Knochendefekt der rechten Stirnregion; vier weitere, gleichfalls häutig gedeckte Probebohrlöcher im knöchernen Schädeldach sowie ein Zustand nach linksseitiger Semikastration (Entfernung des linken Hodens und Nebenhodens wegen einer mit konservativen Mitteln nicht beherrschbaren, abszendierenden und fistelnden Entzündung). An bleibenden unfallskausalen Folgezuständen besteht ein mittelgradiges organisches Psychosyndrom mit den bereits erwähnten Teilerscheinungen; eine rechtsseitige Erblindung; eine inzwischen nur noch angedeutet vorhandene zentral-nervöse Sprachstörung mit verwaschener, nasaler, etwas monotoner und stimmlich veränderter Sprechweise; eine spastische Halbseitenschwäche und eine Sensibilitätsstörung im Bereich der rechten Körperhälfte; ein spastisch-ataktisches Gangbild, eine mäßige Einschränkung der aktiven und passiven Beweglichkeit des rechten Schultergelenks; eine 3,5 cm große, häutig gedeckte Knochenlücke in der rechten Stirnbeinhälfte; eine 12 cm lange, zarte, nicht entstellende Narbe zwischen dem rechten Oberlid und dem Haaransatz; ein Zustand nach operativer Entfernung des linken Hodens und Nebenhodens und die bereits beschriebene sexuelle Impotenz. Die Kopfverletzung setzt den Kläger außerstande, seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Schweißer wieder aufzunehmen. Die bleibenden Behinderungen sind so geartet, daß mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit des Klägers auch in weiterer Zukunft nicht mehr gerechnet werden kann. Während der mehr als dreimonatigen Rehabilitierungsbehandlung waren in der Beschäftigungstherapie keine nennenswerten Leistungen zu erzielen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers ist mit 100 % anzusetzen. Sie wird nach medizinischer Erfahrung in diesem Ausmaß auch weiterhin bestehen bleiben. Die nach substantiellen Hirnverletzungen zurückbleibenden Narben können zur Entstehung einer posttraumatischen Epilepsie führen. Da solche Anfallsleiden manchmal erst nach einer mehrjährigen Latenzzeit manifest werden, läßt sich für den konkreten Fall noch keine endgültige Prognose über spätere Komplikationen erstellen. Der spastisch-ataktische Gang belastet die Gelenke der unteren Gliedmaßen in einer unphysiologischen Weise. Es besteht daher die Möglichkeit, daß degenerative Veränderungen früher und/oder in verstärktem Maße auftreten. Im Gefolge des Schädeltraumas besteht eine verstärkte Neigung zu (witterungsabhängigen) Kopfschmerzen und Schwindelzuständen, die eine entsprechende medikamentöse Behandlung erfordern. Wegen der Beeinträchtigung des Koordinationsvermögens und der feinmotorischen Funktionen ist der Kläger darauf angewiesen, bei mehreren Verrichtungen des täglichen Lebens (zB Zuknöpfen des Hemdes, Verknoten der Schuhbänder, Zerkleinern von Speisen, Rasieren, Kopfwaschen ua) fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch das organische Psychosyndrom begründet die Notwendigkeit einer Betreuung und Hilfestellung, da dem Kläger in Anbetracht der Hirnleistungsschwäche und Wesensveränderung eine völlig eigenständige Lebensführung nicht zugemutet werden kann. Eine pflegerische Zuwendung ist im Ausmaß von etwa zwei Stunden täglich erforderlich, bei anhaltenden Schwindelzuständen und Kopfschmerzen kann die Betreuung auch wesentlich mehr Zeit in Anspruch nehmen. Der Kläger befand sich 207 Tage lang in stationärer Behandlung (davon 35 Tage in der Intensivstation). Insgesamt litt der Kläger 44 Tage an starken Schmerzen, 90 Tage an mittelstarken Schmerzen, 3 Monate an anhaltenden leichten Schmerzen und in der gerafften Dauer von weiteren vier Monaten an diskontinuierlichen leichten Schmerzen. Es besteht eine Minderung der Lebensfreude durch die zurückgebliebenen körperlichen Behinderungen und eine Störung der Persönlichkeitsentfaltung durch das organische Psychosyndrom. Zwischen dem 5. Dezember 1980 und dem 17. März 1981 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung im Rehabilitationszentrum Meidling. Zur besseren Eingliederung in die Familie wurde der Kläger jeweils zu den Wochenenden nach Hause geholt, wobei ihn sein Vater begleitete. Hiedurch liefen Transportkosten von S 6.724,-- auf. Ab März 1981 liefen - unter Berücksichtigung eines Stundensatzes von S 60,-- - insgesamt S 127.300,-- für Pflegeleistungen auf. Hievon entfallen auf die Monate Juni bis November 1986 S 28.600,--. Die Pflege wurde zuerst von der nunmehr geschiedenen Ehefrau und sodann von den Eltern des Klägers durchgeführt.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, die Beklagten hätten entgegen der ihnen erteilten Auflage eine zumindest einen Meter hohe Abschrankung im Bereich der Umfallstelle nicht vorgenommen. Gerade bei einem Gasthaus müsse damit gerechnet werden, daß sich im Terrassenbereich Personen mit nicht unerheblicher Alkoholisierung aufhalten. Die Unterlassung rechtfertige einen gravierenden Verschuldensvorwurf. Das Verschulden der Beklagten werde dadurch verstärkt, daß die Leuchten auf der Mauer und im Bereich des Stiegenabganges nicht eingeschaltet gewesen seien. Der Versuch des Klägers, über den "Vorplatz" zum Parkplatz zu gelangen, müsse ein mißlungener Versuch, den Stiegenabgang zu finden, gewesen sein. Es müsse angenommen werden, daß der Kläger auf Grund der herrschenden Sichtverhältnisse der Meinung war, "in diesem Bereich" ungefährdet zum Parkplatz zu gelangen. Daß der Kläger für seinen Weg nicht die Stiege benützt habe, könne ihm daher nicht als ein gravierendes Mitverschulden vorgeworfen werden. Das eigene Verschulden des Klägers sei vielmehr so gering, daß es zu vernachlässigen sei. Die Schmerzengeldforderung des Klägers sei mit S 500.000,-- angemessen, die weiteren Ansprüche seien zur Gänze berechtigt.

Die zweite Instanz gab der Berufung des Klägers zur Gänze, jener der Beklagten teilweise Folge und erkannte die Beklagten mit Teilurteil schuldig, dem Kläger S 599.012,96 s.A. zu bezahlen. Ein Mehrbegehren von S 125.011,04 s.A. wies es ab. Auch das Berufungsgericht sprach aus, daß die Beklagten dem Kläger zur ungeteilten Hand für alle künftigen Schäden aus dem Unfall vom 2. August 1980 haften. Hinsichtlich des Zuspruches von S 133.612,04 s. A. (Verdienstentgang) und der begehrten Rente hob die zweite Instanz das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf:

Eine Anfechtung des Aufhebungsbeschlusses ist jedoch nicht erfolgt. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes (die es allerdings hinsichtlich des Verdienstentganges als unzureichend bezeichnete) und ergänzte sie auf Grundlage einer Auskunft der P*** DER A*** vom 28. Juli 1986 (Beilage G) dahin, daß der Kläger einen Hilflosenzuschuß (unter anteiliger Berücksichtigung der Sonderzahlungen) im Jahre 1981 von S 2.803,50 monatlich, 1982 von S 2.875,83 monatlich, 1983 von S 2.955,17 monatlich, 1984 von S 3.014,67 monatlich, 1985 von S 3.064,83 monatlich und 1986 von S 3.118,50 monatlich bezogen hatte.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, das vom Kläger begehrte Schmerzengeld von S 600.000,-- (bzw. von S 590.000,-- unter Berücksichtigung des bereits im Strafverfahren erfolgten Zuspruches von S 10.000,--) sei angemessen. Neben den rein körperlichen Schmerzen komme den Dauerfolgen und den damit verbundenen psychischen Beeinträchtigungen besonderes Gewicht zu. Hervorzuheben sei das organische Psychosyndrom mit allen seinen Folgen, die rechtsseitige Erblindung, die Sprachstörung, die Gangstörung und nicht zuletzt die Impotenz sowie die dauernde Arbeitsunfähigkeit. Der zur Unfallszeit 31 Jahre alte Kläger müsse mit dem Bewußtsein leben, bis zu seinem Lebensende auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Beim Anspruch eines Geschädigten auf Ersatz von Pflegekosten gehe im Umfang der Gewährung der Hilflosenzuschuß gemäß § 332 ASVG auf den Sozialversicherungsträger über, und zwar unabhängig davon, ob sich der Geschädigte einer Pflegeperson bediene oder nicht. Mit Recht machten die Beklagten geltend, daß dem Kläger unter Berücksichtigung des von ihm bezogenen Hilflosenzuschusses der Ersatz der begehrten Pflegekosten von Mai 1983 bis Mai 1986 überhaupt nicht, für die Zeit von Juni 1986 bis November 1986 nur mit einem Betrag von S 481,50 monatlich, insgesamt S 2.889,--, zustehe. Der Forderungsübergang auf den Sozialversicherungsträger gemäß § 332 ASVG führe zu einem Verlust der Sachlegitimation des Geschädigten zur Geltendmachung der übergegangenen Ansprüche. Die Beklagten hätten zwar eine entsprechende Einwendung nicht ausdrücklich erhoben, doch habe der Kläger selbst vorgebracht, daß er einen Hilflosenzuschuß beziehe und habe dies auch selbst nachgewiesen. Der Bezug des Hilfosenzuschusses sei daher zu berücksichtigen. Nicht berechtigt sei der Einwand der Beklagten, den Kläger treffe ein - mit drei Viertel zu bewertendes - Mitverschulden. Der genaue Hergang des Unfalls sei ungeklärt geblieben. Es stehe fest, daß die Beklagten ein Verschulden an dem Unfall treffe. Den Beklagten sei es dagegen nicht gelungen, ein Verhalten des Klägers nachzuweisen, aus dem sich ein Mitverschulden ableiten lasse.

Das Teilurteil des Berufungsgerichtes bekämpfen beide Parteien mit Revision.

Der Kläger wendet sich gegen die Abweisung eines Teilbetrages von S 124.411,-- an Pflegekosten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes in diesem Umfang wiederherzustellen.

Die Beklagten machen geltend, daß die zweite Instanz es unbeachtet gelassen habe, daß das Urteil des Erstgerichtes unter Zugrundelegung einer Verschuldensverteilung von 3 : 1 zu Lasten des Klägers unangefochten geblieben sei. Sie bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichtes weiterhin, weil es nicht von einer derartigen Verschuldensteilung und der Höhe nach nicht von dem vom Erstgericht als angemessen bezeichneten Schmerzengeld ausgegangen sei, aus den Revisionsgründen des § 503 Abs. 1 Z 2 bis 4 ZPO mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß das Leistungsbegehren abgewiesen und die Haftung der Beklagten lediglich im Umfang von 25 % festgestellt werde; in eventu, es aufzuheben und die Rechtssache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen; in eventu, das Ersturteil dahin abzuändern, daß der "bereits rechtskräftige Teilzuspruch von S 116.681,-- nicht berücksichtigt" werde.

Beide Teile haben Revisionsbeantwortungen erstattet und beantragt, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt; jener der Beklagten kommt teilweise Berechtigung zu.

1.) Zur Revision des Klägers:

Der Kläger behauptet, es seien weder von ihm, noch von den Beklagten konkrete Prozeßbehauptungen über den Bezug eines Hilflosenzuschusses aufgestellt worden. Das Berufungsgericht habe die Feststellungen hiezu ohne Beweiswiederholung getroffen. Die Beklagten hätten in erster Instanz nicht vorgebracht, daß der vom Kläger bezogene Hilflosenzuschuß auf die Pflegekosten anzurechnen sei. Von Amts wegen sei eine Vorteilsausgleichung nicht wahrzunehmen. Wie jedoch die zweite Instanz zutreffend ausführt, hat der Kläger nicht nur bereits in der Klage auf den von ihm bezogenen Hilflosenzuschuß hingewiesen, sondern er hat die Höhe seiner Bezüge bei der P*** DER A*** einschließlich der Höhe des Hilflosenzuschusses durch Vorlage der Urkunde Beilage G auch selbst nachgewiesen. Der Kläger kann sich daher nicht über Feststellungen beschweren, die auf Grund seines eigenen Vorbringens und einer von ihm vorgelegten Urkunde - deren Echtheit unbestritten geblieben ist (Tagsatzung vom 18. November 1986, AS. 258 f) - getroffen wurden und die nur seinen eigenen Prozeßstandpunkt wiedergeben.

Soweit der Sozialversicherungsträger einen Hilflosenzuschuß gemäß der Bestimmung des § 105 a ASVG leistet, ist der Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der Auslagen für eine Pflegeperson gemäß § 332 ASVG auf den Sozialversicherungsträger übergegangen und der Geschädigte zur Geltendmachung von Pflegekosten nicht legitimiert (SZ 56/173, SZ 44/24 ua). Die Anordnung einer Legalzession hat mit dem Gedanken der Vorteilsausgleichung insoweit nichts zu tun, als das Gesetz in diesen Fällen eindeutig davon ausgeht, daß die Zuwendung des Dritten nicht auf den Schaden angerechnet wird, der Ersatzanspruch daher in voller Höhe bestehen bleibt und im Umfang der erbrachten Leistung auf den Dritten übergeht. Es handelt sich daher um ein Problem der aktiven Klagslegitimation des Geschädigten (8 Ob 264/82). Die mangelnde Sachlegitimation ist dadurch gekennzeichnet, daß der Rechtsansprecher wohl abstrakt dieses Recht für sich in Anspruch nehmen könnte, aber im konkreten Fall nicht materiell berechtigt ist. Die Frage der Sachlegitimation ist damit eine Frage des materiellen Rechts, die erst im Prozeß auf Grund eines bestimmten Sachvorbringens entschieden und nur auf Grund der Schlüssigkeit des Klagevorbringens oder einer Bestreitung durch die beklagte Partei wahrgenommen werden kann (Fasching II 127 f). Im vorliegenden Fall haben die Beklagten den Mangel der Aktivlegitimation des Klägers zur Geltendmachung von Pflegekosten im Umfang des von ihm bezogenen Hilflosenzuschusses erst in der Berufung und damit - wegen des Neuerungsverbotes - zu spät erhoben (AS 325; Fasching II 128). Das Begehren des Klägers ist jedoch in diesem Umfang bereits auf Grund seines eigenen Vorbringens unschlüssig, so daß seine fehlende Sachlegitimation auf Grund dessen wahrzunehmen war.

Auf die Frage des Ausmaßes, in dem der Anspruch des Klägers auf Ersatz von Pflegekosten auf den Sozialversicherungsträger übergegangen ist, wird noch bei Behandlung der Revision der Beklagten zurückzukommen sein.

Die Revision des Klägers erweist sich damit als unbegründet.

2.) Zur Revision der Beklagten:

Verfehlt ist es, wenn sich die Beklagten darüber beschweren, daß die zweite Instanz einen von ihnen - im Sinne einer Verschuldensteilung von 3 : 1 zu Lasten des Klägers - unbekämpft gebliebenen Teilbetrag von S 116.681,-- unberücksichtigt gelassen habe. Das Berufungsgericht hat das angefochtene Teilurteil ausdrücklich unter Einbeziehung auch der unbekämpften Teile der Entscheidung des Erstgerichtes neu gefaßt. Es hat dem Kläger keinesfalls - durch den "erneuten Zuspruch des bereits rechtskräftig zugesprochenen Teilbetrages" - mehr zugesprochen, als er beantragt hat, so daß von einem Verstoß gegen die Bestimmung des § 405 ZPO nicht die Rede sein kann.

Unberechtigt ist auch der Vorwurf, die zweite Instanz sei von den Feststellungen des Erstgerichtes ohne Vornahme einer Beweiswiederholung oder -ergänzung abgegangen. Stellt das Erstgericht auf Seite 21 seiner Entscheidung fest, ein primärer Aufprall des Kopfes des Klägers auf dem Deckel des Abfalleimers sei weniger wahrscheinlich ....., steht dies mit dem Hinweis des Berufungsgerichtes, daß der Kläger nach den Ausführungen eines im Strafverfahren beigezogenen Sachverständigen auch mit dem Kopf voran abgestürzt und mit dem Kopf auf den Abfalleimer aufgeschlagen sein kann, nicht in Widerspruch. Ebensowenig kann ein Abweichen des Berufungsgerichtes von den Feststellungen des Erstgerichtes darin gesehen werden, daß es zum Ergebnis gekommen ist, daß die - dünnen - Äste der Birken leicht beiseitegeschoben werden könnten. Das Erstgericht hat keineswegs als erwiesen angenommen, daß dies etwa nicht der Fall sei. Es hat lediglich festgestellt, daß es durch die Birkenzweige nahezu unmöglich sei, in ungehinderter aufrechter Haltung über den Vorplatz zur oberen Kante der Mauer zu gelangen. War es aber notwendig, die Zweige beiseite zu schieben, bildeten sie doch offensichtlich eine Behinderung.

Es trifft zu, daß die zweite Instanz die Feststellung des Erstgerichtes, die Coca-Cola-Leuchte bei der Einfahrt sei eingeschaltet gewesen, als unrichtig angesehen hat. Sie hat diese Feststellung jedoch als für die rechtliche Beurteilung als unwesentlich bezeichnet. Auch die Beklagten wenden sich mit keinem Wort gegen diese Ansicht. Es sei jedoch bemerkt, daß das Erstgericht davon ausgegangen ist, daß jene Coca-Cola-Leuchte brannte, die zwischen der Straße und dem Haus auf einem Hang aufgestellt war. Diese Leuchte aber besaß einen eigenen Stromkreis (AS 263) und war nicht mit den Kugelleuchten auf der Mauerumrandung (wie die zweite Coca-Cola-Leuchte) gleichgeschaltet. Es ist evident, daß diese Leuchte nach ihrer festgestellten Lage keinen Einfluß auf die Beleuchtung der Unfallstelle hatte.

Auch die geltend gemachte Aktenwidrigkeit ist nicht gegeben. Der Umstand, daß das Erstgericht genaue Feststellungen über die (wahrscheinliche) Fallbewegung des Klägers getroffen hat, ändert nichts daran, daß es genaue Feststellungen über den Unfallshergang nicht zu treffen vermochte.

Mit Recht dagegen wenden sich allerdings die Beklagten gegen die Ansicht der Vorinstanzen, den Kläger treffe kein oder doch nur ein so geringes eigenes Verschulden an seinem Unfall, weshalb dieses zu vernachlässigen sei. Das Mitverschulden iS des § 1304 ABGB erfordert keine Rechtswidrigkeit und ebenso auch kein Verschulden im technischen Sinn. Es genügt eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 1304, Koziol-Welser, Grundriß8 I 426), gegenüber den eigenen Gütern, worunter auch die Gesundheit fällt (7 Ob 626/81 ua). Es ist keine Frage, daß die Beklagten ein schwerer Vorwurf an dem Unfall des Klägers trifft, weil sie die vorgeschriebene Abschrankung des "Vorplatzes" unterlassen und statt dessen in völlig unzureichender Weise nur ein Brett in 35 cm Höhe angebracht haben, das noch dazu von Gästen des öfteren umgetreten wurde und, daß sie überdies zur Unfallszeit nicht für eine ausreichende Beleuchtung des Weges zum Parkplatz gesorgt haben. Das eigene Verschulden des Klägers an seinem Unfall ist jedoch keinesfalls so gering, daß es vernachlässigt werden könnte. Zwar ist den Ausführungen der Vorinstanzen durchaus darin beizupflichten, wonach Gastwirte damit rechnen müssen, daß Gäste in alkoholisiertem Zustand ihr Lokal verlassen und daß sie deshalb ihren Betrieb darauf einrichten müssen. Doch ändert dies nichts daran, daß der Kläger zur Unfallszeit durch ein Zusammenwirken von Alkoholisierung und Müdigkeit in seiner Kritikfähigkeit so stark herabgemindert war, daß es ihm - nachdem ihn zwei Männer aus dem Lokal auf die Terrasse geführt hatten - nicht in den Sinn kam, daß der Weg zum Parkplatz nicht durch eine Gruppe kleiner Bäume führen könne, deren dichtes Beisammenstehen und weit herabreichende Zweige ihm ein normales Gehen nicht gestatteten, so daß er die Zweige zur Seite schieben mußte, weshalb er weder dem immerhin vorhandenen, in 35 cm Höhe angebrachten Brett, das er übersteigen mußte, noch auch der 27 cm über dem Rasenniveau aufragenden Mauerkrone Beachtung schenkte, obwohl er nicht zum ersten Mal die Gastwirtschaft der Beklagten aufsuchte. Die Beleuchtung im Terrassenbereich war bis zum Beginn des Stiegenabganges nach den Feststellungen durchaus ausreichend. Hat der Kläger ungeachtet dieser Umstände nicht den Stiegenabgang benützt, sondern bedenkenlos eine Abkürzung (?) quer über den z" mit seiner Baumgruppe gesucht, trifft ihn der Vorwurf der Sorglosigkeit hinsichtlich seiner eigenen Gesundheit. Daß diese Sorglosigkeit vor allem auf die durch die Alkoholisierung des Klägers bedingte herabgeminderte Kritikfähigkeit zurückzuführen ist, beseitigt nicht ihre Vorwerfbarkeit. Gewiß kann eine Alkoholisierung für sich allein bei eindeutigem Verschulden des Gegners ein Mitverschulden nicht begründen (ZVR 1979/37). Nicht die Alkoholisierung als solche aber ist dem Kläger vorzuwerfen, sondern sein hiedurch bedingtes Fehlverhalten.

Auch nach Ansicht des Revisionsgerichtes ist aber das Verschulden der Beklagten höher einzuschätzen als jenes des Klägers. Denn es ist nicht daran zu zweifeln, daß eine ein Meter hohe Abschrankung den Kläger in deutlicherer und geeigneterer Weise als die vorhandenen Hindernisse - Brett, Baumgruppe - davon abzuhalten imstande gewesen wäre, den Weg zum Parkplatz über den "Vorplatz" zu suchen. Eine Verschuldensaufteilung im Verhältnis 2 : 1 zum Vorteil des Klägers erscheint nach den gegebenen Umständen gerechtfertigt. Die dem Kläger zugesprochenen und noch zuzusprechenden Beträge sind daher in diesem Verhältnis zu kürzen.

Zu Unrecht bekämpfen hingegen die Beklagten die Höhe des vom Kläger begehrten und von der zweiten Instanz in voller Höhe zugesprochenen Schmerzengeldes. Unter Berücksichtigung der Dauerfolgen, die die Kopfverletzung des Klägers nach sich gezogen hat - organisches Psychosyndrom, rechtsseitige Erblindung, Sprachstörung, Gangstörung, Impotenz, dauernde Arbeitsunfähigkeit und Pflegebedürftigkeit - erscheint ein Schmerzengeld von

S 600.000,-- der Höhe nach durchaus angemessen (vgl etwa 8 Ob 47/86). Im Hinblick auf die vorgenommene Verschuldensaufteilung entfällt zufolge des Quotenvorrechtes des Sozialversicherungsträgers der Zuspruch von Pflegekosten auch für die Zeit von Juni 1986 bis November 1986 zur Gänze. In Fällen der Legalzession ist der Schaden zunächst ohne Berücksichtigung der Sozialversicherungsleistung festzustellen und dann entsprechend dem Mitverschulden zu teilen. Vom verbleibenden Betrag ist, soweit die Legalzession eingreift, die ganze, dem Verletzten zukommende Sozialversicherungsleistung abzuziehen, weil nur auf diese Weise der Legalzession voll Rechnung getragen wird (ZVR 1977/309 uva, zuletzt etwa 2 Ob 556/87). Der Pflegekostenaufwand wurde für die Zeit von Juni 1986 bis November 1986 mit S 21.600,-- geltend gemacht; eine Kürzung auf zwei Drittel ergibt S 14.400,--. Da der Kläger für diesen Zeitraum, wie festgestellt wurde, Hilflosenzuschuß von

S 3.118,50 x 6 = S 18.711,-- erhalten hat, besteht insoweit kein Anspruch gegen die Beklagten mehr.

Es ergibt sich sohin, daß die Beklagten dem Kläger von den im Revisionsverfahren zu behandelnden Ansprüchen zu leisten haben:

Schmerzengeld zwei Drittel von S 600.000,-- unter

Berücksichtigung eines bereits im Strafverfahren zugesprochenen

Betrages von S 10.000,--      S 390.000,--

Fahrkosten zwei Drittel von S 6.724,--       S   4.482,66

                                         S 394.482,66.

Der Kostenvorbehalt erfolgte nach § 52 ZPO.

Anmerkung

E15478

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00624.88.0728.000

Dokumentnummer

JJT_19880728_OGH0002_0070OB00624_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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