Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4.August 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Hörburger, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Doblinger als Schriftführers in der Strafsache gegen Karl N*** wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z. 4 und 15 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 14.April 1988, GZ 9 b Vr 13.541/87-25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Akten werden zur Entscheidung über die Berufung dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Text
Gründe:
Der am 17.Oktober 1946 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Karl N*** wurde des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls nach §§ 127 (Abs 1), 128 Abs 1 Z. 4 und 15 StGB. schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien am 30. Oktober 1987 dem Safai-Siahkali K*** eine Kellnerbrieftasche mit 28.000 S Bargeld gestohlen (II) sowie am 19.November 1987 Berechtigten der Firma B*** ein T-Shirt und eine Stange Wurst im Gesamtwert von 310,60 S und am 11.Dezember 1987 Berechtigten der Firma K*** einen Autoradiokassettenrecorder im Wert von 4.990 S zu stehlen getrachtet (I 2 und 1).
Rechtliche Beurteilung
Das Urteil wird vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z. 1 und 5 StPO. mit Nichtigkeitsbeschwerde angefochten.
Die Urschrift des angefochtenen Urteils ist deutlich erkennbar (nicht von Mag. Ernest M***, sondern) von Dr. Doris T*** als Vorsitzender unterschrieben worden (S. 132), was der Vorschrift des § 270 Abs 1 StPO. entspricht. Ein allfälliger Fehler in einer dem Rechtsmittelwerber zugestellten Abschrift der Urschrift, einer "Urteilsausfertigung" (siehe Foregger-Serini, MKK.3 Anm. II zu § 269 StPO., Anm. I zu § 270 StPO.; ferner sehr instruktiv SSt. 5/58) ist für das Nichtigkeitsverfahren irrelevant. Soviel zur Rüge nach Z. 1.
Die Mängelrüge (Z. 5) wendet sich gegen den Schuldspruch wegen des vollendeten Diebstahls (II). Darnach war der Lokalpächter K*** gerade beim Umdrehen einer Gemüsetorte, was bei diesem überaus heiklen Kochgut äußerste Konzentration erforderte, als sich der Angeklagte näherte, mit K*** unterhielt, diesem unbemerkt eine Kellnerbrieftasche mit 28.000 S aus der Hosentasche zog und damit das Lokal verließ. Obwohl K*** schon kurz danach das Fehlen der Brieftasche bemerkte, blieb eine sofortige Verfolgung des Diebs, der sich rasch entfernt hatte, erfolglos.
Die Konstatierung, daß K*** den Diebstahl selbst nicht wahrnahm und dessen den Schuldspruch (auch) stützende Vermutung, daß es der Angeklagte war, der die Tat verübt hatte, sind miteinander durchaus vereinbar, weil das Gericht im Hinblick auf die Gegebenheiten, insbesondere den zeitlich engen Konnex zwischen Tat und Entdeckung, ein ausschließliches Gelegenheitsverhältnis des Angeklagten annahm (S. 130). Worin hier eine Undeutlichkeit liegen soll, bleibt unerfindlich.
Mit dem Vorwurf einer unzureichenden Begründung werden die Urteilsargumente dafür, daß K*** die Tatverübung selbst nicht bemerkt haben mußte (S. 130, 131), in Zweifel gezogen und die Glaubwürdigkeit des Zeugen K*** schlechtin in Frage gestellt, was aber auf eine unzulässige Bekämpfung der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung hinausläuft.
Als unvollständig bekämpft der Nichtigkeitswerber schließlich den Ausspruch, daß die Kellnerbrieftasche eine Barschaft von 28.000 S enthalten hat. Es ist dem Beschwerdeführer zuzugeben, daß im Verlauf des Verfahrens verschiedene Beträge genannten worden waren (S. 96, 98, 121), doch hat der Bestohlene in der Hauptverhandlung über genaue Befragung dargelegt, daß er damals die gesammelten Losungen eines längeren Zeitraums von daheim ins Lokal genommen hatte, um sie in die Bank zu bringen, wozu er jedoch nicht gekommen sei. Eine Nachprüfung anhand der Buchhaltung hätte bestätigt, daß sich in der Brieftasche eine Barschaft von etwa 28.000 S befand (S. 121, 122). Auch hier gründete das Gericht die Feststellung des Inhalts der Brieftasche letztlich auf die "große Glaubwürdigkeit" des Bestohlenen (S. 131), sodaß alle Einwände der Beschwerde diesbezüglich abermals unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung bekämpfen.
Die - ebenfalls in diese Richtung zielende - handschriftliche Eingabe des Nichtigkeitswerbers ON. 36 konnte keine Beachtung finden, weil die Strafprozeßordnung nur eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde kennt (§§ 285 Abs 1 StPO.) und dieses Rechtsmittel vom Verteidiger ausgeführt worden ist. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO.). Über die Berufung des Angeklagten wegen Strafe wird das Oberlandesgericht Wien zu befinden haben (§ 285 i StPO.).
Anmerkung
E14796European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0130OS00107.88.0804.000Dokumentnummer
JJT_19880804_OGH0002_0130OS00107_8800000_000