Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Antonia F***, Private, Weidlingerstraße 44, 3400 Klosterneuburg, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Inge W***, Hauseigentümerin, Dr. Karl Renner-Straße 15, 9900 Lienz, vertreten durch Dr. Gerhard Dorer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 336.072,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 6. Juli 1987, GZ 4 R 49/87-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 25. November 1986, GZ 6 Cg 35/86-24, bestätigt wurde,in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat der Beklagten die mit S 11.333,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.030,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin hat die der Beklagten gehörige, bebaute Liegenschaft EZ 198 KG Rudolfsheim im Exekutionsweg am 13. August 1985 durch Zuschlag erworben. Mit rechtskräftigem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 30. Mai 1984 war der Beklagten die Vornahme folgender Maßnahmen vorgeschrieben worden:
Die Untersuchung der gesamten Stiegenhausanlage und der Abschlußdecke einer Wohnung im 4. Stock auf vermutete Baugebrechen und die Vorlage eines diesbezüglichen Befundes eines Sachverständigen; die Instandsetzung einer schadhaften Stufe eines Stiegenaufganges zum Dachboden; die Anbringung fehlender Geländerholme im Stiegenhaus; die Instandsetzung bzw. Wiederanbringung von Füllelementen des Stiegengeländers; die Instandsetzung einer schadhaften Dacheindeckung des Gassentraktes; die Anbringung des fehlenden Verputzes auf der Stiegenhausdecke des Erdgeschoßes.
Diese Baumaßnahmen wurden von der Beklagten nicht durchgeführt. In der vorliegenden Klage wird der Ersatz der für die Behebung der Baugebrechen usw. erforderlichen Kosten in der Gesamthöhe von S 336.072,-- mit der Begründung begehrt, die Beklagte sei zu deren Vornahme und daher zur Kostentragung bescheidmäßig verpflichtet gewesen.
Die Beklagte beantragte Klageabweisung, weil die im Bescheid genannten Mängel im Exekutionsverfahren bekannt gewesen und bei der Festsetzung des Schätzwertes der zu versteigernden Liegenschaft bereits berücksichtigt worden seien.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Es traf folgende Sachverhaltsfeststellungen:
Der Bescheid vom 30. Mai 1984 war zwar dem im Exekutionsverfahren beigezogenen Sachverständigen nicht bekannt, die im Bescheid genannten Mängel lagen aber anläßlich der von ihm am 16. Juli 1984 durchgeführten Schätzung vor und wurden bei der Ermittlung des Schätzwertes berücksichtigt. Der Sachverständige zog vom Grund-, Bau- und Ertragswert der Liegenschaft samt Haus von S 1,417.400,-- wegen der festgestellten Mängel einen Betrag von S 317.400,-- ab und legte demgemäß einen Schätzwert der Liegenschaft von S 1,1 Mio zugrunde. Dabei verwies er auf die Notwendigkeit der Instandsetzung der Lichthöfe, des Stiegenhauses usw. und auch auf die erforderlichen Stufenausbesserungen. Die Klägerin hatte vor der Versteigerung in die Niederschrift des Sachverständigen über die Liegenschaftsschätzung Einsicht genommen und sich eine Kopie angefertigt. Am Tage nach der Versteigerung erfuhr sie auch vom vorgenannten Bescheid der Baubehörde. In der Folge holte sie einen Kostenvoranschlag ein, der sich auf S 275.885,-- belief, und gab die Arbeiten in Auftrag. Deren Durchführung kostete sie einschließlich Mehrwertsteuer den Klagsbetrag.
In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Erstgericht darauf, daß die Klägerin nicht angegeben habe, auf welchen Rechtstitel sie ihren Anspruch stütze. Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nach § 168 EO oder § 1431 ABGB sei zu verneinen, ebenso aber ein Anspruch nach § 1358 ABGB. Beim Liegenschaftserwerb komme eine Haftung für eine fremde Schuld nur für bisher unbekannte und beim Erwerb nicht berücksichtigte Verbindlichkeiten in Frage. Vorliegendenfalls seien die von der Klägerin schließlich behobenen Mängel bei der Festsetzung des Schätzwertes der Liegenschaft bereits berücksichtigt gewesen. Selbst wenn der Sachverständige die genannten Mängel aber nicht berücksichtigt hätte, wäre dies ohne Bedeutung geblieben, weil die Klägerin keine Pflicht getroffen habe, den Sachverständigen auf die erkennbaren Mängel hinzuweisen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es hielt die Ausführung in der Rechtsrüge der Klägerin, sie habe sich durch ihr Klagsvorbringen erkennbar auf den Anspruchsgrund des § 1042 ABGB gestützt, für zutreffend. Damit sei für sie jedoch nichts gewonnen. Ein aus § 1042 ABGB abgeleiteter Ersatzanspruch setze nämlich die Erfüllung einer fremden Schuld voraus. Bestehe auch eine eigene Schuld des Handelnden, so sei § 1042 ABGB nur anwendbar, soweit die eigene Schuld der des anderen subsidiär gewesen sei. Somit erscheine es hier erforderlich, die Rechtsgrundlage für die Behebung der im Bescheid vom 30. Mai 1984 angeführten Baugebrechen zu prüfen. Nach den Bauordnungen sei der Eigentümer eines Baues auch zu dessen Erhaltung verpflichtet. Komme er dieser Pflicht, hier nach § 129 Abs 2 der Wiener Bauordnung, nicht nach, so könne ihm im Rahmen dieser Erhaltungspflicht gemäß § 129 Abs 4 Wiener Bauordnung von der Baubehörde die Instandsetzung (Behebung von Baugebrechen) binnen angemessener Frist vollstreckbar aufgetragen werden, wenn diese wirtschaftlich sinnvoll sei; gegenteiligenfalls sei der Abbruch der Baulichkeit zu verfügen. Nach § 129 Abs 5 Wiener Bauordnung könne die Behörde dem Eigentümer auch die Vorlage von Sachverständigengutachten auftragen, wenn der Zustand Baugebrechen vermuten lasse. Nach herrschender Auffassung hafteten die in der Bauordnung und in den Verfügungen der Baubehörden begründeten Verpflichtungen jeweils auf der Liegenschaft. Einem baupolizeilichen Auftrag komme also dingliche Wirkung zu. Der Rechtsnachfolger im Eigentum einer Liegenschaft hafte daher auch für einen vom Rechtsvorgänger geschaffenen Zustand. Die Verpflichtung zur Beseitigung eines vorschriftswidrigen Baues oder Bauzustandes treffe somit nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den jeweiligen Eigentümer des Gebäudes. Dieser Grundsatz gelte nicht nur beim rechtsgeschäftlichen Erwerb, sondern auch bei einem Erwerb im Wege der Zwangsversteigerung. Bei dieser erfolge der Eigentumserwerb des Erstehers durch den rechtsbegründenden Akt des Zuschlages. Der Ersteher könne wegen Unrichtigkeit der Angaben, die in den Versteigerungsbedingungen oder in den vor der Versteigerung mitgeteilten Akten über die versteigerte Liegenschaft oder über deren Zubehör enthalten gewesen seien, keinen Anspruch auf Gewährleistung erheben. Zwischen Schätzung und Zuschlag eingetretene Verschlechterungen seien vorliegendenfalls von der Klägerin nicht behauptet worden. Die Baugebrechen laut Bescheid vom 30. Mai 1984 seien auch bereits im Zeitpunkt der Beschreibung und Schätzung der Liegenschaft vorhanden gewesen. Somit könne der Klagsanspruch aus den Bestimmungen der Exekutionsordnung nicht abgeleitet werden. Mit der Erteilung des Zuschlages erlange der Ersteher die Rechte und Pflichten, die sich für ihn aus dem Eigentum der Liegenschaft nach den Versteigerungsbedingungen und nach dem Gesetz ergäben. Von diesem Tag an habe der Ersteher auch die mit dem Eigentum verbundenen Lasten zu tragen. Damit sei aber mit der Erteilung des Zuschlages auf die Klägerin auch die sich aus § 129 Abs 2 und 4 Wiener Bauordnung ergebende öffentlich-rechtliche Verpflichtung übergegangen, das nun in ihrem Eigentum stehende Bauwerk in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung entsprechenden Zustand zu erhalten. Die Beklagte wäre ab diesem Zeitpunkt zur Einhaltung dieser Verpflichtung gar nicht mehr in der Lage gewesen. Der Grundsatz des lastenfreien Eigentumsübergangs bei einem Erwerb im Wege der Zwangsversteigerung gelte nicht für die kraft Geeetzes bestehenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen. Selbst ohne den Bescheid vom 30. Mai 1984 wäre die Klägerin nach Erteilung des Zuschlages als Eigentümerin verpflichtet gewesen, die vorhandenen Baugebrechen im Sinne des § 129 Abs 2 Wiener Bauordnung zu beheben. Aber auch die bescheidmäßige Verpflichtung sei auf sie übergegangen. Damit stehe fest, daß die Klägerin durch die nach dem Eigentumserwerb vorgenommene Behebung der im Bescheid angeführten Baugebrechen und durch die Einholung der im Bescheid angeordneten Sachverständigenbefunde eine sie selbst als Liegenschaftseigentümerin treffende, öffentlich-rechtliche Verpflichtung erfüllt habe. Bis zur Erteilung des Zuschlages sei auch die Beklagte zur Gebrechenbehebung verpflichtet gewesen. Mit dieser Erteilung des Zuschlages sei diese Verpflichtung aber zur Gänze und nicht bloß subsidiär auf die Klägerin übergegangen. Somit seien die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Ersatzanspruch der Klägerin auch nach § 1042 ABGB zu verneinen. Im übrigen müsse darauf hingewiesen werden, daß die Klägerin laut den vorgelegten Rechnungen auch Arbeiten, hinsichtlich welcher im Bescheid nur Befunderhebungen aufgetragen worden seien, in der Kostenhöhe von S 200.952,-- habe durchführen lassen. Dieser Betrag könne daher schon mangels behördlichen Auftrages nicht zuerkannt werden.
Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt die Klägerin eine auf den Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Klagsstattgebung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Die Revisionswerberin vertritt unter Hinweis auf Rummel in Rummel ABGB "Rz zu § 1042" und Koziol in JBl 1978, 632 den Rechtsstandpunkt, es liege hier Subsidiarität der Schuld der Klägerin im Sinne des § 1042 ABGB vor. Wäre die Beklagte ihrer bescheidmäßigen Verpflichtung nachgekommen, so hätten im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung keine Schulden mehr bestanden. Die Klägerin habe also nur deswegen dafür einzustehen, weil die Beklagte ihrer im Gesetz begründeten Verpflichtung nicht nachgekommen sei. Nach Koziol sei auch Subsidiarität nicht Voraussetzung. Im Sinne der Entscheidung SZ 14/87 gelte § 1358 ABGB auch für den Liegenschaftskäufer, der Grundsteuerrückstände bezahlt habe. Diese Ausführungen sind in keiner Weise stichhältig. Nach der vom Berufungsgericht zutreffend zitierten Bestimmung des § 129 Abs 2 Wiener Bauordnung sind Baulichkeiten vom Eigentümer in einem den Bauvorschriften entsprechenden Zustand zu erhalten. Bei Verstoß gegen diese Erhaltungspflicht kann die Baubehörde dem Eigentümer die Behebung der Baugebrechen binnen angemessener Frist vollstreckbar auftragen. Durch eine derartige baubehördliche Vollstreckungsverfügung wird die Verpflichtung des Eigentümers zur Beseitigung von Baugebrechen nicht erst begründet, sondern nur konkretisiert (VwGH Slg. 6.809).
Hieraus folgt für den vorliegenden Fall, daß der Bescheid vom 30. Mai 1984 keinen neuen selbständigen Verpflichtungsgrund darstellte, sondern mit diesem lediglich die Voraussetzung dafür geschaffen wurde, den unmittelbar vom Gesetz (§ 129 Abs 2 Wiener Bauordnung) geforderten Zustand nötigenfalls mit den Mitteln des Verwaltungszwanges herzustellen.
Da die Beklagte ihrer Erhaltungspflicht nicht nachkam, gelangte die Liegenschaft zwar mit einem bauordnungswidrigem Gebäude, aber auf der Grundlage eines demgemäß verminderten Schätzwertes zur Versteigerung. Als Ersteherin des bauordnungswidrigen Gebäudes war die Klägerin unabhängig davon, ob auch ein Bescheid bestand oder nicht und ob sie davon Kenntnis hatte auf Grund der Bestimmung des § 129 Abs 2 Wiener Bauordnung nunmehr allein verpflichtet, die sofortige Behebung der Baugebrechen vorzunehmen. Mit dem von ihr in der Folge getätigten Aufwand für die Behebung der Baumängel erfüllte sie daher eine ausschließlich noch sie als nunmehrige Eigentümerin betreffende Schuld. Anders wäre die Haftung nur im Falle einer auf Grund des Bescheides bereits erfolgten Ersatzvornahme und somit des Vorliegens einer Geldschuld des Voreigentümers (vgl. SZ 34/64; VwGH Slg. 3.390; Heller-Berger-Stix II 1186).
Der in der Revision vorgebrachte Einwand der Klägerin, es liege Subsidiarität ihrer Schuld und daher die Anwendbarkeit des § 1042 ABGB deswegen vor, "weil bei Zuschlagerteilung keine Schuld mehr bestanden hätte, wenn die Beklagte ihrer bescheidmäßigen Verpflichtung entsprochen hätte", übersieht somit sowohl den Rechtscharakter des Bescheides als bloßer Vollstreckungsverfügung als auch den Umstand, daß die mangelnde Erfüllung der bescheidmäßigen Verpflichtung durch die Beklagte bei der Festsetzung des Schätzwertes der Liegenschaft ohnehin ihren Niederschlag gefunden hat. Wäre die Beklagte dem Bescheidauftrag nachgekommen, so wäre auch der Schätzwert des sanierten Gebäudes um die Kosten der Mängelbehebung höher gewesen.
Aus den von der Revisionswerberin bezogenen, fehlerhaft zitierten Belegstellen ist für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen. Rummel in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1042, verweist in der Frage der Subsidiarität der Schuld auf Koziol in JBl 1978, 632, wo die Erfüllung einer bloß formell eigenen, materiell aber fremden Verpflichtung und die Schuld eines lediglich subsidiär Unterhaltspflichtigen als mögliche Anwendungsfälle des § 1358 ABGB behandelt werden. Vorliegendenfalls ist die Klägerin gemäß § 129 Abs 2 Wiener Bauordnung aber selbst materiell Verpflichtete. Die Entscheidung SZ 14/37 (unrichtig: 14/87) behandelte eine Geldschuld (Grundsteuer) des Voreigentümers der Liegenschaft, für welche der Eigentümer die Haftung übernommen hatte, und ist daher für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung.
Die Revisionswerberin hat somit keinen Aufwand für die Beklagte gemacht, sondern eine ausschließlich sie treffende Schuld erfüllt. Die Voraussetzungen für einen Ersatzanspruch nach § 1042 ABGB liegen daher nicht vor, denn dieser besteht unbestrittenermaßen nur, wenn der angeblich Verkürzte im Zeitpunkt der Erbringung seines Aufwandes nicht ausschließlich selbst zu diesem Aufwand verpflichtet war. Da der bauordnungswidrige Zustand des Gebäudes bei der Schätzwertermittlung im Exekutionsverfahren Berücksichtigung fand, scheidet hier auch ein auf die Bestimmungen der Exekutionsordnung zu stützender Ersatzanspruch grundsätzlich aus.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E14829European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00677.87.0830.000Dokumentnummer
JJT_19880830_OGH0002_0020OB00677_8700000_000