TE OGH 1988/8/30 2Ob554/88

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Veröffentlicht am 30.08.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Theresia W***, Hausfrau, Cobenzlgasse 68, 1190 Wien, vertreten durch Dr. Eduard Wegrostek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Walter W***, Schriftsteller und Lehrer, Cobenzlgasse 68, 1190 Wien, vertreten durch Dr. Roland Kassowitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt (Streitwert S 403.200,--), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 26. Jänner 1988, GZ 47 R 2116/87-102, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 31. August 1987, GZ 3 C 15/85-91, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere

Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Die am 9. Oktober 1968 vor dem Standesamt Wien-Floridsdorf geschlossene Ehe der Streitteile, der ein Kind, nämlich der am 14. Jänner 1970 geborene Sohn Markus entstammt, wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 28. Mai 1986, beiden Streitteilen zugestellt am 3. September 1986, aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten geschieden.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin mit ihrer am 8. Juli 1985 beim Erstgericht eingebrachten Klage die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung monatlicher Unterhaltsbeträge von S 11.200,-- ab Klagstag im wesentlichen mit der Begründung, daß sie in aufrechter Ehe mit dem Beklagten lebe, im Haushalt tätig sei und kein eigenes Einkommen habe. Der Beklagte verdiene monatlich netto S 40.000,--, verfüge über Ersparnisse im Betrag von ca. S 2,000.000,--, ein Tantiemenguthaben als Schriftsteller von S 150.000,-- und beziehe an Zinsen monatlich mindestens S 10.000,--. Er verletze seine Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin; neben den Auslagen für die Ehewohnung habe er der Klägerin für sie und das Kind monatlich nur mehr S 9.500,--, im Juli 1985 nur mehr S 6.000,-- bezahlt. Nach der Scheidung der Ehe brachte die Klägerin vor, daß ihr Unterhaltsbegehren (für die Zeit ab Ehescheidung) auf § 66 EheG gestützt werde (ON 46 S 165).

Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, sein monatliches Nettoeinkommen betrage nur S 20.436,--; er habe durch die von ihm erbrachten Naturalleistungen und Geldleistungen an die Klägerin seine Unterhaltspflicht erfüllt. Die Klägerin habe ihren Unterhaltsanspruch im wesentlichen deshalb verwirkt, weil sie seit etwa 2 1/2 Jahren ein intimes Verhältnis mit Werner T*** unterhalte, mit dem sie vom Beklagten am 5. März 1986 im ehelichen Schlafzimmer beim Ehebruch ertappt worden sei. Die Klägerin habe dem Beklagten aus seinem PKW Geld und berufliche Unterlagen, wie etwa sein Notizbuch, entwendet und ihn fälschlich beschuldigt, den gemeinsamen Sohn Markus verletzt zu haben. Zweimal habe sie den Beklagten dadurch öffentlich bloßgestellt, daß sie Zeitungsberichte über ihn bzw die Ehe der Streitteile lanciert habe. Schließlich sei am 19. November 1986 in der Wochenzeitung "Die ganze Woche" ein gegen ihn gerichteter Artikel mit Veröffentlichung des vollen Namens mit Fotos erschienen, wobei die Informationen zu diesem Artikel ebenso wie die veröffentlichten Fotos nur von der Klägerin weitergegeben hätten werden können.

Mit einstweiliger Verfügung des Erstgerichtes vom 20. Februar 1986 (ON 24) wurde der Klägerin für die Zeit ab 9. Oktober 1985 ein einstweiliger Unterhalt von monatlich S 6.000,-- (abzüglich bereits geleisteter Zahlungen von S 11.000,--) zugesprochen.

Mit Urteil vom 31. August 1987 (ON 91) wies das Erstgericht das Klagebegehren ab.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die Ehe der Streitteile verlief durch lange Jahre durchaus harmonisch. Der Beklagte war von der Eheschließung bis 1975 freiberuflich als Schriftsteller tätig. Die Klägerin betreute den Haushalt und unterstützte den Beklagten bei seiner schriftstellerischen Tätigkeit. Ab 1975 wurde der Beklagte auch noch Professor an einer Allgemeinbildenden höheren Schule. Etwa ab 1984 wurde die Ehe immer schlechter.

Die Klägerin hatte seit 1983 eine intime Beziehung zu Werner T***. Der Beklagte hatte ein intimes Verhältnis mit Mag. Eva S***, einer Kollegin, die in der gleichen Schule, in der auch der Beklagte unterrichtete, tätig war. Der genaue Beginn dieser Beziehung ist nicht feststellbar; sie bestand jedenfalls schon 1983. Der Beklagte strebte in der Folge aus der Ehe und erklärte seiner Frau öfter, sie könne die Scheidung haben. Die Klägerin hatte ihrem Mann von ihrem Verhältnis mit Werner T*** erzählt. Dabei erklärte sie ihrem Mann gegenüber auch, daß ihr Freund ihr höchste sexuelle Befriedigung verschaffe. Der Beklagte entgegnete daraufhin, sie könnte ja zu "ihrem Werner" gehen. Eine Scheidung wünschte die Klägerin zunächst nicht. Sie erklärte ihrem Mann gegenüber, sie wäre damit einverstanden, wenn das Vermögen ihr bleibe. Davon wollte der Beklagte aber nichts hören.

Schließlich teilte die Klägerin dem Stadtschulrat Wien, dem Arbeitgeber des Beklagten, mit, daß ihr Mann ein Verhältnis mit einer Kollegin habe, womit sie ihrem Mann Schwierigkeiten bereitete. Der Beklagte revanchierte sich, indem er seine Frau mied und öfter auch über Nacht wegblieb.

Im Jahr 1984 änderte der Beklagte die bisher übliche Kontogebarung und verwehrte seiner Frau Einblicke in seine Geldgebarung. Bis dahin war die Klägerin auf dem Konto ihres Mannes zeichnungsberechtigt gewesen. Ab diesem Zeitpunkt hielt der Beklagte seine Ehefrau finanziell kurz. Er gab ihr anfangs noch ausreichend Wirtschaftsgeld, das er im Lauf der Monate jedoch immer mehr kürzte. Gleichzeitig erklärte er, ihre Leistungen als Hausfrau nicht mehr in Anspruch zu nehmen. Er verbrachte die meiste Zeit außer Haus, nächtigte auch rund zweimal pro Woche auswärts und teilte seiner Frau mit, daß er auf Versorgung im Haushalt durch sie keinen Wert lege und ihre Leistungen als Ehefrau und Hausfrau nicht mehr in Anspruch nehme. In der Folge ging das Ehepaar vollkommen getrennte Wege.

Am 16. November 1985 erschien in der Tageszeitung "Kurier" ein Artikel unter dem Titel "Ehemann sperrt Salami ein, Gattin hungert". Dieser Artikel nannte nicht den Namen des Beklagten. Es kann nicht festgestellt werden, daß die Klägerin diesen Artikel lanciert hätte, "doch kam er jedenfalls aus ihrer Sphäre". In diesem Kurzbericht wurde der Beklagte negativ dargestellt. Diesen Artikel klebte die Klägerin zur besseren Kenntnisnahme durch den Beklagten an die Kühlschranktür, wo er ihn erstmalig zur Kenntnis nahm. Am 27. Februar 1986 erschien neuerlich in der Tageszeitung "Kurier" ein Artikel unter dem Titel "S 6.000,-- für die Würde der Ehefrau". Dieser Artikel enthielt in erster Linie Zitate aus der vom Erstgericht erlassenen einstweiligen Verfügung. Auch dieser Artikel stammte "aus der Sphäre der Klägerin". Es kann aber nicht festgestellt werden, daß die Klägerin persönlich dafür gesorgt hätte, daß der Artikel erschien.

Am 5. März 1986 traf der Beklagte im Schlafzimmer der Ehewohnung den Freund der Klägerin an. In dem darauf folgenden Gespräch gab Werner T*** zu, der Freund der Klägerin und mit ihr intim zu sein. Am 12. und 13. Mai 1986 erstattete die Klägerin Anzeige gegen ihren Mann bei der Polizei mit der Begründung, er habe ihren Sohn Markus verletzt. Der Beklagte hatte im Zuge einer Auseinandersetzung mit seiner Frau und seinem Sohn den Fernsehapparat zu Boden geworfen; dabei erlitt der Sohn eine leichte Körperverletzung. Die Klägerin holte sofort die Polizei und erklärte, ihr Mann habe den Fernsehapparat nach Markus geworfen. Das wegen dieses Vorfalls gegen den Beklagten eingeleitete Strafverfahren zu 4 U 2721/86 des Strafbezirksgerichtes Wien wurde mit Beschluß vom 22. Oktober 1986 gemäß § 451 Abs 2 StPO eingestellt.

Im April 1986 meldete der Beklagte seinen Sohn, der sich bei den Streitigkeiten seiner Eltern voll auf die Seite der Mutter stellte, wegen schlechter Schulerfolge von der Schule - er besuchte die

6. Klasse der AHS - ab. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 18. April 1986 wurden daraufhin dem Beklagten für eine gewisse Zeit die Elternrechte entzogen; mit Beschluß vom 11. Juni 1986 wurde der Weiterbesuch der Schule durch den Sohn der Streitteile angeordnet. Am 20. November 1986 erschien in der Wochenzeitung "Die ganze Woche" ein Artikel unter dem Titel "Dem Professor geht es gut. Ex-Frau und Sohn müssen hungern".

Der Text lautete:

Wenn morgens der Gasmann an der Tür des Reihenhauses in der Cobenzlgasse 24 in Wien-Döbling klingelt, weiß Rita W***, 35, schon

Bescheid: "Bitte sperren Sie mir Strom und Gas nicht ab, ich warte noch immer auf die Unterhaltszahlungen meines Ex-Gatten." Die Wiener Stadtwerke hatten bisher für Frau W*** mehr Verständnis als ihr schuldig geschiedener Ehemann. Dr. Walter W***, Mittelschulprofessor und Jugendbuchautor (Titel: "Das Ende von 1001 Nacht", "Drachenboote westwärts") läßt es sich seit der Scheidung im Mai 1986 in der Wohnung seiner Freundin Mag. Eva S. gut gehen. Rechtsanwalt Dr. Eduard Wegrostek: "Das Gericht hat festgestellt, daß er S 40.000,-- netto im Monat verdient. Vor einigen Wochen hat er sich um S 300.000,-- einen neuen BMW gekauft". Nur die Unterhaltszahlungen für seine Ex-Gattin will er freiwillig nicht zahlen. Das Gericht hat ihn zu Monatszahlungen von nur S 6.000,-- verpflichtet. Rita W***: "Mein Ex-Gatte läßt sich deshalb sogar pfänden. Da die Justiz aber langsam arbeitet, ist der Exekutionsantrag noch nicht genehmigt, und ich stehe seit einem halben Jahr ohne einen Groschen Geld da. Walter zahlt nur die Alimente für den Buben - S 3.000,-- - im Monat".

Vor 17 Jahren hatte der bärtige Mittelschullehrer die damals 18-jährige Arzt-Assistentin Rita "vom Fleck weg" geheiratet. 15 Jahre lang ging die Ehe gut. Das Paar unternahm zusammen Forschungsreisen und Rita W*** half ihrem Ehemann beim Abfassen seiner Buchmanuskripte. Vor 2 1/2 Jahren lernte Dr. W*** seine jetzige Freundin kennen. Rita W***: "Von einem Tag auf den anderen wurde meine Ehe zum Martyrium. Mein Mann benahm sich mehr als seltsam. So richtete er sich im Kühlschrank ein eigenes Fach für seine Lebensmittel ein und maß mit dem Lineal "seine Salami" ab. Obendrein markierte er mit Filzstift den Stand "seiner Getränke" - Cola, Milch und Wein. Die geplagte Ehefrau: "Wenn er mich oder unseren Sohn ertappte, weil wir von seiner Wurst aßen, dann tobte er. Zuletzt genehmigte er mir für Lebensmittel nur noch S 43,-- pro Tag.

Anwalt Wegrostek: "Nach der Scheidung drohte W*** seiner

Familie: Ich werde euch ausräuchern." Er überließ vorläufig seiner Frau das gemeinsam erworbene Reihenhaus (Wert: S 3,9 Millionen). Rita W***: "Allein an Betriebskosten muß ich S 6.000,-- im Monat zahlen. Ich kann aber auf meinen Hausanteil nicht verzichten, da meine Mitgift - mehrere hunderttausend Schilling - auch darinsteckt."

Der Schuldenberg der Frau wächst täglich. Sie sagt: "Meine Eltern, die Mindestrentner sind, unterstützen mich. Das wird nicht mehr lange möglich sein. Dann bleibt mir als letzter Ausweg nur noch das Frauenhaus. Und das ist es auch, was mein Mann will."

Die Klägerin hatte mit einem Reporter Peter M*** von "Die ganze Woche" Kontakt aufgenommen und ihm Informationen erteilt. Die Fotos, die dem Artikel angeschlossen waren, stammten ebenfalls aus dem Besitz der Klägerin. Grund für dieses Hinausgehen an die Öffentlichkeit war der Wunsch der Klägerin, sich beim Beklagten für das erlittene Unrecht zu revanchieren und das Verhalten des Beklagten einer möglichst großen Zahl von Lesern zugänglich zu machen, wobei ihr durchaus bewußt war, daß dem Beklagten als Lehrer durch die Tendenz des Artikels in seinem beruflichen Fortkommen und in seiner Stellung in der Gesellschaft Schaden erwachsen mußte. Der Beklagte wurde vor dem Erscheinen des Artikels nicht informiert. Durch die angeführten Artikel wurde der Beklagte in seinem beruflichen Fortkommen geschädigt. Er mußte sich vor einer wichtigen Persönlichkeit des Stadtschulrates verantworten, die ihm ihre Mißbilligung ausdrückte. Da der Beklagte sich schon mehrfach um einen Direktorposten beworben hat, werden diese Veröffentlichungen kaum seinem Aufstieg förderlich sein.

Die Klägerin hatte dem Reporter dezidiert erklärt, ihr Mann hungere sie aus. Sie erzählte dem Reporter auch, daß sie nichts von den Lebensmitteln ihres Mannes essen dürfe, weil der Beklagte sonst tobe. Weiters erzählte die Klägerin dem Reporter, sie habe darum kämpfen müssen, daß ihr Strom und Gas nicht abgesperrt würden. Der Beklagte kam seinen Zahlungsverpflichtungen zur Leistung der Betriebskosten für das Haus nach Erlassung der einstweiligen Verfügung nicht mehr nach. Die einstweilige Verfügung hatte aber darauf basiert, daß diese Zahlungen durch den Beklagten geleistet würden.

Inwieweit die Erklärungen der Klägerin betreffend Salami und Getränke gegenüber dem Reporter auf Wahrheit basierten, kann nicht festgestellt werden.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, die Klägerin habe ihren Unterhaltsanspruch bereits bei aufrechter Ehe verwirkt, da sie nicht nur seit 1983 die Ehe gebrochen, sondern darüber hinaus die familiären Zwistigkeiten in die Öffentlichkeit getragen und so den Beklagten in der Öffentlichkeit bloßgestellt habe. Da die Klägerin selbst über mehrere Jahre untreu gewesen sei und daher ihr Ehewillen zumindest in Frage gestellt werden müsse, könne dieses bloßstellende Verhalten nur auf Rachegelüsten basieren. In diesen Zeitungsartikeln sei die finanzielle Situation der Klägerin auch nicht korrekt dargestellt worden, da zum Beispiel in der Zeit, als "Die ganze Woche" geschrieben habe, die Klägerin und ihr Sohn müßten hungern, diese monatlich S 6.000,-- an einstweiligem Unterhalt bzw S 3.000,-- monatlich für den mj. Markus beanspruchen habe können, welche Beträge auch im exekutiven Weg hereingebracht worden seien. Für die Zeit nach der Scheidung sei § 74 EheG anzuwenden, da sich die Klägerin nach der Scheidung aus den angeführten Gründen einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltsverpflichteten schuldig gemacht habe.

Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Beschluß Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, infolge der mit der Rechtskraft der im Ehescheidungsverfahren zwischen den Streitteilen ergangenen Entscheidung verbundenen Präklusionswirkung sei der Beklagte im nach der Scheidung, fortgesetzten Unterhaltsprozeß von allen Einwendungen ausgeschlossen, die er schon gegen den Schuldantrag der Klägerin im Ehescheidungsverfahren hätte vorbringen müssen. Auch wenn die Klägerin durch ihr Verhalten während aufrechter Ehe ihren Unterhaltsanspruch an sich verwirkt hätte, könne infolge der Bindungswirkung des Verschuldensausspruches im Ehescheidungsverfahren die Verwirkung im vorliegenden Rechtsstreit bis zum Zeitpunkt der Scheidung nicht wirksam werden. Der Ehegattenunterhalt wirke über eine nach § 49 EheG erfolgte Scheidung nicht hinaus, weil der Rechtsgrund des Unterhaltsanspruches nach § 66 EheG von dem des während der Ehe bestehenden Anspruches verschieden sei.

Ob dem auf Grund des § 66 EheG gesetzlichen Unterhalt fordernden geschiedenen Ehegatten während aufrechter Ehe ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch nach § 94 ABGB zugestanden sei oder ob er einen solchen verwirkt habe, sei für die Beurteilung des Unterhaltsanspruches nach § 66 EheG ohne Bedeutung. Das allfällige Vorliegen eines Mißbrauchstatbestandes im Sinne des § 94 Abs 2 zweiter Satz ABGB während aufrechter Ehe schließe es nicht aus, daß den geschiedenen Ehegatten bei überwiegendem Verschulden an der Scheidung dennoch die Unterhaltspflicht nach § 66 EheG treffe. Für die Beurteilung der Verwirkung des nach Rechtskraft der Ehescheidung gebührenden Unterhaltes komme nurmehr § 74 EheG in Betracht.

Die Fortsetzung des Verhältnisses der Klägerin mit Werner T*** nach Rechtswirksamkeit der Scheidung stelle keinen Verwirkungstatbestand dar, weil die Klägerin nach erfolgter Scheidung nicht mehr zur Treue gegenüber dem Beklagten verpflichtet gewesen sei.

Der Artikel in der Zeitschrift "Die ganze Woche" sei tendenziell gegen den Beklagten gerichtet und dazu angetan, in der Öffentlichkeit Verachtung bzw Abscheu gegen den Beklagten zu erwecken. Unbestrittene Tatsachen würden mit angeblichen bzw vom Beklagten bestrittenen Äußerungen vermengt. Obwohl der Klägerin bereits mit Beschluß des Erstgerichtes vom 25. März 1986 zur Hereinbringung des einstweiligen Unterhaltes von S 6.000,-- monatlich die Gehaltsexekution gegen den Beklagten bewilligt worden sei, gehe der am 20. November 1986 veröffentlichte Artikel davon aus, daß die Klägerin hungere und friere. Weiters werde in dem Artikel zwar darauf hingewiesen, daß der Beklagte eine Freundin habe, das jahrelange Verhältnis der Klägerin mit Werner T*** werde jedoch nicht erwähnt. Die ausgewählten Fotos verstärkten die Tendenz des Artikels. Die Klägerin, über deren Verlangen die Ehe zuvor bereits geschieden worden sei, habe lediglich aus Rachegelüsten diesen Artikel lanciert. Gerade "Die ganze Woche" sei ein in Österreich bekanntes Wochenblatt, welches Tratschgeschichten aus dem Privat- bzw Familienbereich in der Öffentlichkeit auswalze und dabei in der Diktion und der gesamten Darstellung nicht immer sehr heikel sei.

Es führten aber nur besonders krasse Verfehlungen zur Unterhaltsverwirkung; bei Beurteilung der Frage der Unterhaltsverwirkung sei ein besonders strenger Maßstab anzulegen. In dem einmaligen Vorfall der Lancierung des Artikels in "Die ganze Woche" könne eine den Unterhaltsanspruch nach erfolgter Scheidung aus dem Alleinverschulden des Beklagten verwirkende Handlung der Klägerin nicht erblickt werden. Bei Beurteilung der Frage der Unterhaltsverwirkung dürfe auch das Verhalten des anderen Teiles nicht vernachlässigt werden. Der Beklagte habe dadurch, daß er nach Erlassung der einstweiligen Verfügung die Betriebskosten für das Haus nicht mehr bezahlt habe bzw daß er es auf eine Gehaltsexekution zur Hereinbringung der Ansprüche der Klägerin auf Grund der einstweiligen Verfügung ankommen lassen habe, gleichfalls zu erkennen gegeben, daß er nur von Rachegelüsten gegenüber der Klägerin geleitet werde.

Die Klägerin habe daher ihren Unterhaltsanspruch weder während der aufrechten Ehe noch danach verwirkt.

Im fortgesetzten Verfahren seien die für die Beurteilung der gesetzlichen Voraussetzungen und der Höhe des geltend gemachten Unterhaltsanspruches der Klägerin erforderlichen Feststellungen, zu treffen.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, "den angefochtenen Beschluß abzuändern und das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen".

Die Klägerin hat eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag erstattet, dem Rekurs des Beklagten keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig. Die Frage der Unterhaltsverwirkung betrifft nicht die Höhe, sondern den Grund des Unterhaltsanspruches (EFSlg 44.060; EFSlg 46.682 uva).

Sachlich ist das Rechtsmittel des Beklagten aber nicht berechtigt.

Die Rekursausführungen zur Bestimmung des § 69 Abs 2 EheG haben auf die hier zu lösenden Rechtsfragen keinen Bezug. Die Ehe der Streitteile wurde nicht nach § 55 EheG, sondern nach § 49 EheG aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten geschieden. Der gesetzliche Unterhaltsanspruch eines Ehegatten während aufrechter Ehe ist im § 94 ABGB geregelt, der gesetzliche Unterhaltsanspruch eines wegen alleinigen oder überwiegenden Verschuldens des anderen Teiles geschiedenen Ehegatten im § 66 EheG. Diese an verschiedene Voraussetzungen geknüpften Ansprüche bestehen grundsätzlich unabhängig voneinander. Die Verwirkung des Unterhaltsanspruches bei aufrechter Ehe aus früherer Haushaltsführung wird im § 94 Abs 2 zweiter Satz ABGB geregelt, die Verwirkung des Unterhaltsanspruches des geschiedenen Ehegatten im § 74 EheG. Ob dem auf Grund des § 66 EheG gesetzlichen Unterhalt fordernden geschiedenen Ehegatten während aufrechter Ehe ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch nach § 94 ABGB zustand oder ob ein solcher verwirkt wurde, ist für die Beurteilung des auf § 66 EheG gestützten Unterhaltsbegehrens ohne Bedeutung (EFSlg 43.707; EFSlg 43.708).

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß infolge der Rechtskraftwirkung des zwischen den Streitteilen ergangenen Ehescheidungsurteiles das Vorliegen eines den Unterhaltsanspruch der Klägerin während aufrechter Ehe betreffenden Verwirkungstatbestandes nicht angenommen werden kann. Denn in diesem in Rechtskraft erwachsenen Scheidungsurteil wurde ausgesprochen, daß der Beklagte die Zerrüttung der Ehe allein verschuldet hat. Damit ist mit Rechtskraftwirkung auch für den vorliegenden Unterhaltsstreit festgestellt, daß die Ehe ausschließlich durch Eheverfehlungen des Beklagten zerrüttet wurde; damit ist aber auch zwangsläufig mitausgesprochen, daß die Klägerin krasse Eheverfehlungen, wie sie die Verwirkung ihres Unterhaltsanspruches während aufrechter Ehe voraussetzt, nicht begangen hat, weil den Beklagten sonst nicht das alleinige Verschulden treffen könnte. Infolge der mit der Rechtskraft der Entscheidung im Ehescheidungsprozeß verbundenen Präklusionswirkung wurde der Beklagte im Unterhaltsprozeß von allen Einwendungen ausgeschlossen, die er schon im Ehescheidungsstreit gegen den Ausspruch seines alleinigen Verschuldens vorbringen hätte müssen (EFSlg 48.884). Die Rechtsmittelausführungen des Beklagten, mit denen er die Richtigkeit dieser Argumentation bestreitet, sind mit der Bindungswirkung des zwischen den Streitteilen ergangenen rechtskräftigen Ehescheidungsurteiles nicht in Einklang zu bringen. Für den vorliegenden Fall folgt daraus zunächst, daß ein Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten während aufrechter Ehe (§ 94 ABGB) nicht als verwirkt angesehen werden kann. Die Verwirkung eines Unterhaltsanspruches der Klägerin gegen den Beklagten nach der Ehescheidung (§ 66 EheG) wäre gemäß § 74 EheG nur dann zu bejahen; wenn sie sich nach der Scheidung einer schweren Verfehlung gegen den Beklagten schuldig gemacht hätte; daß sie gegen den Willen des Beklagten nach der Scheidung einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel geführt hätte, wurde nicht behauptet. Zur Beurteilung dieser Frage kann nur das Verhalten der Klägerin nach der Ehescheidung herangezogen werden; nach den Feststellungen der Vorinstanzen kommt hier nur die Lancierung des Artikels in der Wochenzeitung "Die ganze Woche" vom 20. November 1986 durch die Klägerin in Betracht.

Es ist durchaus richtig, daß durch die Bestimmung des § 74 EheG der Unterhaltspflichtige in seinen persönlichen und wirtschaftlichen Belangen insoweit geschützt ist, daß ihm nicht zugemutet werden kann, schwere Übergriffe des Unterhaltsberechtigten zu erleiden und trotzdem die auf der früheren Ehe begründete Unterhaltspflicht zu erfüllen. Solche Übergriffe können in Ehrverletzungen, falschen Anschuldigungen, aber auch in der Verbreitung von wahren Tatsachen, an deren Geheimhaltung ein schutzwürdiges Interesse des Unterhaltspflichtigen besteht, gelegen sein. Ob ein solches Verhalten eine schwere Verfehlung im Sinne des § 74 EheG bildet, hängt einerseits von der Gesinnung, aus der heraus das Verhalten gesetzt wurde, andererseits von der Art und Wichtigkeit der bekanntgegebenen Umstände sowie von der Art ihrer Weitergabe und den damit verbundenen Auswirkungen auf die Interessensphäre des Unterhaltspflichtigen ab (EFSlg 29.660; EFSlg 46.324 mwN ua). Allerdings kann eine in einem derartigen Verhalten gelegene Verwirkung des Unterhaltsanspruches dann nicht geltend gemacht werden, wenn dies infolge des Zusammenhanges dieses Verhaltens mit einem eigenen Verschulden des Unterhaltspflichtigen sittlich nicht gerechtfertigt wäre (EFSlg 2539; EFSlg 2542; EFSlg 22.899). Es trifft nun durchaus zu, daß nach den Feststellungen der Vorinstanzen der Grund für die Lancierung des erwähnten Zeitungsartikels durch die Klägerin darin lag, sich beim Beklagten für ihrer Meinung nach erlittenes Unrecht zu revanchieren und das ihrer Meinung nach verurteilenswerte Verhalten des Beklagten ihr gegenüber einer großen Anzahl von Lesern bekannt zu machen, wobei ihr bewußt war, daß dem Beklagten durch die Art dieses Artikels in seinem beruflichen Fortkommen und in seiner Stellung in der Gesellschaft Schaden erwachsen mußte. Nicht zu übersehen ist aber, daß sich die Klägerin in diesem Zeitungsartikel inhaltlich im wesentlichen darüber beschwerte, daß ihre Alimentierung durch den Beklagten unzureichend sei. Zieht man in Betracht, daß nach den Feststellungen der Vorinstanzen der Beklagte, nachdem er mit einstweiliger Verfügung vom 20. Februar 1986 (ON 24) zur Leistung eines einstweiligen Unterhaltes von monatlich S 6.000,-- an die Klägerin verhalten worden war, diese ihm auferlegten Leistungen keinesfalls freiwillig erbrachte, sondern es auf die exekutive Durchsetzung der Ansprüche der Klägerin ankommen ließ (siehe die Exekutionsbewilligung ON 28), dann wird deutlich, daß zwischen dem offensichtlichen Bestreben des Beklagten, der Klägerin die Erlangung ihr zugesprochener Unterhaltsleistungen zu erschweren, und der Lancierung des erwähnten Zeitungsartikels durch die Klägerin ein derartiger Zusammenhang besteht, daß es sittlich nicht gerechtfertigt wäre, der Klägerin dieses Verhalten als Verwirkungstatbestand im Sinne des § 74 EheG zuzurechnen. Mit Recht hat unter diesen Umständen das Berufungsgericht die vom Beklagten eingewendete Verwirkung des geltend gemachten Unterhaltsanspruches der Klägerin verneint. Dies mußte zwangsläufig, da die für die Beurteilung dieses Unterhaltsanspruches (§ 94 ABGB bis zur Scheidung der Ehe, § 66 EheG für die Zeit nachher) dem Grund und der Höhe nach erforderlichen Feststellungen nicht getroffen wurden, zur Aufhebung der Entscheidung des Erstgerichtes führen. Dem Rekurs des Beklagten muß daher ein Erfolg versagt bleiben. Da dieses Rechtsmittel zur Klärung der Rechtslage beigetragen hat, ist die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens im Sinne des § 52 ZPO dem weiteren Verfahren vorzubehalten (EvBl 1958/28 ua).

Anmerkung

E14967

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00554.88.0830.000

Dokumentnummer

JJT_19880830_OGH0002_0020OB00554_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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