TE OGH 1988/8/31 9ObA173/88

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Veröffentlicht am 31.08.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Oder und Peter Pulkrab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Wolfgang G***, Maschinist, Schwarzenberg im Mühlkreis 98, vertreten durch Dr. Heinrich Ehmer, Referent der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, Volksgartenstraße 40, dieser vertreten durch Dr. Aldo Frischenschlager, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei T***-A*** AG, Linz, Südtiroler-Straße 34, vertreten durch Dr. Heinz Oppitz und Dr. Heinrich Neumayr, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung (Streitwert 35.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. April 1988, GZ 13 Ra 1131/87-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 5. Oktober 1987, GZ 15 Cga 1125/87-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das erstgerichtliche Urteil wird mit der Maßgabe wiederhergestellt, daß es zu lauten hat:

Es wird festgestellt, daß dem Kläger für jeden Arbeitstag, an dem er von der beklagten Partei außerhalb von Linz und so weit weg von Schwarzenberg im Mühlkreis eingesetzt ist, daß ihm eine tägliche Rückkehr nach Schwarzenberg nicht zugemutet werden kann, das Trennungsgeld für betriebsentsandte Arbeitnehmer nach § 9 Abschnitt II Z 2 lit a des Kollektivvertrages für Bauindustrie und Baugewerbe zusteht.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit 200,50 S an Barauslagen bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit 54,50 S an Barauslagen bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.829,75 S (darin 257,25 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 2. März 1987 als Maschinist beschäftigt. Er ist ledig und hat seinen Hauptwohnsitz in Schwarzenberg im Mühlkreis, wo er mit seinem Vater und seiner Schwester in einem landwirtschaftlichen Anwesen wohnt. Er wurde von der Beklagten für den Dienstort Linz aufgenommen, welcher etwa 85 km vom Wohnort entfernt ist. Während der Arbeitswoche bewohnt der Kläger mit Arbeitskollegen ein aus einem Raum bestehendes Firmenquartier in Linz, das mit einer Kochgelegenheit ausgestattet ist. Er wird regelmäßig auch auf Baustellen außerhalb von Linz eingesetzt. Auf sein Arbeitsverhältnis ist der Kollektivvertrag für Bauindustrie und Baugewerbe (kurz Kollektivvertrag) anzuwenden. Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger zunächst die Feststellung, daß ihm für jeden Arbeitstag, an dem er von der Beklagten außerhalb des Dienstortes in einer solchen Entfernung vom Wohnort eingesetzt werde, daß ihm eine tägliche Rückkehr an den Wohnort nicht zugemutet werden könne, das Trennungsgeld für betriebsentsandte Arbeitnehmer nach § 9 Abschnitt II Z 2 lit a des Kollektivvertrages zustehe. Dieses Begehren modifizierte der Kläger in der mündlichen Streitverhandlung dahin, daß festgestellt werde, daß als Wohnort im Sinne des § 9 Abschnitt II Z 1 des Kollektivvertrages nicht Linz, sondern Schwarzenberg anzusehen sei. Da sein Wohnort Schwarzenberg sei, stehe ihm bei Einsätzen außerhalb von Linz ein Trennungsgeld zu, wenn er nicht täglich nach Schwarzenberg zurückkehren könne.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Entscheidend sei, ob der Kläger bei auswärtigen Einsätzen als betriebsentsandter Arbeitnehmer im Sinne des § 9 Abschnitt II Z 2 lit d des Kollektivvertrages anzusehen sei. Dies sei nur dann der Fall, wenn es dem Kläger nicht zugemutet werden könne, täglich an den Dienstort Linz zurückzukehren. Sei ihm aber eine tägliche Rückkehr nach Linz zumutbar, stehe ihm kein Trennungsgeld zu.

Die in Betracht kommenden Bestimmungen des Kollektivvertrages

lauten wie folgt:

"§ 9 Sondererstattungen

II. Trennungsgeld

1. Arbeitnehmer, die so weit weg von ihrem ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) arbeiten, daß ihnen eine tägliche Rückkehr zu ihrem Wohnort (Familienwohnsitz) nicht zugemutet werden kann, erhalten ein Trennungsgeld, ....

2. Das Trennungsgeld beträgt:

a) für betriebsentsandte Arbeitnehmer ....  300 %

des Facharbeiterstundenlohnes (Beschäftigungsgruppe II b) je

Arbeitstag gemäß lit f.

b) Sonst für verheiratete und gleichgestellte Arbeitnehmer

....                               245 %

des Facharbeiterstundenlohnes .....

......

d) Unter den in Z 1 angeführten Voraussetzungen sind betriebsentsandte Arbeitnehmer solche,

aa) die vom Betrieb auf eine Arbeitsstelle außerhalb ihres Wohnortes oder außerhalb des Dienstortes, an dem sie aufgenommen wurden, entsandt werden, sofern sie nicht eigens für diese Arbeitsstelle aufgenommen wurden,

bb) die überstellt werden....."

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Wohnort des Klägers im Sinne des § 66 JN Schwarzenberg sei. Der Kläger halte sich nur deshalb in Linz auf, weil ihm auf Grund der Entfernung zum Wohnort und der schlechten Verkehrsverbindung eine tägliche Rückkehr in den Wohnort nicht möglich sei. Dem Kläger stehe daher nach dem Kollektivvertrag ein Trennungsgeld für betriebsentsandte Arbeitnehmer immer dann zu, wenn er auf eine Baustelle außerhalb seines Wohnortes oder Dienstortes entsandt werde und ihm eine tägliche Rückkehr in seinen Wohnort Schwarzenberg nicht zugemutet werden könne.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, 30.000 S übersteige. Es vertrat die Rechtsansicht, daß dann, wenn man die Voraussetzungen des § 9 Abschnitt II Z 1 des KV auf den Trennungsgeldanspruch betriebsentsandter Arbeitnehmer anwende, die Einschränkung des § 9 Abschnitt II Z 1 lit d) aa) "..... oder außerhalb des Dienstortes, an dem sie aufgenommen wurden ....."

überflüssig sei. Sinnvollerweise müsse der Kollektivvertrag daher dahin ausgelegt werden, daß Arbeitnehmer, bei denen Wohnort und Dienstort auseinanderfielen, nur dann Anspruch auf das große Trennungsgeld hätten, wenn die Arbeitsstelle, an die sie entsendet werden, so weit von ihrem Dienstort entfernt ist, daß ihnen eine tägliche Rückkehr dorthin nicht zumutbar sei. Dieses Ergebnis entspreche auch dem Zweck der Gewährung eines Trennungsgeldes, welches jenen Mehraufwand ersetzen soll, der dem Arbeitnehmer dadurch entstehe, daß er nicht täglich an den Ort zurückkehren könne, an den er ohne Entsendung auf eine auswärtige Baustelle zurückgekehrt wäre. Ein solcher gegenüber einer Arbeit am Dienstort abzugeltender Mehraufwand entstehe aber dem ledigen Kläger nicht. Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem sinngemäßen Antrag auf Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Bei der nach den §§ 6 und 7 ABGB vorzunehmenden Auslegung der normativen Bestimmungen (§ 11 Abs 1 ArbVG) des § 9 des KV (Strasser in Floretta-Strasser, ArbVG-Handkommentar 33, sowie in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht2 II 118; Kuderna, DRdA 1975, 161 ff jeweils mwH; Arb. 9.567, 9.653, 10.062, 10.494, 14 Ob 211, 212/86 uva) ist entsprechend der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und dem dem Text der Bestimmung zu entnehmenden Willen des Normengebers vorerst davon auszugehen, daß gemäß Abschnitt II Z 1 alle Arbeitnehmer, die in einer solchen Entfernung von ihrem ständigen Wohnort arbeiten, daß ihnen eine tägliche Rückkehr dorthin nicht zugemutet werden kann, einen Anspruch auf Trennungsgeld haben. Nach dem eindeutigen Normzweck soll daher für den Anspruch auf Trennungsgeld grundsätzlich der Wohnort des Arbeitnehmers entscheiden (Arb. 10.494; RdW 1986, 380). Insoweit macht es für die Anspruchsvoraussetzung noch keinen Unterschied, ob der Arbeitnehmer verheiratet oder einem Verheirateten gemäß Abschnitt II lit e gleichgestellt oder ledig ist. Gemäß Abschnitt II Z 3 erfolgt allerdings die Feststellung des Anspruches auf Trennungsgeld auf Grund der Lohnsteuerkarte unter Vorlage einer polizeilichen Wohnsitzbestätigung vom Ort der Haushaltsführung, woraus aber nicht auf eine allgemeine Einschränkung des Anspruches durch das Erfordernis einer Haushaltsführung am Wohnort geschlossen werden kann (vgl. Arb. 5.769).

Eine Einschränkung des Anspruches auf Trennungsgeld ist vielmehr

in den Bestimmungen über dessen Höhe enthalten. Betriebsentsandte

Arbeitnehmer erhalten nach Abschnitt II Z 2 lit a 300 % eines

bestimmten Facharbeiterstundenlohnes. Eine Differenzierung nach

Verheirateten oder ihnen gleichgestellten und ledigen Arbeitnehmern,

die in früheren Kollektivverträgen enthalten war, fehlt. Abschnitt

II Z 2 lit d definiert den Begriff eines betriebsentsandten

Arbeitnehmers als einen Arbeitnehmer, der unter den in Z 1

angeführten Voraussetzungen vom Betrieb auf eine Arbeitsstelle

außerhalb seines Wohnortes oder außerhalb des Dienstortes, an dem er

aufgenommen wurde, entsandt wird, sofern er nicht eigens für diese

Arbeitsstelle aufgenommen wurde. Diese Definition entspricht dem

Verständnis früherer Kollektivverträge für das Baugewerbe, nach

denen betriebsentsandte Arbeitnehmer solche sind, die vom Betrieb

auf eine Arbeitsstelle außerhalb ihres Wohnortes oder Dienstortes,

für den sie seinerzeit aufgenommen wurden, entsandt werden, sofern

sie nicht täglich zu ihrem Wohnort zurückkehren können und nicht

eigens für diese Arbeitsstelle aufgenommen wurden (vgl. Arb. 5.416,

5.769). Weder die Wortauslegung noch eine am Normzweck orientierte

Auslegung führt hinsichtlich des im vorliegenden Fall anzuwendenden

Kollektivvertrages zu einem anderen Ergebnis. Es trifft nämlich

nicht zu, daß die Worte in Abschnitt II Z 2 lit d) aa) "oder

außerhalb des Dienstortes, an dem sie aufgenommen wurden",

überflüssig wäre. Ohne diese weitere Einschränkung würden

Arbeitnehmer allgemein bereits als betriebsentsandt gelten, wenn sie vom Betrieb auf eine Arbeitsstelle außerhalb ihres Wohnortes entsandt werden, ohne daß es auf den Dienstort, an dem sie aufgenommen wurden, ankäme. Durch diese weitere Einschränkung ist sohin lediglich klargestellt, daß einem unverheirateten und nicht gleichgestellten Arbeitnehmer kein Trennungsgeld zusteht, wenn er am Aufnahmeort selbst eingesetzt ist. Dies trifft auch für verheiratete Arbeitnehmer hinsichtlich des erhöhten Trennungsgeldes zu. Daß der Anspruch auf Trennungsgeld auch von einer zumutbaren Rückkehr zum Dienstort, an dem der Arbeitnehmer aufgenommen wurde, abhängig sein soll, ist weder dieser Bestimmung noch den anderen bezughabenden Bestimmungen des § 9 KV (vgl. etwa Abschnitt II Z 5 und 6, die ebenfalls nur auf den Wohnort abstellen), zu entnehmen. Da der Kläger seinen Hauptwohnsitz unbestritten in Schwarzenberg hat, steht ihm Trennungsgeld zu, wenn er außerhalb von Linz in einer solchen Entfernung von Schwarzenberg eingesetzt ist, daß ihm eine tägliche Rückkehr dorthin nicht zugemutet werden kann.

Zu Recht rügt die Beklagte in diesem Zusammenhang das vom Kläger modifizierte Klagebegehren. Wie bereits das Berufungsgericht aufzeigte, kann Gegenstand einer Feststellungsklage nicht die Feststellung einer wenn auch rechtserheblichen Tatsache, wie etwa des Wohnortes des Klägers sein. Für die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens ist aber nicht dessen Wortlaut, sondern der Sinn des Begehrens maßgeblich (Fasching, Kommentar III 61). Dem gesamten Vorbringen des Klägers ist dazu zu entnehmen, daß er in Wahrheit nicht die Feststellung einer Tatsache, sondern eines seinen Anspruch auf Trennungsgeld begründenden Rechtsverhältnisses begehrt. Diesbezüglich entspricht sein ursprüngliches Klagebegehren seinem geltend gemachten Rechtsschutzantrag, so daß die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils mit der entsprechenden Modifikation des Feststellungsausspruches (vgl. SZ 57/1) zu erfolgen hat. Die Kostenentscheidungen sind in den §§ 41 bzw. 41 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E15255

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00173.88.0831.000

Dokumentnummer

JJT_19880831_OGH0002_009OBA00173_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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