Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §68 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde 1. des NK, und 2. der MK, beide in S, beide vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 17. Jänner 2005, GZ. FA13B-
12.10 L 202 - 05/33, betreffend Zurückweisung eines Antrages (mitbeteiligte Partei: Gemeinde L, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerde, der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides, des gleichfalls vorgelegten Bescheides der belangten Behörde vom 17. Jänner 2005, GZ. FA13B-12.10 L 202 - 05/34 (betreffend den Antrag der Beschwerdeführer auf Beseitigung des verfahrensgegenständlichen Aussichtsturmes der mitbeteiligten Gemeinde, zu dem das Beschwerdeverfahren zur hg. Zl. 2005/06/0077 anhängig ist), und des vorgelegten verfahrensgegenständlichen Schreibens der Beschwerdeführer vom 2. November 2003 ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. August 2001 wurde auf Grund des Ansuchens der mitbeteiligten Gemeinde die Baubewilligung für die Errichtung eines "Aussichtsturmes L..." am K-Berg, Grundstück Nr. 303/3, KG U., unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.
Die Beschwerdeführer haben an der in diesem Verfahren stattgefundenen Bauverhandlung teilgenommen, allerdings keine Einwendungen erhoben. Dieser Bescheid ist in weiterer Folge in Rechtskraft erwachsen.
Mit weiterem Bescheid vom 21. Mai 2002 hat der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die Benützungsbewilligung für den mit Bescheid vom 9. August 2001 bewilligten Aussichtsturm K-Berg zur Gänze erteilt, wobei gleichzeitig festgestellt wurde, dass die bauliche Anlage der Bewilligung entspreche, die Ausführung nur geringfügig abweiche und geringfügige Mängel vorlägen. In der Begründung wurde u.a. dargelegt, dass mit dem Ansuchen um Erteilung der Benützungsbewilligung ein näher angeführter Austauschplan vorgelegt worden sei, durch die geänderte Situierung des Aussichtsturmes eine Beeinträchtigung von Nachbarrechten, wie sie im § 26 Stmk. BauG gesichert seien, nicht erkannt werde und die KFZ-Abstellflächen befestigt seien. Diesem Verfahren wurden keine Nachbarn beigezogen.
Mit Eingabe der Beschwerdeführer vom 2. November 2003 wurde nach dem in diesem Schreiben enthaltenen Betreff der "Antrag auf nochmalige Aufrollung des Bauverfahrens lt. § 68, Abs. 3 AVG" im Hinblick auf den verfahrensgegenständlichen Aussichtsturm gestellt. In diesem Antrag wurde ausgeführt, dass im Frühjahr 2002 in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Wohnhaus der Beschwerdeführer gegen den Willen "von über 200 Unterschriften" ein Aussichtsturm errichtet worden sei. Dieser habe vom ersten Tag an zu massiven Lärmbelästigungen geführt (es wird auf Lärmgutachten vom 13. August 2002 und 15. und 18. Mai 2003 verwiesen). Weiters werde der Turm an den Wochenenden abends beleuchtet, was zu zusätzlicher Lärmbelästigung in den Abendstunden führe. Von den zuständigen Aufsichtsbehörden des Landes Steiermark sei festgestellt worden, dass das Bauverfahren mangelhaft durchgeführt worden sei (es wird auf ein Schreiben vom 12. Februar 2003 und ein Schreiben des Umweltanwaltes vom 6. März 2003 hingewiesen). Auch seien die Lärmschutzrichtlinien und die Bauordnung des Landes Steiermark missachtet worden. Die errichteten Parkplätze würden keine Baubewilligung besitzen, ebenso sei der Turm anders errichtet worden, als er im Einreichplan vorgesehen sei. Die Beschwerdeführer seien als Anrainer sowohl bei der Bauverhandlung als auch beim "Anhörverfahren" betreffend den Flächenwidmungsplan massiv getäuscht worden. Es sei verheimlicht worden, dass der Turm abends beleuchtet werde, die gesetzlich vorgegebenen Abstände nicht eingehalten würden, der Lärmschutz missachtet werde und der Turm gedreht werde. Der Baubescheid sei von den Beschwerdeführern deswegen nicht beeinsprucht worden, weil sie darauf vertraut hätten, dass alle Gesetze und Richtlinien eingehalten würden und alle einzuladenden Parteien gehört würden. Für eine Änderung des Flächenwidmungsplanes in "Sondernutzung Freiland" sei im Gesetz eine Bedarfsprüfung vorgesehen. Sie würden um die Zusendung dieser Bedarfsprüfung ersuchen. Für die Beschwerdeführer als Anrainer komme es zu einer massiven Verschlechterung der Lebensqualität und die Grenzen der Zumutbarkeit seien deutlich überschritten. Derartige Lärmbelastungen führten zu Stress und Gesundheitsgefährdung. Ihre Liegenschaft werde deutlich in ihrem Wert gemindert. Auf Grund der zusätzlichen Lärmbelastung in den Abendstunden forderten die Beschwerdeführer die mitbeteiligte Gemeinde dringend auf, die Beleuchtung des Turmes vollständig zu unterlassen. Abschließend heißt es:
"Auf Grund der Mangelhaftigkeit des Bauverfahrens, sowie Gesundheitsgefährdung, fordern wir Sie dringend auf, das Bauverfahren nochmals aufzurollen!"
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde hat diesen Antrag mit Bescheid vom 27. April 2004 gemäß § 68 Abs. 7 AVG zurückgewiesen.
Die dagegen erhobene Berufung wies den Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 24. August 2004 als unbegründet ab.
Die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab.
Die belangte Behörde begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass dem Schreiben der Beschwerdeführer vom 2. November 2003 ohne Zweifel ein Antrag gemäß § 68 Abs. 3 AVG zu entnehmen sei. Ein ausdrücklich auf diese Bestimmung gestützter Antrag könne daher nicht als Antrag gemäß § 69 AVG gewertet werden. Der Behörde komme nämlich nicht die Aufgabe zu, einen klar auf eine Rechtsgrundlage gestützten Antrag in jede Richtung auszulegen, um die für den Standpunkt der Partei günstigste bzw. erfolgversprechendste Beurteilung zu finden. Auf Grund der klaren Regelung des § 68 Abs. 7 AVG stehe einer Partei eines Verfahrens kein Rechtsanspruch auf Ausübung des behördlichen Aufsichtsrechtes zu. Da somit gesetzlich keine Antragslegitimation vorgesehen sei, fehle auch die Legitimation zur Einbringung weiterer Rechtsmittel. Die Ausübung des Aufsichtsrechtes könne nach der ständigen höchstgerichtlichen Judikatur von einer Partei zwar angeregt, nicht aber erzwungen werden.
Selbst wenn man im Gegenstandsfalle von einem Antrag gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ausginge, sei für die Beschwerdeführer nichts gewonnen, da gemäß § 69 Abs. 2 AVG der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen ab Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes bei der Behörde einzubringen sei. Der verfahrensgegenständliche Antrag sei mit 2. November 2003 datiert und es ergebe sich bereits aus dem Inhalt dieses Antrages, dass die Beschwerdeführer seit der Fertigstellung des Aussichtsturmes im Jahre 2002 massiv durch Lärm belästigt worden seien. Der belangten Behörde liege auch ein Schreiben der Beschwerdeführer vom März 2003 vor, worin diese ausführten, dass die mitbeteiligte Gemeinde mehrmals über die Missstände (Verschmutzung, Lärmbelästigung, Beleuchtung des Turmes etc.) in Kenntnis gesetzt worden sei. Selbst wenn somit der Antrag vom 2. November 2003 als Wiederaufnahme gewertet werden könnte, wäre dieser als verspätet zurückzuweisen gewesen.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 68 Abs. 2 AVG trifft eine Regelung betreffend die Aufhebung oder Abänderung von rechtskräftigen Bescheiden, aus denen niemanden ein Recht erwachsen ist.
In der Folge sieht Abs. 3 dieser Bestimmung Folgendes vor:
"(3) Andere Bescheide kann in Wahrung des öffentlichen Wohles die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, dieser, oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Missständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist. In allen Fällen hat die Behörde mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen."
Gemäß § 68 Abs. 7 erster Satz AVG steht niemandem auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts ein Anspruch zu. Durch die Zurückweisung ihres Antrages wurden die Beschwerdeführer im Hinblick auf § 68 Abs. 7 AVG in keinem Recht verletzt (vgl. u.a. die in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S 1441, in E. 227 zu § 68 angeführten hg. Erkenntnisse).
Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahren stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und
"2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten".
Gemäß § 69 Abs. 2 AVG i.d.F. BGBl. I Nr. 158/1998 ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
Wenn die Beschwerdeführer auch in der Beschwerde meinen, der verfahrensgegenständliche Antrag ("nochmalige Aufrollung des Bauverfahrens") sei als Wiederaufnahmeantrag nach § 69 AVG zu qualifizieren, ist ihnen entgegenzuhalten, dass sie sich in ihrem Antrag vom 2. November 2003 ausdrücklich auf § 68 Abs. 3 AVG gestützt haben. Aber selbst wenn man der Ansicht der Beschwerdeführer folgte, erweist sich die verfahrensgegenständliche Zurückweisung des Antrages auch als rechtmäßig, da - wie die belangte Behörde zutreffend vertreten hat - dem Erfordernis der Einbringung des Wiederaufnahmeantrages innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes jedenfalls nicht entsprochen wurde. Die belangte Behörde hat zu Recht darauf verwiesen, dass nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführer dieser Turm von seiner Fertigstellung im Jahre 2002 an zu massiven Lärmbelästigungen und in den Abendstunden, da der Turm entgegen dem bewilligten Vorhaben beleuchtet werde, zu zusätzlichen Lärmbelästigungen geführt habe. Der Turm sei zudem anders als bewilligt errichtet worden, wodurch die Abstände nicht eingehalten würden. In Bezug auf diese "Wiederaufnahmegründe", die sich alle nach der Fertigstellung des Turmes im Jahr 2002 ergeben hätten, ist die Wiederaufnahmefrist gemäß § 69 Abs. 2 AVG nicht eingehalten worden.
Wenn die Beschwerdeführer in der Beschwerde geltend machen, die verdrehte Errichtung sei ihnen erst "unmittelbar" vor der Antragstellung bekannt geworden, ist ihnen entgegenzuhalten, dass die von der erteilten Baubewilligung abweichende Errichtung des Turmes keinesfalls ein Wiederaufnahmegrund in Bezug auf das ursprüngliche Bauverfahren sein kann, da Gegenstand dieses Verfahrens allein das bewilligte Projekt war und nicht eine allfällige davon abweichende tatsächliche Errichtung. Falls aber im Benützungsbewilligungsbescheid für diese nicht bloß geringfügige Abweichung eine Bewilligung erteilt worden wäre, stünde ihnen kein Wiederaufnahmerecht zu, weil sie diesem Verfahren nicht als Parteien zugezogen worden waren und sie - soweit in diesem auch eine Baubewilligung erteilt worden wäre - in diesem Verfahren übergangene Parteien wären. Sofern dies nicht der Fall wäre, kann die verdrehte tatsächliche Errichtung des Turmes gleichfalls kein Wiederaufnahmegrund in Bezug auf den Benützungsbewilligungsbescheid sein.
Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, warum den Beschwerdeführern, die Parteien des ursprünglichen Baubewilligungsverfahrens waren und die bewilligten Pläne kennen mussten, die behauptete abweichende Errichtung nicht mit dem Zeitpunkt der Fertigstellung des Turmes (im Jahr 2002) zur Kenntnis gelangt ist. Als maßgeblicher Zeitpunkt der Kenntniserlangung dieses allfälligen Wiederaufnahmegrundes gemäß § 69 Abs. 2 AVG kann aber nicht der Zeitpunkt, in dem die Beschwerdeführer die bewilligte Lage des Turmes mit dem tatsächlich errichteten Turm unter Umständen erst Monate nach seiner Fertigstellung (etwa kurz vor dem Antrag vom 2. November 2003) konkret nachgeprüft haben, angenommen werden. Abgesehen von dem Fall der Ortsabwesenheit der Beschwerdeführer, die von ihnen nicht behauptet wurde und wird, wäre davon auszugehen, das sie von diesem behaupteten Wiederaufnahmegrund ab der Fertigstellung des Turmes im Jahr 2002 Kenntnis erlangt hätten.
Es erübrigt sich daher ein weiteres Eingehen auf das Beschwerdevorbringen in Bezug auf das behauptete Vorliegen eines Wiederaufnahmeantrages.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von den Beschwerdeführern behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 27. September 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005060076.X00Im RIS seit
02.11.2005