Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Bauer und Dr. Schwarz als Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Siegfried K***, Pensionist, 8863 Predlitz, vertreten durch Dr. Günther Stanonik, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die Antragsgegnerin Theresia K***, Hausfrau, 5583 Muhr, Vordermuhr 103, vertreten durch Dr. Adelheid Simon, Rechtsanwalt in Eisenerz, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 27. April 1988, GZ 22 b R 26/88-30, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Tamsweg vom 25. Jänner 1988, GZ F 1/87-26, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller an Kosten des Revisionsrekursverfahrens S 6.225,45 (darin an Umsatzsteuer S 565,95) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der am 18. Juli 1959 geschlossenen Ehe der Parteien entstammen vier inzwischen großjährig und selbsterhaltungsfähig gewordene Kinder. Während der Ehe wurde das Haus Vordermuhr 103 errichtet, das je im Hälfteeigentum der Parteien steht und als Ehewohnung diente. Im Jahre 1969 verließ der Antragsteller seine Frau und die Kinder. Die Ehe wurde mit dem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 9. Jänner 1987 wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft nach § 55 EheG rechtskräftig geschieden; dabei wurde ausgesprochen, daß den Kläger und jetzigen Antragsteller an der Zerrüttung der Ehe das alleinige Verschulden trifft.
Der Antragsteller begehrte die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens, das aus der oben dargestellten Liegenschaft besteht. Er erklärte sich mit der Übertragung seiner Liegenschaftshälfte an die Antragsgegnerin gegen Leistung einer Ausgleichszahlung von S 500.000 einverstanden.
Die Antragsgegnerin strebte das Alleineigentum dieser Liegenschaft an, ohne einen konkreten Ausgleichsbetrag anzubieten. In die Aufteilung sei, meinte sie, überdies der Betrag von S 500.000 einzubeziehen, den der Antragsteller klageweise gegenüber seiner Lebensgefährtin Maria Z*** als Abgeltung für verschiedentliche Leistungen angesprochen habe.
Das Erstgericht faßte nachstehenden Beschluß:
"Der Antragsteller hat seine Liegenschaftshälfte an die Antragsgegnerin zu übertragen und erhält dafür eine Ausgleichszahlung von S 250.000. Dieser Betrag ist binnen 2 Monaten ab Rechtskraft dieses Beschlusses zu bezahlen, wobei der Antragsteller Zug um Zug alle notwendigen Erklärungen zur grundbücherlichen Durchführung der Eigentumsübertragung der Antragsgegnerin abzugeben hat. Die Kosten der grundbücherlichen Durchführung und Steuern sind von den Parteien je zur Hälfte zu tragen.
Für den Fall der nicht rechtzeitigen Bezahlung des Ablösebetrages bzw. im Falle der Erklärung der Antragsgegnerin, daß sie den Betrag nicht bezahlen wolle, wird die gerichtliche Feilbietung durch öffentliche Versteigerung der Liegenschaft EZ 202 KG Vordermuhr angeordnet und von Amts wegen durchgeführt."
Im übrigen setzte das Erstgericht noch die für den Fall der Versteigerung geltenden Bedingungen fest und wies das Mehrbegehren des Antragstellers auf Zuerkennung einer Ausgleichszahlung von weiteren S 250.000 ab. Es traf - zusammengefaßt
dargestellt - nachstehende Feststellungen:
Der am 23. Februar 1938 geborene Antragsteller war zunächst Sägearbeiter und Kraftfahrer. Von 1960 bis 1966 arbeitete er in der Bundesrepublik Deutschland als Holzfäller und Kraftfahrer, wobei er ca. S 800 bis S 1.000 pro Tag verdiente. Nach 1966 arbeitete er im Inland bei verschiedenen Baufirmen als Schalungszimmerer und verdiente ebenfalls relativ gut.
Im Jahr 1968 verließ er, ohne daß ihm dazu seine Gattin einen Anlaß gegeben hätte, die Familie und zog zur damals 21-jährigen Postbeamtin Maria Z*** nach Predlitz. Mit dieser Frau ging er eine Lebensgemeinschaft ein, der zwei Söhne ensprossen, für die er derzeit noch sorgepflichtig ist. Im Jahr 1979 kaufte Maria Z*** in Predlitz einen Baugrund, auf welchem bis Ende des Jahres 1982 ein Wohnhaus errichtet wurde. Das Haus wurde von ihr, dem Antragsteller und den beiden Söhnen bezogen. Kurze Zeit später ging die Lebensgemeinschaft in Brüche und der Antragsteller mußte dieses Haus verlassen. Im September 1986 brachte er gegen Maria Z*** eine Klage auf Bezahlung eines Betrages von S 500.000 ein, worin er behauptete, daß sie ihm diesen Betrag für Kapitaleinsatz und Arbeitsleistungen am Hausbau schulde. Maria Z*** verpflichtete sich mit dem Vergleich vom 12. Dezember 1986 zur Bezahlung eines Betrages von S 120.000.
Nach einem Knöchelbruch im Jahre 1979, den der Antragsteller bei der Arbeit erlitt, war er in der Folge teilweise im Krankenstand, teilweise arbeitslos und bezog auch Notstandsunterstützung. Im Jahr 1983 erhielt er eine Versicherungsabfertigung von rund S 200.000, die er für sich und die Bedürfnisse der Familie Z*** verwendete. Seit Dezember 1984 bezieht der Antragsteller eine Frühpension in der derzeitigen Höhe von monatlich S 8.772,90, wovon er wegen Pfändungen für Unterhaltsrückstände S 3.850 monatlich erhält. Er besitzt kein Fahrzeug mehr, wirkt derzeit ziemlich verwahrlost und ärmlich und nächtigte zuletzt nach eigenen Angaben in einer Behelfshütte.
Die Antragsgegnerin ging seit der Eheschließung keiner Beschäftigung nach. Sie verfügt auch derzeit über kein Einkommen; der Antragsteller ist ihr gegenüber seit dem Jahr 1985 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.800 urteilsmäßig verpflichtet. Sie führte den Haushalt, half bei Verwandten aus und erhielt dafür Naturalien.
Derzeit wohnen die drei Söhne im elterlichen Haus und benützen je ein Zimmer, wobei diese äußerst bescheiden und einfach eingerichtet sind. Die Söhne tragen durch den Kauf von Lebensmitteln zur gemeinsamen Haushaltsführung bei. Die Antragsgegnerin besitzt außer dem Hälfteeigentum an der Liegenschaft keinerlei Vermögen und keine Ersparnisse. Sie könnte aus eigenem keinen Ablösebetrag für die Übertragung der Liegenschaftshälfte bezahlen. Die Söhne erklärten sich zur Aufbringung eines Betrages von S 150.000 als Ausgleichszahlung an den Antragsteller bereit.
Der Antragsteller verwendete durchschnittlich die Hälfte seines Lohnes für sich, seine Lebensgefährtin und deren beide Kinder. Die Antragsgegnerin hob von dem schon zum Zeitpunkt der Trennung bestehenden Gehaltskonto bei einem Geldinstitut immer nur so viel ab, als für die Versorgung der Familie dringend benötigt wurde. Sie mußte mit ihren Kindern stets sehr bescheiden leben und auch ihren Vater um Geld bitten, damit sie das Brot kaufen konnte. Dieser kaufte der Familie der Antragsgegnerin auch Elektrogeräte und Vorhänge.
Die Liegenschaft EZ 202 KG Vordermuhr hatten die Parteien am 3. Juni 1960 um S 4.908 gekauft. Die Liegenschaft wird über eine Privatstraße erreicht, wobei zugunsten der Liegenschaft das Geh- und Fahrtrecht mit dem Vertrag vom 13. April 1963 im Tauschwege eingeräumt wurde. Das Tauschobjekt wurde um S 500 gekauft. Laut Flächenwidmungsplan befindet sich die Liegenschaft im Grünland. Das Haus wurde 1960/61 mit bescheidenen Mitteln, viel persönlichem Einsatz und sogenannten freiwilligen Helferschichten errichtet. Die Antragsgegnerin hatte ca. S 35.000 erspartes Geld und Einrichtungsgegenstände zur Verfügung. Von ihrem Vater brachte sie Bauholz in die Ehe ein. Neben der Haushaltsführung und der Kindererziehung arbeitete sie selbst beim Hausbau mit. Der Antragsteller hatte von seinem Vater S 5.000 als Erbteil erhalten. Er arbeitete ebenfalls selbst beim Hausbau mit und nahm dazu teilweise Urlaub. Finanziert wurde der Bau aus dem Einkommen des Antragstellers. 1967 wurde ein Zubau als PKW-Garage, Kleintierstall und Holzlage errichtet. 1973 wurde nachträglich ein Bad eingebaut, wobei der Antragsteller die Materialkosten übernahm. Das Wohngebäude weist einen relativ schlechten Erhaltungszustand auf. Es hat teilweise Ausstattungen, die den heutigen Sicherheitsvorschriften nicht entsprechen. Der Wert der Liegenschaft und des Bauwerkes beträgt S 925.000.
Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß sich als Aufteilungsmöglichkeit nur die Übertragung des Hälfteeigentums des Antragstellers an die Antragsgegnerin bei Leistung einer Ausgleichszahlung von S 250.000 anbiete oder aber hilfsweise eine Zivilteilung vorzunehmen sei. Zwar könne die Antragsgegnerin selbst keinen Ausgleichsbetrag aufbringen, doch sei anzunehmen, daß die Söhne den entsprechenden Betrag aufbringen werden. Auch bestehe die Möglichkeit einer hypothekarischen Belastung der lastenfreien Liegenschaft.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge. Es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof mit Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes für zulässig. Rechtlich vertrat es die Auffassung, daß das Erstgericht zutreffend die Ansprüche des Antragstellers gegenüber seiner ehemaligen Lebensgefährtin Maria Z*** nicht in das Aufteilungsverfahren miteinbezogen habe, weil Gegenstand des Verfahrens nach §§ 81 ff EheG nur das von den Ehegatten gemeinsam angeschaffte Vermögen sei. Der Antragsteller habe seine Frau schon im Jahr 1968 verlassen, die wertschöpfende Tätigkeit für seine Lebensgefährtin habe er erst im Jahr 1979 aufgenommen. Ansprüche daraus unterlägen daher nicht der Aufteilung nach §§ 81 ff EheG. Bei der Ausmessung der Ausgleichszahlung sei auf den festgestellten Schätzwert der von der Antragsgegnerin zu übernehmenden Liegenschaftshälfte von rund S 400.000 Bedacht zu nehmen. Die Beiträge der Ehegatten zur Schaffung des aufzuteilenden Gebrauchsvermögens stünden im Verhältnis 1 : 1. Zu berücksichtigen sei weiters, daß die Antragsgegnerin an der Scheidung der Ehe schuldlos sei, aber auch, daß sie aus eigenem keine Möglichkeit habe, die Mittel für die Ausgleichszahlung aufzubringen. Da aber die selbsterhaltungsfähigen Söhne durchaus gewillt und in der Lage seien, der Mutter finanzielle Unterstützung zu gewähren, zumal sie sich dadurch die Wohnmöglichkeit im eigenen Haus erhielten, entspreche der vom Erstgericht ausgemessene Ausgleichsbetrag den vom Gesetz geforderten Grundsätzen der Billigkeit. Nur dann, wenn die Mittel wider Erwarten nicht aufgebracht werden könnten, käme es zur im übrigen von den Parteien nicht bekämpften gerichtlichen Feilbietung der Liegenschaft. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß ihr nur eine Ausgleichszahlung von S 150.000 auferlegt, der Antragsteller auch zur Übertragung des Zugangsweges verhalten werde und er von seiner Forderung gegenüber Maria Z*** ihr S 60.000 binnen zwei Monaten ab Rechtskraft des Beschlusses zu bezahlen habe.
Der Antragsteller beantragt in der Revisionsrekursbeantwortung, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Die Antragsgegnerin stellt sich in ihrem Rechtsmittel auf den Standpunkt, daß das Verschulden des Antragstellers an der Zerrüttung der Ehe zu wenig berücksichtigt worden sei. Der Vergleich der Einkommensverhältnisse ergebe außerdem ein günstigeres Bild für den Antragsteller, weil er ua die Unterhaltsrückstände ihr gegenüber bereits beglichen habe. Sie hingegen beziehe nur einen ganz geringen Unterhalt von S 1.800 monatlich. Schließlich wäre die im Vergleich des Antragstellers mit Maria Z*** erzielte Summe von S 120.000 in die Verteilung einzubeziehen gewesen. Dazu war zu erwägen:
Das Gebot des Gesetzgebers, die Aufteilung nach Billigkeit vorzunehmen (§ 83 Abs. 1 Satz 1 EheG), hat die Anpassung der Rechtsfolgen an die besondere Lage des Einzelfalles zum Ziel, damit die durch die Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse notwendige Differenzierung vorgenommen und eine dem natürlichen Gerechtigkeitsempfinden entsprechende Entscheidung gefällt wird (§ 7 letzter Satz ABGB). Es kann deshalb, wie der Oberste Gerichtshof schon mehrmals ausgesprochen hat (5 Ob 589/81; 3 Ob 664/81; 4 Ob 600/81), der Umstand, daß ein Teil an der Auflösung der Ehe allein schuldig ist, nicht ohne jede Bedeutung sein (SZ 55/45 ua). Diesen Umstand haben aber die Vorinstanzen ohnedies ausreichend berücksichtigt. Das Rekursgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, daß die Schuldlosigkeit der Antragsgegnerin an der Zerrüttung der Ehe unter dem Blickpunkt der Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes nach den Grundsätzen der Billigkeit nicht dazu führen darf, die Interessen des weichenden geschiedenen Ehegatten völlig zurückzudrängen. Auch wurde zutreffend darauf Bedacht genommen, daß die Vermögenslosigkeit der Antragsgegnerin und ihr geringes Einkommen nicht zur Folge haben darf, ihr den Anteil ihres geschiedenen Ehegatten an der genannten Liegenschaft gewissermaßen entschädigungslos oder gegen eine unverhältnismäßig geringe Entschädigung zukommen zu lassen. Es müssen nämlich auch die Interessen des weichenden geschiedenen Ehegatten berücksichtigt werden (vgl. EFSlg. 46.409, 46.410, 2 Ob 704/86 ua). Die der Antragsgegnerin auferlegte Ausgleichszahlung von S 250.000 berücksichtigt die gesamte persönliche und wirtschaftliche Lage beider Ehegatten nach den dargelegten Kriterien und ist daher durchaus nicht zu hoch bemessen worden. Daß die Antragsgegnerin diese Summe letztlich nicht aufbringen könnte, behauptet sie in ihrem Rechtsmittel selbst nicht; dies ist angesichts der Lastenfreiheit der nun ins Alleineigentum übernommenen Liegenschaft und der Bereitwilligkeit ihrer selbsterhaltungsfähigen Söhne, sie finanziell zu unterstützen, auch ernstlich nicht in Betracht zu ziehen.
Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Feststellung des zu verteilenden Vermögens der Zeitpunkt der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft maßgebend (EFSlg. 51.727; JBl. 1986, 116 ua). Das Rekursgericht hat daher zutreffend die wertschöpfende Tätigkeit des Antragstellers für seine Lebensgefährtin Maria Z*** nach der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft mit der Antragsgegnerin bzw. die vergleichsweise Abfindung hiefür nicht in die Verteilungsmasse einbezogen.
Zum Antrag auf Übertragung des Zugangsweges zur Liegenschaft EZ 202 KG Vordermuhr bringt die Antragsgegnerin im Revisionsrekurs nichts vor. Es genügt daher darauf zu verweisen, daß es sich hiebei nach den Feststellungen um eine Grunddienstbarkeit gemäß § 474 ABGB handelt, deren Berechtigung ihr nach der Einverleibung ihres Alleineigentums ohnedies unangefochten zusteht.
Dem Revisionsrekurs war somit der Erfolg zu versagen. Der Kostenzuspruch an den Antragsteller entspricht dem billigen Ermessen im Sinne des § 234 AußStrG.
Anmerkung
E15058European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0080OB00593.88.0901.000Dokumentnummer
JJT_19880901_OGH0002_0080OB00593_8800000_000