TE OGH 1988/9/6 11Os88/88

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Veröffentlicht am 06.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.September 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Knob als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter H*** wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs. 2 erster Fall, Abs. 3 Z 3 SGG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 22. März 1988, GZ 34 b Vr 2427/87-116, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (Schuldsprüche wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs. 2 erster Fall SGG - Punkt 1 des Urteilssatzes - und wegen des Vergehens nach dem § 16 Abs. 1 vierter und fünfter

Fall SGG - Punkt 3) unberührt bleibt, im Ausspruch, der Angeklagte habe das Verbrechen nach dem § 12 Abs. 1 SGG mit Beziehung auf Suchtgift begangen, dessen Menge mehr als das Fünfundzwangzigfache der in dieser Gesetzesbestimmung angeführten Menge ausmachte, in der darauf beruhenden rechtlichen Unterstellung der Tathandlungen zu Punkt 1 auch unter den § 12 Abs. 3 Z 3 SGG, ferner im Schuldspruch wegen des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels nach den §§ 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit a FinStrG - Punkt 2 - und im gesamten Strafausspruch (nach dem Suchtgiftgesetz und dem Finanzstrafgesetz einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24.Juli 1953 geborene Werbetexter Peter H*** des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs. 2 erster Fall und Abs. 3 Z 3 SGG, des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels nach den §§ 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit a FinStrG und des Vergehens nach dem § 16 Abs. 1 vierter und fünfter Fall SGG schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, (1) gewerbsmäßig den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich Kokain, in einer großen Menge, welche mehr als das Fünfundzwangzigfache der im § 12 Abs. 1 SGG angeführten Menge betrug, (1.1) von Brasilien ausgeführt und über Spanien bzw die Schweiz nach Österreich eingeführt zu haben, nämlich (1.1.1) am 2. Oktober 1984 ca 35 Gramm, (1.1.2) am 6.März 1985 ca 80 Gramm, (1.1.3) am 30.Juli 1985 ca 70 Gramm, (1.1.4) am 27.September 1985 ca 130 Gramm, (1.1.5) am 24.Dezember 1985 ca 200 Gramm; (1.2) in Linz und Wien in Verkehr gesetzt zu haben, indem er von den zu 1.1 angeführten Suchtgiftmengen ca 280 Gramm an Herbert K*** und ca 5 Gramm an Werner K*** verkaufte und den Rest (abzüglich eines für seinen Eigenkonsum bestimmten Teiles) teils entgeltlich, teils unentgeltlich an Wilfried S***, Christian K***, Josef P***, Hans Ludwig B***, Markus S*** und Robert R*** überließ; (2) durch die zu 1.1 angeführten Taten gewerbsmäßig eingangsabgabepflichtige Waren unter Verletzung der zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzogen und

(3) im Frühjahr und Sommer 1984 in Linz und Wien außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich ca 4 Gramm Kokain, für den Eigenkonsum erworben und besessen zu haben.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer ausdrücklich auf die Z 5, 5 a und 9 lit b (sachlich auch 11) des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er sich gegen die Qualifikation nach dem § 12 Abs. 3 Z 3 SGG zu Punkt 1 und gegen den Schuld- und Strafausspruch nach dem Finanzstrafgesetz (Punkt 2) wendet.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerdeführer ist zunächst im Recht, soweit er im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) unzureichende Begründung der Punkt 1.1 des Schuldspruchs betreffenden Urteilsfeststellung geltend macht, wonach er das Verbrechen nach dem § 12 Abs. 1 SGG mit Beziehung auf eine Suchtgiftmenge beging, die das Fünfundzwanzigfache der großen Menge im Sinn dieser Gesetzesbestimmung überstieg. Dazu ist festzuhalten, daß nach gefestigter Rechtsprechung (vgl ua 11 Os 60/87 = EvBl 1988/4) im Einklang mit dem Gutachten des beim BMGU eingerichteten Beirats zur Bekämpfung des Mißbrauchs von Alkohol und anderen Suchtmitteln ab 15 Gramm reinem Cocain (Kokain) eine "große" Menge in der Bedeutung des § 12 Abs. 1 SGG vorliegt, woraus sich das gemäß § 12 Abs. 3 Z 3 SGG als Untergrenze der sogenannten "übergroßen" Menge maßgebende Fünfundzwangzigfache dieses Quantums mit 375 Gramm errechnet. Daß im konkreten Fall von den zum Tatkomplex 1.1 insgesamt erfaßten 515 Gramm Kokain mehr als 375 Gramm auf Reinsubstanz entfielen, begründete das Erstgericht damit, daß der Angeklagte anläßlich seiner Festnahme im Zusammenhang mit dem in der BRD abgeurteilten Suchtgiftdelikt am 30.März 1986 (hier nicht urteilsgegenständliches) Kokain in einem Reinheitsgrad von 99 % mit sich führte, er die im März 1985 nach Österreich eingeführten 80 Gramm Kokain im Zuge seines sicherheitsbehördlichen Geständnisses als qualitativ sehr gut bzw rein beschrieb und die (vom Angeklagten in ihrer Beschaffenheit nicht ausdrücklich qualifizierte) Restmenge von 435 Gramm demzufolge bloß zu 68 %, das gesamte Tatquantum von 515 Gramm aber lediglich zu 73 % reines Kokain, mithin zur Verwirklichung der Qualifikation nach dem § 12 Abs. 3 Z 3 SGG jeweils Mindestqualitäten aufweisen mußte, die nach forensischer Erfahrung den im illegalen Kokainhandel in Südamerika (Brasilien, Bolivien) üblichen Reinheitsgrad noch weit unterschritten hätten (US 8). Dagegen wendet der Beschwerdeführer ein, der in den Urteilserwägungen als Vergleichswert herangezogene Reinheitsgrad des in der BRD sichergestellten (vom angefochtenen Urteil nicht erfaßten) Kokains von 99 % sei in bezug auf die Qualität der urteilsgegenständlichen Suchtgiftmengen nicht hinreichend aussagekräftig, weil es sich dort um die Konsistenz von Kokain handelte, welches im Destillationsweg (als konzentrierte Reinsubstanz) aus einer Lösung ausgeschieden worden war. Diesem - durch die Verfahrensergebnisse gedeckten

(S 91 f/II) - Vorbringen ist im Ergebnis dahingehend beizupflichten, daß die Urteilsausführungen zu den Tatsachengrundlagen der Qualifikation nach dem § 12 Abs. 3 Z 3 SGG nach Lage des Falles den Anforderungen der im § 270 Abs. 2 Z 5 StPO normierten gerichtlichen Begründungspflicht nicht gerecht werden. Mit der (US 8 zu entnehmenden) Bezugnahme auf die (sicherheitsbehördlichen) Angaben des Angeklagten über die Qualität der zu Punkt 1.1.2 des Schuldspruchs erfaßten Teilmenge an Kokain hat das Erstgericht (aus naheliegenden Gründen) zutreffend deren grundsätzliche Erheblichkeit für die Wahrheitsfindung zur objektiven Verwirklichung der in Rede stehenden Deliktsqualifikation bejaht. Davon ausgehend stellt aber die qualitative Orientierung der Urteilsfeststellungen, soweit sie die Konsistenz der vom bekämpften Schuldspruch weiters erfaßten Kokainmengen betreffen, an einem (noch dazu urteilsfremden) Suchtgiftdestillat bzw an durchschnittlichen Gegebenheiten des illegalen Suchtgiftmarktes in Südamerika kein hinreichendes Begründungssubstrat dar. Dies umso weniger, als es nach Lage des Falles unverzichtbar erscheint, auch die Verantwortung des (in dieser Richtung überhaupt nicht befragten) Angeklagten in die Urteilserwägungen miteinzubeziehen.

Die solcherart schon aus objektiver Sicht gebotene Teilaufhebung des in Rede stehenden Schuldspruchs erweist sich umso mehr als unvermeidbar, als das Urteil in diesem Punkt auch mit einem (gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO amtswegig aufzugreifenden) subjektiven Feststellungsmangel in der Bedeutung der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO behaftet ist. Die (in der Zeit vom 2.Oktober 1984 bis 30.Juli 1985 in bezug auf eine Gesamtmenge von 185 Gramm Kokain verübten) Tathandlungen zu den Punkten 1.1.1 bis 1.1.3 gingen nämlich der Einführung der Qualifikation nach dem § 12 Abs. 3 Z 3 SGG durch die (am 1.September 1985 in Kraft getretene) Suchtgiftgesetznovelle 1985 zeitlich voraus. Demnach hängt aber die Anwendbarkeit dieser Qualifikationsbestimmung (auch) auf diese Teilfakten von der (im angefochtenen Urteil unerörtert gebliebenen) Frage ab, ob sich die zum Faktenkomplex 1.1 erfaßten Taten insgesamt als (nach der angesprochenen Rechtsänderung fortgesetzte) Handlungseinheit darstellen, der in subjektiver Hinsicht eine sukzessive Verwirklichung objektiv gleichartiger und in erkennbarem zeitlichen Zusammenhang stehender Einzelakte nach Maßgabe eines (zumindest bedingt vorgefaßten) einheitlichen Willensentschlusses zugrunde lag (fortgesetztes Delikt). Denn nur im Fall einer vorsätzlich kontinuierlichen Tatbegehung durch fortlaufende Teilakte ist bei der Prüfung der Qualifikationsvoraussetzungen nach dem § 12 Abs. 3 Z 3 SGG von der Summe der Suchtgiftmengen sämtlicher, mithin auch jener Tathandlungen auszugehen, die vor dem Inkrafttreten dieser Gesetzesbestimmung begangen wurden. Im Rahmen der Verfahrenserneuerung wird daher auch auf die dargelegten Komponenten fortgesetzter Tatbegehung, welche sich mit jenen gewerbsmäßigen Handelns begrifflich nicht decken, einzugehen sein. Die Teilaufhebung des Schuldspruchs wegen des Verbrechens nach dem § 12 SGG zieht aber nicht nur die Aufhebung des bezüglichen Strafausspruchs, sondern auch sämtlicher auf dem Fianzstrafgesetz beruhender Aussprüche nach sich (§ 289 StPO), weil die endgültige Ermittlung der Menge an Reinsubstanz des tatverfangenen Suchtgifts, aus welcher sich der strafbestimmende Wertbetrag errechnet (§§ 35 Abs. 4, 38 Abs. 1 FinStrG), nach dem Gesagten dem erneuerten Verfahren vorbehalten bleibt. Vollständigkeitshalber ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, daß im konkreten Fall der Ausspruch der Wertersatzstrafe nach dem § 19 Abs. 1 lit a FinStrG im Gesetz keine Deckung findet. Die Bestimmungen des Finanzstrafgesetzes über den Wertersatz sind nämlich in ihrem Überschneidungsbereich mit dem Suchtgiftgesetz seit dem Inkrafttreten der Suchtgiftgesetznovelle 1985 nicht mehr anwendbar, weil die im § 13 Abs. 2 SGG (unter bestimmten Voraussetzungen) zwingend vorgesehene Abstandnahme von der Verhängung einer Wertersatzstrafe mit einer allfälligen gegenteiligen Anordnung nach dem § 19 FinStrG denklogisch unvereinbar ist (vgl 10 Os 145/86). Ist daher - wie hier - der Ausspruch einer Wertersatzstrafe nach dem § 13 Abs. 2 SGG (in Verbindung mit dem § 12 Abs. 5 vierter Satz SGG) unterblieben, so bleibt für die Verhängung einer Wertersatzstrafe gemäß dem § 19 FinStrG rechtlich kein Raum, worauf im zweiten Rechtsgang Bedacht zu nehmen sein wird.

Soweit die Beschwerdeargumentation in Anbetracht der Teilaufhebung des angefochtenen Urteils nicht ohnedies auf sich beruhen kann, verfehlt sie eine prozeßordnungsgemäße Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes. Der auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO gestützte Einwand, die in § 15 ARHG normierte Unzulässigkeit der Auslieferung zur Strafverfolgung wegen der dort angeführten Fiskaldelikte stehe in Verbindung mit dem darauf beruhenden Fehlen einer entsprechenden Auslieferungsbewilligung der Verurteilung wegen des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels (Punkt 2 des Urteilssatzes) als Verfolgungshindernis entgegen, stellt sich nämlich sinngemäß als Rüge entsprechender Feststellungsmängel dar, welche die Indikation der vermißten, nach Lage des Falles jedoch überflüssigen Feststellungen zur Auslieferungsproblematik unzulässigerweise nur aus Teilaspekten, nicht aber - wie geboten - aus dem Gesamtzusammenhang der Verfahrensergebnisse abzuleiten sucht. Unter Vernachlässigung des unbestrittenen (solcherart im angefochtenen Urteil nicht gesondert erörterungsbedürftigen) Umstands, daß dem Angeklagten in diesem Punkt die Schutzfrist nach dem § 70 Abs. 1 Z 1 ARHG zustatten kam (vgl S 325 a vs und 325 b/II), mit deren Ablauf auch das relevierte (temporäre) Verfolgungshindernis erlosch, baut die Beschwerde ihrerseits auf unvollständigen Tatsachenprämissen auf und erweist sich daher als unbeachtlich.

Aus den dargelegten Erwägungen war mithin insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E15095

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0110OS00088.88.0906.000

Dokumentnummer

JJT_19880906_OGH0002_0110OS00088_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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