TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/27 2002/18/0221

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Veröffentlicht am 27.09.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §68 Abs1;
AVG §73 Abs1;
FrG 1997 §10 Abs1 idF 2000/I/034;
FrG 1997 §10 Abs1 Z1 idF 2000/I/034;
FrG 1997 §12;
FrG 1997 §15 Abs1;
FrG 1997 §15 Abs2;
FrG 1997 §15 Abs3;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §40 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der C, geboren 1969, vertreten durch Dr. Eva Roland und Dr. Manfred Roland, Rechtsanwälte in 1130 Wien, Eitelbergergasse 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. August 2002, Zl. 302.228/30-III/11/02, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages i.A. eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 26. August 2002 wurde der Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin, einer jugoslawischen Staatsangehörigen, vom 25. Februar 2002, der in einem beim Landeshauptmann von Wien anhängigen Verfahren über den von der Beschwerdeführerin an diesen am 25. Juli 2001 gestellten Antrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels (Niederlassungsbewilligung) eingebracht worden war, gemäß § 73 Abs. 1 AVG zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin habe diesen Antrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Hinblick darauf, dass sie im Zeitraum vom 6. Juli 1989 bis zuletzt 30. Juni 1993 Wiedereinreisesichtvermerke innegehabt habe, gestellt. Da mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 7. September 1999 (gegen sie) eine - in Rechtskraft erwachsene - Ausweisung erlassen worden sei - eine dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde sei am 27. Juni 2001 als unbegründet abgewiesen worden - , sei von der Erstbehörde das anhängige, auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung gerichtete Verfahren am 21. September 2001 gemäß § 15 Abs. 3 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, eingestellt worden. Dies sei dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin nachweislich am 11. Jänner 2002 zur Kenntnis gebracht worden.

Am 25. Februar 2002 habe die Beschwerdeführerin durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter den Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht bei der belangten Behörde eingebracht.

Daraus, dass das Verfahren über den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung am 21. September 2001 eingestellt worden sei, ergebe sich, dass die Erstbehörde ihrer Verpflichtung gemäß § 73 Abs. 1 AVG nachgekommen sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bringt vor, dass der Ausweisungsbescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 7. September 1999 bereits (rund) eineinhalb Jahre vor der Stellung des gegenständlichen Antrages der Beschwerdeführerin vom 25. Juli 2001 auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung erlassen worden sei und dieser Bescheid auch vor dieser Antragstellung in Rechtskraft erwachsen sei. Im Hinblick darauf sei kein Grund dafür vorgelegen, das Verfahren über den Antrag einzustellen, und sei der Devolutionsantrag zu Recht gestellt worden.

2. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

2.1. § 10 Abs. 1 und § 12 FrG in der bei Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden und daher vorliegend maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 34/2000 sowie § 15 FrG lauten:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn

1. gegen den Fremden ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht;

2. der Aufenthaltstitel zeitlich an den durch ein Reise- oder Durchreisevisum ermöglichten Aufenthalt anschließen und nach der Einreise erteilt werden soll;

3. der Aufenthaltstitel - außer für Saisonarbeitskräfte und Erntehelfer (§ 9), für begünstigte Drittstaatsangehörige (§ 47) und Angehörige von Österreichern (§ 49) - nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 28 oder § 29) erteilt werden soll;

4. sich der Fremde nach Umgehung der Grenzkontrolle nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält;

5. der Fremde unentschuldigt einer Ladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung (§ 96 Abs. 1 Z. 5), in der diese Folge angekündigt ist, nicht Folge leistet oder an der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht mitwirkt."

"§ 12. (1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist außer in den Fällen des § 10 Abs. 4 zu versagen, wenn Fremde, die hiezu gemäß § 8 Abs. 5 verpflichtet sind, keinen Rechtsanspruch auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft nachweisen.

(2) Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, die eine dem Ausländerbeschäftigungsgesetz unterliegende Erwerbstätigkeit zulässt, ist zu versagen, es sei denn, es handelt sich um die Aufenthaltserlaubnis für Rotationsarbeitskräfte (§ 7 Abs. 4 Z. 2) oder um eine Aufenthaltserlaubnis für Drittstaatsangehörige, die als Grenzgänger (§ 1 Abs. 11), Pendler (§ 1 Abs. 12), Saisonarbeitskräfte und Erntehelfer (§ 9), kurzfristig Betriebsentsandte (§ 18 Abs. 1 und 12 AuslBG), Volontäre oder Praktikanten (§ 3 Abs. 5 oder 9 AuslBG) oder kurzfristig Kunstausübende (§ 90 Abs. 4) erwerbstätig sind, ohne im Bundesgebiet an einem Wohnsitz niedergelassen zu sein.

(3) Fremden darf wegen eines Sachverhaltes, der keine Ausweisung oder kein Aufenthaltsverbot zulässt, ein weiterer Aufenthaltstitel für denselben Aufenthaltszweck nicht versagt werden."

"§ 15. (1) Werden in einem Verfahren zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels Versagungsgründe bekannt, so hat die Behörde - gegebenenfalls nach Einholung einer fremdenpolizeilichen Stellungnahme - den Antragsteller vom Versagungsgrund in Kenntnis zu setzen, ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung (§§ 33 ff) beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 37) zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, dass er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist, zu äußern.

(2) Nach Ablauf dieser Frist ist bei unverändertem Sachverhalt das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung zu veranlassen; der Ablauf der Frist des § 73 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, wird dadurch bis zum Abschluss dieses Verfahrens gehemmt. Sobald sich ergibt, dass eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig ist, hat die Behörde den weiteren Aufenthaltstitel zu erteilen.

(3) Erwächst jedoch eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, so ist das Verfahren über den Antrag auf Erteilung des weiteren Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Dieses Verfahren ist fortzusetzen, sobald nach einer Aufhebung der Ausweisung oder des Aufenthaltsverbotes durch den Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof feststeht, dass deren Verhängung nunmehr unterbleibt."

§ 73 AVG lautet auszugsweise:

"§ 73. (1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. (....(.

(2) Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

(3) Für die Oberbehörde (den unabhängigen Verwaltungssenat) beginnt die Entscheidungsfrist mit dem Tag des Einlangens des Devolutionsantrages zu laufen."

In den Erläuterungen zum FrG, RV 685 BlgNR 20. GP ("Zu den §§ 12 Abs. 3 und 15") heißt es:

"Kommt die Fremdenpolizeibehörde jedoch nach ihrer Prüfung zu demselben Ergebnis wie die Niederlassungsbehörde, erlässt sie die Ausweisung oder das Aufenthaltsverbot. Gegen die Ausweisung oder die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes steht der Rechtszug an die Sicherheitsdirektion des jeweiligen Landes und in der Folge an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts offen. Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, hat die Behörde den Antrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels formlos ex lege einzustellen. Das Verfahren ist jedoch fortzusetzen, sobald durch eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes oder Verwaltungsgerichtshofes die Ausweisung oder das Aufenthaltsverbot aufgehoben wird und es nicht zu einer neuerlichen aufenthaltsbeendenden Maßnahme kommen kann. (....(."

2.2. Nach Ausweis der Verwaltungsakten wurde die Beschwerdeführerin zu ihrem Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung von der Erstbehörde am 21. September 2001 vernommen und ihr dabei mitgeteilt, dass "auf Grund der rechtskräftigen Ausweisung grundsätzlich derzeit keine weitere Niederlassungsbewilligung erteilt werden könne". Noch am selben Tag wurde von der Erstbehörde das Verfahren über diesen Antrag nach § 15 Abs. 3 FrG formlos eingestellt (Aktenvermerk vom 21. September 2001).

2.3. Aus den Verwaltungsakten geht hervor, dass die Beschwerdeführerin mit dem im Instanzenzug - über den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 7. September 1999 - ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 17. Jänner 2000 gemäß § 33 Abs. 1 FrG ausgewiesen wurde. Die von ihr dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2001, Zl. 2000/18/0039, als unbegründet abgewiesen. Bei Stellung des am 25. Juli 2001 bei der Erstbehörde eingelangten Antrages auf Erteilung einer (weiteren) Niederlassungsbewilligung war somit das im angefochtenen Bescheid angeführte - von der Niederlassungsbehörde nicht veranlasste - aufenthaltsbeendende Verfahren nicht mehr anhängig.

2.4. Die belangte Behörde vertritt in ihrer Gegenschrift unter Hinweis auf das - einen Ausweisungsbescheid betreffende - hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2001, Zl. 2001/19/0078, die Auffassung, es sei für die in § 15 Abs. 3 FrG vorgesehene Rechtsfolge unwesentlich, ob die Rechtskraft der aufenthaltsbeendenden Entscheidung vor oder nach Einbringung des gegenständlichen Antrages (auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung) eingetreten sei. Wenn bereits eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Entscheidung vorliege, sei es nicht mehr notwendig, gemäß § 15 Abs. 1 und 2 FrG vorzugehen.

Dieser Auffassung kann in dieser allgemeinen Form nicht gefolgt werden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem von der belangten Behörde ins Treffen geführten Erkenntnis Zl. 2001/19/0078 ausgeführt hat, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 2 FrG, dass die Veranlassung der Aufenthaltsbeendigung durch die Aufenthaltsbehörde (Niederlassungsbehörde) bei der Fremdenpolizeibehörde die Ablaufhemmung der Frist des § 73 Abs. 1 AVG auslöst. Im vorliegenden Fall hat nach Ausweis der Verwaltungsakten die Erstbehörde eine Aufenthaltsbeendigung nicht veranlasst, weshalb sich die belangte Behörde (so wie in dem dem Erkenntnis Zl. 2001/19/0078 zu Grunde liegenden Beschwerdefall) auf den Wortlaut des § 15 Abs. 2 leg. cit. nicht stützen konnte.

Sofern die belangte Behörde mit ihrem Hinweis auf das Erkenntnis Zl. 2001/19/0078 auf die dort zitierten hg. Vorerkenntnisse vom 19. November 1998, Zl. 98/19/0075, vom 10. September 1999, Zl. 99/19/0102, und vom 8. September 2000, Zl. 2000/19/0094, Bezug nehmen sollte, ist zu bemerken, dass in den diesen Vorerkenntnissen zu Grunde liegenden Beschwerdefällen nicht - wie im vorliegenden Beschwerdefall - eine Ausweisung, sondern ein Aufenthaltsverbot erlassen worden war. Das Bestehen einer rechtskräftigen Ausweisung stellt - anders als im Fall eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes (vgl. § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG) - keinen zwingenden Versagungsgrund für die Erteilung eines Aufenthaltstitels im Sinn des § 10 Abs. 1 leg. cit. dar. Dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels an einen Fremden, gegen den eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde, auch wenn diese noch nicht durchgesetzt wurde, nach dem FrG nicht unzulässig ist, ergibt sich im Übrigen auch aus § 40 Abs. 3 leg. cit., wonach eine Ausweisung gegenstandslos wird, wenn dem Fremden ein Aufenthaltstitel erteilt wird.

Da sich die Erstbehörde nicht auf den rechtskräftigen Ausweisungsbescheid vom 17. Jänner 2000 stützen durfte, wurde die Frist des § 73 Abs. 1 AVG nicht gehemmt. Diese war daher bei Stellung des Devolutionsantrages vom 25. Februar 2002 bereits abgelaufen.

3. Die Voraussetzungen für die Einstellung des Verfahrens nach § 15 Abs. 3 FrG und die Zurückweisung des Devolutionsantrages lagen somit im gegenständlichen Fall nicht vor. Dies hat die belangte Behörde verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. September 2005

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1Besondere RechtsgebieteRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002180221.X00

Im RIS seit

27.10.2005

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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