TE OGH 1988/9/6 11Os95/88

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Veröffentlicht am 06.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.September 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bogensberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Hans-Peter S*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Raubes nach den §§ 142 Abs. 1 und 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 18.Mai 1988, GZ 22 Vr 622/88-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Schuldspruch wegen des Vergehens nach dem § 135 Abs. 1 StGB unberührt bleibt, in den übrigen

Schuldsprüchen - teilweise gemäß den §§ 289, 290 Abs. 1 StPO - und im Strafausspruch einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 18.Februar 1965 geborene Hans-Peter S*** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Raubes nach den §§ 142 Abs. 1 und 15 StGB (I), des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 StGB (II) und des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach dem § 135 Abs. 1 StGB (III) schuldig erkannt. Darnach liegt ihm zur Last, am 19.Februar 1988 in Innsbruck dem Lutz O*** mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben einen Bargeldbetrag von 100 S weggenommen und einen Videorecorder samt zwei Kassetten mit unerhobenem Wert abzunötigen versucht zu haben, indem er sich mit seinem Körper vor Lutz O*** "aufbaute", eine Faust vor dessen Gesicht hielt und mit der anderen Faust zu einem Schlag ausholte und ihn zur Geldübergabe aufforderte (I 1 und 2), weiters mit eben dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, versucht zu haben, Lutz O*** durch die beschriebene Drohung, verbunden mit der Äußerung, er werde ihn "umbringen", wenn er ihm nicht den richtigen Bankomatencode sage, sohin durch Drohung mit dem Tode, zu Handlungen, die ihn am Vermögen schädigen sollten, nämlich zur Übergabe seiner Bankomatkarte, ausgestellt von der B*** V*** T*** UND V***, und Bekanntgabe seiner Codenummer zu nötigen (II). Schließlich hat er Lutz O*** laut Urteilsvorwurf dadurch geschädigt, daß er den aus dessen Gewahrsam entzogenen Schlüsselbund im Wert von 150 S, ohne sich die Sache zuzueignen, wegwarf (III).

Mit Ausnahme des Schuldspruchs wegen des § 135 Abs. 1 StGB (III) ficht der Angeklagte dieses Urteil in den übrigen Schuldsprüchen mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5, 5 a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung an.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.

Nach den Feststellungen nahm der bisexuell veranlagte Lutz O*** den Angeklagten, den er kurz vorher um ca. 2.15 Uhr früh auf der Straße angesprochen hatte, in seine Wohnung mit. Nachdem sie sich zunächst nur unterhalten hatten, bezog Hans-Peter S*** gegen den in einem tiefen Sessel sitzenden O*** plötzlich eine drohende Haltung, hielt ihm eine Faust dicht vor das Gesicht, erhob die andere Faust zum Schlag und forderte Geld. Durch diese Drohung eingeschüchtert übergab O*** dem Angeklagten seine Geldtasche, in der S*** aber nur 100 S finden konnte. Da ihm diese Beute zu gering war, verlangte der Angeklagte unter weiteren Drohungen mit Schlägen - ohne Erfolg - mehr Geld (I 1). Bei der Durchsuchung der Tasche fand er die Bankomatscheckkarte des Lutz O*** und verlangte von ihm nunmehr unter der Drohung, er werde ihn umbringen, wenn er ihm nicht die richtige Nummer angebe, die Bekanntgabe des Codes. Durch das Verhalten des Angeklagten weiterhin eingeschüchtert, gab O*** die Codenummer bekannt und erklärte sich auch, nachdem der Angeklagte ein offensichtlich vorgetäuschtes Telefongespräch zwecks Herbeirufung von Komplizen geführt hatte, bereit, mit S*** einen Bankomaten zur Geldabhebung

aufzusuchen (II). Bevor die beiden aber die Wohnung verließen, forderte der Angeklagte Lutz O*** unter weiteren Drohgebärden auf, einen Videorecorder und zwei Kassetten mitzunehmen. Da O*** den Angeklagten unmittelbar darauf beim Verlassen des Hauses aussperren konnte, blieb es bei der Wegnahme von 100 S und im übrigen beim Versuch (I 2 und II).

Gegen die Annahme, es habe sich um Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben gehandelt (§ 89 StGB), wendet sich der Angeklagte in seiner Nichtigkeitsbeschwerde unter Heranziehung der Z 5 a des § 281 Abs. 1 StPO mit dem Hinweis auf einzelne Passagen der Aussagen des Zeugen O*** im Vorverfahren und moniert vor allem, daß das Gericht seine Verantwortung, es gehe um keinen Raub, sondern um die von ihm verlangte Honorierung der von O*** gewünschten homosexuellen Handlungen, letztlich auch mit der Begründung abgelehnt hatte, er habe laut Aussage des Zeugen L*** davon bei seiner Anhaltung nichts erwähnt.

Damit verweist die Beschwerde auf aktenkundige Beweisergebnisse, die erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch wegen Raubes zugrunde gelegten Tatsachen aufkommen lassen. Der Polizeibeamte Josef L***, der nach der telefonischen Anzeige des Lutz O*** per Funk zum Einsatz beordert worden war und den Angeklagten auf der Straße anhalten konnte, erwähnte zwar in seinem Bericht nicht ausdrücklich, daß S*** sich auf homosexuelle Kontakte bezog (ON 2), gab aber als Zeuge in der Hauptverhandlung an, daß von unsittlichen Belästigungen wohl nicht ausdrücklich gesprochen wurde, aber Anspielungen durchaus vorgekommen sein mögen. Die anschließende niederschriftliche Vernehmung habe er aber nicht durchgeführt (S 150, 152). Bei dieser niederschriftlichen Vernehmung, die ein anderer Beamter besorgt hatte, verantwortete sich der Beschwerdeführer aber eindeutig damit, er habe zwar nachdrücklich, aber ohne Drohungen Geld dafür gefordert, daß er von O*** unsittlich belästigt worden sei (S 97-109). Da bei der Tat selbst Zeugen nicht zugegen waren, kommt dem Umstand, wie sich der Angeklagte nach seiner Betretung verhalten hat, erhebliche Bedeutung zu, zumal nach den Umständen, wie der einschlägig veranlagte Zeuge O*** den Angeklagten ansprach und sogleich in seine Wohnung mitnahm, schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Absicht nach Herbeiführung von - allenfalls zu honorierenden - homosexuellen Kontakten nicht von der Hand zu weisen ist. Wenn das Gericht daher den Polizeibeamten, der den Angeklagten festnahm, als Zeugen vor Gericht hörte und dessen - für den Angeklagten ungünstige - Aussagen verwertete, wäre es, um dem Erfordernis eines konventionskonformen fairen und dem Gebot der amtswegigen Wahrheitsforschung entsprechenden Verfahrens (Art. 6 EMRK, §§ 3, 232 Abs. 2, 254 StPO) gerecht zu werden, nötig gewesen, alle mit der Festnahme und Vernehmung des Angeklagten unmittelbar nach der Tat am 19. Februar 1988 befaßt gewesenen Polizeibeamten zu hören. Der Schuldspruch wegen Raubes war daher schon aus diesem Grund aufzuheben (Z 5 a).

Darüber hinaus gibt der Umstand, daß das Schöffengericht einen Teil des Tatgeschehens gesondert als schwere Erpressung (II) beurteilte, unter Bedachtnahme auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen zu nachfolgenden Überlegungen Anlaß:

Mit seiner Verfahrensrüge (Z 4), aber auch mit der Mängelrüge (Z 5) moniert der Angeklagte die Abweisung seines Beweisantrages auf Einholung einer Auskunft der B*** FÜR T*** UND V***, ob es sich bei der Scheckkarte des Lutz O*** um eine solche mit Bankomatfunktion handelte (S 158). Dabei weist er auf die nicht eindeutigen Aussagen des Zeugen O*** im Vorverfahren hin und hält die Verfahrensergänzung deshalb für erforderlich, weil eine Vermögensschädigung nur in Frage komme, wenn die Scheckkarte auch die Funktion einer Bankomatkarte hatte.

Unabhängig davon, daß das Gericht auf Grund der eindeutigen Depositionen des Zeugen O*** in der Hauptverhandlung (S 157), denen der Angeklagte nichts entgegenzusetzen vermochte, die entsprechenden Feststellungen, aus denen sich auch der Bereicherungsvorsatz ergibt, mängelfrei traf und der Beweisantrag im übrigen schon nach seiner Diktion als unbeachtlicher Erkundungsbeweis anzusehen ist, gehen diese Beschwerdeeinwände an der Rechtslage vorbei, worauf gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen Bedacht zu nehmen ist.

Sowohl nach der Fassung des Urteilsspruches (S 166, 167) als auch der rechtlichen Subsumtion (S 172) scheint das Schöffengericht - wie auch nunmehr der Beschwerdeführer - die vermögensschädigende Handlung des Angeklagten im Abnötigen der Bankomatkarte unter Angabe der Codenummer zu erblicken. Bankomatkarten sind aber auch dann keine Wertträger, wenn dem Täter der persönliche Code bekannt ist, können daher weder Gegenstand eines Diebstahles noch eines Betruges noch eines Raubes und somit auch keiner Erpressung sein (Kienapfel BT II2 Rz 30 zu § 127 StGB, Rz 123 zu § 146 StGB und Rz 52 zu § 144 StGB, JBl. 1986, 261). Nach den getroffenen Feststellungen käme aber als ausführungsnahe Handlung zum angestrebten Erfolg (Geldabhebung) der Aufbruch des Täters, um in Begleitung seines Opfers bei einem Bankomaten abzuheben, durchaus in Frage, was in der rechtlichen Beurteilung auch anklingt (S 172 unten). Das Urteil läßt hiezu aber eindeutige Feststellungen vermissen, die schon deshalb erforderlich gewesen wären, um den angenommenen - zur gesonderten Subsumtion eines Teils des Verhaltens als Erpressung führenden - Bruch im Tatgeschehen darzutun, dann aber auch deshalb, weil - worauf die Beschwerde unter der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO zu Recht hinweist - es auch an klaren Feststellungen mangelt, die das Verhalten des Täters als ernstzunehmende Todesdrohung im Sinn des § 145 Abs. 1 Z 1 StGB erkennen ließen.

Verbale Todesdrohungen (hier mit dem "Umbringen") sind nämlich nach forensischer Erfahrung häufig objektiv nur in übertriebener Weise ausgedrückte Drohungen mit einer Verletzung der körperlichen Integrität, nicht jedoch mit einem Anschlag auf das Leben des Bedrohten; derartige mündliche Drohungen sind daher nicht nur nach dem Wortlaut, sondern auch nach ihrem Sinngehalt in Verbindung mit dem sonstigen Täterverhalten zu beurteilen. Maßgebend für das Vorliegen einer Drohung mit dem Tod ist es demnach, daß der Bedrohte den Eindruck haben konnte, es stehe ein Angriff auf sein Leben und nicht nur auf seinen Körper bevor (Leukauf-Steininger2 RN 6, 7 zu § 106 StGB mit Judikaturhinweisen).

Das Urteil läßt aber Erörterungen darüber vermissen, wie die Drohung des Angeklagten, er werde O*** "umbringen", wenn er nicht die richtige Codenummer angegeben habe, zu verstehen war. Dabei wäre in den Kreis der Betrachtung auch die Tatsache einzubeziehen gewesen, daß der Angeklagte durch die Vortäuschung eines Telefongespräches mit angeblichen Komplizen offensichtlich den Eindruck erwecken wollte, bei der Geldabhebung würden weitere Personen anwesend sein. Es wäre aber auch die Feststellung erforderlich gewesen, wo sich der nächste Bankomat befunden hätte, weil sich daraus ein enger zeitlicher, räumlicher und aktionsmäßiger Zusammenhang zwischen den als Raub beurteilten Tathandlungen und der versuchten Geldabhebung beim Bankomaten ergeben könnte, somit eine Beurteilung als einheitliches Tatgeschehen in Frage käme (EvBl. 1980/148, SSt. 55/8 und 37).

Es zeigt sich somit, daß auch der Schuldspruch wegen schwerer Erpressung (II) im Hinblick auf die aufgezeigten Feststellungsmängel, doch auch wegen des untrennbaren Zusammenhanges mit dem Schuldspruch wegen Raubes (§ 289 StPO), aufzuheben war. Damit stand bereits bei der nichtöffentlichen Beratung fest, daß eine neuerliche Hauptverhandlung unumgänglich ist, weshalb das Urteil im Umfang der Anfechtung (Schuldsprüche I und II), teilweise auch von Amts wegen gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO, aufgehoben und dem Erstgericht die Verfahrenserneuerung aufgetragen werden mußte (§ 285 e StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese auch den Strafausspruch erfassende kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E15313

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0110OS00095.88.0906.000

Dokumentnummer

JJT_19880906_OGH0002_0110OS00095_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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