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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
HGG 2001 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des I in S, vertreten durch Dr. Werner Ungeringer und Dr. Anton Ullmann, Rechtsanwälte in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 20, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 13. Februar 2003, Zl. P829827/1-PersD/2003, betreffend Übergenuss nach dem Heeresgebührengesetz 2001, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Heeresgebührenamtes vom 3. Dezember 2001 wurde dem Beschwerdeführer über seinen Antrag Familienunterhalt und Wohnkostenbeihilfe nach den Vorschriften des Heeresgebührengesetzes 2001 (HGG 2001) zuerkannt. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass der Anspruch mit dem Beginn des Grundwehrdienstes des Beschwerdeführers am 5. November 2001 entstanden sei und, sofern die Anspruchsberechtigung nicht schon früher wegfalle, mit dem Tag seiner Entlassung aus dem Wehrdienst ende.
Mit "Leistungsbescheid" vom 18. November 2002 hat das Heeresgebührenamt ausgesprochen, der Beschwerdeführer habe der Republik Österreich den zu Unrecht bezogenen Betrag von EUR 18.590,20 gemäß § 55 HGG 2001 zu ersetzen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei mit Ablauf des 10. Jänner 2002 vorzeitig aus dem Wehrdienst entlassen worden. Da ihm aber für die Monate Jänner 2002 bis Juli 2002 der genannte Familienunterhalt und die Wohnkostenbeihilfe "voll ausgezahlt" worden seien, habe er den nunmehr geforderten Betrag zu Unrecht empfangen. Nach der letztgenannten Bestimmung habe der Beschwerdeführer diesen Übergenuss der Republik Österreich zu ersetzen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und brachte vor, er habe den von ihm geforderten Betrag im guten Glauben bezogen. Nachdem er wegen eines Bandscheibenvorfalls in Krankenhaus behandelt worden sei, habe ihm das Bundesheer nach fachärztlichen Konsultationen die weitere Dienstleistung nach dem 10. Jänner 2002 "interimistisch ... erlassen". Im Anschluss an seine Operation sei er im März 2002 bescheidmäßig neuerlich zur Stellung verpflichtet worden, die am 2. Juli 2002 mit der Feststellung seiner Untauglichkeit geendet habe. Nach diesem Beschluss der Stellungskommission seien die Leistungen nach dem Heeresgebührengesetz eingestellt worden. Der Beschwerdeführer habe seines Erachtens keinerlei Meldepflichten verletzt und habe auch keinen Einfluss auf den späten Termin der neuerlichen Stellung gehabt. Er habe sich jedenfalls bis Mai 2002 im Krankenstand befunden und habe auf Grund der Wirbelsäulenoperation seine frühere (zivile) Tätigkeit bislang nicht vollständig aufnehmen können. Im Übrigen könne ihm nicht zur Last fallen, wenn die Weiterleitung von Meldungen innerhalb der Heeresverwaltung (an das Heeresgebührenamt) verspätet oder verzögert erfolgt sein sollte. Zu seinem im Berufungsschriftsatz gestellten (hier nicht verfahrensgegenständlichen) Eventualantrag auf Abstandnahme von der Hereinbringung des Übergenusses gab der Beschwerdeführer an, er sei "auf Grund der von mir im Dienst erlittenen Verletzung" nicht mehr so leistungsfähig wie früher, sodass er den Verlust seines Arbeitsplatzes befürchten müsse.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 13. Februar 2003 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 55 HGG 2001 ab. In der Begründung ihres Bescheides führte sie aus, der Beschwerdeführer sei mit Ablauf des 10. Jänner 2002 "aus gesundheitlichen Gründen wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig entlassen" worden. Dies sei dem Heeresgebührenamt, nunmehr Heerespersonalamt, erst durch ein Schreiben der zuständigen Militärdienststelle vom 23. Juli 2002 zur Kenntnis gebracht worden, sodass die genannten Zahlungen an den Beschwerdeführer vom 11. Jänner 2002 bis 4. Juli 2002 zu Unrecht erfolgt und von diesem daher rückzuerstatten seien. Dem Berufungsvorbringen, der Beschwerdeführer habe die Zahlungen im guten Glauben empfangen, sei zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer schon im Bescheid vom 3. Dezember 2001 darauf hingewiesen worden sei, dass der Anspruch auf die in Rede stehenden Leistungen mit dem Tag der Entlassung aus dem Wehrdienst ende.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer abermals einwendet, er habe die Leistungen im guten Glauben empfangen, sodass er nach § 55 HGG 2001 nicht zu ihrem Ersatz verpflichtet sei. Sowohl die Militärbehörde als auch der Beschwerdeführer seien davon ausgegangen, dass seine "operations- bzw. krankheitsbedingte Dienstunfähigkeit eine vorübergehende sein würde". Erst durch den Bescheid der Stellungskommission vom Juli 2002 sei klar geworden, dass eine "endgültige Untauglichkeit" des Beschwerdeführers vorliege. Er habe somit darauf vertrauen können, dass ihm "während der Krankenstandszeit" die Bezüge zu Recht zugeflossen seien. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass nach § 2 Abs. 2 Z. 3 HGG 2001 der Anspruch auf Familienunterhalt und Wohnkostenbeihilfe auch während jener Zeiten aufrecht bleibe, die nicht in die Dienstzeit einzurechnen seien.
Über diese Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Das Heeresgebührengesetz 2001 - HGG 2001 in der Fassung
BGBl. I Nr. 103/2002 lautet wie folgt:
"Anwendungsbereich
§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz ist, soweit darin nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nur auf Soldaten anzuwenden, die Präsenz- oder Ausbildungsdienst leisten (Anspruchsberechtigte).
(2) ...
Ansprüche
§ 2. (1) Die Ansprüche nach diesem Bundesgesetz bestehen, soweit nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nur für Zeiten, die in die Dienstzeit der Anspruchsberechtigten einzurechnen sind.
(2) Abs. 1 gilt mit folgenden Maßgaben:
1.
...
3.
Der Anspruch auf Familienunterhalt sowie auf Wohnkostenbeihilfe für eine Wohnung, in der der Anspruchsberechtigte mit solchen Personen im gemeinsamen Haushalt lebt, für die Anspruch auf Familienunterhalt besteht, bleibt auch während jener Zeiten aufrecht, die nicht in die Dienstzeit einzurechnen sind.
...
§ 23. (1) Familienunterhalt oder Wohnkostenbeihilfe kann Anspruchsberechtigten gebühren, die den Grundwehrdienst oder die ersten sechs Monate des Ausbildungsdienstes leisten, auf deren Antrag und für die Dauer eines solchen Wehrdienstes, sofern nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist.
(2) ...
Übergenuss
§ 55. (1) Zu Unrecht empfangene Beträge (Übergenüsse) sind, soweit sie nicht im guten Glauben empfangen worden sind, dem Bund zu ersetzen. Sie sind vom Heerespersonalamt hereinzubringen.
(2) ..."
§ 30 des Wehrgesetzes 2001 (WG 2001) in der Fassung BGBl. I Nr. 146/2001, lautet:
"Vorzeitige Entlassung wegen Dienstunfähigkeit
§ 30. (1) Wird die Dienstunfähigkeit eines Soldaten, der Präsenz- oder Ausbildungsdienst leistet, vom zuständigen Militärarzt festgestellt, so gilt der Soldat als vorzeitig aus diesem Wehrdienst entlassen. Die Schwangerschaft einer Frau gilt nicht als Entlassungsgrund. Die Feststellung der Dienstunfähigkeit wird wirksam
1. mit Ablauf des Tages ihrer Bestätigung durch den zuständigen Militärarzt beim Militärkommando oder
2. bei Truppenübungen, Kaderübungen sowie freiwilligen Waffenübungen und Funktionsdiensten, die jeweils nicht länger als 20 Tage dauern, mit Ablauf des Tages der Feststellung.
(2) Eine Dienstunfähigkeit liegt vor, wenn der Soldat auf Grund einer Gesundheitsschädigung weder zu einer militärischen Ausbildung noch zu einer anderen Dienstleistung im jeweiligen Wehrdienst nach Abs. 1 herangezogen werden kann und die Herstellung der Dienstfähigkeit innerhalb von 24 Tagen, sofern aber der Wehrdienst früher endet, bis zu diesem Zeitpunkt, nicht zu erwarten ist.
(3) Die vorzeitige Entlassung wegen Dienstunfähigkeit wird nur mit Zustimmung des betroffenen Soldaten wirksam, wenn
1. die Dienstunfähigkeit auf eine Gesundheitsschädigung nach Abs. 4 zurückzuführen ist oder
2. die Gesundheitsschädigung, welche die Dienstunfähigkeit verursacht hat, sonst in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer Wehrdienstleistung nach Abs. 1 steht.
Stimmt der Soldat der vorzeitigen Entlassung nicht zu, so gilt er erst nach Ablauf eines Jahres ab Wirksamkeit der Feststellung der Dienstunfähigkeit als aus dem Wehrdienst entlassen, sofern er seine Dienstfähigkeit nicht vorher wiedererlangt oder der Wehrdienst nicht vorher endet.
(4) Als Gesundheitsschädigungen im Sinne des Abs. 3 Z 1 gelten solche, die der Soldat erlitten hat
1. infolge des Wehrdienstes einschließlich einer allfälligen beruflichen Bildung oder
2.
auf dem Weg zum Antritt des Wehrdienstes oder
3.
im Falle einer Dienstfreistellung auf dem Weg vom Ort der militärischen Dienstleistung zum Ort des bewilligten Aufenthaltes oder auf dem Rückweg oder
4. bei einem Ausgang auf dem Hin- oder Rückweg zwischen der Wohnung und dem Ort der militärischen Dienstleistung oder
5. auf dem Hin- oder Rückweg zwischen der Wohnung oder dem Ort der militärischen Dienstleistung und einem Geldinstitut zum Zweck der Behebung von Geldleistungen nach dem Heeresgebührengesetz 2001 (HGG 2001), BGBl. I Nr. 31, oder
6. auf einem Weg nach Z 2 bis 5 im Rahmen einer Fahrtgemeinschaft. Solche Gesundheitsschädigungen müssen zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Wehrdienstleistung eigentümlichen Verhältnisse zurückzuführen sein. Bei Gesundheitsschädigungen, die mit Hilflosigkeit oder Blindheit verbunden sind, genügt ein ursächlicher Anteil dieses Ereignisses oder dieser Verhältnisse. Sofern die Beschaffung von Urkunden oder amtlichen Beweismitteln auf Grund besonderer Umstände zum Nachweis der Ursächlichkeit ausgeschlossen ist, reicht die Glaubhaftmachung eines ursächlichen Zusammenhanges durch hiezu geeignete Beweismittel aus.
(5) Einer Zustimmung des Soldaten zur vorzeitigen Entlassung nach Abs. 3 bedarf es nicht, wenn zumindest mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Gesundheitsschädigung
1. vom Soldaten herbeigeführt wurde
a)
vorsätzlich oder
b)
durch eine gerichtlich strafbare, mit Vorsatz begangene und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohte Handlung oder
c) infolge der Beeinträchtigung der Zurechnungsfähigkeit durch den Missbrauch von Alkohol oder eines Suchtmittels oder
2. in den Fällen des Abs. 4 Z 2 bis 6 auf ein grob fahrlässiges Verhalten des Soldaten zurückzuführen ist."
Ausgehend von der Bestimmung des § 1 Abs. 1 HGG 2001, nach der Anspruchsberechtigter nach diesem Bundesgesetz nur ist, wer Präsenz- oder Ausbildungsdienst leistet, kann der vom Beschwerdeführer angesprochene § 2 Abs. 2 Z. 3 HGG 2001 nur so verstanden werden, dass der dort genannte Fortbestand des Anspruchs auf Familienunterhalt und auf Wohnkostenbeihilfe für nicht als Dienstzeiten geltende Zeiten ebenfalls nur für jene Personen gilt, die Präsenz- oder Ausbildungsdienst leisten. Dies ergibt sich auch aus § 23 Abs. 1 HGG 2001, der die Gewährung von Familienunterhalt und Wohnkostenbeihilfe nur für die Dauer des dort näher bezeichneten Wehrdienstes vorsieht. Aus § 2 Abs. 2 Z. 3 HGG 2001 allein ist daher für den Beschwerdeführer noch nichts zu gewinnen, weil die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer seit dem 10. Jänner 2002 keinen Wehrdienst mehr geleistet hat.
Der angefochtene Bescheid baut somit auf der - im Folgenden auf ihre Richtigkeit zu prüfende - Prämisse auf, der Beschwerdeführer sei bereits am 10. Jänner 2002 wegen Dienstunfähigkeit aus dem Präsenzdienst entlassen worden.
Eine bescheidmäßige Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Grundwehrdienst ist aus dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht ersichtlich. In ihrer Gegenschrift zur Beschwerde meint die belangte Behörde, die Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Grundwehrdienst mit Ablauf des 10. Jänner 2002 sei gemäß § 30 WG 2001 wegen Dienstunfähigkeit erfolgt. Diesbezüglich findet sich im Verwaltungsakt ein "Militärärztliches Gutachten" vom 10. Jänner 2002, nach dessen Inhalt die Gesundheitsschädigung des Beschwerdeführers eine zumindest vorübergehende Dienstunfähigkeit von mehr als 24 Tagen bedinge. Die Art der Gesundheitsschädigung des Beschwerdeführers ist in diesem Gutachten nur verschlüsselt angegeben, die Ursache der Gesundheitsschädigung wird dort nicht genannt. Verneint wird im Gutachten - ohne nähere Begründung - lediglich, dass die Dienstunfähigkeit vom "PD/AusbD" (Präsenzdienst/Ausbildungsdienst) herrühre.
Gemäß § 30 WG 2001 gilt der Soldat als vorzeitig aus dem Wehrdienst entlassen, wenn vom zuständigen Militärarzt die Dienstunfähigkeit des Soldaten festgestellt wird. Hinsichtlich der Wirksamkeit dieser Entlassung aus dem Wehrdienst unterscheidet § 30 WG 2001 zwei Fallgruppen. Während gemäß § 30 Abs. 1 WG 2001 die Wirksamkeit der Entlassung bereits mit Ablauf des Tages der Bestätigung durch den Militärarzt beim Militärkommando (Z. 1) bzw. mit Ablauf des Tages der Feststellung der Dienstunfähigkeit (Z. 2) eintritt, wird in den Fällen des § 30 Abs. 3 WG 2001 die Entlassung nur mit Zustimmung des betroffenen Soldaten wirksam.
Für den vorliegenden Beschwerdefall bedeutet dies, dass die Richtigkeit der Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei bereits mit Ablauf des 10. Jänner 2002 aus dem Wehrdienst entlassen worden und er habe die Zahlungen für den nachfolgenden Zeitraum zu Unrecht empfangen, davon abhängt, dass keiner der Fälle des § 30 Abs. 3 WG 2001 vorliegt bzw., falls ein solcher Fall vorliegt, dass der Beschwerdeführer seiner vorzeitigen Entlassung am 10. Jänner 2002 zugestimmt hat. Dazu hat die belangte Behörde trotz des erwähnten Vorbringens des Beschwerdeführers im Berufungsschriftsatz, er habe die Verletzung "im Dienst erlitten", was auf die Verwirklichung eines Tatbestandes des § 30 Abs. 3 WG 2001 hindeutet, keinerlei Feststellungen getroffen.
Der angefochtene Bescheid ist daher mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 29. September 2005
Schlagworte
Verfahrensbestimmungen Allgemein Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003110164.X00Im RIS seit
31.10.2005Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008