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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des E in B, vertreten durch Mag. Roja Claudia Missaghi, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Erzherzog Rainer-Ring 23, als bevollmächtigter Vertreter des Dr. Rudolf Fries, Rechtsanwalt, ebenda, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 22. Oktober 2003, Zl. RU6-St-A-0202/0, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Straferkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 12. August 2003 wurde der Beschwerdeführer (u.a.) bestraft, weil er am 10. November 2001 in Baden an einer näher bezeichneten Örtlichkeit mit einem Kombinationskraftwagen einen nach Marke, Type und Kennzeichen bestimmten Anhänger, der ein höchstzulässiges Gesamtgewicht von 1.350 kg (bei einem Eigengewicht von 1.070 kg und höchstzulässigem Gesamtgewicht von 1.580 kg des Kombinationskraftwagens) aufwies, gezogen habe, obwohl er nicht im Besitz einer Lenkberechtigung der Klasse E gewesen sei und deshalb eine Übertretung nach § 1 Abs. 3, § 2 Abs. 2 Z. 4 iVm § 37 Abs. 1 FSG begangen habe.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. Oktober 2003 wurde die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für Kraftfahrzeuge der Klasse B auf die Dauer von drei Monaten "ab Zustellung des Bescheides" gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1, § 25 Abs. 1 und 3 sowie § 29 Abs. 3 FSG entzogen. Die belangte Behörde führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass sie an das zuvor genannte verurteilende Erkenntnis im Verwaltungsstrafverfahren gebunden sei. Ferner gehe aus den Akten der Bezirkshauptmannschaft Baden hervor, "dass ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 19. Jänner 1998, Zl. ...., vorliegt" und dass auch diese Bestrafung in Rechtskraft erwachsen sei. Damit stehe fest, dass der Beschwerdeführer wiederholt ein Kraftfahrzeug ohne entsprechende Lenkberechtigung für die betreffende Klasse gelenkt habe. Demnach seien bei ihm die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr vorgelegen, weshalb seine Lenkberechtigung zu entziehen sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Erst in der Gegenschrift holt die belangte Behörde nach, dass Gegenstand des rechtskräftigen Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 19. Jänner 1998 gewesen sei, dass der Beschwerdeführer am 20. Juni 1997 einen Lastkraftwagen ohne Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klasse C gelenkt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 134 Abs. 1 iVm § 64 Abs. 1 KFG 1967 begangen habe. Es sei daher vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z. 7 lit. b FSG auszugehen; was die Wertung anbelange, müsse das zweimalige Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkberechtigung für die betreffende Klasse in den Vordergrund gerückt werden, was gerade die besondere Verwerflichkeit eines derartigen Verhaltens ausmache. Demgegenüber komme dem Kriterium der seither verstrichenen Zeit nur geringes Gewicht zu.
Der angefochtene Bescheid erweist sich als rechtswidrig:
Gemäß § 7 Abs. 1 FSG gilt als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen 1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder 2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird. Gemäß § 7 Abs. 3 Z 7 lit. b FSG gilt es insbesondere als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1, wenn jemand ein Kraftfahrzeug wiederholt ohne entsprechende Lenkberechtigung für die betreffende Klasse lenkt. Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind gemäß § 7 Abs. 4 leg. cit. deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend. Gemäß § 7 Abs. 5 leg. cit. gelten strafbare Handlungen dann nicht als bestimmte Tatsachen im Sinn des Abs. 1, wenn die Strafe zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens getilgt ist. Für die Frage der Wertung nicht getilgter bestimmter Tatsachen gemäß Abs. 3 sind jedoch derartige strafbare Handlungen auch dann heranzuziehen, wenn sie bereits getilgt sind. Gemäß § 7 Abs. 6 leg. cit. sind für die Beurteilung, ob eine strafbare Handlung gemäß Abs. 3 Z 7 lit. b leg. cit. wiederholt begangen wurde, vorher begangene Handlungen der gleichen Art selbst dann heranzuziehen, wenn sie bereits einmal zur Begründung des Mangels der Verkehrszuverlässigkeit herangezogen worden sind, es sei denn, die zuletzt begangene Tat liege länger als zehn Jahre zurück.
Gemäß § 24 Abs. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit 1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder 2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Gemäß § 25 Abs. 1 leg. cit. ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Gemäß § 25 Abs. 3 leg. cit. ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.
Der Beschwerdeführer bekämpft insbesondere die Annahme der belangten Behörde, dass er wiederholt ein Kraftfahrzeug gelenkt habe, ohne im Besitz der entsprechenden Lenkberechtigung gewesen zu sein.
Schon dieser Einwand führt die Beschwerde zum Erfolg:
Der Beschwerdeführer bringt vor, er sei mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 19. Jänner 1998 nicht wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne entsprechende Lenkberechtigung bestraft worden, sondern wegen Übertretung des § 134 Abs. 1 iVm § 102 Abs. 5 lit. b KFG 1967. Bereits in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Entziehungsbescheid vom 9. Jänner 2002 hatte der Beschwerdeführer ein vergleichbares Vorbringen erstattet. Die belangte Behörde hat es unterlassen, sich damit auseinander zu setzen und im angefochtenen Bescheid die erforderlichen Feststellungen hinsichtlich einer Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne entsprechende Lenkberechtigung zu treffen. Die in der Gegenschrift nachgeholten Feststellungen - die auch gar nicht erkennen lassen, auf welcher Grundlage die belangte Behörde zu ihnen gelangt ist - vermögen keinen Ersatz zu bieten. Der Hinweis der belangten Behörde, die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens seien bereits skartiert, ist nicht geeignet, dem Beschwerdeführer die ihm zukommenden Verteidigungsrechte zu nehmen und die belangte Behörde von den notwendigen Feststellungen zu entheben.
Mangels entsprechender nachvollziehbarer Feststellungen, die eine Überprüfung der Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe "wiederholt" ein Kraftfahrzeug ohne entsprechende Lenkberechtigung gelenkt (§ 7 Abs. 3 Z. 7 FSG), zuließen, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 29. September 2005
Schlagworte
Begründung BegründungsmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004110064.X00Im RIS seit
04.11.2005