Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr.Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei B*** M***
mbH, Großpetersdorf, Ungarnstraße 23, vertreten durch Dr. Hans Bichler, Dr. Herwig Hauser und Dr. Wolfgang Spitzy, Rechtsanwälte in Wien, wegen 325.320 S sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 21. Jänner 1988, GZ 1 R 241/87-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 11. September 1987, GZ 1 Cg 78/87-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:
Spruch
Die Revision wird, soweit der Zuspruch des Betrages von 45.480 S sA bekämpft wird, zurückgewiesen.
Im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 10.303,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei beteiligte sich an der öffentlichen Ausschreibung des Bundesministeriums für Landesverteidigung, Zl. 41/828/00-00/44-4.8, über 22.000 Stück Feldeßbestecke sowie 5000 Stück Dosenöffner, 1000 Stück Gabeln, 500 Stück Löffel und 500 Stück Messer zum Feldeßbesteck. Im Leistungsverzeichnis vom 31. Oktober 1984 gab die beklagte Partei als Herkunftsland der Waren "Zweigwerk Italien" an. Bei der Anbotseröffnung vom 7. November 1984 stellte sich heraus, daß die beklagte Partei sowohl für die Lieferung der Feldeßbestecke als auch ihrer Teile Bestbieter war. Mit Zuschlag des Bundesministeriums für Landesverteidigung vom 19. November 1984 erhielt die beklagte Partei den Auftrag zur Lieferung der Einzelteile zum Feldeßbesteck um den Betrag von 120.120 S, mit Bestellung vom 11. Jänner 1985 den Auftrag zur Lieferung der 22.000 Garnituren Feldeßbestecke um den Betrag von 834.240 S. In beiden Fällen war als Liefertermin der 30. September 1985 angegeben. Der Erfüllungstermin für die Einzelteile war der 14. Oktober 1985, für die Feldeßbestecke der 30. Oktober 1985. Die allgemeinen Leistungsbestimmungen für Aufträge der Heeresverwaltung (ALB) waren für beide Verträge rechtsverbindlich. Nach Punkt 11 dieser Bedingungen waren die Lieferungen bis zum angegebenen Liefertermin durchzuführen. Alle Ereignisse, die zu einer Veränderung des Liefertermins führen, waren unter Angabe des Grundes und des voraussichtlichen neuen Liefertermines der Heeresverwaltung unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Dies galt auch für Fälle höherer Gewalt, ebenso bei verspäteten Beistellungen der Heeresverwaltung; letztere sollten den Liefertermin verlängern. Krankheit, Urlaub und Unfälle von Arbeitnehmern des Auftragnehmers sollten nicht als höhere Gewalt gelten, sofern sie nicht ein nachgewiesenes besonders hohes Maß erreichten (zB Epidemien, Katastrophen). Nach Punkt 15 lit. e dieser Bedingungen sind Vertragsstrafen und/oder Mehrkosten des Deckungskaufs sofort fällig und werden von (Teil-)Rechnungen oder sonstigen Forderungen an die Heeresverwaltung abgezogen oder eingemahnt.
Die beklagte Partei, die die eigene Besteckproduktion in Großpetersdorf aufgegeben hatte, beauftragte mit der Produktion der Bestecke die Firma C*** I*** in Sulmona, der sie die zur Herstellung erforderlichen Maschinen und Werkzeuge verkauft hatte. Im April 1985 traten die Arbeitnehmer der Firma C*** I***, da die Löhne nicht bezahlt worden waren, in den Streik. Im Zuge des Streiks besetzten die Arbeiter den Betrieb. Sie lehnten in der Folge auch ein Ersuchen der beklagten Partei ab, die Werkzeuge zur Herstellung der Feldeßbestecke herauszugeben. Der Geschäftsführer der beklagten Partei Dr. Klaus D*** verhandelte in Italien mit dem Ministerium, mit Banken und mit den streikenden Arbeitern. Es gelang ihm jedoch nicht, die Herausgabe der notwendigen Werkzeuge zu erreichen, auch nicht nach Übernahme von rund 20 % der Aktien und der Geschäftsführung der Firma C*** I***. Er versuchte zur Rettung des Unternehmens öffentliche Geld- oder Bankkredite zu erlangen. Alle diese Versuche blieben jedoch ergebnislos. Dr. Klaus D*** erwog auch, für den Fall, daß er die Werkzeuge aus dem italienischen Betrieb bekommen hätte, die Produktion der Waren über ein befreundetes portugiesisches Unternehmen durchführen zu lassen. Der Streik dauerte bis April 1986.
Mit Schreiben vom 27. September 1985 teilte die beklagte Partei der Heeresbekleidungsanstalt mit, daß sie ihre Verpflichtungen aus dem Liefervertrag nicht fristgerecht werde erfüllen können, da ihr Lieferant in Italien seit längerer Zeit bestreikt werde. Mit Schreiben vom 14. Februar 1986 setzte das Bundesministerium für Landesverteidigung der beklagten Partei eine Nachfrist bis zum 30. April 1986; sollte bis zu diesem Termin die Auslieferung nicht erfolgt sein, würde sich das Bundesministerium für Landesverteidigung auf Grund der unbedingt notwendigen Bedarfsdeckung gezwungen sehen, vom Vertrag zurückzutreten und die durch die Weitervergabe allenfalls entstehenden Mehrkosten zum Ersatz vorzuschreiben. Mit zwei Schreiben vom 15. Mai 1986 trat die klagende Partei von den Verträgen zurück und begehrte die Bezahlung der Mehrkosten der mit zwei verschiedenen Auftragsbestätigungen abgeschlossenen Deckungskäufe bei der Firma S*** und P*** in Fischamend von 45.480 S und 279.840 S.
Die klagende Partei begehrt den Zuspruch der Mehrkosten der Deckungsgeschäfte in der Höhe von 325.320 S sA.
Die beklagte Partei wendete ein, der Streik stelle sich für sie als höhere Gewalt dar; sie sei daher nicht zum Schadenersatz verpflichtet. Die beklagte Partei habe jedes erdenkliche Mittel angewendet, um eine fristgerechte Fertigstellung zu erwirken, doch seien der beklagten Partei nicht einmal die zur Herstellung der Ware notwendigen Werkzeuge herausgegeben worden, da die Streikenden angedroht hätten, daß sie jeden erschießen würden, der Maschinen, Waren, Werkzeuge usw. aus der Fabrik entnehmen wolle. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Firma C*** I*** sei Erfüllungsgehilfe der beklagten Partei gewesen; für deren Verschulden hafte die beklagte Partei wie für ihr eigenes. Die Firma C*** I*** habe die Unmöglichkeit der Erfüllung der Lieferverpflichtung dadurch verschuldet, daß sie ihren Dienstnehmern Löhne nicht bezahlt habe, worauf diese in den Streik getreten und die Herausgabe der Werkzeuge abgelehnt hätten, so daß eine Erfüllung der Lieferverpflichtung der beklagten Partei unmöglich geworden sei. Diese Unmöglichkeit der Lieferung habe das italienische Subunternehmen verschuldet. Höhere Gewalt liege nicht vor. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Die Revision erklärte es für nicht zulässig. Die beklagte Partei hafte nicht nur für Auswahlverschulden. Auch selbständige Unternehmer könnten Erfüllungsgehilfen sein. Die beklagte Partei sei nur dann entlastet, wenn auch den Erfüllungsgehilfen an der Nichterfüllung der beiden Lieferverträge kein Verschulden träfe. Nun stehe aber fest, daß der Streik seine Ursache darin gehabt habe, daß die Firma C*** I*** die Löhne nicht bezahlt habe. Die beklagte Partei habe zur Schuldlosigkeit ihres Erfüllungsgehilfen nichts vorgetragen, sondern nur behauptet, daß der beim Erfüllungsgehilfen durchgeführte Streik die unbestritten einzige Ursache für den Lieferverzug gewesen sei. Es fehle somit schon ein Vorbringen der beklagten Partei in erster Instanz, daß der Streik nicht rechtmäßig gewesen wäre, weil etwa kein tarifvertraglich regelbares Ziel verfolgt worden sei. Da die beklagte Partei zum fehlenden Verschulden ihres Erfüllungsgehilfen weder ausreichende Tatsachen vorgetragen noch solche unter Beweis gestellt habe, müsse von einem Verschulden des Erfüllungsgehilfen ausgegangen werden, das der beklagten Partei zur Last falle. Auch der Hinweis auf das Vorliegen höherer Gewalt gehe fehl. Höhere Gewalt werde bei schweren Naturkatastrophen, bei ungewöhnlichen Handlungen Dritter und bei selbstmörderischen Handlungen des Verletzten angenommen. Das von außen einwirkende elementare Ereignis müsse durch die äußerste zumutbare Sorgfalt nicht zu verhindern und so ungewöhnlich gewesen sein, daß es nicht als typische Betriebsgefahr anzusehen sei. Diese Voraussetzungen seien hier nicht gegeben. Vielmehr nehme ein Unternehmer, der seinen Dienstnehmern den Lohn nicht bezahle, das Risiko des Streiks als Betriebsrisiko von vornherein in Kauf und habe ihn daher auch als verschuldet zu vertreten.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist, soweit der Zuspruch des Betrages von 45.480 S sA bekämpft wird, gemäß § 502 Abs. 3 ZPO unzulässig. Ist die Zulässigkeit der Revision von Geldbeträgen oder in Geld ausgedrückten Streitwerten abhängig, gelten gemäß § 55 Abs. 4 JN die Zusammenrechnungsvorschriften des § 55 Abs. 1 bis 3 JN. Mehrere von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei in einer Klage geltend gemachten Ansprüche sind gemäß § 55 Abs. 1 JN nur dann zusammenzurechnen, wenn sie in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang stehen. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so müssen die Ansprüche einzeln betrachtet werden (Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 1874, 1880). Forderungen aus gleichartigen Verträgen, die aber nicht auf einer einheitlichen Rechtsgrundlage beruhen, sind mangels rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhanges im Sinne des § 55 Abs. 1 JN nicht zusammenzurechnen (JBl. 1980, 430; SZ 43/185 uva). Im vorliegenden Fall handelt es sich um zwei verschiedene von den Streitteilen abgeschlossene Verträge. Jeder der verschiedenen Ansprüche aus beiden Verträgen könnte durchaus ein unterschiedliches Schicksal haben. Daß die Ursache, warum die beklagte Partei in Lieferverzug geriet, in beiden Fällen ident war, die klagende Partei in der Folge von beiden Verträgen zurücktrat und für beide nicht erfüllte Verträge Deckungsgeschäfte mit demselben Vertragspartner abschloß, stellt den vom Gesetz geforderten Zusammenhang nicht her.
Im übrigen ist die außerordentliche Revision zwar zulässig, weil eine neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob der Schuldner eine Leistungsstörung, die ihre Ursache in einem Streik in seinem oder dem Unternehmen seines Erfüllungsgehilfen hat, zu vertreten hat, fehlt; sie ist aber nicht berechtigt. Die klagende Partei begehrt mit der Behauptung, die beklagte Partei treffe an dem den Vertragsrücktritt auslösenden Lieferverzug ein Verschulden, den Nichterfüllungsschaden, den sie auf Grund konkreter Schadensberechnung mit der Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und den Kosten des Deckungsgeschäftes ermittelte. Wer objektiv seine vertraglichen Pflichten nicht erfüllt hat und behauptet, an der Erfüllung seiner vertragsmäßigen Verbindlichkeit ohne sein Verschulden verhindert worden zu sein, ist gemäß § 1298 ABGB dafür beweispflichtig, daß ihn an der Nichterfüllung kein Verschulden trifft. Das Gesetz will durch diese Bestimmung verhindern, daß der Geschädigte, für den die Lebensverhältnisse in der Sphäre des Verantwortlichen nicht durchschaubar sind, in Beweisnotstand gerät (SZ 55/186 mwN). Der zutreffenden rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes, die Firma C*** I*** sei Erfüllungsgehilfe der beklagten Partei gewesen, wird in der Revision nicht entgegengetreten. Es ist stets zu prüfen, ob das Verhalten des Gehilfen den Schuldner ersatzpflichtig gemacht hätte, hätte er es selbst gesetzt (JBl. 1986, 785 ua; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 12, 13 zu § 1313 a; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 II 347 f;
Harrer in Schwimann, ABGB, Rz 24 zu § 1313 a; Ehrenzweig2 II/1, 297;
Alff in BGB-RGRK12 Rz 46 zu § 278). Der Maßstab für die Beurteilung, ob das Verhalten des Erfüllungsgehilfen fahrlässig war, ist dem Verkehrskreis und der Stellung des Schuldners zu entnehmen (Hanau in Münchener Kommentar2, Rz 35 zu § 278 BGB; Heinrichs in Palandt47 337). Ob dem Erfüllungsgehilfen der beklagten Partei ein Verschulden anzulasten ist, ist daher bei dem ausschließlich nach österreichischem Recht zu beurteilenden Schuldverhältnis den Bestimmungen der §§ 1297, 1299 ABGB zu entnehmen.
Zur Frage, ob Leistungsstörungen, die durch Streiks im Unternehmen des Schuldners hervorgerufen wurden, entschuldigen, nahm der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung GlUNF 1325 Stellung. Der Lieferant von Kohle, die ausschließlich seinen Schächten zu entstammen hatte, war in Lieferverzug geraten, weil auch seine Arbeiter zwei Monate in den Ausstand getreten waren. Die Schadenersatzklage des Bestellers wurde mangels Verschuldens des Lieferanten abgewiesen, weil der allgemeine Bergarbeiterstreik ein Zufall gewesen sei, der die Erfüllung des Liefervertrages überhaupt unmöglich gemacht habe, weshalb die Bestimmung des § 1447 ABGB vollends am Platze sei. Ehrenzweig aaO 301 bezeichnete dennoch die Frage, ob den Schuldner ein Ausstand seiner Arbeiter entschuldige, als umstritten. In der Entscheidung GlUNF 3248 ging es um die Frage, ob ein Streik einem außerordentlichen Zufall im Sinn des § 1104 ABGB, der zur Erlassung des Mietzinses führt, gleichzuhalten sei. Dies wurde bejaht. Ehrenzweig aaO 454 hielt diese Entscheidung für unrichtig. In der Entscheidung SZ 3/84 wurde die Frage, ob eine vom Streik erzwungene Entlassung eines Angestellten gerechtfertigt sei, verneint. Als obiter dictum sprach der Oberste Gerichtshof aus, der Streik sei als eine Betriebsstörung anzusehen, die den Unternehmer nicht berechtige, seine Verpflichtungen gegenüber Unbeteiligten zu verweigern, sofern nicht besondere Vereinbarungen oder Vorschriften bestünden.
In der neueren österreichischen Literatur vertritt Strasser, Kollektives Arbeitsrecht2 163 f, die sich aus den §§ 921, 1298 ABGB ergebende zutreffende Ansicht, daß kampfbedingte Leistungsstörungen vom Schuldner dann zu vertreten sind, wenn ihm der nach § 1298 ABGB obliegende Entlastungsbeweis nicht gelingt. Er kommt nur zur Meinung, daß dem Schuldner, der bestreikt werde, in der Regel der Entlastungsbeweis gelingen werde. Dies scheint, soweit es sich um einen Arbeitskampf um die tarifliche Regelung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen geht, auch die überwiegende Ansicht der Lehre in der Bundesrepublik Deutschland zu sein (Löwisch, Arbeitskampf und Vertragserfüllung, AcP 174, 233 ff; Colneric in Däubler, Arbeitskampfrecht2, Rz 837 mwN in FN 14; Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts7 II/2, 956 ff; Schlüter in Brox-Ruthers, Arbeitskampfrecht2 228 ff; Soergel-Wiedemann11, 712 f; Richardi in ZfA 1985, 124 f; Heinrichs in Palandt47 335, für den Fall des rechtmäßigen Streiks; weitergehend für grundsätzliche, vertraglich nicht ausgeschlossene Haftung für Streikfolgen, Emmerich in Münchener Kommentar2, Rz 44 zu § 275 BGB; vgl. Hanau in Münchener Kommentar2, Rz 13 zu § 278 BGB). Ausgehend von der Meinung Essers, Arbeitskampf und Vertragstreue, DJZ 1963, 489 ff, insbesondere 491, 492, daß auch bei Streiks eine Schadenshaftung des Schuldners (Unternehmers) dann in Betracht komme, wenn die Überwindung des Streiks keine überobligationsmäßige Schwierigkeit darstellt, insbesondere wenn ihm ein Verschulden an der Nichtabwendung des Streiks vorzuwerfen ist, entwickelte die deutsche Lehre Fallgruppen, für die ungeachtet arbeitskampfrechtlicher Maßnahmen ein Verschulden des Schuldners an der Leistungsstörung zu bejahen sei. Sie unterscheidet etwa Übernahms-, Vorsorge-, Abwendungs- sowie Streikverschulden (Löwisch aaO 238, 241 ff; Hohn, Unternehmerhaftung gegenüber Geschäftspartnern bei Arbeitskämpfen 9 f; Schlüter in Brox-Ruthers aaO 233; Hueck-Nipperdey aaO 958). Auch Strasser aaO nimmt dann, wenn der Unternehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt und dies zur kollektiven Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes seiner Arbeitnehmer führt, verschuldete Leistungsstörung an.
Gerade ein solches Streikverschulden der beklagten Partei (ihres Erfüllungsgehilfen) ist im vorliegenden Fall zu bejahen, so daß die Frage, ob tarifliche Streiks in den Risikobereich des Gläubigers oder des Schuldners fallen, nicht zu beantworten ist. Es kam zu Arbeitsniederlegungen beim Erfüllungsgehilfen, weil dieser den Lohn seiner Arbeiter nicht ausbezahlt hatte. Daß es sich um gerechtfertigte, durch die Einzelarbeitsverträge gedeckte Lohnansprüche handelte, wird von der Revision zugestanden. Es kann dann dahingestellt bleiben, ob die Maßnahmen der Arbeitnehmer des italienischen Erfüllungsgehilfen als arbeitskampfrechtlicher Streik oder als kollektive Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes zu beurteilen sind (vgl. BAG 15, 174, 186 ff; Hueck-Nipperdey aaO 958; Schlüter in Brox-Ruthers aaO 228 f); in beiden Fällen ist die Arbeitsniederlegung auf das Verschulden des Erfüllungsgehilfen zurückzuführen und damit der beklagten Partei zuzurechnen. Die Ansicht der Revision, die Besetzung der Fabrik durch die Arbeitnehmer des Erfüllungsgehilfen sei keine adäquate Folge der Arbeitsniederlegung gewesen, ist abzulehnen. Adäquate Verursachung ist stets anzunehmen, wenn das Verhalten unter Zugrundelegung eines zur Zeit der Beurteilung vorhandenen höchsten menschlichen Erfahrungswissens und unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Handlung dem Verantwortlichen oder einem durchschnittlichen Menschen bekannten oder erkennbaren Umstände geeignet war, eine Schadensfolge von der Art des eingetretenen Schadens in nicht ganz unerheblichem Grad zu begünstigen (SZ 57/196; SZ 57/16; SZ 54/108; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 I 146 mwN). Es kann keineswegs gesagt werden, daß Übergriffe von Arbeitnehmern während eines Streiks oder einer kollektiven Arbeitsniederlegung atypisch wären. Die Verweigerung der Herausgabe der Arbeitsmaschinen an den Dienstgeber muß geradezu als typisches Verhalten von Streikenden angesehen werden, bedeutete doch die Entfernung der Maschinen die Unmöglichkeit der Wiederaufnahme der Arbeit nach dem Streik und den Verlust des Arbeitsplatzes.
Wesentlich bleibt allein, daß dem Erfüllungsgehilfen der beklagten Partei nicht nur vorgeworfen werden muß, daß durch sein vertragswidriges Verhalten der Ausstand ausgelöst wurde, sondern daß er auch nichts dazu beitrug, diesen Ausstand zu beenden. Die beklagte Partei hat weder behauptet noch unter Beweis gestellt, daß selbst bei Anbot der Bezahlung der auf Grund der Einzelarbeitsverträge gedeckten Lohnforderungen der Arbeitnehmer des Erfüllungsgehilfen die Wiederaufnahme der Produktion nicht zu erreichen gewesen wäre.
Der Revision ist, da die Höhe des Differenzschadens nicht mehr bekämpft wird, der Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E15362European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00656.88.0907.000Dokumentnummer
JJT_19880907_OGH0002_0010OB00656_8800000_000