Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*** Gesellschaft mbH, Wels, Flugplatzstraße 10, vertreten durch Dr. Ernst Rohrauer, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagten Parteien 1) Dr. Karoline L***, Ärztin, Wien 4, Schwarzenbergplatz 10, 2) Dr. Brigitta S***, Ärztin, Langenlois, Kirchenplatz 2, 3) Christian K***, Student, Mödling, Johann Straußgasse 21, 4) Johannes K***, Student, Mödling, Dr. Karl Giannonigasse 27/20, 5) Dr. Christine K***, Ärztin, Mödling, Johann Straußgasse 21, sämtliche vertreten durch Dr. Peter Prenner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zustimmung zu einem Bauansuchen (Streitwert S 1,000.000,-) infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 22. März 1988, GZ 41 R 48/88-12, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 21. Oktober 1987, GZ 5 C 7323/87 k-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.969,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.997,25 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Firma Wilhelm und Hans K***, war seit 1962 Mieterin des (von ihr selbst errichteten) Geschäftshauses Wien 10, Favoritenstraße 71. Der wertgesicherte vierteljährliche Mietzins beträgt S 45.000,- zuzüglich Betriebskosten, Steuern und sonstiger öffentlicher Abgaben mit Ausnahme der "Personalsteuern". Nach Punkt III. des Mietvertrages sind die Mieter berechtigt, ohne weiteres Einvernehmen mit den Vermietern Adaptierungen, Umbauten, Zubauten oder Neubauten auf eigene Kosten durchzuführen, sofern hiezu die baubehördliche Genehmigung erteilt wurde; diese baulichen Veränderungen müssen in einer dem Wesen eines modernen voll benützbaren Geschäftshauses dienenden bzw. nicht widersprechenden baubehördlich genehmigten Art erfolgen; die Vermieter sind verpflichtet, erforderliche Ansuchen an zuständige Behörden zu fertigen, falls eine baubehördliche Genehmigung notwendig ist. Nunmehr sind die Beklagten Eigentümer der Liegenschaft Wien 10, Favoritenstraße 71. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 25. August 1986, 5 C 2203/86-8, bestätigt mit Urteilen des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen vom 17. Dezember 1986, 41 R 635/86-14, und des Obersten Gerichtshofes vom 23. Juni 1987, 5 Ob 530/87, wurde zwischen den Streitteilen festgestellt, daß die klagende Partei in das Mietverhältnis eingetreten ist. Bereits mit Schreiben der klagenden Partei vom 21. Jänner 1987 wurde die Erstbeklagte unter Übersendung von Einreichplänen aufgefordert, diese vertragsgemäß durch sie und die anderen Miteigentümer unterfertigen zu lassen. Mit an den Klagevertreter gerichtetem Schreiben vom 21. August 1987 führte der Beklagtenvertreter aus, daß die klagende Partei in sehr bedeutendem Maße in Millionenwerten die Instandhaltungspflicht vernachlässigt habe; es bestünden daher auch Bedenken in der Richtung, daß Bauführungen durch die klagende Partei nicht ordnungsgemäß durchgeführt würden; dies rechtfertige die Ablehnung der Unterfertigung von Plänen. Mit weiterem Schreiben vom 12. Oktober 1987 erklärte der Beklagtenvertreter, daß die klagende Partei aus nicht gerechtfertigten Gründen die Bezahlung des bekanntgegebenen Betriebskostenentgeltes verweigere; die Beklagten setzten, obwohl dies auf Grund der ausdrücklichen Weigerung nicht mehr erforderlich wäre, eine achttägige Nachfrist; auf Grund der Weigerung werde bereits jetzt gemäß § 1118 ABGB der Rücktritt vom Vertrag erklärt; vom Räumungsanspruch werde Gebrauch gemacht werden, sobald innerhalb der genannten Nachfrist die Zahlung nicht ordnungsgemäß geleistet werde. Der Klagevertreter antwortete mit Schreiben vom 16. Oktober 1987, die klagende Partei habe sich immer bereit erklärt, die Betriebskosten, die berechtigt, nicht verfristet und fällig seien, zu bezahlen; aus der übermittelten Betriebskostenaufstellung könne aber nicht entnommen werden, wann diese fällig geworden seien, was wiederum für die Frage der Verfristung von entscheidender Bedeutung sei; darüber hinaus fehle noch immer die Möglichkeit der Einsichtnahme in die Rechnungen; das Vorgehen der Beklagten unter gleichzeitiger Geltendmachung eines Räumungsanspruches nach § 1118 ABGB verfolge daher offensichtlich den Zweck, die Zahlung von vermeintlichen Betriebskostenansprüchen durchsetzen zu wollen, die nicht mehr oder noch nicht begehrt werden könnten, und sei von dem Bestreben geleitet, das Mietverhältnis, dessen Bestand durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes nunmehr festgestellt worden sei, mit unzulänglichen Argumenten auflösen zu wollen; die unberechtigte Rüge der mangelnden Instandhaltung des Mietobjektes bei gleichzeitiger Weigerung, den erforderlichen Umbaumaßnahmen zuzustimmen, liege auf der gleichen Ebene.
Mit der am 18. September 1987 eingebrachten Klage begehrt die klagende Partei, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, den Umbaumaßnahmen der klagenden Partei ob der Liegenschaft EZ 630 KG Favoriten, Wien 10, Favoritenstraße 71, gemäß dem Einreichplan für die Neugestaltung der Fassaden und des Geschäftshauses vom November 1986 des Planverfassers Architekt Dipl.Ing. Werner B*** sowie der zugehörigen Baubeschreibung zuzustimmen. Die klagende Partei habe sich ständig bereit erklärt, jene Betriebskosten zu bezahlen, die berechtigt, nicht verfristet und fällig seien. Die Beklagten als Hauseigentümer ignorierten jedoch die Rechtslage nach § 21 MRG. Sie hätten weder eine entsprechende Aufstellung und Rechnungen vorgelegt noch eine Einsichtnahme an diese angeboten, obwohl dies mehrfach von der klagenden Partei gefordert worden sei.
Die Beklagten wendeten, soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, ein, die klagende Partei habe rechtswidrig das Objekt in einer Weise vernachlässigt, daß der Instandsetzungsaufwand ein Millionenausmaß erreiche. Dieser Gesichtspunkt rechtfertige die Ablehnung neuer Bauführungen, wenn nicht einmal die laufende pflichtgemäße Instandhaltung durch die klagende Partei gewährleistet sei. Im übrigen habe die klagende Partei eine Reihe von Räumungsgründen verwirklicht, die Gegenstand eines getrennten Verfahrens bildeten, so auch erheblicher Mietentgeltrückstand im Betriebskostenbereich ohne rechtliche Rechtfertigung. Auch dieser Umstand rechtfertige die Verweigerung von Planfertigungen laut Klage. Mißstände an Ort und Stelle seien Folge von unzulässigen Maßnahmen der klagenden Partei, so Feuergefährdung durch unzulässige Lagerungen am Dachboden und im Stiegenhaus, welche Mißstände zum Teil, aber erst nach Einschaltung eines Sachverständigen und der Feuerpolizei durch die Beklagten, zwischenzeitig beseitigt worden seien. § 21 MRG finde wegen des Errichtungsjahres des Gebäudes keine Anwendung. Die Betriebskostenabrechnungen könnten jederzeit in der Kanzlei des Beklagtenvertreters eingesehen werden.
Am 20. Oktober 1987 brachten die Beklagten zu 5 C 7678/87 des Erstgerichtes eine Klage auf Bezahlung des Betrages von S 216.050,33 s.A. sowie auf Räumung des Hauses Wien 10, Favoritenstraße 71, ein. Die klagende Partei schulde den Beklagten bis einschließlich September 1987 Betriebskosten im Ausmaß von S 216.050,33. Die klagende Partei weigere sich ohne hinreichende rechtliche Begründung zur Zahlung der bekanntgegebenen Betriebskosten. Sie vernachlässige ferner das Bestandobjekt in gefährlicher und somit erheblich nachteiligem Gebrauch entsprechender Weise. Es trete daher die Möglichkeit der Auflösung des Bestandverhältnisses gemäß § 1118 ABGB ein, wovon die Beklagten Gebrauch machten. Diese Klage wurde dem Klagevertreter erst nach Schluß der Verhandlung in diesem Verfahren am 21. Oktober 1987 ausgehändigt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Auf Grund des Mietvertrages seien die Beklagten verpflichtet, Umbauarbeiten der klagenden Partei zuzustimmen. Die Beklagten hätten nicht bestritten, daß die von der klagenden Partei beantragten Umbauarbeiten den Voraussetzungen des Mietvertrages entsprächen. Soweit sich die Beklagten darauf beriefen, die klagende Partei mache einen nachteiligen Gebrauch und vernachlässige das Objekt, gehe dies ins Leere, weil sie gleichzeitig die von der klagenden Partei begehrten Baumaßnahmen nicht genehmigten. Es werde nicht vorgebracht, welche Mängel, die durch nunmehrige beabsichtigte Bauführung, die bereits seit 1 1/2 Jahren von den Beklagten hinausgezögert werde, nicht abgedeckt sein sollten, tatsächlich vorhanden seien. Soweit die Beklagten sich auf den Rückstand an Betriebskosten und nachteiligen Gebrauch stützten, sei zum Zeitpunkt der Klagseinbringung eine Aufhebung des Bestandvertrages durch die Beklagten noch nicht ausgesprochen gewesen. Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung sei die klagende Partei nicht verpflichtet gewesen, das Bestandobjekt geräumt zu übergeben. Unabhängig von einem allfälligen Räumungsverfahren hätten daher die Beklagten die Verpflichtung, die Umbauarbeiten durch die klagende Partei zu genehmigen und die Einreichpläne zu unterschreiben.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-
übersteigt. Die Räumungsklage sei erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz dem Vertreter der klagenden Partei ausgefolgt worden. Die Aufhebung des Mietvertrages erfolge durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die erst mit dem Zugang an den Bestandnehmer wirksam werde. Sofern die Beklagten auf das Schreiben vom 12. Oktober 1987 verweisen, finde sich in diesem Schreiben nicht der geringste Hinweis für die Annahme, das Mietverhältnis werde auch wegen nachteiligen Gebrauches aufgelöst. Es sei daher davon auszugehen, daß eine Auflösungserklärung aus dem Grund des nachteiligen Gebrauches vor Schluß der Verhandlung erster Instanz der klagenden Partei nicht zugegangen sei. Nach § 1118 zweiter Fall ABGB könne die Auflösung des Vertrages dann begehrt werden, wenn der Mieter nach geschehener Einmahnung mit der Bezahlung des Zinses dergestalt säumig sei, daß er mit Ablauf des Termins den rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet habe. Selbst wenn eine derartige Auflösungserklärung der klagenden Partei zugegangen wäre, herrsche, solange der Mieter nach § 33 MRG die rechtsgestaltende Wirkung einer solchen Auflösungserklärung entkräften könne, ein Schwebezustand, während dessen sich kein Vertragsteil unter Berufung auf die erklärte Vertragsaufhebung der Leistung seiner Vertragspflichten entziehen dürfe
(MietSlg. 35.391/7). Dies führe dazu, daß sich die Beklagten nicht erfolgreich gegen die Einhaltung ihrer aus dem Mietvertrag entspringenden Verpflichtungen mit dem Argument zur Wehr setzen könnten, das Mietverhältnis wäre bereits aus dem Grund des § 1118 zweiter Fall ABGB aufgelöst worden. Solange die Mieterin aus dem Grund des § 1118 zweiter Fall ABGB zur Räumung nicht verpflichtet sei, könne sie ihre Rechte aus dem Mietvertrag wahrnehmen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.
Die Beklagten führen in ihrer Revision aus, daß die rechtlichen Überlegungen des Berufungsgerichtes zum Fall des behaupteten Zinsrückstandes zutreffend sind. Sie stützen demnach im Revisionsverfahren ihre Einwendung, nicht zur Unterfertigung des Einreichplanes verpflichtet zu sein, ausschließlich darauf, daß sie den Mietvertrag mit der klagenden Partei gemäß § 1118 ABGB wegen erheblich nachteiligen Gebrauches auflösten oder wegen eines solchen Gebrauches auch ohne Auflösungserklärung nicht mehr zur Vertragszuhaltung verpflichtet seien. Diesen Ausführungen kann in beiden Richtungen nicht gefolgt werden.
Gegen eine Klage auf Zuhaltung eines Mietvertrages kann der Vermieter einredeweise geltend machen, der Vertrag sei nach § 1118 ABGB aufgehoben (MietSlg. 23.183; ZBl. 1927/292; Würth in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 1118; Klang2 V 119).
Die Aufhebung eines Bestandvertrages gemäß § 1118 ABGB erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die mit ihrem Zugang an den Bestandnehmer wirksam wird. Die auf rechtswirksame Auflösungserklärung gestützte Räumungsklage ist eine Leistungsklage (MietSlg. 37.184 mwN). Eine solche auf einen erheblich nachteiligen Gebrauch gestützte Auflösungserklärung gaben die Beklagten jedoch vor ihrer zu 5 C 7678/87 des Erstgerichtes eingebrachten Räumungsklage, die der klagenden Partei erst nach Schluß der Verhandlung erster Instanz in diesem Verfahren zuging, nicht ab. Aus der Korrespondenz der Parteienvertreter ergibt sich zwar, daß wegen des behaupteten Betriebskostenrückstandes mit Schreiben des Beklagtenvertreters vom 12. Oktober 1987 gemäß § 1118 ABGB der Rücktritt vom Vertrag erklärt wurde. Eine Rücktrittserklärung wegen eines erheblich nachteiligen Gebrauches erfolgte aber in der Vorkorrespondenz nicht. Wenn daher die Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 20. Oktober 1987, der am selben Tag wie die auf § 1118 ABGB gestützte, beim Erstgericht zu 5 C 7678/87 eingebrachte Klage erstattet wurde, vorbrachten, die klagende Partei habe eine Reihe von Räumungsgründen verwirklicht, die Gegenstand eines getrennten Verfahrens bildeten, so auch erhebliche Mietentgeltrückstände im Betriebskostenbereich ohne rechtliche Rechtfertigung, so konnte daraus allenfalls entnommen werden, daß die Beklagten auf ihre Auflösungserklärung vom 12. Oktober 1987 Bezug nahmen, eine Rücktrittserklärung wegen erheblich nachteiligen Gebrauches in diesem Verfahren gaben sie damit aber nicht ab. Sie bezogen sich vielmehr auf eine getrennte, der klagenden Partei noch gar nicht zugegangene und daher auch nicht bekannte Klage. Warfen die Beklagten der klagenden Partei in diesem Schriftsatz nachteiligen Gebrauch vor, mußte ein solcher aber nicht notwendigerweise zu einer Auflösungserklärung nach § 1118 ABGB führen. Die Beklagten hätten sich, da die Frage, ob ihre wichtigen Interessen verletzt seien oder eine erhebliche Verletzung der Substanz durch das Verhalten der klagenden Partei zumindest drohte, strittig sein mochte, mit einer Klage auf Vertragszuhaltung verbunden mit Unterlassung ähnlichen vertragswidrigen Verhaltens begnügen können. Der bloße Vorwurf erheblich nachteiligen Gebrauches kann daher den Zugang der Vertragsauflösungserklärung nicht ersetzen. Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt somit nicht vor. Das Verfahren ist auch, wie der Oberste Gerichtshof prüfte (§ 510 Abs 3 ZPO), mängelfrei geblieben.
Bestand der Mietvertrag im maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz aber aufrecht, so kann der Vermieter - schikanöses Vorgehen ausgenommen - der Vertragszuhaltungsklage des Mieters nicht mit Erfolg entgegensetzen, dieser habe in anderen Punkten gegen Bestimmungen des Mietvertrages verstoßen.
Der Revision ist der Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E14956European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00598.88.0907.000Dokumentnummer
JJT_19880907_OGH0002_0010OB00598_8800000_000