TE OGH 1988/9/8 13Os77/88

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Veröffentlicht am 08.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.September 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch (Berichterstatter) und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Manquet als Schriftführers in der Strafsache gegen Christine B*** wegen des Verbrechens nach §§ 127 ff. StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 14.März 1988, GZ. 1 c Vr 8922/87-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Hauptmann, der Angeklagten und des Verteidigers Dr. Katary zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Pkt. A des Freispruchs aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Die am 2.Juni 1965 geborene Christine B*** wurde von der Anklage, sie habe von Mai 1986 bis 3.März 1987 in wiederholten Angriffen gewerbsmäßig unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine ihr aufgetragene Arbeit als Kassierin geschaffen worden war, 108.927,50 S Bargeld ihrem Auftraggeber, der Firma S***

Sanitär- und Heizungsbedarf Großhandelsges.m.b.H. mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern (A), und am 9.März 1987 vor dem Bezirkspolizeikommissariat Penzing durch die Behauptung, ihr Freund Robert P*** habe in Kenntnis dieser Diebstähle von dem gestohlenen Geld einen gemeinsamen Urlaub mit ihr in Griechenland um ca. 20.000 S finanzieren lassen und eine vom Diebsgut gekaufte Lederjacke im Wert von 2.000 S als Geschenk genommen, Robert P*** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, daß sie ihn des von Amts wegen zu verfolgenden Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 Z. 2 und 3 und Abs 2 StGB. falsch verdächtigte, wobei sie wußte, daß die Verdächtigung falsch war (B), gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen. Nur den Freispruch im Faktum A bekämpft die Staatsanwaltschaft mit Nichtigkeisbeschwerde aus § 281 Abs 1 Z. 9 lit b StPO. Nach den dieses Faktum betreffenden Urteilsfeststellungen erstattete der Prokurist der geschädigten Firma, Werner K***, am 5.März 1987 beim Bezirkspolizeikommissariat Penzing gegen Christine B*** Anzeige wegen der inkriminierten Diebstähle unter Angabe eines Schadensbetrags von 108.927,70 S. Bereits vor Anzeigeerstattung hatte sich die Angeklagte verpflichtet, den gesamten Schadensbetrag gutzumachen. Zum Zeitpunkt dieser Erklärung war jedoch die Schadenshöhe noch nicht bekannt. Erst nach Anzeigeerstattung wurde ihr seitens der Firma der (inzwischen ermittelte) Schadensbetrag von 108.927,50 S bekanntgegeben.

Unmittelbar danach erklärte sich die Angeklagte bereit, diesen Schaden mit Hilfe eines von ihren Eltern für sie angelegten, jedoch bereits ihr gehörigen Sparbuchs sofort zu erstatten. Bereits wenige Tage danach (am 9.März 1987), nachdem die Angeklagte das Sparbuch realisiert hatte, wurde der Schaden gutgemacht.

In der Beschwerdeschrift wird geltend gemacht, daß die Voraussetzungen strafaufhebender tätiger Reue (§ 167 Abs 2 Z. 2 StGB.) nicht vorlägen. Zum einen sei der Angeklagten die tatsächliche Schadenshöhe zunächst nicht bekannt gewesen und von der geschädigten Firma erst nach Anzeigeerstattung bekanntgegeben worden, sodaß der von ihr zu vertretende Schaden nicht Inhalt einer schon vor Erstattung der Anzeige eingegangenen vertraglichen Verpflichtung sein konnte; zum anderen sei in der von der Angeklagten bekundeten Bereitschaft, aus ihrem Sparbuch den verursachten Schaden abzudecken, keine Verpflichtung zu einer Schadensgutmachung binnen einer bestimmten Zeit enthalten.

Rechtliche Beurteilung

Der Anklagebehörde ist beizupflichten, daß nach ständiger Rechtsprechung (vgl. SSt. 46/43 u.a.) und herrschender Lehre (Kienapfel BT II2 RN. 42 und 43 zu § 167 StGB.) eine vertragliche Verpflichtung, dem Verletzten den ganzen aus der Tat entstandenen Schaden zu erstatten, welche der Täter freiwillig eingeht, bevor die Behörde von seinem Verschulden erfahren hat, hinsichtlich der Höhe des gutzumachenden Schadens ziffernmäßig und hinsichtlich der Leistungsfrist auch kalendermäßig bestimmt sein muß. Dem Täter kann daher tätige Reue nur zustatten kommen, wenn die rechtzeitig zustandegekommene Willenseinigung zwischen ihm und dem Geschädigten auch die volle Schadenssumme erfaßt (vgl. 13 Os 1/86). Für die Festlegung der Leistungspflicht ist zwar nicht erforderlich, daß diese in der vertraglichen Vereinbarung ausdrücklich genannt wird; diese kann sich auch aus den rechtsgeschäftlichen Erklärungen des Täters und des Geschädigten konkludent ergeben (vgl. abermals SSt. 46/43). Dabei muß aber jedenfalls der Endtermin, bis zu welchem nach dem Willen der Vertragspartner Schadenersatz geleistet werden muß, zeitlich bestimmt oder doch bestimmbar sein. Eben diese Voraussetzungen waren aber nach den getroffenen Urteilsfeststellungen bei der Angeklagten nicht erfüllt, sodaß ihr tätige Reue zu Unrecht zugebilligt wurde.

Eine Entscheidung in der Sache selbst kann aber noch nicht Platz greifen, weil die in dem freisprechenden Urteil enthaltenen und von der Angeklagten nicht bekämpfbaren Tatsachenfeststellungen nicht als unbedenklich übernommen und einem Schuldspruch zugrundegelegt werden können (vgl. Mayerhofer-Rieder2 ENr. 37-39 zu § 288 StPO.). Hat doch der Zeuge Werner K*** in der Hauptverhandlung ausgesagt, schon vor der Anzeigeerstattung (am 5.März 1988) den Schadensbetrag gewußt und der Angeklagten, die sich am 3.März 1988 zur Gutmachung des gesamten Schadensbetrags bereit erklärt hatte, diesen telephonisch mitgeteilt zu haben; zudem sei von einer Leistungsfrist von ein oder zwei Tagen gesprochen worden, um der Angeklagten die Abhebung des Geldes von ihrem Sparbuch zu ermöglichen (S. 180, 181). Es liegen demnach vom Erstgericht übergangene Verfahrensergebnisse vor, die eine Beurteilung dahin zugelassen hätten, daß in der schon vor der Anzeigeerstattung zustandegekommenen vertraglichen Vereinbarung zwischen der Angeklagten und der Firma S*** auch die Schadenssumme von 108.927,50 S und konkludent ein Endtermin für die Schadenersatzleistung enthalten waren.

Anmerkung

E14948

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0130OS00077.88.0908.000

Dokumentnummer

JJT_19880908_OGH0002_0130OS00077_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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