Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Angst, Dr.Kodek und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O***
R***, Linz, Quergasse 4, vertreten durch Dr.Walter
Haslinger, Dr.Norbert Nagele jun. und Dr.Klaus Haslinger, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagten Parteien 1) Hans Georg J***, Sekretär, Wien 15., Hütteldorfer Straße 79, vertreten durch Dr.Kurt Eckmair und Dr.Reinhard Neureiter, Rechtsanwälte in Wien, 2) V*** F*** V*** U*** H*** IN S*** (VVS),
Wien 15., Hütteldorfer Straße 79, vertreten durch Dr.Manfred Schwindl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 400.000 S), infolge Revision sämtlicher Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 24.März 1988, GZ 1 R 31/88-52, womit infolge Berufung sämtlicher Parteien das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 7.November 1987, GZ 38 Cg 10/86-43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Kammer wird aus sämtlichen in die Liste eingetragenen Rechtsanwälten, die im Bundesland Oberösterreich ihren Berufssitz haben, gebildet. Ihren Wirkungskreis bestimmt § 2 Abs. 1 ihrer Geschäftsordnung die Rechtsanwaltsordnung; dazu zählt nach § 2 Abs. 2 insbesondere auch die Förderung der wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder. Nach dem 2. Satz dieser Bestimmung ist die Klägerin berechtigt, Ansprüche auf Unterlassung wettbewerbswidrigen Verhaltens im Sinne des § 14 UWG geltend zu machen.
Der Erstbeklagte ist Geschäftsführer der O*** Schaden- und Versicherungsberatung Gesellschaft mbH, die sich mit der Beratung in Schadensangelegenheiten aus Anlaß von Verkehrsunfällen und mit der Durchsetzung der Ansprüche, insbesondere von Mitgliedern des zweitbeklagten Vereins, befaßt; gleichzeitig ist er stimmführendes Mitglied des Zweitbeklagten, der sich seinerseits mit der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen seiner Mitglieder befaßt. Der Erstbeklagte ist zwar nicht Organ des Zweitbeklagten, tritt aber im geschäftlichen Verkehr als sein Vertreter auf.
Heinz K*** jun. erlitt als Mitfahrer im Fahrzeug des Christian B*** aus dessen Verschulden bei einem Verkehrsunfall am 24. Juli 1981 schwere Verletzungen, darunter eine Querschnittlähmung. Am 29.Juli 1981 suchte sein Vater Heinz K*** sen., den Linzer Rechtsanwalt Dr.Heinz Neumayr auf. Nach Darlegung des Sachverhaltes informierte Dr.Neumayr Heinz K*** sen. darüber, welche Schadenersatzansprüche gestellt werden können, und klärte ihn über Schmerzengeld, Verunstaltungsentschädigung, Verdienstentgang und Sachschaden auf. Zur Höhe sagte er, daß 5 Tage nach dem Unfall eine genaue Bezifferung unmöglich sei; vorerst sollten jedoch 600.000 S geltend gemacht werden. Noch am selben Tag übermittelte Dr.Neumayr dem Haftpflichtversicherer des schuldtragenden Lenkers, der Donau Allgemeine Versicherungs Aktiengesellschaft, ein Schreiben, in dem er sie über den Unfall und die schweren Verletzungen des Heinz K*** jun. unterrichtete und darauf hinwies, daß mangels Beurteilbarkeit der Heilungschancen Schadenersatzansprüche noch nicht präzisiert werden könnten, die Eltern des Schwerverletzten ihn jedoch beauftragt hätten, Schadenersatzansprüche zu stellen; er melde daher zur Wahrung der Interessen seines Mandanten vorerst Schmerzengeldansprüche von 600.000 S an. Ausdrücklich behielt sich der Rechtsanwalt die Ausdehnung und Geltendmachung weiterer Ansprüche vor. Am 11.November 1981 leistete die Versicherungsgesellschaft eine Anzahlung von 100.000 S. Nachdem die Eltern des Verletzten von der Existenz des zweitbeklagten Vereins erfahren hatten, erklärte Heinz K*** sen. anläßlich eines Informationsgespräches dem Erstbeklagten gegenüber, er sei vom Rechtsanwalt nicht umfassend über Schadenersatzforderungen aufgeklärt worden; dieser habe ihm vielmehr geraten, 600.000 S zu fordern, man könne aber froh sein, wenn man 400.000 S erhalte. Heinz K*** jun. bevollmächtigte nun den Wiener Rechtsanwalt Dr.Hartmut Mayer und beauftragte ihn mit der Durchsetzung seiner Ansprüche. Nach vergeblichen Einigungsversuchen wurde im Jahr 1982 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien die Klage gegen die "Donau-Versicherung" eingebracht, und zwar sowohl von Heinz K*** jun. selbst zur Durchsetzung der Leistungsansprüche als auch - auf Grund einer Zession - vom Zweitbeklagten zur Durchsetzung eines Feststellungsbegehrens. In diesem Verfahren wurde schließlich ein Vergleich über eine Abfindungssumme von 3,100.000 S erzielt.
Am 14.Dezember 1984 wurde in der Sendung "PS" des Österreichischen Rundfunks, Programm Ö 3, ein Bericht mit einem Interview des Erstbeklagten gesendet, in dem unter anderem folgende
Aussagen enthalten waren:
Erstbeklagter:
"In Österreich bekommt nicht derjenige Recht, der mehr oder weniger sagt, er habe einen Schaden und will ein Geld, sondern es bekommt nur derjenige Recht, der weiß, wie er seinen Schaden zu beweisen hat. Wir haben jetzt einen Fall abgeschlossen von einem Querschnittgelähmten, der, bevor er von uns vertreten wurde, von einem Linzer Anwalt vertreten worden ist.
Er ging zu dem Linzer Anwalt und sagte - der Vater und der Sohn, der verletzt wurde - Bitte Herr Doktor sagen sie mir, was ist in meiner Sache ungefähr drinnen, damit ich mir ein Bild machen kann, der Sohn kann nicht mehr arbeiten, ist querschnittgelähmt etc. Der Rechtsanwalt sagt dann darauf - nach Aussagen der Familie und deswegen sind sie ja auch dann zu uns gekommen - verlangen wir einmal 600.000 S, wenn wir 400.000 S bekommen, können wir zufrieden sein.....
..... Ich kann ehrlich sagen, daß viele Leute in Österreich überhaupt nicht wissen, wieviele Nebenforderungen dem Geschädigten außerhalb eines Schmerzengeldes noch zustehen und wenn also der Geschädigte gar nicht darüber informiert ist, oder sein Rechtsvertreter, daß diese Schadenersatzansprüche durchzusetzen sind, ja dann ist das ganz klar, daß das in das Säckel der Versicherungswirtschaft abwandert."
O*** (Reporter):
"400.000 S bis 600.000 S, das war der Vorschlag des Rechtsanwaltes aus Linz, runde 2,500.000 S Ersparnis für die Versicherung aus Unwissenheit des Klienten. Denn, so J***:"
Erstbeklagter:
"Wir konnten den Fall jetzt vor einigen Monaten mit 3,100.000 S abschließen."
Mit der Behauptung, daß die Darstellung der Vorgangsweise des Rechtsanwaltes Dr.Neumayr tatsachenwidrig und geeignet sei, Rechtsanwälte und deren Leistungen in der öffentlichen Meinung herabzusetzen, und daß durch die Schilderung des eigenen Verhandlungserfolges die unrichtige Vorstellung erweckt werde, die Beklagten hätten den Abfindungsbetrag ohne Hilfe eines Rechtsanwaltes erzielt, begehrte die Klägerin zunächst, die Beklagten schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs unrichtige Angaben über von Rechtsanwälten ausgehandelte oder als durchsetzbar erachtete Schadenersatzbeträge oder sonstige wie immer lautende unrichtige oder zur Irreführung geeignete Angaben über die Leistungen von Rechtsanwälten sowie überhaupt Angaben zu machen, nach deren Sinn eine mangelnde Sachkenntnis oder Information von Rechtsanwälten behauptet werde, soweit diese Angaben nicht erweislich wahr seien. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 11. März 1987 faßte die Klägerin ihr Begehren dann dahin, daß die Beklagten schuldig zu erkennen seien, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, zu Zwecken des Wettbewerbs
a) durch irreführende Angaben den Anschein zu erwecken, sie hätten allein und ohne Beiziehung eines Anwaltes Ersatzansprüche für einen Klienten durchgesetzt, obwohl sie sich dabei eines Anwaltes bedienten;
b) wahrheitswidrig zu behaupten, es fehle Anwälten im Gegensatz zu den Beklagten an der nötigen Sachkenntnis, welche Ansprüche aus Verkehrsunfällen geltend gemacht und durchgesetzt werden könnten (S 111).
Ferner begehrt der Kläger die Veröffentlichung des stattgebenden Urteilsspruches in je einer Samstagausgabe der österreichweiten "Kronen-Zeitung" und des "Kuriers" und für den Fall der Abweisung dieses Begehrens die Veröffentlichung im O***, Programm Ö 3, an einem Wochentag (S 34).
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin sei keine in § 14 UWG angeführte Organisation und daher nicht aktivlegitimiert. Die Äußerungen des Erstbeklagten seien weder irreführend noch sittenwidrig. Der Zweitbeklagte sei nicht passivlegitimiert, weil der Erstbeklagte nicht sein Organ sei. Der erst am 11.März 1987 geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu lit. a sei verjährt.
Der Erstrichter gab dem Klagebegehren zu lit. b statt und ermächtigte den Kläger zur Veröffentlichung dieses Urteilsspruches in einer Samstagausgabe der österreichweiten "Kronen-Zeitung"; das Begehren zu lit. a und das Mehrbegehren auf Veröffentlichung auch im "Kurier" sowie das Eventualbegehren auf Veröffentlichung im O*** wies er ab. Die Klägerin sei aktivlegitimiert, weil zu ihren Belangen auch die Wahrung der wirtschaftlichen Interessen der von ihr vertretenen Rechtsanwälte gehörten. Da der Erstbeklagte berechtigt gewesen sei, für den zweitbeklagten Verein zu sprechen, sei seine Passivlegitimation zu bejahen. Der Verjährungseinwand sei nicht berechtigt, weil schon in der Klage der Sachverhalt vollständig und präzise dargestellt worden sei. Der Erstbeklagte habe in dem Interview die Leistungen und Fähigkeiten der Rechtsanwälte in Österreich schlechthin zum Gegenstand einer vergleichenden Erörterung gemacht und sich gegen diese Konkurrenten gewandt. Damit liege ein Systemvergleich vor, der nicht mehr objektiven Kriterien entspreche, sondern eine sittenwidrige, gegen § 1 UWG verstoßende Werbung sei. Die Klägerin habe ein berechtigtes Interesse daran, daß der Wettbewerbsverstoß in der Öffentlichkeit aufgedeckt werde. Um diesem Interesse zu entsprechen, sei eine österreichweite Veröffentlichung erforderlich, im Hinblick auf die seit der Sendung des Interviews verstrichene Zeit von fast 3 Jahren aber nicht die Verlautbarung im O***. Dagegen sei die Veröffentlichung in einer gesamtösterreichischen Tageszeitung geeignet, die beteiligten Verkehrskreise ordnungsgemäß aufzuklären; dabei reiche aber eine Tageszeitung nämlich die weit verbreitete "Kronen-Zeitung", aus. Die Beklagten seien wesentlich an der Durchsetzung der Ansprüche des verunglückten Heinz K*** beteiligt gewesen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sei es zulässig, daß man sich selbst nenne, wenn man an einem Rechtsfall beteiligt sei. Bei den beteiligten Verkehrskreisen könne als allgemein bekannt angesehen werden, daß bei Streitwerten von mehreren Millionen Schilling beim "Beweisen eines Schadens", also im Gerichtsverfahren, Anwaltszwang herrsche. Der Erstbeklagte habe auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen, daß ein Rechtsanwalt an der Erzielung der Abfindungssumme beteiligt gewesen sei. In diesem Umfang fehle daher die Irreführungseignung.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteige. An der Aktivlegitimation der Klägerin sei schon deshalb nicht zu zweifeln, weil diese öffentlichrechtliche Körperschaft vom Gesetz her zur Wahrung der Standesinteressen ihrer (Zwangs-)Mitglieder bestellt sei und so wie die gesamtösterreichische Rechtsanwaltskammer oder etwa die Ingenieurkammern und andere Kammern sowie deren Landesgremien als Verband gemäß § 14 UWG anzusehen und zuzulassen sei. Da der Zweitbeklagte in der Berufung auf den Einwand seiner mangelnden Passivlegitimation nicht mehr zurückkomme, könne auf die zutreffenden Ausführungen des Erstrichters verwiesen werden. Auch der - im Rechtsmittelverfahren nur noch vom Erstbeklagten aufrecht erhaltene - Verjährungseinwand versage. Der Kläger habe seinen Unterlassungsanspruch auf das in der Klage wörtlich wiedergegebene Interview des Erstbeklagten vom 14.Dezember 1984 gestützt und daraus ein Unterlassungsbegehren abgeleitet, das er im Zuge des Verfahrens neu gefaßt habe. Solange dazu - wie hier - das Klagevorbringen nicht erweitert werden müsse, sondern sich das modifizierte Begehren auf die ursprüngliche Klageerzählung stütze, sei für die Beurteilung der Verjährungsfrage nur der Tag der Klageerhebung und nicht jener maßgeblich, an dem diese Fakten im Prozeß vorgebracht worden seien.
Zutreffend habe der Erstrichter auch den stattgebenden Ausspruch über das Unterlassungsbegehren mit einem Verstoß der Beklagten gegen § 1 UWG begründet: Ob es sich dabei um einen wettbewerbswidrigen "Systemvergleich" zwischen Rechtsanwälten und dem zweitbeklagten Verein handle, könne dahinstehen; jedenfalls sei die vom Erstbeklagten in seinem Interview gewählte Vorgangsweise ein Fall wettbewerbswidriger vergleichender Werbung zwischen den Aktivitäten und Leistungen des von ihm repräsentierten Zweitbeklagten in Schadenersatzfragen nach Verkehrsunfällen und den von Rechtsanwälten in solchen Angelegenheiten angebotenen und vom Betroffenen in Anspruch zu nehmenden Leistungen. Das Unlauterkeitselement in der Vorgangsweise des Erstbeklagten sei darin gelegen, daß er wahrheitswidrig - wenn auch möglicherweise informationsgemäß - die einem späteren Kunden der Beklagten von einem Linzer Rechtsanwalt angebotene Leistung als völlig unzureichend bezeichnet und im Interview noch ein zweites Mal darauf hingewiesen habe, daß aus Unkenntnis (auch) von Rechtsanwälten bei Verkehrsunfällen geschädigte Personen manchmal "zugunsten der Versicherungen" zu wenig verlangten. In diesen Aussagen liege nun nicht ein kompletter Vergleich der Systeme der Schadensbetreuung durch den Zweitbeklagten und durch Rechtsanwälte im allgemeinen, sondern eine unlautere Werbung für den Zweitbeklagten "auf Kosten" eines ungenannt gebliebenen Rechtsanwaltes, die bei einem Teil der vom Interview erreichten interessierten Personen dahin aufgefaßt worden sein konnte, daß Rechtsanwälte (Linzer Rechtsanwälte) in Schadenersatzangelegenheiten nach Verkehrsunfällen nicht immer über alle rechtlichen Ersatzforderungsmöglichkeiten Bescheid wüßten oder Auskunft gäben. Der Erstbeklagte (und der dadurch von ihm wettbewerblich geförderte Zweitbeklagte) habe damit die Grenzen lauteren Wettbewerbes überschritten, ohne daß es sich dabei um die persönliche Herabsetzung eines oder mehrerer Linzer Rechtsanwälte gehandelt hätte, sondern indem er - durch die beispielsweise Nennung eines Linzer Rechtsanwaltes - Anwälte im allgemeinen ungebührlich und wahrheitswidrig herabgesetzt habe. Dem Erstbeklagten sei die Sittenwidrigkeit seiner Bekundungen auch durchaus bewußt gewesen, zumal er den O***-Redakteur dahin unterrichtet habe, daß er keine Konfrontation wünsche und "kein Öl ins Feuer gießen" wolle und der Redakteur nur jene Passagen für die Sendung herausnehmen solle, die weder für den O*** noch für ihn gefährlich werden könnten. Mit dem in der Berufung behaupteten "Vertrauen auf die Richtigkeit" der Information Heinz K*** sen. könnten die Beklagten für ihren Standpunkt sohin keinen Erfolg erzielen.
Schon wegen der Veröffentlichung der beanstandeten Werbeaussage im O*** erweise sich die Publikation des stattgebenden Teils des Urteils in einer österreichweiten Tageszeitungsausgabe als jedenfalls gerechtfertigt.
Hingegen sei eine Behauptung, die Beklagten hätten den genannten günstigen Vergleich für Heinz K*** jun. ohne jede anwaltliche Hilfe erzielt, im gesamten Interview nicht ausdrücklich enthalten; sie könne ihm auch nicht schlüssig entnommen werden: Es treffe zu, daß praktisch jeder für die Belange des Interviews interessierte Zuhörer wisse, daß Prozesse mit den hier genannten Streitwerten von mehr als 1 Million S nur mit Anwaltszwang durchzuführen seien, so daß auch die Beklagten ihre Prozeßerfolge nur mit einem (aber eben von ihnen bevollmächtigten) Rechtsanwalt erzielen und diese dennoch als "ihre Erfolge" bezeichnen könnten; sie erzielten nämlich diese Erfolge nicht in eigenen Angelegenheiten, sondern für ihre Mitglieder oder Personen, die sich an sie um Rat und Hilfe gewandt hätten. Die Abweisung des weiteren Unterlassungsbegehrens begegne daher keinen Bedenken.
Zutreffend habe der Erstrichter auch das weitere Veröffentlichungsbegehren abgewiesen, weil mit einer österreichweiten Wochenendausgabe der "Kronen-Zeitung" im Hinblick auf den langen Zeitraum, der seit dem Interview verstrichen sei, mit hoher Wahrscheinlichkeit immer noch mehr Personen von der Veröffentlichung erreicht würden als jene, die sich noch an das fragliche Interview überhaupt erinnern könnten. Durch massive weitere Urteilsveröffentlichungen würde deren Zweck insoweit verfehlt, als ihnen dadurch "Geldstrafencharakter" zukäme. Sämtliche Parteien bekämpfen dieses Urteil insoweit, als ihren Berufungen der Erfolg versagt geblieben ist, mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung; sie beantragen die Abänderung der angefochtenen Entscheidung, und zwar die Klägerin dahin, daß der Klage zur Gänze stattgegeben, und die Beklagten dahin, daß das gesamte Klagebegehren abgewiesen werde.
Sämtliche Parteien beantragten, der Revision der jeweiligen Gegenseite nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
I. Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt. Die Beklagten halten auch in dritter Instanz an ihrer Auffassung fest, daß die Klägerin keine Vereinigung zur Förderung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmern im Sinne des § 14 UWG und daher zur Klageführung nicht berechtigt sei. Dem kann nicht gefolgt werden.
Nach § 23 RAO obliegt der Klägerin, welcher sämtliche in die Liste eingetragenen Rechtsanwälte mit dem Kanzleisitz in Oberösterreich angehören (§ 22 RAO), unter anderem auch die Wahrung der Rechte des Rechtsanwaltsstandes im weitesten Sinn, also von Gesetzes wegen auch die Förderung der wirtschaftlichen Interessen der ihr angehörenden Rechtsanwälte (SZ 11/113; 4 Ob 21/88); § 2 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung des Klägers steht demnach im Einklang mit § 14 UWG. Daraus, daß diese Bestimmung erst während des vorliegenden Rechtsstreites eingeführt wurde, ergibt sich daher nicht, daß die Klägerin vorher zur Klageführung nicht berechtigt gewesen wäre; im übrigen ist die (materiellrechtliche) Frage der Aktivlegitimation nicht nach den Verhältnissen bei Klageeinbringung, sondern bei Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz zu beurteilen (§ 406 ZPO; Fasching III 659).
Soweit die Beklagten in der Revision auf ihren Verjährungseinwand hinweisen, übersehen sie, daß sie in erster Instanz die Verjährung des Unterlassungsbegehrens, dem die Vorinstanzen stattgegeben haben (lit. b), nicht geltend gemacht, sondern nur die Verjährung des Begehrens zu lit. a behauptet haben (S 125 und 149). Daß das erstgenannte Begehren schon im ursprünglichen Urteilsantrag enthalten war, konnte ja nicht zweifelhaft sein, war doch der Vorwurf, die Beklagten hätten wahrheitswidrig behauptet, im Gegensatz zu ihnen fehle es Rechtsanwälten an der nötigen Sachkenntnis, welche Ansprüche aus Verkehrsunfällen geltend gemacht und durchgesetzt werden könnten, schon im ursprünglichen, innerhalb der Verjährungsfrist von 6 Monaten (§ 20 Abs. 1 UWG) erhobenen Klagebegehren enthalten; den Beklagten sollte damit nämlich verboten werden, "..... Angaben zu machen, nach deren Sinn eine mangelnde Sachkenntnis oder Information von Rechtsanwälten behauptet wird .....".
Die Beklagten meinen, Angriffspunkt des beanstandeten Interviews sei die Versicherungswirtschaft gewesen; der Erstbeklagte habe nur einen ganz konkreten Fall eines bestimmten namentlich nicht genannten Linzer Anwaltes erwähnt, damit aber nicht zum Ausdruck gebracht, daß die Anwaltschaft generell nicht das notwendige Fachwissen für die Betreibung von Schadenersatzansprüchen besitze. Diesen Ausführungen ist nicht zuzustimmen. Die Äußerungen des Erstbeklagten mußten beim Zuhörer den Eindruck hervorrufen, jeder durch einen Verkehrsunfall Geschädigte tue gut daran, sich der Hilfe des zweitbeklagten Vereins zu bedienen anstatt einen Rechtsanwalt zu beauftragen; der Erstbeklagte hatte ja den Verhandlungserfolgen des versierten Zweitbeklagten - der eben wisse, wie ein Schaden zu beweisen sei und wieviele Nebenforderungen dem Geschädigten außerhalb eines Schmerzengeldes noch zustünden - den "Linzer Anwalt" als Beispiel des Rechtsvertreters gegenübergestellt, der "gar nicht darüber informiert" sei, welche Ansprüche durchzusetzen seien. Damit konnte bei einem nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Publikums die Meinung entstehen, der Zweitbeklagte sei auf die Geltendmachung und Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen aus Verkehrsunfällen in höherem Maße spezialisiert und daher mehr befähigt als die Rechtsanwaltschaft schlechthin. Der in der Revision angestellte Vergleich mit der Behauptung, ein bestimmter Schuhmacher habe einmal Schuhe eines Kundes ruiniert, ist sohin verfehlt, wenn sich die Äußerung nicht - aus dem Zusammenhang erkennbar - gegen das Schuhmachergewerbe in seiner Gesamtheit richtet und mit der Werbung für ein außerhalb dieses Gewerbes stehendes Unternehmen verbunden ist, das ebenfalls die Reparatur von Schuhen anbietet. Die Äußerungen des Erstbeklagten in seinem Rundfunkinterview waren zweifellos geeignet, Unfallgeschädigte dazu zu veranlassen, sich zur Erhebung ihrer Schadenersatzforderungen an den zweitbeklagten Verein und nicht an einen Rechtsanwalt zu wenden. Das Bemühen, Kunden für sich anzuwerben und damit notwendigerweise den Mitbewerbern zu entziehen, ist zwar dem Wettbewerb immanent und daher grundsätzlich zulässig. Jede Werbung unterliegt aber dem Wahrheitsgrundsatz (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 690 Rz 297 zu § 1 dUWG). Ein zu Werbezwecken vorgenommener Vergleich verstößt demnach immer dann gegen § 1 UWG, wenn er unwahr ist (und nicht ohnehin einen Verstoß gegen § 2 UWG bildet); das gilt insbesondere auch für solche Vergleiche, die sich gegen die Gesamtheit aller Mitbewerber richten, ohne daß einzelne von ihnen namentlich genannt oder in anderer Weise erkennbar gemacht werden (Baumbach-Hefermehl aaO 726 Rz 357 zu § 1 dUWG; 4 Ob 21/88). Die Klägerin hat die Unwahrheit der hier zur Entscheidung stehenden Äußerung des Erstbeklagten behauptet; die Beklagten haben den Wahrheitsbeweis nicht einmal angetreten, obgleich bei einer herabsetzenden vergleichenden Werbung der Werbende die Wahrheit seiner Behauptungen zu beweisen hat (Baumbach-Hefermehl aaO 698 Rz 304, 727 Rz 359 zu § 1 dUWG; 4 Ob 21/88). Hat aber der Erstbeklagte eine unwahre Behauptung über die unterschiedlichen Leistungen, Kenntnisse und Erfolge des Zweitbeklagten einerseits und der Rechtsanwälte andererseits aufgestellt, so hat er damit gegen die guten Sitten im Wettbewerb verstoßen (§ 1 UWG). Daß der Zweitbeklagte dafür einzustehen hat, wird in der Revision nicht mehr in Zweifel gezogen.
Auf die Frage, ob guter Glaube hinsichtlich des Sachverhaltes die Sittenwidrigkeit ausschließen kann, ist hier nicht einzugehen. Nach den Feststellungen war zwar der Erstbeklagte über das Verhalten des von Heinz K*** sen. aufgesuchten Rechtsanwaltes unrichtig informiert; daraus kann er aber keine Rechtfertigung für das verallgemeinernde Urteil über das Versagen der Rechtsanwaltschaft gewinnen, das nach dem oben Gesagten seinen Interviewausführungen zu entnehmen ist, wonach nämlich die Rechtsanwälte insgesamt die Interessen ihrer unfallgeschädigten Klienten zu wenig sachkundig und erfolgreich verträten. Auf guten Glauben kann sich der Erstbeklagte somit nicht berufen.
Mit Recht haben die Vorinstanzen daher dem Unterlassungsbegehren zu lit. b stattgegeben.
II. Auch die Revision der Klägerin ist - im Ergebnis - nicht berechtigt.
Der von den Beklagten in erster Instanz erhobene und in den Berufungs- sowie den Revisionsbehauptungen aufrechterhaltene Verjährungseinwand ist gerechtfertigt. Zwar wurde schon in der Klage das gesamte Interview des Erstbeklagten wiedergegeben und ausdrücklich beanstandet, daß die Behauptung, die Beklagten hätten den geschilderten Fall (K***) nach einigen Monaten mit 3,100.000 S abschließen können, unrichtig und irreführend sei, weil in Wahrheit der Vergleichsabschluß auf der Seite des Geschädigten durch einen Rechtsanwalt erfolgt sei, ein solcher Hinweis aber fehle (S. 7 f). Das ursprünglich gestellte Urteilsbegehren enthält jedoch - auch bei großzügiger Auslegung - kein Verbot der Behauptung, die Beklagten hätten allein und ohne Beiziehung eines Anwaltes die Ersatzansprüche für einen Klienten durchgesetzt, obwohl sie sich dabei eines Anwaltes bedienten. In den im Urteilsbegehren genannten "unrichtigen Angaben über von Rechtsanwälten ausgehandelte Schadenersatzbeträge" ist dieses Verbot nicht enthalten; es wurde vielmehr erstmals in der Tagsatzung vom 11.März 1987 erhoben (S 111). Da die Klägerin weit mehr als 6 Monate vor diesem Zeitpunkt bereits von dem am 14.Dezember 1984 gesendeten Interview Kenntnis erlangt hat - die Klage wurde schon am 25.April 1985 verfaßt (S 10) -, stand den Beklagten der Verjährungseinwand zu. Der Hinweis der Klägerin auf die Entscheidung JBl. 1966, 212 geht deshalb fehl, weil dort das innerhalb der Verjährungsfrist gestellte Unterlassungsbegehren später nur klarer und deutlicher gefaßt wurde. Wird nur das Vorbringen ergänzt und/oder ein zu allgemein gehaltenes Begehren - etwa durch bestimmte Einzelverbote - konkretisiert, dann liegt darin keine Geltendmachung eines neuen Anspruches; die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 UWG ist dann schon durch die Klage und nicht erst durch die spätere Präzisierung unterbrochen worden (4 Ob 317, 318/86). Im Gegensatz dazu war aber im vorliegenden Fall dem ursprünglichen Urteilsantrag ein Begehren, den Beklagten irreführende Angaben über ihre eigenen Verhandlungserfolge zu verbieten, überhaupt nicht zu entnehmen. Die Vorinstanzen haben somit im Ergebnis zu Recht dieses Klagebegehren (lit. a) abgewiesen.
Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteiles.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 43 Abs. 1, § 50 ZPO.
Anmerkung
E15202European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00067.88.0913.000Dokumentnummer
JJT_19880913_OGH0002_0040OB00067_8800000_000