TE OGH 1988/9/13 4Ob64/88

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Veröffentlicht am 13.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Angst, Dr. Kodek und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*** Direct-Marketing Gesellschaft mbH, Salzburg, Alpenstraße 99, vertreten durch Dr. Wilfried Haslauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Marianne L***, Handelsfrau, Paldau, Puch Nr. 42, vertreten durch Dr. Maximilian Eiselsberg und Dr. Dieter Natlacen, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 320.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 11. April 1988, GZ 4 a R 29/88-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 23. November 1987, GZ 6 Cg 214/87-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 10.766,25 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 978,75 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Beide Parteien üben den Handel mit Kosmetika im "Direktvertrieb" aus. Die Beklagte betreibt ihr Unternehmen als Einzelkaufmann; sie ist (noch) nicht im Handelsregister eingetragen.

Die Beklagte war schon in den Jahren 1981 und 1982 bei der Firma AMC tätig, einem Direktvertriebsunternehmen, das Edelstahlgeschirr erzeugt und vertreibt. Schon dabei wurde sie sehr intensiv mit dem Direktvertriebssystem bekannt; sie verkaufte auch einige Produkte. Im Jahre 1982 lernte sie Hans M*** kennen und begann - noch als Sekretärin in einem Architekturbüro - zusammen mit ihrem Freund Helmut K***, am Aufbau des Vertriebssystems der weltweiten amerikanischen Firma A*** in Österreich mitzuarbeiten. In dieser Zeit wurden unter Mitarbeit der Beklagten in Österreich rund 6.000 Interessenten für A*** geworben; die Beklagte warb damals allein rund 1.000 Interessenten, was einen beträchtlichen Erfolg in diesem Bereich bedeutete. Sie hat damals tiefgehende Erfahrungen im Bereich der Kundenakquirierung und -betreuung erworben. Ab dem Jahre 1983 bauten Hans M*** und sein Partner unter Mitwirkung der Beklagten gemeinsam mit der Klägerin den Direktvertriebsmarkt für Österreich auf. Die Beklagte war wesentlich am Aufbau beteiligt; sie betreute vorwiegend den östlichen Teil Österreichs. Von Anfang an führte sie in diesem System das Schulungs- und Ausbildungszentrum in Gleisdorf, wie sie es schon zuvor im Zuge ihrer Tätigkeit für A*** getan hatte; sie hielt dort wöchentlich Schulungen ab. Im Jahre 1985 entwickelte und verfaßte sie gemeinsam mit Hans M*** ein eigenes Schulungskonzept. Schon beim Aufbau des Marktes für A*** hatte sie solche Schulungskurse und auch Motivationstreffen organisiert und daneben alles gemacht, was mit Werbung, Registrierung und Erfassung von Interessenten zu tun hatte. Auch bei Gesprächen darüber, welche Produkte in Österreich größere Marktchancen haben könnten, war die Beklagte oft dabei. Sie hat auch selbst immer Produkte verkauft bzw. an Endverbraucher vermittelt.

Die Beklagte besitzt seit 1983 die Gewerbeberechtigung für Privatgeschäftsvermittlung, seit 1986 die Gewerbeberechtigung für den Handel mit Waren aller Art. Außerdem hat sie eine abgeschlossene kaufmännische und eine abgeschlossene kosmetische Ausbildung. Sie wurde ungefähr zur selben Zeit wie Hans M*** von der Klägerin gekündigt. Seit 1986 hat sie sich ein eigenes Unternehmen aufgebaut. Derzeit beschäftigt sie 134 Mitarbeiter als Repräsentanten der von ihr vertriebenen Produkte. Darunter sind etwa

70 Privatgeschäftsvermittler; der Rest teilt sich auf in Kosmetiksalons, Frisiersalons und Vorführdamen. Im Rahmen des Aufbaus ihres Unternehmens, dem ein von ihr erarbeitetes Marketingkonzept zugrunde liegt, hat die Beklagte Arbeitsgruppen gebildet, die sie als "Abteilungen" bezeichnet. Das Marketingkonzept der Beklagten geht - wie in diesem Bereich üblich - auf den umfassenden und durch Jahrzehnte weltweit bewährten Marketingplan der Firma A*** zurück. Dieser Plan wurde nur dem österreichischen Markt entsprechend variiert; es flossen Überlegungen ein, die auf Erfahrungen der Beklagten zurückgehen. Der Gesamtumsatz der Beklagten seit 1986 beträgt rund 10 Millionen S.

In einer Werbebroschüre der Beklagten für ihr "Team KL" wird neben einer eingehenden Beschreibung des Marketingplans unter anderen Punkten auch ausgeführt, daß das Team KL eine "seriöse Firmenleitung aus Österreich mit jahrelanger Erfahrung im Direktvertrieb" habe und daß ein "erfolgserprobter Marketingplan, der die österreichischen Marktverhältnisse berücksichtigt", vorliege. Mit der Behauptung, daß die beiden letztgenannten Werbebehauptungen zur Irreführung geeignet seien, begehrt die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, im geschäftlichen Verkehr bei Ausübung ihres Handelsgewerbes, insbesondere des Groß- und Einzelhandels mit Kosmetik- und Parfümeriewaren, es zu unterlassen, unrichtige Angaben über ihr Unternehmen zu machen, insbesondere

a) sich als "Firmenleitung mit jahrelanger Erfahrung im Direktvertrieb" zu berühmen sowie

b) den von ihr verwendeten Marketingplan als "erfolgserprobt" zu bewerben;

daneben stellt die Klägerin ein Veröffentlichungsbegehren. Die Anführung des Wortes "Firmenleitung" bei einem nicht registrierten Einzelunternehmen ohne Angestellte, das erst am 1. September 1986 gegründet worden sei, führe die beteiligten Verkehrskreise insofern in Irrtum, als damit der Eindruck erweckt werde, es handle sich um eine im Handelsregister eingetragene Firma und es gebe eine Mehrheit hauptberuflich tätiger "Direktoren"; zu Unrecht werde auch der Eindruck erweckt, daß die jahrelange Erfahrung der "Firmenleitung" in führenden Positionen bei Unternehmen gesammelt worden sei, die den Groß- und Einzelhandel über Privatgeschäftsvermittler betrieben. Für einen Marketingplan, der erst knapp 6 Monate angewendet werde, könne nicht mit der Behauptung, er sei "erfolgserprobt", geworben werden.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Ihr Unternehmen sei in vollkaufmännischem Umfang organisiert. Das Wort "Firmenleitung" entstamme dem allgemeinen Sprachgebrauch und sei kein rechtlicher Terminus. Unter "Firmenleitung" verstehe man die Führung des Unternehmens; die Verwendung dieses Wortes sei demnach nicht zur Irreführung geeignet. Auch besitze die Beklagte tatsächlich jahrelange Erfahrung im Direktvertrieb. Da der von ihr verwendete Marketingplan den Strukturen eines seit 1942 in den USA verwendeten Konzeptes entspreche, könne sie diesen Plan als "erfolgserprobt" bezeichnen.

Der Antrag auf Urteilsveröffentlichung sei gleichfalls unberechtigt.

Der Erstrichter wies das Unterlassungsbegehren (ohne das Veröffentlichungsbegehren im Spruch zu erwähnen) ab. Er stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und meinte rechtlich, die beanstandeten Werbeaussagen der Beklagten erweckten auch bei Heranziehung strenger Maßstäbe für die Auslegung mehrdeutiger Ausdrücke keinen unrichtigen Eindruck. Die Angaben der Beklagten entsprächen durchaus den wirklichen Verhältnissen: Die Beklagte verfüge in der Tat über eine jahrelange Erfahrung im Direktvertrieb. Daß diese Erfahrung von der "Firmenleitung" selbst erworben wäre, könne der Ankündigung nicht entnommen werden; diese würde vielmehr von dem normalen Konsumenten dahin verstanden, daß es sich bei der Firmenleitung um eine oder mehrere Personen handle, die jahrelange Erfahrung im Direktvertrieb hätten. Da der Marketingplan der Beklagten im wesentlichen auf das Erfolgskonzept der Firma A*** zurückgehe, könne sie mit Recht von einem "erfolgserprobten" Marketingplan sprechen. Die Beklagte habe keine Angaben gemacht, die über die Größe ihres Unternehmens täuschen könnten. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteige. Es übernahm die Feststellungen des Erstrichters als das Ergebnis einer schlüssigen Beweiswürdigung und billigte die rechtliche Beurteilung des Erstrichters. Mit ihrem Hinweis auf die Seriosität und die jahrelange Erfahrung der Firmenleitung habe die Beklagte ihrem Handelsnamen keinen nach § 18 Abs 1 HGB und § 64 GewO unzulässigen Zusatz beigefügt. Da der Begriff "Firmenleitung" nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nur die Summe aller jener Verwaltungsaufgaben umfasse, die die Leitung eines gewerblichen Unternehmens erfordere und die in der Regel vom Firmeninhaber und/oder einem von ihm bevollmächtigten Mitarbeiter wahrgenommen werden, die Beklagte aber tatsächlich jahrelang in einem Direktvertriebssystem tätig gewesen sei, liege in der beanstandeten Charakterisierung der Firmenleitung weder ein Verstoß gegen § 1 noch gegen § 2 UWG. Das Bestehen einer Firmenleitung hänge weder von der Registrierung der Firma im Handelsregister noch von der Größe des Unternehmens oder ähnlichen Umständen ab.

Da der Organisationsplan der Beklagten auf ein seit mehr als 40 Jahren in den USA verwendetes Vertriebssystem zurückgehe, das die Beklagte auf die österreichischen Marktverhältnisse abgestimmt habe, sei auch ihre Aussage über den "erfolgserprobten Marketingplan" nicht zur Irreführung geeignet. Auf welche Weise sich die Beklagte die Kenntnis dieses Vertriebssystems angeeignet habe - ob als Mitglied einer Firmenleitung, einfach als Mitarbeiterin oder als Schulungsleiterin von Mitarbeitern -, sei dabei nicht entscheidend. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Klage vollinhaltlich stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach Ansicht der Klägerin sei die Verwendung des Wortes "Firmenleitung" in der ersten der beiden beanstandeten Werbeaussagen deshalb irreführend, weil das Unternehmen der Beklagten im Handelsregister nicht registriert sei und daher keine "Firma" habe; sollte es aber darauf ankommen, ob die Voraussetzungen für die Registrierung der Firma vorhanden seien, dann läge ein Feststellungsmangel vor. Dem kann nicht gefolgt werden. Nach der Begriffsbestimmung des § 17 Abs 1 HGB ist zwar die Firma eines Kaufmannes der Name, unter dem er im Handel seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt; im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter "Firma" jedoch in erster Linie ein kaufmännischer Betrieb oder ein gewerbliches Unternehmen verstanden (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in 6 Bänden, Band 2, S 848). In der Wortzusammensetzung "Firmenleitung" kommt überhaupt nur diese Bedeutung des Wortes "Firma" in Frage, weil - wie die Beklagte zutreffend hervorhebt - die Verbindung des Begriffes "Leitung" mit dem Handelsnamen keinen Sinn ergäbe. Daß nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nur solche Unternehmen als "Firma" bezeichnet würden, bei denen die Voraussetzungen für eine Registrierung des von ihrem Inhaber im geschäftlichen Verkehr verwendeten Namens im Handelsregister vorlägen (§ 2 HGB), trifft nicht zu; auch "kleine" Unternehmen - also solche, die nicht nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb benötigen (§ 2 HGB), - werden im allgemeinen Sprachgebrauch als "Firma" bezeichnet. Selbst wenn man aber der Meinung sein wollte, daß ganz kleine, etwa nur von ihrem Inhaber ohne jeden Mitarbeiter betriebene Unternehmen sich - bei sonstiger Irreführung des Publikums - nicht "Firma" nennen dürften, wäre daraus für die Klägerin nichts zu gewinnen, hat doch die Beklagte derzeit 134 Mitarbeiter und - im ersten Geschäftsjahr - einen Umsatz von rund 10 Millionen S erzielt. Ein Unternehmen dieser Größenordnung wird aber nach dem üblichen Sprachgebrauch sehr wohl als "Firma" bezeichnet. Daß jemand eine Firma im Sinne der Begriffsbestimmung des § 17 Abs 1 HGB führt, obwohl diese trotz des Vorhandenseins der gesetzlichen Voraussetzungen nicht protokolliert ist, könnte im übrigen für sich allein einen Unterlassungsanspruch nach § 2 UWG gleichfalls nicht rechtfertigen, weil der dadurch allenfalls hervorgerufene unrichtige Eindruck, die Firma sei registriert, nicht geeignet wäre, den Entschluß des angesprochenen Interessenten, sich mit dem Angebot näher zu befassen, irgendwie zugunsten dieses Angebotes zu beeinflussen, der Irrtum sohin unerheblich wäre (ÖBl. 1987, 18; MuR 1987, 181 u.v.a). Aber auch die weitere Behauptung, die "Firmenleitung" des von der Beklagten betriebenen Unternehmens habe "jahrelange Erfahrung im Direktvertrieb", ist nicht zur Irreführung geeignet, hat doch die Beklagte nach den Feststellungen tatsächlich mehrere Jahre im Direktvertrieb Erfahrungen gesammelt: Sie hat in ihren früheren Tätigkeitsbereichen selbst eine stattliche Anzahl von Interessenten geworben, am Aufbau des Direktvertriebsmarktes der Klägerin für Österreich mitgewirkt, einen Teil des Marktes betreut und Mitarbeiter geschult und ausgebildet. Ob sie in dieser Zeit alle Tätigkeiten, die mit einer leitenden Funktion zusammenhängen, ausgeführt hat, ist ohne Bedeutung, weil eine solche Behauptung ihrer beanstandeten Werbeaussage nicht zu entnehmen ist. Auch in diesem Bereich liegt sohin kein Feststellungsmangel vor. Der von der Beklagten ihrer geschäftlichen Tätigkeit zugrunde gelegte Marketingplan (vgl. Beilage A) geht - wie die Vorinstanzen festgestellt haben - auf einen weltweit bewährten Marketingplan der Firma A*** zurück. Dieser Plan ist demnach "erfolgserprobt" (= "bewährt"). Nähere Feststellungen über die Einzelheiten dieses Marketingplans waren nicht erforderlich, weil die - für die Unrichtigkeit einer Werbeaussage der Beklagten

beweispflichtige - Klägerin dazu keine weiteren Behauptungen aufgestellt, sondern nur darauf hingewiesen hat, daß der Marketingplan erst knapp sechs Monate angewendet werde (S. 4). Daß aber die Beklagte einen "ausschließlich und im Gegensatz zur Konkurrenz" verwendeten besonderen Marketingplan habe - wie die Klägerin ergänzend vorgebracht hat (S. 16 und 21) -, läßt sich der beanstandeten Benützung des Ausdruckes "erfolgserprobter Marketingplan" (zu ergänzen: "der die österreichischen Marktverhältnisse berücksichtigt") nicht entnehmen. Auch mit dieser Werbeankündigung hat die Beklagte demnach nicht gegen § 2 UWG verstoßen.

Aus welchen Gründen die Werbeaussagen der Beklagten sittenwidrig (§ 1 UWG) sein sollten, ist nicht zu erkennen; die Revision kommt auf diesen Rechtsgrund auch nicht mehr zurück.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E15201

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00064.88.0913.000

Dokumentnummer

JJT_19880913_OGH0002_0040OB00064_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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