Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Angst, Dr. Kodek und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hubert S***, Transporte und Baggerungen, Waldkirchen Nr. 16, vertreten durch Dr. Hans Hochleitner, Dr. Josef Broinger und Dr. Johannes Hochleitner, Rechtsanwälte in Eferding, wider die beklagte Partei Siegfried D***, Mineralölhändler, Wels, Flemingstraße 14, vertreten durch Dr. Hans-Peter Just, Rechtsanwalt in Eferding, wegen S 230.377,44 s.A., infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 19. April 1988, GZ 4 R 272/87-34, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 14. Juli 1987, GZ 7 Cg 117/86-27, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der Kläger ist Transportunternehmer mit einem - dem Beklagten im wesentlichen bekannten - Fuhrpark von 4 LKW-Zügen, 5 LKW-Kippern und etwa 10 verschiedenen Baumaschinen (Raupen und Bagger). In seiner Eigenschaft als Provisionsvertreter der Mineralölfirma "ELF" hatte der Beklagte dem Kläger schon seit 1974 Motoröle, Hydrauliköle und Getriebeöle verkauft. Ab 1. Jänner 1984 machte sich der Beklagte als Mineralölhändler selbständig; der Kläger blieb sein Kunde und erhielt vom Beklagten wiederum Plastikcontainer mit je 1.000 l Fassungsraum samt entsprechender Pumpanlage zur Verfügung gestellt. Auf Empfehlung der Firma R*** aus Linz ließ der Beklagte beim Kläger anstelle der früheren Elektropumpen nunmehr Druckluftpumpen installieren. Nachdem der Kläger vom Beklagten im Jahre 1984 schon ein bis zwei Container Schmieröl der Serie 3 (richtig: MIL-L-2104-C) geliefert erhalten hatte, die zu keinerlei Beanstandungen Anlaß gaben, wurde am 24. Oktober 1984 auf Grund der Bestellung des Klägers vom 17. Oktober 1984 ein weiterer Container mit 840 l Schmieröl geliefert. Daraufhin kam es etwa im Oktober 1984 nach einem Ölwechsel schon nach kurzer Betriebsdauer bei einem LKW-MAN (ÖAF) 280 (TS) des Klägers zu einem Motorschaden. Der Kläger ließ einen in seinem Betrieb vorhandenen Ersatzmotor einbauen und mit Öl aus der letzten Lieferung des Beklagten befüllen. Auch an diesem Motor entstand nach kurzer Betriebsdauer ein Motorschaden. Ähnliche Motorschäden traten in der Folge jeweils nach einem Motorölwechsel und anschließender kurzer Betriebsdauer bei Baufahrzeugen und bei einer Laderaupe auf.
Der Kläger begehrt mit seiner am 26. März 1986 beim Erstgericht eingelangten Klage vom Beklagten den Ersatz der zur Behebung der Motorschäden erforderlichen Reparaturkosten von insgesamt S 230.377,44 s.A. mit der Begründung, das vom Beklagten gelieferte Schmieröl habe nicht die bedungene Qualität der "Serie 3" aufgewiesen und sei für die Turbomotoren des Klägerse nicht geeignet gewesen.
Der Beklagte stellte demgegenüber jedes Verschulden in Abrede. Das Öl habe voll und ganz den Gattungsanforderungen der Spezifikation nach "MIL-L-2104-C" entsprochen. Selbst wenn es sich aber nur um Öl der "Serie 2" gehandelt haben sollte, hätten dadurch innerhalb kurzer Zeit nicht die vom Kläger geltend gemachten Motorschäden herbeigeführt werden können. Im übrigen träfe den Kläger an diesen - auch der Höhe nach bestrittenen - Schäden ein überwiegendes Mitverschulden von 4/5, weil er nach dem Auftreten des ersten Motorschadens das Öl noch weiter verwendet habe. Das Erstgericht gab anläßlich der Fassung des Beweisbeschlusses den Parteien bekannt, daß vorerst der von ihnen beantragte Sachverständigenbeweis über die chemische Beschaffenheit des Schmieröls durchgeführt werde (ON 5 S 30). Nach Zustellung des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen
Dipl.Ing. Dr. Hans H*** vom 10. November 1986 (ON 14), demzufolge das vom Beklagten gelieferte Schmieröl allen Anforderungen der maßgeblichen Spezifikation nach MIL-L-2104-C entsprochen hatte, stützte der Kläger sein Begehren mit den Schriftsätzen vom 19. Februar 1987 (ON 20) und 29. Juni 1987 (ON 23), beide vorgetragen und ergänzt in der Verhandlungstagsatzung vom 14. Juli 1987 (ON 26 S 97 f), noch weiters darauf, daß der Beklagte vertragliche (Neben-)Pflichten verletzt habe: Die Motorschäden seien nämlich offensichtlich dadurch verursacht worden, daß die vom Beklagten angeratene und zur Verfügung gestellte Druckluftpumpe nur aufgeschäumtes und verwirbeltes Öl - also ein Luft-Öl-Gemisch - angesaugt habe und dadurch trotz ordnungsgemäß durchgeführten Ölwechsels eine zu geringe Ölmenge in die Motoren gelangt sei. Dem Beklagten sei anzulasten, daß er auf diesen Umstand nicht hingewiesen und keine Gebrauchsanweisung für die Druckluftpumpe gegeben habe.
Der Beklagte trat dieser Klageänderung entgegen, weil sie das Verfahren wesentlich verzögern und erschweren würde. Das Erstgericht ließ die Klageänderung nicht zu und wies das Klagebegehren ab. Es stellte über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus im wesentlichen noch fest, daß das vom Beklagten gelieferte Öl die physikalischen Anforderungen der hiefür verbindlichen Spezifikation MIL-L-2104-C erfüllt habe. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, das neue Sachvorbringen des Klägers sei eine Klageänderung, weil hiedurch die Anspruchsgrundlage der Schadenersatzforderung geändert worden sei. Wenn auch Klageänderungen grundsätzlich tunlichst zuzulassen seien, so sei doch im vorliegenden Fall das ursprünglich gestellte Begehren auf Grund der bisherigen Beweisergebnisse bereits im abweislichen Sinne spruchreif gewesen. Eine Zulassung der Klageänderung müsse daher daran scheitern, daß mit ihr eine erhebliche Erschwerung und Verzögerung der Verhandlung verbunden wäre.
Das Rekursgericht ließ die Klageänderung zu und sprach aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Die Rechtsprechung befürworte die Zulassung einer Klageänderung insbesondere dann, wenn dadurch ein sonst unausbleiblicher neuer Prozeß zwischen den Parteien vermieden werden könne; danach stehe auch die Spruchreife des Verfahrens über das bisher geltend gemachte Begehren einer Zulassung der Klageänderung ebensowenig im Wege wie etwaige Kostenfolgen. Andererseits sei aber eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung dann angenommen worden, wenn über die ursprüngliche Klage in der laufenden Verhandlung entschieden werden könnte, während die Klageänderung zusätzliche Beweisaufnahmen bedinge. Im Vordergrund müsse daher die Erwägung stehen, ob die Vorteile einer sofortigen Beendigung des Prozesses über die ursprüngliche Klage die Nachteile eines durch die Nichtzulassung der Klageänderung unausweichlichen neuen Prozesses aufwiegen könnten. Unter diesem Gesichtspunkt spreche selbst die Notwendigkeit zusätzlicher Beweisaufnahmen dann nicht gegen eine Zulassung der Klageänderung, wenn bereits Verfahrensergebnisse vorlägen, die auch für das geänderte Begehren verwertbar blieben, in einem neuen Verfahren aber erst geschaffen werden müßten. Im vorliegenden Fall sei der Kläger erst im Zuge des erstgerichtlichen Verfahrens auf die nunmehr geltend gemachte Schadensursache gestoßen; es könne ihm daher nicht der Vorwurf einer unökonomischen Prozeßführung oder gar einer Prozeßverschleppung gemacht werden. Vor allem aber würde die Nichtzulassung der Klageänderung die Vernichtung oder doch die erschwerte Verwertbarkeit der bereits vorliegenden Verfahrensergebnisse bewirken, habe doch das Erstgericht bereits die Parteienvernehmung auch zum neuen Sachvorbringen durchgeführt und Feststellungen über die Lieferung und die Handhabung der Druckluftpumpe getroffen. Zusätzlich blieben sämtliche Verfahrensergebnisse zur Vorgeschichte des Streitfalles verwertbar.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Beklagten gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs ist mangels Ausführung eines nach § 528 Abs 2 ZPO qualifizierten Anfechtungsgrundes unzulässig.
Lehre und Rechtsprechung legen die Bestimmung des § 235 Abs 3 ZPO dahin aus, daß Klageänderungen aus Gründen der Prozeßökonomie tunlichst zuzulassen sind, wenn sie den Parteien und dem Gericht einen zweiten Prozeß ersparen und ihrer Art nach geeignet sind, das streitige Verhältnis zwischen den Parteien erschöpfend und endgültig zu bereinigen; weder die Aussichtslosigkeit des ursprünglichen Begehrens noch die Notwendigkeit einer Vertagung rechtfertigen in einem solchen Fall für sich allein die Zurückweisung einer Klageänderung (Fasching, Lehrbuch Rz 1240; Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht2, 196; SZ 43/35; JBl 1973, 43; SZ 47/49; Arb. 10.192; 4 Ob 10/88 uva). Davon ausgehend, hat der Oberste Gerichtshof Klageänderungen vor allem dann nicht zugelassen, wenn nach Durchführung eines Beweisverfahrens schon abschließend geklärt war, daß der ursprünglich geltend gemachte Anspruch nicht zu Recht besteht; hier soll dem Kläger nicht mehr die Möglichkeit eingeräumt werden, durch eine Änderung seines Begehrens den Rechtstreit auf einer ganz neuen Grundlage und mit neuen Beweismitteln fortzusetzen (JBl 1951, 381; JBl 1955, 502; MietSlg 17.774; SZ 43/35; Arb. 10.192 ua). Letzteres ist aber wiederum dann verneint worden, wenn - wie hier - zur Stützung eines Schadenersatzanspruches über das ursprünglich behauptete Verhalten hinaus ein weiteres Verhalten als schadensbegründend vorgetragen wird und der behauptete zusätzliche Sachverhalt auf derselben Ebene liegt, insbesondere nur eine weitere Verhaltenskomponente bildet. In solchen Fällen wurden Klageänderungen aus Gründen der Prozeßökonomie selbst dann zugelassen, wenn das ursprüngliche Begehren im abweislichen Sinne spruchreif wäre (SZ 27/167; Arb. 8021; SZ 47/49 ua). Der Beklagte zieht diese von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze über die Zulassung von Klageänderungen mit seinen Rechtsmittelausführungen nicht in Zweifel; er vertritt lediglich die Auffassung, auf Grund der Besonderheiten des vorliegenden Falles müsse hier jene Entscheidungslinie Anwendung finden, die die Zulassung der Klageänderung wegen abschließender Klärung des Nichtbestehens des ursprünglichen Begehrens nach Durchführung eines Beweisverfahrens verweigert. Der Beklagte übersieht dabei, daß nach den dargestellten Grundsätzen der Rechtsprechung keineswegs ganz allgemein gesagt werden kann, daß schon in der Notwendigkeit der Beweisaufnahme über die geänderte Klage eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung zu erblicken wäre; auch bei der diesbezüglichen Beurteilung kommt es vor allem - wie auch überhaupt bei der Beurteilung der Sachdienlichkeit der Zulassung einer Klageänderung aus Gründen der Prozeßökonomie - auf die besonderen Umstände des Einzelfalles an (Fasching III 122; Arb. 10.192). Die hier zu entscheidende Rechtsfrage ist daher so stark auf die Verhältnisse des konkreten Falles abgestellt, daß ihre Beantwortung keine brauchbaren Anhaltspunkte für die Beurteilung ähnlicher Fälle erwarten läßt; sie kann demnach im Rahmen des vorliegenden (Grundsatz-)Revisionsrekurses nicht geprüft werden. Der Revisionsrekurs war daher gemäß § 526 Abs 2 ZPO zurückzuweisen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekurses beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.
Anmerkung
E15003European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00563.88.0913.000Dokumentnummer
JJT_19880913_OGH0002_0040OB00563_8800000_000