Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzeden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Maier und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei HAN Y*** C***, 1-885 Yoido-dong, Yeoungdeungpo-Ku, Seoul, Korea, vertreten durch Dr. Friedrich Mosing, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien
1.) R***(S) (AND) T*** L***, P.O.Box 180, Vaduz,
Liechtenstein, 2.) S*** E*** FOR C***,
Al-Matar St/Al Kasr, Mohammed Gamal Building, Jeddah, Saudi-Arabien, und 3.) G*** L***, Staedtle 36, Vaduz, Liechtenstein, sämtliche vertreten durch Dr. Hans Georg Zeiner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufhebung eines Schiedsspruches infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 10. März 1988, GZ 1 R 10, 11/88-18, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 1. Oktober 1987, GZ 16 Cg 23/87-9 und das diesem nachfolgende, auf ihm basierende Verfahren einschließlich des Beschlusses vom 21. Dezember 1987, GZ 16 Cg 23/87-14, als nichtig aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Mit der am 13. November 1986 erhobenen Klage begehrte die klagende Gesellschaft die Aufhebung des auf Grund der Schiedsgerichtsordnung des Schiedsgerichtshofs der Internationalen Handelskammer in dem von den nunmehr beklagten Parteien gegen die hier klagende Partei angestrengten Verfahren ergangenen Schiedsspruchs vom 18. August 1986, Fall Nr. 4145/AR/RP/BGD, wobei sie bereits in der Klage gemäß § 7 a Abs 2 JN die Entscheidung des Senates begehrte. In dem am 13. Jänner 1987 bei Gericht eingelangten Schriftsatz - den beklagten Parteien war ohne Anberaumung einer ersten Tagsatzung die Beantwortung der Klage aufgetragen worden - beantragten die beklagten Parteien ua die Anberaumung einer Tagsatzung zum Zwecke der Festsetzung einer Sicherheitsleistung für Prozeßkosten und die Erlassung des Auftrages an die klagende Partei auf Leistung einer Sicherheit für die Prozeßkosten in der Höhe von 2,500.000,--. In der vom Erstgericht in Senatsbesetzung am 1. Oktober 1987 durchgeführten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung wurde - vor Eingehen in die Hauptsache - über das Begehren auf Erlag der Sicherheitsleistung für Prozeßkosten verhandelt und nach erfolglosen Versuchen, eine Einigung zu erzielen, von den Parteien die Entscheidung des Senates begehrt. Nach Beratung des Senates verkündete der Vorsitzende den von ihm allein gefaßten und als ON 9 ausgefertigten Beschluß, mit dem der klagenden Partei binnen 4 Wochen der Erlag einer aktorischen Kaution von S 800.000,-- aufgetragen wurde, widrigenfalls über Antrag der beklagten Parteien die Klage als zurückgenommen anzusehen wäre. Mit Beschluß vom 21. Dezember 1987 (ON 14 dA) erklärte das Erstgericht auf Antrag der beklagten Parteien die Klage gemäß § 60 Abs 3 ZPO als zurückgenommen.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem von der klagenden Gesellschaft gegen den Beschluß ON 9 dA erhobenen Rekurs Folge und hob diesen Beschluß sowie das ihm nachfolgende, auf ihm basierende Verfahren, einschließlich des Beschlusses ON 14 dA als nichtig auf, wobei es die klagende Partei mit ihrem Rekurs gegen den Beschluß ON 14 dA auf diese Entscheidung verwies und aussprach, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Gemäß § 7 Abs 1 JN werde bei den Handelsgerichten die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen, soferne nicht andere Vorschriften Abweichendes anordneten, in erster (und zweiter) Instanz durch Senate ausgeübt, die aus einem Vorsitzenden und zwei Mitgliedern bestünden, wobei gemäß § 7 Abs 2 JN bei Handelsgerichten die Stelle eines Mitglieds durch einen fachmännischen Laienrichter aus dem Handelsstand versehen werde. In der angefochtenen Entscheidung verkenne das Erstgericht auch nicht, daß hinsichtlich des Entscheidungsgegenstandes eine ausdrückliche Kompetenzzuweisung an den Vorsitzenden des Senats als Einzelrichter weder in den §§ 57 ff ZPO, noch etwa im § 243 ZPO oder im § 37 GOG vorgenommen werde. Aber auch aus dem (Analogie-)Verweis auf die Regelungsinhalte des § 239 ZPO, nach dessen Abs 2 unter anderem der Antrag auf Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten bei der ersten Tagsatzung zu stellen und gemäß Abs 3 darüber durch den (gemäß Abs 1 die erste Tagsatzung durchführenden) Einzelrichter sogleich zu verhandeln und zu entscheiden sei, könne die Zuständigkeit des Einzelrichters für die vorliegende Verfahrenskonstellation nicht abgeleitet werden. Seit der ZGV-Novelle sei gemäß § 243 Abs 4 ZPO die erste Tagsatzung in den vorher dafür vorgesehenen Fällen nicht mehr obligatorisch, vielmehr könne sofort der Auftrag zur (schriftlichen) Klagebeantwortung erteilt werden. Die Anträge aber, welche bei sonstigem Ausschluß in der ersten Tagsatzung vorzubringen seien (wie etwa jener auf die Leistung einer Prozeßkostensicherheit) seien in diesem Fall bei sonstigem Ausschluß in der Klagebeantwortung selbst vorzubringen. Im übrigen seien die bei der ersten Tagsatzung vorzunehmenden Prozeßhandlungen am Beginn der ersten zur mündlichen Streitverhandlung bestimmten Tagsatzung vorzunehmen. Weder im Gesetzestext, noch in den Materialien fände sich dazu etwa ein Hinweis darauf, daß "am Beginn der mündlichen Streitverhandlung" etwa noch der Vorsitzende als Einzelrichter oder ein von diesem beauftragtes Mitglied des Senats alleine (wiewohl in Gegenwart der für die übrige Verhandlung notwendigerweise anwesenden Senatsmitglieder) die "Agenden der unterbliebenen ersten Tagsatzung" zu erledigen hätte. Gerade der vom Erstgericht in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Hinweis auf die §§ 180 ff ZPO sei als Argument gegen die Beurteilung der Sache durch das Erstgericht zu verwenden, weil eben in diesen Bestimmungen der §§ 180 bis 186 ZPO ausdrücklich im Gesetz die durch den Vorsitzenden allein zu erledigenden Agenden geregelt und sohin Inhalt des im § 7 Abs 1 JN vorgesehenen Ausnahmekatalogs seien. Solches fehle aber hier für die Entscheidung über die aktorische Kaution nach Beginn der in Senatsbesetzung aufgenommenen mündlichen Streitverhandlung. Dazu komme noch, daß in Zweifelsfällen (namentlich bei nicht ausdrücklicher konkreter Regelung) über die Kompetenzverteilung zwischen dem Senat und dem Vorsitzenden (Einzelrichter) das Gesetz der Senatsbesetzung den Vorzug gäbe, womit auch die mit der ZGV-Novelle neu geschaffene Bestimmung des § 477 Abs 3 ZPO im Einklang stehe.
Aus den dargelegten Gründen sei daher die angefochtene Entscheidung und das auf dieser aufbauende Folgeverfahren vor dem Erstgericht als nichtig aufzuheben gewesen. Das Erstgericht werde in der ordnungsgemäßen Senatsbesetzung über den Antrag der beklagten Parteien auf Prozeßkostensicherstellung erneut zu entscheiden haben. Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Rekurs der beklagten Parteien mit dem Antrag, die Entscheidung des Rekursgerichtes im Sinne der Wiederherstellung der Beschlüsse des Erstgerichtes ON 9 und 14 dA abzuändern.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist im Hinblick auf den Bewertungsausspruch des Rekursgerichtes zulässig, aber nicht berechtigt.
In ihrem Rekurs vertreten die beklagten Parteien nach Darstellung der vor Inkrafttreten der Zivilverfahrens-Novelle 1983 geltenden und der nunmehrigen Rechtslage den Standpunkt, hinsichtlich der Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag auf Sicherheitsleistung wegen Prozeßkosten im Falle des Unterbleibens der Durchführung einer ersten Tagsatzung liege eine Gesetzeslücke vor, weil eine Regelung nach der früheren Gesetzeslage infolge eindeutiger zwingender schlüssiger Regelung entbehrlich gewesen sei, nach der nunmehrigen Gesetzeslage aber nicht getroffen worden sei, ohne daß aus der Nichtregelung eine eindeutige Absicht des Gesetzgebers über die Zuständigkeit zu dieser Entscheidung zu erkennen sei. Da diese Entscheidung in einem Zwischenverfahren, und zwar vor Einlassung in die Hauptsache, also vor Beginn der mündlichen Streitverhandlung zu erlassen sei, das Zwischenverfahren somit eher der Vorbereitung der mündlichen Streitverhandlung diene, als dieser zuzuordnen sei, sei die Gesetzeslücke im Sinne der Zuständigkeit des Einzelrichters zu schließen. Die Zuständigkeit solle auch nicht von prozessualen Zufälligkeiten abhängen und noch viel weniger der unbekämpfbaren Disposition des Senatsvorsitzenden unterliegen. Über die genannte Entscheidung habe daher immer der Einzelrichter zu entscheiden, und zwar unabhängig davon, ob eine erste Tagsatzung anberaumt oder sogleich die Erstattung der Klagebeantwortung aufgetragen worden sei. Diesen Ausführungen ist folgendes zu entgegnen:
Richtig ist wohl, daß der Streit über die Bestellung einer Prozeßkostensicherheitsleistung einen Zwischenstreit darstellt (vgl. auch RZ 1976/127). Daraus läßt sich aber für die hier zu lösende Rechtsfrage nichts ableiten. Nach der Rechtslage vor Inkrafttreten der Zivilverfahrens-Novelle 1983 mußte über den Antrag auf Erlag einer aktorischen Kaution - von den Ausnahmsfällen des § 58 ZPO abgesehen - immer in der ersten Tagsatzung (im technischen Sinn) entschieden werden. Da die erste Tagsatzung ausschließlich von einem Einzelrichter zu verrichten war (§ 239 Abs 1 ZPO) kam im Normalfall die Zuständigkeit des Senates zwangsläufig nicht in Frage. Bei nachträglichem Eintritt der Verpflichtung zum Erlag einer Sicherheitsleistung im Zuge des Verfahrens nach § 58 ZPO war im Senatsprozeß auch damals schon der Senat zur Entscheidung berufen (Wolff, Grundriß des österreichischen Zivilprozeßrechts2, 23; vgl. auch Fasching II 398, Anm. 2 zu § 59 ZPO, der lehrt, daß die Beschlüsse über die Prozeßkostensicherheitsleistung anläßlich der ersten Tagsatzung im Gerichtshofverfahren durch den Senatsvorsitzenden oder ein von ihm beauftragtes Mitglied des Senates gefällt werden.) Seit der von der genannten Zivilverfahrens-Novelle in § 243 Abs 4 ZPO geschaffenen Möglichkeit, von der Durchführung einer ersten Tagsatzung abzusehen und dem Beklagten sofort mit schriftlichem Beschluß den Auftrag zur Erstattung der Klagebeantwortung zu erteilen, muß der Antrag auf Bestellung einer Prozeßkostensicherheitsleistung im Falle des Unterbleibens einer ersten Tagsatzung bei sonstigem Ausschluß in der Klagebeantwortung vorgebracht werden. § 244 ZPO nF - der das vorbereitende Verfahren, das auch im Senatsprozeß von einem Einzelrichter zu leiten, jedoch vom Senat zu beschließen war, nicht mehr kennt, ordnet an, daß nach rechtzeitig erhobener Klagebeantwortung der Vorsitzende des Senates die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung - und nicht, wie den beklagten Parteien offenbar vorschwebt, eine Tagsatzung zur Festsetzung der Sicherheitsleistung - anzuberaumen hat. Die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen wird bei den Gerichtshöfen erster Instanz - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - auch im erstinstanzlichen Verfahren durch Senate ausgeübt (§ 7 Abs 1 JN). Die mündliche Streitverhandlung ist daher im Senatsprozeß von Beginn an in Senatsbesetzung durchzuführen. Daß die Entscheidung über den Erlag der Prozeßkostensicherheitsleistung (in der Regel) am Beginn der mündlichen Streitverhandlung zu erfolgen hat, ergibt sich daraus, daß der Beklagte ja bis zur Entscheidung über den Antrag nicht verpflichtet ist, sich in das Verfahren in der Hauptsache einzulassen (§ 61 Abs 1 ZPO), steht aber mit der Besetzung des Gerichtes in keinem sachlichen Zusammenhang. Die Aufgaben des Vorsitzenden und des Senates werden im Senatsprozeß durch Gesetz und Senatsbeschluß verteilt. Grundsätzlich darf der Vorsitzende nur diejenigen Gerichtshandlungen vornehmen, die ihm durch das Gesetz oder einen vom Gesetz dem Senat freigestellten Senatsbeschluß übertragen werden (Fasching, Lehrbuch, Rz 175). Außerhalb dieses Wirkungsbereiches vom Vorsitzenden gesetzte Akte sind nichtig (§ 477 Abs 1 Z 2 ZPO). Daß zu den Entscheidungen, die nach dem Gesetz keiner Beschlußfassung des Senates bedürfen und dem Vorsitzenden oder einem von diesem beauftragten Richter obliegen (vgl. zur früheren Rechtslage Fasching I 171 ff, sowie etwa §§ 54 Abs 2, 237 Abs 3, 244, 257 Abs 2, 258 ZPO), die Entscheidung über den Antrag auf Erlag einer aktorischen Kaution nicht gehört, wird von den rechtsmittelwerbenden Parteien nicht in Zweifel gezogen. Von einer von der Rechtsprechung zu schließenden Gesetzeslücke kann daher keine Rede sein. Da die Entscheidung durch den Vorsitzenden als Einzelrichter im Senatsprozeß somit die Ausnahme bildet und verfahrensrechtliche Ausnahmebestimmungen nicht ausdehnend auszulegen sind (1 Ob 584/85) - der Bevorzugung der Senatsentscheidung gegenüber einer solchen des Einzelrichters entspricht auch die neugeschaffene Bestimmung des § 477 Abs 3 ZPO - billigt der Oberste Gerichtshof die vom Rekursgericht vertretene Ansicht, daß zur Entscheidung über einen in der gemäß § 243 Abs 4 ZPO aufgetragenen Klagebeantwortung vorgebrachten Antrag auf Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten der Senat berufen ist. War aber das Erstgericht bei seiner Entscheidung über den verfahrensgegenständlichen Antrag nicht vorschriftsmäßig besetzt, so entspricht die Entscheidung des Rekursgerichtes der Sach- und Rechtslage.
Dem Rekurs konnte daher kein Erfolg beschieden sein.
Anmerkung
E15015European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0050OB00543.88.0913.000Dokumentnummer
JJT_19880913_OGH0002_0050OB00543_8800000_000