Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Elmar A. Peterlunger und Mag. Wilhelm Patzold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Elisabeth S***, Angestellte, Graz, Popelkaring 5, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A***
U***, Landesstelle Steiermark, Graz,
Göstlingerstraße 26, vertreten durch Dr. Hans Otto Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 80.613 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. April 1988, GZ 8 Ra 32/88-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 16.November 1987, GZ 31 Cga 1031/87-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.243,80 (darin S 385,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist seit Oktober 1972 bei der Beklagten beschäftigt. Bis 1978 arbeitete sie als Schreibkraft in der Ambulanz und Erstaufnahme. Vom 5.Dezember 1977 bis 10.März 1978 absolvierte sie an der elektrobiologischen Abteilung des Unfallkrankenhauses Graz eine ganztägige Ausbildung als EEG-Laborantin. Nach ihrer Ausbildung wurde die Klägerin in der EEG-Abteilung eingesetzt, damit sie dort als Vertretung arbeiten konnte und in ständiger Übung blieb. Gehaltsmäßig war die Klägerin als "Stenotypistin" gemäß § 37 Abs 1 DO.A in die Gehaltsgruppe B, Dienstklasse II eingereiht. Für die Tage, in denen sie in der EEG-Station Dienst leistete, bekam sie eine Verwendungszulage.
Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin den der Höhe nach unbestrittenen Betrag von S 80.613 brutto sA an ausstehender Entgeltdifferenz von März 1984 bis Februar 1987. Sie sei seit 1978 überwiegend als EEG-Fachkraft tätig und sei eine der beiden Assistentinnen gewesen, die der Dienstpostenplan der Beklagten vorsehe. Sie habe daher Anspruch auf Entlohnung nach Gehaltsgruppe II, Dienstklasse A.
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Die Klägerin habe hauptsächlich als Schreibkraft gearbeitet. Sie sei nur aushilfsweise und um ihre Kenntnisse auf dem laufenden halten zu können, für den Dienst in der EEG-Abteilung herangezogen worden. Ab März 1986 sei für eine weitere Tätigkeit der Klägerin in der EEG-Abteilung kein Bedarf mehr gewesen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte im wesentlichen fest:
Ab dem Jahre 1979 war die Klägerin neben Roswitha F*** und Heidemarie M*** vorerst vertretungsweise in der EEG-Abteilung tätig. Nachdem M*** 1982 in die Materialabteilung versetzt worden war, beschränkte sich der Einsatz der Klägerin nicht mehr nur auf Vertretungen, sondern erfolgte in viel stärkerem Ausmaß. Die Anzahl der jährlich durchgeführten, jeweils etwa 20 Minuten in Anspruch nehmenden EEG-Ableitungen stieg seit 1979 insgesamt an. Erfolgten im Jahr 1979 1190 Ableitungen, waren dies 1980 1202, 1981 1110, 1982 1325, 1983 1351, 1984 1317 und 1985 1403 Ableitungen. Dennoch hätte die Arbeitszeit am EEG insgesamt nicht einmal die Arbeitskraft einer einzigen Person erfordert.
In der EEG-Abteilung hatte die Klägerin den Patienten die Elektroden richtig anzusetzen und dafür zu sorgen, daß der Apparat richtig funktionierte; insbesondere war das Umschalten von einer Ableitungsart auf die andere fachgerecht durchzuführen, um Abweichungen erkennen zu können. Weiters hatte die Klägerin die EEG-Befunde und neurologischen Befunde, die am Krankenbett ins Stenogramm diktiert wurden, sowie ärztliche Gutachten zu schreiben. Wenn die Klägerin in der EEG-Abteilung eingesetzt war, verrichtete sie in Art und Umfang dieselben Tätigkeiten wie Roswitha F***, die als EEG-Fachkraft eingestuft und entlohnt wurde. Die Zahl der Arbeitstage, welche die Klägerin während des gegenständlichen Zeitraums auf der EEG-Station verbrachte, schlüsselt sich auf wie folgt:
Jahr: Arbeitstage: Tage im EEG:
1983 253 182
1984 251 192
1985 251 228
1986 250 181
Krankenstände und Urlaube fielen nicht in die Zeit der Zuteilung zur EEG-Station. Spätestens ab 1984 bis 1986 schienen im Dienstpostenplan der Beklagten zwei EEG-Fachkräfte auf, wovon nur eine (Roswitha F***) als besetzt ausgewiesen war.
Jedes Mal, wenn die Klägerin nicht als Stenotypistin in der Ambulanz und Erstaufnahme eingesetzt, sondern für einige Tage oder ganze Wochen und Monate in der EEG-Abteilung verwendet werden sollte, meldete der Verwaltungsleiter des AUKH der Direktion der Beklagten die höherwertige Verwendung für einen bestimmten oder auch unbestimmten Zeitraum und beantragte, der Klägerin eine Verwendungszulage gemäß § 50 DO.A zu gewähren. Diesen Anträgen wurde stets stattgegeben. Die Verwendung der Klägerin war entweder in der Abwesenheit der Assistentin Roswitha F*** oder in einem erhöhten Arbeitsbedarf begründet. Die Klägerin hatte den Eindruck, daß sie nur dann aus der EEG-Abteilung abgezogen wurde, wenn "Not am Mann" war und Schreibarbeiten in der Ambulanz und der Erstaufnahme zu verrichten waren. Es steht nicht fest, daß die Klägerin auf der EEG-Station hauptsächlich zu Schreibarbeiten herangezogen worden wäre.
Die letzte Zuteilung der Klägerin zur EEG-Station endete am 6. Jänner 1987. Danach arbeitete sie nur mehr in der Schreibstube, bis sie am 12.Mai 1987 in Karenzurlaub ging.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Klägerin spätestens von Anfang 1983 bis Anfang 1987 dauernd als Angestellte im medizinisch-technischen Fachdienst (§ 38 DO.A, Gehaltsgruppe II, Dienstklasse A) verwendet worden sei. Diese höherwertige Tätigkeit habe die Beklagte prinzipiell bereits dadurch anerkannt, daß sie der Klägerin für ihre Tätigkeit in der EEG-Station eine Verwendungszulage gezahlt habe. Eine Verwendungszulage gebühre aber nur für eine vorübergehende Tätigkeit, während der höherwertige Einsatz der Klägerin nicht auf einen von vorneherein bestimmten kurzen Zeitraum beschränkt gewesen und nicht eindeutig klargestellt worden sei, daß die Übertragung der Tätigkeit nicht endgültig sei. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß die Klägerin ohne Berücksichtigung ihrer Urlaube und Krankenstände von 1983 bis 1986 an 783 Arbeitstagen von insgesamt 1005 Arbeitstagen in der EEG-Abteilung tätig gewesen sei, so daß auf die Notwendigkeit ihrer höherwertigen Verwendung geschlossen werden könne. Sie habe Tätigkeiten derselben Art und im selben Ausmaß verrichtet, wie Roswitha F***, die als EEG-Fachkraft eingestuft gewesen sei. Da auch im Dienstpostenplan zwei EEG-Assistentinnen vorgesehen gewesen seien, sei klar zu erkennen, daß die Beklagte zwei EEG-Assistentinnen einsetzen wollte, obwohl die Arbeitszeit am EEG allein nicht einmal die Arbeitskraft einer einzigen Assistentin voll ausgeschöpft habe. Dennoch habe sich die Tätigkeit der Klägerin nicht in einer Vertretung von Roswitha F*** erschöpft, da sie auch mit dieser gemeinsam gearbeitet habe. Die Beklagte habe der Klägerin, die auch die erforderlichen Prüfungen abgelegt habe, auf diese Weise einen der beiden vorgesehenen Planposten einer EEG-Assistentin übertragen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragte in ihrer Berufungsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Revisionswerberin geht nicht von den Feststellungen der Vorinstanzen aus, soweit sie in ihrer Rechtsrüge weiterhin auf ihrem Standpunkt verharrt, die Klägerin hätte hauptsächlich Schreibarbeiten verrichtet und sei nur geringfügig und allein zum Training in der EEG-Abteilung verwendet worden. Die Klägerin war in den Jahren 1983 bis 1986 vielmehr im weit überwiegenden Ausmaß ihrer Arbeitszeit in dieser Abteilung tätig, wobei sie die gleichen Arbeiten verrichtete wie ihre als EEG-Assistentin in die Gehaltsgruppe II, Dienstklasse A, eingestufte Kollegin. Die schlechtere Einstufung der Klägerin verstößt sohin schon gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl. Schwarz-Löschnigg Arbeitsrecht 224 ff), zumal die beklagte Partei nicht etwa behauptete, daß die Einreihung der EEG-Assistentin Roswitha F*** ebenfalls unzutreffend gewesen sei. Die Behauptung, die Klägerin sei auch auf der EEG-Station hauptsächlich zu Schreibarbeiten herangezogen worden, konnte die Beklagte aber nicht beweisen; sie steht überdies im Widerspruch zur gewährten Verwendungszulage, die eine höherwertige Verwendung voraussetzt (§ 50 Abs 1 DO.A). Die von der Revisionswerberin in der Revision zitierten Entscheidungen betreffen die Einreihung von Verwaltungsangestellten nach § 37 DO.A, welche Vorschrift eine Aufzählung der für die Einreihung maßgeblichen Tätigkeitsmerkmale oder Funktionsbestimmungen enthält. Dies ist bei dem für die Einreihung des Pflegepersonals ausschließlich geltenden § 38 DO.A nicht der Fall. Diese Norm ordnet nämlich lediglich an, daß Angesstellte des medizinisch-technischen Fachdienstes in die Gehaltsgruppe II, Dienstklasse A, fallen, ohne die näheren Voraussetzungen für die Einstufung ausdrücklich festzulegen. Es kommt daher insoweit, abgesehen von der unbestritten vorhandenen Qualifikation, auf die von der Klägerin geleisteten Arbeiten an, die im Sinne des § 36 Abs 2 DO.A und der Erläuterungen dazu die sonstige Tätigkeit der Klägerin bei weitem überlagerten. Soweit die Beklagte selbst darauf hinweist, daß in einem Arbeitsjahr etwa 220 Arbeitstage angenommen werden können, ergibt sich daraus etwa für das Jahr 1985 eine mehr als ganzjährige Tätigkeit der Klägerin in der EEG-Station, da sie in diesem Jahr dort 228 Tage gearbeitet hatte. Es kann daher entgegen der Ansicht der Beklagten keine Rede davon sein, die höherwertige Tätigkeit der Klägerin habe sich nicht in einem erheblichen Ausmaß regelmäßig wiederholt. Nach den Erläuterungen zu den allgemeinen Bestimmungen über die Einreihung (einvernehmliche Auslegung der Vertragspartner) ist die Einreihung nicht nach der überwiegenden, sondern nach der höherwertigen Tätigkeit vorzunehmen, wenn sich diese in einem erheblichen Ausmaß und regelmäßig wiederholt. Dies war aber nach den Feststellungen hinsichtlich der Tätigkeit der Klägerin in der EEG-Station der Fall.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
Anmerkung
E15260European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00160.88.0914.000Dokumentnummer
JJT_19880914_OGH0002_009OBA00160_8800000_000