TE OGH 1988/9/14 9ObA189/88

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Veröffentlicht am 14.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Elmar A. Peterlunger und Mag. Wilhelm Patzold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Eva P***, Ladnerin, Wien 22., Rothenburgstraße 3/6/9, vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei prot. Firma Leopold S***, Bäckerei, Wien 13., Auhofstraße 138, vertreten durch Dr. Otto Pichler, Rechtsanwalt in Wien, wegen 64.131,58 S brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. März 1988, GZ 33 Ra 15/88-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 23. September 1987, GZ 10 Cga 1061/87-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.397,25 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 308,85 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 18. September 1978 bis 2. Mai 1987 im Bäckereibetrieb der Beklagten als Ladnerin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch vorzeitigen Austritt der Klägerin. Die Lohnzahlung ist in ihren für den vorliegenden Fall wesentlichen Punkten im Kollektivvertrag für das österreichische Bäckergewerbe, der für alle Arbeiter und Arbeiterinnen, nicht jedoch für die dem Angestelltengesetz unterliegenden Arbeitnehmer gilt, wie folgt geregelt:

"§ 9 Lohnzahlung

..........

3.  Der Lohnzahlungszeitraum ist der Monat, wobei der Monatslohn

4,33 Wochenlöhnen entspricht. Die Lohnabrechnung kann auch über

andere Zeiträume (längstens 5 Wochen) vereinbart werden. Dabei sind

Vereinbarungen über Abschlagszahlungen (Akontierungen) möglich. Wenn

Betriebsräte bestehen, ist die Vereinbarung mit diesen zu treffen.

4. Die Abrechnung der Arbeitsentgelte hat so rechtzeitig zu

erfolgen, daß die Arbeitnehmer am festgelegten Lohnauszahlungstag

ihren Lohn erhalten. Ist nach Z 3 eine Abschlagszahlung

(Akontierung) vereinbart, sosoll diese am Freitag vorgenommen werden.

.........."

Die Klägerin begehrt die Zahlung von insgesamt 64.131,58 S brutto sA an Sonderzahlungen, Urlaubsentschädigung und Abfertigung. Sie sei ausgetreten, weil es bei der Beklagten immer wieder zu verspäteten Lohnzahlungen gekommen sei. Mit Schreiben vom 17. April 1987 habe sie die Beklagte auf diesen Mißstand hingewiesen und in Hinkunft um pünktliche Überweisung ersucht. Mit Schreiben vom 27. April 1987 habe die Beklagte geantwortet, daß sie gar nicht bestreite, die Gehälter nicht zum 1. oder 5. des Monates, sondern am 15., 20. oder gar 25. zur Überweisung zu bringen, dies sei aber noch immer monatlich. Diesem Schreiben habe die Klägerin entnehmen müssen, daß die Beklagte auch in Zukunft eine pünktliche Lohnauszahlung nicht beabsichtige. Da die Klägerin darüber hinaus ab dem 1. Mai 1987 nicht über ihren Aprillohn verfügen habe können, sei sie mit dem am 1. Mai 1987 zur Post gegebenen Schreiben vom 30. April 1987 vorzeitig ausgetreten.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Mit dem Betriebsrat sei vereinbart worden, daß die Lohnzahlung immer erst am

8. des Folgemonates erfolge; lediglich im Dezember 1986 habe sich die Beklagte in einem finanziellen Engpaß befunden, so daß der Dezemberlohn ausnahmsweise erst am 26. Jänner 1987 zur Auszahlung gebracht worden sei. Die Klägerin sei vom Beginn des Arbeitsverhältnisses an mit diesen Zahlungsmodalitäten einverstanden gewesen, zumal sie Bedingung für dessen Begründung gewesen seien. Der Lohn für März 1987 sei am 8. April 1987 überwiesen worden, der Lohn für April sei im Zeitpunkt des Austrittes noch nicht fällig gewesen.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, daß der Anspruch der Klägerin auf Abfertigung dem Grunde nach zu Recht bestehe, und stellte folgenden Sachverhalt fest:

Am 10. Februar 1979 wurde bei der Beklagten ein Arbeiterbetriebsrat, bestehend aus dem Vorsitzenden Fritz A***, dessen Vertreter Josef C*** und Josef H***, gewählt. Bevor die Klägerin angestellt wurde, war im Betrieb auf monatliche Lohnzahlung umgestellt worden, wobei die Arbeiter den Lohn zwischen dem 3. und dem 5. des Folgemonates erhielten. Bei Abschluß des Arbeitsverhältnisses wurde der Klägerin von der Beklagten zur Kenntnis gebracht, daß die Monatslöhne jeweils zwischen dem 3. und 5. (des Folgemonates) angewiesen würden. Im Jahre 1985 erklärte die Beklagte ihren Arbeitnehmern, daß infolge des Verfalles der Zahlungsmoral der Kunden die Überweisungen erst zwischen dem 5. und 10. des Folgemonates vorgenommen würden. Josef H***, die Klägerin und die anderen Arbeitnehmer der Beklagten wurden davon informiert. Ab Februar 1986 kam es bei den Lohnzahlungen zu größeren Verzögerungen. Der Februarlohn wurde dem Konto der Klägerin am 18. März die Löhne für die Folgemonate am 23. April, 14. Mai, 13. Juni, 21. Juli, 14. August, 9. September, 22. Oktober, 11. November, 23. Dezember (ohne Weihnachtsgeld), Dezembergehalt und Weihnachtsremuneration am 27. Jänner gutgebucht. Der Jännerlohn 1987 wurde am 9. Februar, der Februarlohn am 12. März und der Märzlohn am 8. April von der Beklagten angewiesen und jeweils am darauffolgenden Tag dem Konto der Klägerin gutgebucht. Es bestand die Möglichkeit, Akontozahlungen zu begehren; die Klägerin machte davon jedoch keinen Gebrauch. Ab Mitte April 1987 war die Klägerin nicht mehr bereit, diese verspäteten Zahlungen hinzunehmen. Sie gab am 17. April 1987 ein Schreiben an die Beklagte zur Post, in dem sie die in letzter Zeit verspätet eingetroffenen Lohnüberweisungen rügte, die dadurch verursachten finanziellen Schwierigkeiten hervorhob und in Zukunft um pünktliche Überweisung bat. Im Antwortschreiben vom 27. April 1987, das vom Erstgericht zum Gegenstand seiner Feststellungen gemacht wurde, heißt es unter anderem: "Wenn wir, was wir gar nicht bestreiten, nicht zum 1. oder 5. des Monates, sondern am 15., 20. oder gar 25. der Gehälter zur Überweisung bringen, so bleiben das doch immer monatlich in Ihrem Fall über 9.000 S. Sie bekommen also Monat für Monat Ihr Gehalt und behalten auch Ihr Trinkgeld zur Gänze ein (monatlich ca. 7.000 S). Die Ursachen für Ihre großen finanziellen Schwierigkeiten wären daher anderswo zu suchen! ....."

Ab 8. April 1987 war die Klägerin im Krankenstand. Der 30. April war ein Donnerstag, der 1. Mai ein Freitag. Am 30. April 1987 abends erhielt die Klägerin von der E*** Ö*** Spar-Casse, bei der sie ihr Lohnkonto unterhielt, die Auskunft, daß ihr Aprillohn noch nicht überwiesen war. Der Lohn für April wurde am 5. Mai von der Beklagten überwiesen und am folgenden Tag dem Konto der Klägerin gutgebucht. Mit dem am 1. Mai 1987 zur Post gegebenen Schreiben vom 30. April 1987 erklärte die Klägerin ihren vorzeitigen Austritt. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß ein Arbeitnehmer, der Zahlungsrückstände längere Zeit geduldet habe, dadurch nicht sein Austrittsrecht verwirke; er könne diesen Umstand aber nicht zum Anlaß eines plötzlichen Austrittes nehmen, sondern müsse den Arbeitgeber in Kenntnis setzen, daß er mit der verspäteten Zahlung nicht mehr einverstanden sei. Da die Beklagte trotz der Rüge der verspäteten Zahlungen durch die Klägerin abermals in Verzug gekommen sei, sei der Austritt der Klägerin zu Recht erfolgt. Der Klägerin stünde daher auch die geltend gemachte Abfertigung zu. Das Berufungsgericht bestätigte das von der Beklagten nur aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bekämpfte Ersturteil und vertrat die Rechtsauffassung, daß die Beklagte die Dispositionen so rechtzeitig hätte treffen müssen, daß das Gehalt nicht später als am Monatsletzten dem Konto des Arbeitnehmers gutgebucht werde. Das Arbeitsverhältnis sei dem Angestelltengesetz nicht zu unterstellen; auf der Grundlage des § 9 Z 3 KV sei der Lohn für April nicht rechtzeitig gezahlt worden, weil weder mit dem Betriebsrat noch mit der Klägerin eine Vereinbarung über einen fünfwöchigen Lohnzahlungszeitraum getroffen worden sei. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Geht man davon aus, daß die Klägerin als Ladnerin in einer Bäckerei beschäftigt war und weder behauptet noch bewiesen wurde, daß sie kaufmännische Dienste, wie Preiskalkulation, Führung der Kasse etc. geleistet hat, dann ist sie nicht als Angestellte im Sinne des Angestelltengesetzes zu qualifizieren (vgl.

Martinek-Schwarz AngG6, 49 f). Die Fälligkeit des Entgeltanspruches

der Klägerin ist daher nach der dispositiven Norm (siehe Krejci in

Rummel ABGB Rz 1 zu § 1154; Floretta in

Floretta-Spielbüchler-Strasser Arbeitsrecht I3, 194) des § 1154

Abs 2 ABGB zu beurteilen. Mit § 9 Z 3 KV wurde zwar - abweichend von

§ 77 GewO 1859 - als Lohnzahlungszeitraum der Monat, aber kein

Fälligkeitstag für die Lohnzahlung bestimmt. Der Formulierung "am

festgelegten Lohnauszahlungstag" im § 9 Z 4 KV ist vielmehr zu

entnehmen, daß die Festlegung des Fälligkeitstages durch

Betriebsvereinbarung oder Individualvertrag erfolgen kann. Der

Klägerin wurde anläßlich des Abschlusses des Arbeitsvertrages

mitgeteilt, daß die Lohnauszahlung bei der Beklagten erst zwischen

3. und 5. des Folgemonates erfolge; damit wurde diese von

§ 1154 Abs 2 ABGB abweichende Fälligkeitsregelung Gegenstand des

Einzelarbeitsvertrages zwischen den Streitteilen. Im Zeitpunkt der

Austrittserklärung der Klägerin war der Monatslohn für April daher

noch nicht fällig.

Dennoch war der Austritt der Klägerin berechtigt. Wenn der Arbeitgeber ankündigt, auch in Zukunft nicht pünktlich zahlen zu können oder zu wollen, muß der Arbeitnehmer nicht abwarten, ob diese Ankündigung verwirklicht wird, sondern kann sofort austreten (vgl. Martinek-Schwarz AngG6, 563 mwH; zuletzt 9 Ob A 161/87). Wenn daher die Beklagte, die schon bisher den einzelvertraglich festgelegten Lohnauszahlungstermin - bis spätestens 5. des Folgemonates - wiederholt nicht eingehalten hatte, auf das Ersuchen der Klägerin um pünktliche Lohnzahlung mit der Ankündigung reagierte, sich auch in Zukunft nicht an den vereinbarten Zahlungstermin zu halten, verwirklichte schon diese im Hinblick auf das bisherige Verhalten der Beklagten aus Sicht der Klägerin ernst zu nehmende Weigerung, die der Beklagten obliegende Pflicht zur Entgeltzahlung pünktlich zu erfüllen, den Austrittstatbestand des Vorenthaltens der Bezüge gemäß § 82 a lit d GewO.

Da sich damit die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes als im Ergebnis richtig erweist, war der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E15265

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00189.88.0914.000

Dokumentnummer

JJT_19880914_OGH0002_009OBA00189_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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