TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/29 2005/20/0365

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Veröffentlicht am 29.09.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;
AVG §37;
AVG §68 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des H in W, geboren 1979, vertreten durch Dr. Friedrich Schulz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stock im Eisen-Platz 3/29, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 8. März 2005, Zl. 213.139/21- VIII/22/05, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages wegen entschiedener Sache (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, reiste im Juli 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragte Asyl. Er stützte diesen Antrag auf Verfolgungsbehauptungen, denen die Asylbehörden keinen Glauben schenkten. Die Behandlung der Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 18. September 2000, mit dem der Antrag in letzter Instanz abgewiesen und die Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran bestätigt wurde, lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 30. September 2004, Zl. 2001/20/0024, ab.

Am 14. Jänner 2005 brachte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Folgeantrag ein. Bei der Einvernahme dazu vor dem Bundesasylamt gab er am 18. Jänner 2005 u.a. an, auch während seiner Anwesenheit in Österreich habe der iranische Geheimdienst "die ganze Zeit über" seine Schwester im Iran aufgesucht und Informationen über ihn verlangt. Die Schwester des Beschwerdeführers habe ihm "vor drei Monaten" am Telefon gesagt, der Geheimdienst sei "erst wieder kürzlich" bei ihr gewesen und habe Informationen über den Beschwerdeführer haben wollen. Die Probleme, die der Beschwerdeführer bei der Erstantragstellung im Jahr 1999 gehabt habe, bestünden daher unverändert weiter.

Das Bundesasylamt wies den Folgeantrag mit Bescheid vom 25. Jänner 2005 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück und stützte diese Entscheidung auf folgende "Feststellungen":

"Die Identität des Ast. steht fest.

Das erste Asylverfahren des ASt. wurde am 18.09.2000, rechtskräftig negativ abgeschlossen. In diesem Verfahren wurden alle bis zur Entscheidung dieses Asylverfahrens entstandenen Sachverhalte berücksichtigt, sodass darüber nicht mehr neuerlich zu entscheiden ist. In dieser Entscheidung wurde auch der Refoulementsachverhalt im Sinne des § 57 FrG berücksichtigt.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass sich der Ast. seit seiner ersten Antragstellung im Iran aufgehalten hat.

Der Ast. brachte im neuerlichen Asylverfahren glaubwürdig keine weiteren asylrelevanten Gründe vor bzw. ergab sich kein neuer glaubwürdiger Sachverhalt.

Von der erkennenden Behörde kann kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden.

Die den Antragsteller treffende allgemeine maßgelbliche (gemeint: maßgebliche) Lage im Herkunftsstaat hat sich nicht geändert."

Diese "Feststellungen" stützte das Bundesasylamt auf folgende "Beweiswürdigung":

"Wie bereits zum Asylverfahren 99 10.545-BAW im diesbezüglichen Bescheid der erstinstanzlichen Behörde festgestellt wurde, war beim dort zugrunde liegenden Vorbringen der (gemeint: des) Ast. in den wesentlichen Punkten nicht von einem plausiblen Vorbringen auszugehen.

Der Ast. gab an, dass er seit seiner ersten Antragstellung nicht im Iran war.

Der festgestellte Sachverhalt steht auf Grund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest."

In seiner Berufung gegen diese Entscheidung hob der Beschwerdeführer hervor, er habe "klar zum Ausdruck gebracht, dass er nach wie vor im Iran als Mitglied einer monarchistischen Bewegung verfolgt werde und nach wie vor Beamte des iranischen Geheimdienstes bei der Schwester des Einschreiters sich nach ihm erkundigten, Informationen über seinen Aufenthalt und über seine persönlichen Verhältnisse eruieren wollten."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 68 Abs. 1 AVG ab.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde verweist "hinsichtlich der Beweiswürdigung und der Sachverhaltsfeststellungen ... auf die zutreffenden Darlegungen im erstinstanzlichen Bescheid." Auf eigene Feststellungen oder ergänzende Ausführungen zur Beweiswürdigung stützt sich die belangte Behörde nicht.

In der rechtlichen Würdigung findet sich folgender Satz:

"Dass der gegenständliche Asylantrag scheinbar nur dem Zweck der Asylgewährung dient, um seiner drohenden Abschiebung zuvorzukommen, indiziert die Chronologie des Asylverfahrens, da der gegenständliche Asylantrag kurze Zeit nach der Ablehnung der Beschwerde des Verwaltungsgerichtshofes eingebracht worden ist."

Dieser nicht ganz klare - insbesondere: mit dem Hinweis auf einen "Zweck der Asylgewährung" nicht auf Verschleppungsabsichten abzielende - Satz reicht nicht aus, um beweiswürdigend darzulegen, dass und weshalb die belangte Behörde nicht davon ausgehe, die Schwester des Beschwerdeführers sei wie behauptet - zuletzt "kürzlich" vor einem im Oktober 2004 geführten Telefonat, also mehrere Jahre nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über den Erstantrag des Beschwerdeführers - wegen des Beschwerdeführers vom iranischen Geheimdienst aufgesucht worden.

Der erstinstanzliche Bescheid, auf dessen "zutreffende Darlegungen" die belangte Behörde "hinsichtlich der Beweiswürdigung und der Sachverhaltsfeststellungen" verwies, enthielt nicht einmal ansatzweise eine beweiswürdigende Auseinandersetzung mit der Glaubwürdigkeit dieser Behauptung des Beschwerdeführers.

Dem angefochtenen Bescheid ist andererseits auch nicht entnehmbar, dass die behaupteten Nachforschungen des iranischen Geheimdienstes nach dem Abschluss des Verfahrens über den Erstantrag - gemessen an der Begründung des rechtskräftigen Berufungsbescheides im Erstverfahren - unwesentlich gewesen wären. Im Besonderen wird nicht dargelegt, Vergleichbares sei schon im Erstverfahren (nicht nur: behauptet, sondern) als Sachverhalt angenommen und der Asylantrag dessen ungeachtet aus rechtlichen Gründen abgewiesen worden. Der Aktenlage nach trifft dies auch nicht zu.

Bei dieser Sachlage kam es darauf an, ob das neue Vorbringen des Beschwerdeführers im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einen "glaubhaften Kern" aufwies oder nicht (vgl. zu diesem Themenkreis - betreffend u.a. Fälle, in denen das Vorbringen im Verfahren über den Erstantrag nicht als glaubwürdig angesehen wurde - zuletzt im Anschluss an das Erkenntnis vom 4. November 2004, Zl. 2002/20/0391, etwa die Erkenntnisse vom 31. März 2005, Zl. 2003/20/0468, vom 26. Juli 2005, Zl. 2005/20/0226 und Zl. 2005/20/0343, sowie vom 27. September 2005, Zl. 2005/01/0363).

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das neue Vorbringen in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den im Erstverfahren nicht geglaubten Behauptungen stand. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der behaupteten neuen Tatsachen argumentativ von Bedeutung sein, macht eine Beweiswürdigung des neuen Vorbringens aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar - in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden - unzulässig. Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedarf es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit (vgl. in diesem Sinn etwa das Erkenntnis vom 26. Juli 2005, Zl. 2005/20/0343; gegen den bloßen Verweis auf den inhaltlichen Zusammenhang mit dem im Erstverfahren als unglaubwürdig erachteten Vorbringen zuletzt das Erkenntnis vom 27. September 2005, Zl. 2005/01/0363).

Da die belangte Behörde dies nicht erkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Der Beschwerdeführer war durch die Gewährung der Verfahrenshilfe von der Entrichtung der verzeichneten Gebühr befreit, weshalb das diesbezügliche Mehrbegehren abzuweisen war.

Wien, am 29. September 2005

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Sachverhaltsänderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005200365.X00

Im RIS seit

04.11.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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