TE OGH 1988/9/20 10ObS178/88

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Veröffentlicht am 20.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Herbert Vesely (Arbeitgeber) und Rudolf Hundstorfer (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz H***, Schmiedererplatz 1, 5020 Salzburg, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei A***

U***, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten

durch Dr. Adolf Fiebich, Dr. Vera Kremslehner, Dr. Josef Milchram, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Februar 1988, GZ 12 Rs 12/88-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 21. November 1987, GZ 39 Cgs 1086/87-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 27. April 1987 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Erhöhung der mit 30 % abgefundenen Versehrtenrente auf 50 % für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 9. März 1957 mit der Begründung ab, es sei keine wesentliche Änderung eingetreten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Zugrundelegung folgender Feststellungen statt:

Am 9. März 1957 arbeitete der 1940 geborene Kläger als Lehrling in der Schuhmacherei seines Vaters in Salzburg und mußte im Werkstattofen Kohle nachlegen. Beim Versuch, den Glutstock durchzuschüren, ereignete sich eine Explosion, aus der Ofentüre schlug dem Kläger eine Stichflamme in das Gesicht. Dabei wurden Kohlenstücke in die Hornhaut beider Augen des Klägers eingsprengt und die Augen erlitten eine Prellung.

Unfallunabhängig hat der Kläger eine angeborene Sehschwäche am linken Auge. Mit Bescheid vom 10. Juni 1958 wurde der Unfall als Arbeitsunfall anerkannt und eine 30 %ige Dauerrente gewährt. Es wurden dabei an Verletzungsfolgen mehrfache Fremdkörpereinsprengungen in die Hornhaut des rechten Auges und als deren Folge eine zentrale Hornhautnarbe am rechten Auge und dadurch bedingte Herabsetzung des Sehvermögens festgestellt und berücksichtigt, daß das linke Auge bereits vor dem Unfall durch angeborene Sehschwäche wegen gemischter Stäbchensichtigkeit praktisch fast blind war.

Über Antrag des Klägers wurde mit Bescheid vom 7. November 1962 die 30 %ige Dauerrente abgefunden. Ein Verschlimmerungsantrag des Klägers vom 19. Juni 1978 wurde mit Bescheid vom 19. September 1978 mangels wesentlicher Änderung abgelehnt.

Derzeit besteht beim Kläger ein Zustand nach Hornhautverletzung beider Augen nach dem gegenständlichen Unfall und eine unfallunabhängige Sehschwäche des linken Auges durch einen hohen Hornhautastigmatismus. Eine Verschlimmerung des medizinischen Befundes verglichen mit dem Zustand des Auges am 17. April 1958 ist insoweit eingetreten, als sich am rechten, praktisch einzig brauchbaren Auge Zeichen eines grauen Stars zeigen und eine altersgemäße Presbyopie vorliegt. Dieses frühzeitige Auftreten der senilen Linsentrübung (grauer Star), nicht aber die Alterssichtigkeit im Sinne fehlender Akkomodationsfähigkeit ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Spätfolge des seinerzeitigen Traumas, weil bei der Explosionsverletzung auch eine Prellung der Augäpfel stattgefunden hat, welche sich erfahrungsgemäß erst nach Jahren in Form von Linsentrübungen manifestiert. Das Sehvermögen des rechten Auges hat gegenüber der Untersuchung im Jahr 1958 von 6/15 auf 0,25 abgenommen und auch in der Nähe kann nur mittlerer Druck (Jäger 4) gelesen werden. Die dadurch bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit beträgt medizinisch gesehen 50 %.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, es sei eine wesentliche Verschlimmerung der Unfallfolgen um mehr als 20 % (richtig um 20 %) eingetreten, das Klagebegehren sei daher begründet. Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei keine Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln, billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes und übernahm dessen Feststellungen. Zur Rechtsrüge führte es aus, daß diese nicht gesetzmäßig ausgeführt sei, weil sie nicht von den Feststellungen des Erstgerichtes ausgehe.

In ihrer wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision beantragt die beklagte Partei, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klageabweisung abzuändern und stellt hilfsweise einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Der Kläger hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt die beklagte Partei nur Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen schon das Berufungsgericht verneint hat. Solche behaupteten Mängel können aber auch in Sozialrechtssachen mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden (JBl. 1988, 196 uva). Mit den Ausführungen, das Berufungsgericht habe sich bei der Beurteilung der Kausalität der Verschlechterung des Augenzustandes des Klägers mit der Erklärung des Gutachtens begnügt, eine Prellung der Augen beim Unfall sei "durchaus möglich", die bloße Möglichkeit stelle aber keinen ausreichenden Grund der Wahrscheinlichkeit dar, weicht die Revisionswerberin von der Feststellung ab, die Prellung sei tatsächlich erfolgt und die frühzeitige Linsentrübung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Spätfolge dieses Traumas. Diese wurde aber aus dem mündlich ergänzten Sachverständigengutachten abgeleitet, welches das Berufungsgericht als durchaus logisch und nachvollziehbar bezeichnet und daher die Beweiswürdigung des Erstgerichtes gebilligt hat.

Die von den Sachverständigen anzuwendenden Regeln der Wissenschaft, Sachkunde und Kunstfertigkeit sind Erfahrungsgrundsätze zur Gewinnung des Sachverhaltes. Eine Anfechtung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung ist nur insoweit möglich, als dabei ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze und zwingende Gesetze des sprachlichen Ausdruckes unterlaufen ist und dies die Unrichtigkeit des Gutachtens zur Folge hat (Fasching IV 336, EvBl. 1959/160, SZ 22/126, EFSlg. 52.243 uva; dagegen Fasching Zivilprozeßrecht Rz 1926, der nunmehr in diesen Fällen den Revisionsgrund des § 503 Abs. 1 Z 2 ZPO annimmt). Beschränkt sich der Sachverständige im Rahmen seiner Erkenntnisquellen und Schlußfolgerungen auf die Beurteilung der naturwissenschaftlichen, medizinischen Kausalität und legt das Gericht diese Schlußfolgerungen seinen tatsächlichen Feststellungen zugrunde, so stellt deren Bekämpfung den irrevisiblen Anfechtungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung dar. Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht zu Recht das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen als unbedenklich angesehen. Ausgehend davon ist aber auch die rechtliche Kausalität der Verschlimmerung als Folge des Arbeitsunfalles zu bejahen. Da das tatsächliche Ausmaß der angenommenen Minderung der Erwerbsfähigkeit von der beklagten Partei nicht bekämpft wird, war der Revision insgesamt ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E15856

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00178.88.0920.000

Dokumentnummer

JJT_19880920_OGH0002_010OBS00178_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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