Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20.September 1988 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bogensberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef Ernst F*** wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. September 1987, GZ 3 c Vr 723/87-66, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, und des Verteidigers Dr. Lindenthaler, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die verhängte Zusatz-Freiheitsstrafe auf 15 (fünfzehn) Monate herabgesetzt. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef Ernst F*** der Vergehen (1.) der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB und
(2.) des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er am 21.August 1985 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit der abgesondert verfolgten Renate H*** als Beteiligter
(zu 1.) dadurch, daß letztere eine von Theodor S*** an sie ausgestellte Vollmacht zur Bargeldbehebung, die er zwecks Erlangung eines (vinkulierten) Sparbuches des Genannten durch das handschriftliche Einfügen der Worte "samt Sparbuch" verfälscht hatte, der Pflegegebührenstelle des Psychiatrischen Krankenhauses der Stadt Wien vorlegte, eine verfälschte Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, nämlich auf Übernahme des bezeichneten Sparbuches, gebraucht; und
(zu 2.) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der C***-B*** durch das Vortäuschen der Verfügungsberechtigung über das Sparkonto des Theodor S*** zur Ausfolgung von dessen Sparguthaben in der Höhe von 75.232,47 S, also durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung verleitet, die letzteren um den genannten Betrag am Vermögen schädigte.
Rechtliche Beurteilung
Der auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5 a, 9 (lit a) und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil kommt keine Berechtigung zu.
Eine Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte (Z 4) erblickt er in der Abweisung seines Antrags auf Rekonstruktion des Hauptverhandlungsprotokolls in der Strafsache gegen die im vorliegenden Verfahren als Hauptbelastungszeugin aufgetretene Renate H***, den er zum Beweis dafür gestellt hatte, daß "zweifellos erhebliche Unstimmigkeiten" in ihrer Darstellung bestünden (S 36/II). Darauf, daß die genannte Zeugin "seit ihrer ersten polizeibehördlichen Vernehmung zur Sache wechselhafte Angaben gemacht" hat, nahm aber das Erstgericht bei der Würdigung ihrer Aussage ohnehin Bedacht, wobei es - ungeachtet dessen, daß sie anfangs eine den Beschwerdeführer "wesentlich intensiver belastende Darstellung" mit einem "tatsachenwidrig reduziert dargestellten Beteiligungsausmaß" ihrerseits gegeben hatte, deren Unrichtigkeit sie in der Folge zugab - ihren in bezug auf seine Täterschaft im festgestellten Umfang stets aufrecht erhaltenen, durch das Gutachten des Schriftsachverständigen gestützten Angaben doch Glauben schenkte (US 6, 8/9); inwiefern aus der Übertragung des mit dem Beweisantrag relevierten Kurzschriftprotokolls "möglicherweise" den Angeklagten auch insoweit entlastende "Aufschlüsse hätten gewonnen werden können", ist der Verfahrensrüge nicht zu entnehmen. Durch die Ablehnung der beantragten Beweisaufnahme sind demnach im Hinblick darauf, daß ihr damit angestrebtes Ergebnis vom Schöffengericht ohnedies in den Kreis seiner beweiswürdigenden Erwägungen miteinbezogen wurde, keine Gesetze verletzt oder Verfahrensgrundsätze hintangesetzt worden, deren Beachtung durch das Wesen eines (auch) die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten gewesen wäre.
Desgleichen vermochte auch eine sorgfältige Prüfung der - die Wertung der bezeichneten Zeugenaussage, die Planung der und das Motiv für die Straftaten sowie das erwähnte Gutachten betreffenden - Tatsachenrüge des Beschwerdeführers (Z 5 a) keine aus den Akten resultierenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.
Formelle Begründungsmängel des Urteils (Z 5) aber werden mit jenen Ausführungen, der Beschwerdeauffassung zuwider, ebenfalls nicht dargetan.
Von einem "inneren Widerspruch" in den Entscheidungsgründen könnte nur im Fall einer denkgesetzwidrigen Unvereinbarkeit einzelner Teile der Urteilsbegründung miteinander gesprochen werden;
Derartiges wird vom Angeklagten gar nicht behauptet. Eine "Unvollständigkeit" des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen aber kann nur im Übergehen konkreter Verfahrensergebnisse gelegen sein;
das Unterbleiben bestimmter "Erwägungen" hingegen, die aus solchen vom Gericht ohnehin berücksichtigten Beweismitteln gezogen werden könnten, also deren Auswertung unter bestimmten "Aspekten", fällt (nach wie vor) in den Bereich der Beweiswürdigung, die - unter der weiteren Voraussetzung, daß sich die betreffenden Überlegungen "aus den Akten" ergeben, sohin gleichfalls auf bestimmten Verfahrensergebnissen beruhen (und nicht bloß in der rein psychologischen Wertung des damit relevierten Beweismittels allein bestehen) - lediglich nach Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO bekämpft werden kann.
So gesehen genügt der Hinweis, daß die (zudem nicht näher bezeichneten) "Aussagen der Zeugin und des Beschuldigten", wonach zwischen ihnen bloß eine "relativ oberflächliche" Bekanntschaft mit in der letzten Zeit nur mehr spärlichen Kontakten bestanden habe, jedenfalls deshalb keiner besonderen Erörterung im Urteil bedurften, weil sie keine im Sinn des nunmehr in Rede stehenden Nichtigkeitsgrundes (Z 5) entscheidende Tatsache betreffen, und daß das Erstgericht aus dem wahrheitswidrigen Leugnen der Urkundenfälschung durch den Angeklagten sehr wohl im Einklang mit den Denkgesetzen und mit allgemeiner Lebenserfahrung (auch) ein Indiz für seinen Betrugsvorsatz erblicken konnte (US 7/8). Mit seinen Rechtsrügen (Z 10 und Z 9 lit a) schließlich vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, bei einer seiner Ansicht nach gebotenen Beurteilung des gesamten Tatgeschehens als Einheit sei ihm die vom Schuldspruch lt Pkt 1. erfaßte Verfälschung der Vollmacht als reine "Hilfs- und Vorbereitungshandlung" nicht gesondert nach § 223 StGB, sondern lediglich als "relativ sekundäre Beihilfe" zu einem von Renate H*** durch das Herauslocken dieser Vollmacht, ferner des Sparbuches und schließlich des Sparguthabens begangenen (dreifachen) Betrug anzulasten, wogegen die als Schuldspruch-Faktum 2. inkriminierte bloße Begleitung der Genannten zur Bank strafrechtlich nicht mehr erfaßbar sei; ähnlich sei im Fall einer "Zergliederung" des Sachverhalts die Verfälschung der Vollmacht (Faktum 1.) nur als "faktische Beihilfe" zu einem von H*** durch deren und das folgende Herauslocken des Sparbuchs begangenen (zweifachen) Betrug sowie allenfalls als "entfernte Mithilfe" zu dem in Ansehung des Sparguthabens von ihr verübten weiteren Betrug zu beurteilen, wogegen ihre Begleitung zur Bank (Faktum 2.) auch aus jener Sicht nicht strafbar sei. Alle diese Einwände sind nicht zielführend.
Daraus, daß die Benützung einer verfälschten Urkunde beim Betrug (§ 146 StGB) qualifizierend wirkt (§ 147 Abs 1 Z 1 StGB), wenn die betreffende Urkunde hiebei als Täuschungsmittel verwendet wird, geht klar hervor, daß der Unrechtsgehalt von deren Verfälschung (§ 223 StGB) dann, aber auch nur dann durch die Bestrafung des Betruges mitabgegolten (konsumiert) wird, wenn die Vortat eben jene qualifizierende Wirkung nach sich zieht; ist das - etwa deshalb, weil das Falsifikat (hier: die verfälschte Vollmacht) nicht als Mittel zur tatbestandsrelevanten Täuschung (hier: der Bankbeamten durch das Vortäuschen der Verfügungsberechtigung über das Sparguthaben) benützt wird (vgl JUS 1987/26/14), sondern bloß zur Schaffung von hiezu erforderlichen Voraussetzungen (hier: zur Beschaffung des Sparbuches aus dem Krankenhaus) - nicht der Fall, dann bleibt auch die zur Vorbereitung eines Betruges dienende Urkundenverfälschung gesondert strafbar, weil ansonsten das ihr innewohnende eigenständige Tatunrecht nicht erfaßt würde. Der Schuldspruch lt Pkt 1. erweist sich demnach im vorliegenden Fall sehr wohl als gerechtfertigt, wobei die Frage, ob der Angeklagte, der den Tatbestand des § 223 Abs 2 StGB - entgegen der vom Erstgericht vorgenommenen Subsumtion - mangels einer eigenen Ausführungshandlung jedenfalls nicht als unmittelbarer Täter verwirklicht hat, richtigerweise wegen des durch die Verfälschung der Urkunde geleisteten Beitrags zu deren Gebrauch durch H*** (§§ 12 dritter Fall, 223 Abs 2 StGB) oder aber als unmittelbarer Täter (§ 12 erster Fall StGB) der Verfälschung (§ 223 Abs 1 StGB) hätte schuldig erkannt werden sollen, im Hinblick auf die rechtliche Gleichwertigkeit sowohl der beiden Begehungsarten der Urkundenfälschung (§ 223 Abs 1 und Abs 2 StGB) als auch der drei Täterschaftsarten (§ 12 erster bis dritter Fall StGB) dahinstehen kann, und wobei gleichfalls nur zur Klarstellung vermerkt sei, daß das Herauslocken (schon) des vinkulierten Sparbuches vom Krankenhaus entgegen der Beschwerdeauffassung deswegen (noch) nicht als Betrug zu beurteilen ist, weil es sich bei diesem Tatobjekt selbst dann, wenn H*** das Losungswort kannte, nicht um einen Wertträger handelte (vgl SSt 46/45 uva).
In bezug auf Pkt 2. des Schuldspruchs hinwieder entbehrt die Rechtsrüge - abgesehen davon, daß nach den Urteilsfeststellungen jedenfalls (auch) schon die Verfälschung der Vollmacht lt Pkt 1. (zudem) als (idealkonkurrierender) Tatbeitrag zum Betrug (§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 2 StGB) zu beurteilen ist - deshalb einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil sie mit der Annahme, der Beschwerdeführer habe H*** lediglich zur Bank begleitet, jene Urteilsfeststellung negiert, wonach letztere ohne seine Mitwirkung möglicherweise den Mut zur Tatbegehung nicht aufgebracht hätte (US 9). Damit aber hat das Schöffengericht, dem Beschwerdestandpunkt zuwider, sehr wohl als erwiesen angenommen, daß der Angeklagte auch durch seine in Rede stehende Mitwirkung an der Behebung des Sparguthabens auf die (für deren Willensbildung konkret aktuell gewesene) Motivation der unmittelbaren Täterin einen ihren Tatentschluß bestärkenden Einfluß geübt und solcherart (gleichfalls) einen kausalen (intellektuellen) Tatbeitrag zum Betrug nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 2 StGB geleistet hat.
Daß die mangels einer eigenen Täuschungshandlung des Beschwerdeführers gegenüber der Bank, also mangels einer eigenen Ausführungshandlung zum Betrug, rechtsirrige Beurteilung dieses Tatbeitrags als unmittelbare Täterschaft (in der besonderen Erscheinungsform der Mittäterschaft) - idS 10 Os 10/87, 15 Os 83/87 ua - im Hinblick auf die rechtliche Gleichwertigkeit der Täterschaftsarten keine Urteilsnichtigkeit (Z 10) zur Folge hat, sei auch insoweit nur der Vollständigkeit halber vermerkt. Gleiches gilt für den abschließenden Hinweis, daß der vom Beschwerdeführer zuletzt relevierten Frage nach einer allfälligen Verteilung der Betrugsbeute in der Tat für den Schuldspruch keinerlei Bedeutung zukommt. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28 Abs 1, 147 Abs 2 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil desselben Gerichtes vom 26.November 1986, GZ 3 c Vr 9128/86-45, mit dem er - wegen der Vergehen des teils vollendeten (3 Flaschen Spirituosen im Wert von ca. 480 S), teils versuchten (1 Lederjacke im Wert von ca. 2.800 S) Diebstahls nach § 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1 sowie § 15 StGB, der (in 2 Fällen begangenen) Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und der Begehung einer Sachbeschädigung (1 Türscheibe im Wert von ca. 500 S) im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (mit Bezug auf § 125) StGB - zu 9 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden war, zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe in der Dauer von 21 Monaten. Dabei wertete es die teilweise Sicherstellung der Betrugsbeute (im Betrag von 10.000 S) als mildernd, die zahlreichen und rückfallsbegründenden Vorstrafen des Angeklagten, seinen raschen Rückfall, die wegen der Wehrlosigkeit des Opfers, welches sich in Spitalspflege befand, besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens und das Zusammentreffen von Delikten hingegen als erschwerend. Der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Strafherabsetzung anstrebt, kommt im Hinblick darauf Berechtigung zu, daß das Erstgericht die Dauer der über ihn verhängten Zusatz-Freiheitsstrafe unter Bedacht auf seine im Vergleich zur unmittelbaren Täterin des Betruges deutlich untergeordnete Beteiligung am strafbaren Gesamtverhalten mit 21 Monaten doch etwas zu hoch ausgemessen hat. Die Freiheitsstrafe war daher auf das ungeachtet der vorliegenden Erschwerungsumstände der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB) - nach der bei gemeinsamer Aburteilung aller nach § 31 StGB zu berücksichtigenden Straftaten eine Strafdauer von 2 Jahren angemessen wäre - entsprechende Ausmaß von 15 Monaten zu reduzieren.
Anmerkung
E15341European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0150OS00084.88.0920.000Dokumentnummer
JJT_19880920_OGH0002_0150OS00084_8800000_000