Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Köck (Arbeitgeber) und Dr. Herbert Vesely (Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Herta P***, Losensteinerstraße 8, 4020 Linz, vertreten durch Dr. Helmut Werthner, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei S*** DER G*** W***, Wiedner
Hauptstraße 84-86, 1051 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Witwenpension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. März 1988, GZ 12 Rs 28/88-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 22. September 1987, GZ 14 Cgs 3003/87-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 11. Jänner 1896 geborene Ehemann der Klägerin ist am 26. August 1967 verstorben. Er hatte im Zeitraum von April 1924 bis Juni 1933 Beitragszeiten nach dem ASVG erworben. Vom 29. Oktober 1959 bis zu seinem Tode war er bei der
S*** DER G*** W*** versichert.
Die Klägerin stellte am 20. Dezember 1967 einen Antrag auf Gewährung einer Witwenpension, den die beklagte Partei mit rechtskräftigem Bescheid vom 2. Jänner 1969 ablehnte, weil nach § 65 GSPVG in der damals geltenden Fassung anstelle der für die Erfüllung der Wartezeit erforderlichen 96 Versicherungsmonate innerhalb des Rahmenzeitraumes von 120 Kalendermonaten vor dem Stichtag (1. September 1967) nur 94 Versicherungsmonate vorlagen. Ein neuer Antrag der Klägerin auf Gewährung der Witwenpension vom 27. März 1986 wurde mit Bescheid der beklagten Partei vom 12. Februar 1987 abgelehnt.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Zuerkennung einer Witwenpension ab 1. September 1967 im wesentlichen mit dem Vorbringen, nach § 120 Abs.3 GSVG in der Fassung vor dem Inkrafttreten der 9. Novelle zum GSVG sei die Wartezeit erfüllt, wenn am Stichtag für eine Leistung aus dem Versicherungsfall des Todes 60 Versicherungsmonate erworben worden seien. Die erhöhte Anzahl von 96 Versicherungsmonaten gelte nur für Personen, die erstmalig nach dem vollendeten 50. Lebensjahr oder nach dem 31. Dezember 1957 einen Versicherungsmonat nach dem GSVG oder einem anderen Bundesgesetz erworben hätten. Da der Ehemann der Klägerin vom April 1924 bis Juni 1933 Beitragszeiten nach dem ASVG erworben habe, sei die Wartezeit von nur 60 Versicherungsmonaten erfüllt. Wende man aber nicht die Bestimmungen des GSVG sondern jene des GSPVG an, müsse § 65 Abs.3 Z 1 GSPVG idF der 21. Novelle berücksichtigt werden. Deren Bestimmungen seien auch auf Versicherungsfälle anzuwenden, in denen der Stichtag vor dem 1. Jänner 1973 liege. Danach genüge beim Erwerb von Versicherungsmonaten nach anderen Bundesgesetzen das Vorliegen von 60 Monaten innerhalb der letzten 120 Kalendermonate vor dem Stichtag. Diese Voraussetzungen seien erfüllt.
Die beklagte Partei wandte ein, die Prüfung der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen zum Stichtag habe grundsätzlich nur auf Grund der am Stichtag geltenden Rechtslage zu erfolgen, soferne nicht anderslautende Übergangsbestimmungen vorhanden seien. Nach den am Stichtag 1. September 1967 in Geltung gestandenen Bestimmungen des § 65 Abs.3 Z 1 GSPVG seien aber für die Erfüllung der Wartezeit im vorliegenden Fall 96 Versicherungsmonate erforderlich. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Stichtag für die Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen sei der Zeitpunkt des Todes des Versicherten. Bei einer Änderung der Rechtslage und Fehlen von Übergangsbestimmungen komme im Sozialversicherungsrecht jene gesetzliche Bestimmung zum Tragen, die zum Zeitpunkt des Stichtages in Geltung gestanden sei. Nach der zum Stichtag 1. September 1967 in Geltung gestandenen Bestimmung des § 65 Abs.3 Z 1 GSPVG sei für den verstorbenen Ehemann der Klägerin der Erwerb von 96 Versicherungsmonaten erforderlich gewesen, eine Anrechnung von im Bereich des ASVG erworbenen Versicherungsmonaten komme nach dieser Bestimmung nicht zum Tragen. Die erst später in Kraft getretenen Änderungen des GSPVG und des GSVG seien mangels entsprechender Übergangsregelungen nicht anwendbar. Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Klägerin keine Folge. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte weiters aus, daß aus der Absicht des Gesetzgebers, bestehende Ungerechtigkeiten durch Nichtanrechnung erworbener Versicherungszeiten in einem anderen Versicherungszweig durch eine neue Regelung und verbesserten Versicherungsschutz zu beseitigen nicht zwangsläufig geschlossen werden könne, daß die neuen Bestimmungen auch für "alte" Versicherungsfälle Gültigkeit haben sollten. Im Bereich der Sozialversicherung grenze der Gesetzgeber vielmehr regelmäßig in Übergangsbestimmungen die Rückwirkung mit bestimmten Stichtagen ein. Fehle es an einer abweichenden Übergangsregelung, so sei die geänderte gesetzliche Bestimmung nur auf jene Fälle anwendbar, denen ein Sachverhalt zugrundeliege, der sich bereits nach Wirksamkeitsbeginn des neuen Gesetzes ereignet habe. In ihrer wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision beantragt die Klägerin, das Urteil des Berufungsgerichtes im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern.
Rechtliche Beurteilung
Der Revision kommt keine Berechtigung zu.
Stichtag für die Feststellung, ob und in welchem Ausmaß eine Leistung gebührt, ist der Eintritt des Versicherungsfalles, wenn er auf einen Monatsersten fällt, sonst der dem Eintritt des Versicherungsfalles folgende Monatserste. Zur Beurteilung, ob eine Witwenpension zusteht, ist daher - auch von der Klägerin unbestritten - der Stichtag 1. September 1967 maßgeblich. Nach § 65 Abs.3 Z 1 GSPVG in der am Stichtag geltenden Fassung war die allgemeine Anspruchsvoraussetzung der Wartezeit für eine Leistung aus dem Versicherungsfall des Todes erfüllt, wenn 60 Versicherungsmonate, bei Personen, die erstmalig nach dem vollendeten 50. Lebensjahr und nach dem 31. Dezember 1957 in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz versicherungspflichtig geworden sind, 96 Versicherungsmonate vorliegen. Diese Voraussetzungen waren zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten, wie auch die Klägerin nicht bestreitet, nicht erfüllt.
Mit der 21. GSPVG-Novelle BGBl. 1973/320 wurde § 65 Abs.3 Z 1 dahin geändert, daß zur Erfüllung der Wartezeit
60 Versicherungsmonate, bei Personen, die erstmalig nach dem vollendeten 50. Lebensjahr und nach dem 31. Dezember 1957 einen Versicherungsmonat nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz erworben haben, 96 Versicherungsmonate erforderlich waren. Daß diese Voraussetzungen beim verstorbenen Versicherten gegeben gewesen wären, ist ebenfalls unbestritten.
Durch BGBl. 1978/560 wurde das GSPVG durch das GSVG ersetzt.
§ 238 Abs.1 GSVG bestimmt, daß für Leistungen aus der Pensionsversicherung auf die am 31. Dezember 1978 Anspruch besteht, mit Ausnahme der Übergangspensionen ab 1. Jänner 1979 die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten. Die Wartezeit für den Versicherungsfall des Todes war in § 120 in gleicher Weise geregelt wie in § 65 Abs.3 Z 1 GSPVG idF der 21. Novelle zum GSPVG. Mit der 9. Novelle zum GSVG BGBl. 1984/485 wurden die Wartezeitbestimmungen neuerlich geändert. Nach Art. II Abs.4 der 9. Novelle zum GSVG: Übergangsbestimmungen, sind die neuen Vorschriften des § 120 nur auf Versicherungsfälle anzuwenden, in denen der Stichtag nach dem 31. Dezember 1984 liegt. Gemäß § 5 ABGB wirken Gesetze nicht zurück. Sie haben daher auf vor ihrem Inkrafttreten erworbene Rechte oder verwirklichte Sachverhalte keinen Einfluß. Diese sind weiterhin dem alten Gesetz zu unterwerfen, soferne der Gesetzgeber keine ausdrückliche gegenteilige Anordnung trifft (Bydlinski in Rummel Rz 1 und 2 zu § 5 ABGB). Dies gilt in allen Rechtsbereichen und damit auch für das öffentliche Recht. Die Wirkungen einer Gesetzesänderung ergreifen daher nicht Tatbestände, die vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes verwirklicht wurden. Nur wenn es sich um Dauertatbestände handelt, ist der in den Zeitraum der Herrschaft der neuen Rechtsnorm hinüberreichende Abschnitt des Dauertatbestandes nach den Vorschriften des neuen Gesetzes zu beurteilen, falls nicht Übergangsbestimmungen etwas anderes anordnen (ÖJZ 1952, 216, SZ 50/78 ua). Für den Bereich des Sozialversicherungsrechtes bedeutet dies, daß eine geänderte gesetzliche Bestimmung nur auf jene Fälle anwendbar ist, die einen Sachverhalt zum Gegenstand hat, der sich nach dem Wirksamkeitsbeginn der geänderten Bestimmung ereignet, soferne keine besonderen Übergangsregelungen getroffen sind. Es kommt daher, wie schon die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, auf die Lagerung des Stichtages an, dieser ist maßgeblich dafür, ob für den zu entscheidenden Fall die alte oder die novellierte Gesetzesbestimmung anzuwenden ist oder nicht. Im vorliegenden Fall ist daher vom Stichtag 1. September 1967 auszugehen. Beim Versicherungsfall des Todes kann sich der Sachverhalt nicht mehr ändern, sodaß ein Hineinreichen in den Geltungsbereich des neuen Gesetzes von vornherein ausgeschlossen ist. Nach der zum Todeszeitpunkt geltenden Rechtslage stand der Klägerin, auch von ihr unbestritten, mangels Erfüllung der allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen nach der damals geltenden Rechtslage keine Witwenpension zu. Erst durch die 21. GSPVG-Novelle wurde, sicherlich zur Beseitigung von Unbilligkeiten die Berücksichtigung auch von nach einem anderen Bundesgesetz erworbenen Versicherungszeiten ermöglicht. Aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Übergangsbestimmung, ab welchem Stichtag die Neuregelung anzuwenden sei, kann aber nicht, wie die Revisionswerberin meint, auf eine Rückwirkung geschlossen werden. Im Sinne der allgemeinen, oben aufgezeigten Grundsätze wäre vielmehr eine ausdrückliche Übergangsbestimmung erforderlich gewesen, um eine rückwirkende Anwendung zu ermöglichen. Hier kommt noch hinzu, daß der Gesetzgeber in Art. II Abs.1 bis 16 der 21. GSPVG-Novelle ausdrücklich eine ganze Fülle von Übergangsbestimmungen getroffen hat, eine Anwendung der neuen Regelungen auch auf Stichtage, die vor Inkrafttreten liegen, darin aber nicht vorsah. In Art. IV Abs.1 wird der Wirksamkeitsbeginn generell mit 1. Jänner 1971 normiert und in Abs.2 werden ausdrücklich jene neuen Bestimmungen angeführt, die rückwirkend oder erst nach dem generellen Wirksamkeitsbeginn der Novelle zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft treten. Damit aber hat der Gesetzgeber klar und deutlich eine abschließende Regelung getroffen. Für eine rückwirkende Anwendung von in Art. IV nicht aufgezählten Bestimmungen besteht kein Raum. Der Klägerin stand daher auch kein Anspruch auf Witwenpension nach Inkrafttreten der 21. GSPVG-Novelle zu.
Da nach § 238 Abs.1 GSVG für eine Leistung aus der Pensionsversicherung nur dann Anspruch nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes besteht, wenn ein solcher Anspruch am 31. Dezember 1978 bestanden hat, kommen dessen Bestimmungen auf den vorliegenden Fall ebenso wenig zur Anwendung, wie die durch die 9. Novelle zum GSVG neu geregelten Vorschriften des § 120, weil diese nach den Übergangsbestimmungen ausdrücklich nur auf Fälle anzuwenden sind, in denen der Stichtag nach dem 31. Dezember 1984 liegt. Die Vorinstanzen haben daher zu Recht das Klagebegehren abgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten der Revision beruht auf § 77 Abs.1 Z 2 lit.b ASGG.
Anmerkung
E15866European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00163.88.0920.000Dokumentnummer
JJT_19880920_OGH0002_010OBS00163_8800000_000