Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Klinger, Dr. Petrag und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragsteller 1.) Elfriede Z***, 2.) Josefine H***, 3.) Paula S***, 4.) Friedrich S***, 5.) Anna M***,
6.)
Hedwig F***, 7.) Wolfgang S***, 8.) Leo L***,
9.)
Gertrude T***, 10.) Hans Karl A***, 11.) Katharina B***, 12.) Gerhard L***, 13.) Katharina F***, sämtliche Mieter im Haus Wien 2., Feuerbachstraße 5, sämtliche vertreten durch Renate P***, Mieterschutzverband Österreichs, Wien 2., Praterstraße 25/9, wider den Antragsgegner Dipl.Ing. Julius G***, Hauseigentümer, Wien 13., Frank Schalkplatz 10, vertreten durch Dr. Gerhard Rieger, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 12 MRG infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 7. März 1988, GZ 41 R 574/87-34, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 26. Juni 1987, GZ 6 Msch 15/86-27, samt dem diesem vorangegangenen gerichtlichen Verfahren als nichtig aufgehoben und der Antrag des Antragsgegners auf Anrufung des Gerichtes zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Es wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben und in Abänderung des angefochtenen Beschlusses der erstgerichtliche Sachbeschluß wiederhergestellt.
Text
Begründung:
Die Entscheidung der Schlichtungsstelle des Magistratischen Bezirksamtes für den 2. Wiener Gemeindebezirk vom 2. Jänner 1986 wurde dem Antragsgegner, der im Schlichtungsstellenverfahren nicht vertreten war, nach dem im Akt erliegenden Rückschein durch postamtliche Hinterlegung am 22. Jänner 1986 zugestellt. Am 10. Februar 1986 langte beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien die am 7. Februar 1986 zur Post gegebene und an dieses Gericht adressierte Anrufung des Gerichtes gegen die vorgenannte Entscheidung der Schlichtungsstelle durch den Antragsgegner (§ 40 Abs 1 MRG) ein. In der ihm aufgetragenen rechtzeitigen Verbesserung des die Anrufung enthaltenden Schriftsatzes brachte der Antragsgegner zur Rechtzeitigkeit der Anrufung des Gerichtes vor, daß die postamtliche Hinterlegung der Entscheidung der Schlichtungsstelle unwirksam gewesen sei, weil er sich vom 16. Jänner 1986 bis zum 6. Februar 1986 in Algerien aufgehalten habe. Sein Sohn habe die Entscheidungsausfertigung, obwohl er über keine Postvollmacht verfügte, am 24. Jänner 1986 behoben. Zugleich beantragte der Antragsgegner, die Rechtssache an das zuständige Bezirksgericht Donaustadt zu überweisen.
Daraufhin sprach das Bezirksgericht Innere Stadt Wien mit Beschluß vom 18. Februar 1986 aus, daß es unzuständig sei und der Antrag gemäß § 44 JN an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Donaustadt überwiesen werde, wo dieser Antrag am 5. März 1986 einlangte.
Das Bezirksgericht Donaustadt stellte mit Sachbeschluß fest, daß der Antragsgegner in der Betriebskostenabrechnung 1983 für das Haus Wien 2., Feuerbachstraße 5 durch Vorschreibung eines Hausbesorgerentgelts von S 40.962,-- unter dem Titel Betriebskosten das gesetzlich zulässige Zinsausmaß um S 3.961,17 überschritten habe. Zur Frage der Rechtzeitigkeit der Anrufung des Gerichtes führte das Erstgericht aus:
Die Entscheidung der Schlichtungsstelle sei zwar am 12. September 1985 (offenbar gemeint: am 24. Jänner 1986) dem Sohn des Antragsgegners ausgefolgt worden, doch sei der Antragsgegner zu diesem Zeitpunkt ortsabwesend gewesen, sodaß die Zustellung an seinen Sohn, der weder Bevollmächtigter noch Ersatzempfänger im Sinne des § 16 ZustG gewesen sei, nicht wirksam habe erfolgen können. Die am 10. Februar 1986 vorgenommene Anrufung des Gerichtes sei daher rechtzeitig gewesen.
Das von den Antragstellern ausschließlich wegen behaupteter Nichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (zufolge Fällung einer Sachentscheidung trotz Vorliegens einer rechtskräftigen Entscheidung der Schlichtungsstelle) angerufene Rekursgericht gab dem Rekurs Folge, hob den erstgerichtlichen Sachbeschluß und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig auf, wies den Antrag des Antragsgegners auf Anrufung des Gerichtes zurück und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes S 15.000,-- übersteigt. Es führte aus:
Bei der Anrufung des Gerichtes gegen eine Entscheidung der Schlichtungsstelle handle es sich um kein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung, sondern um die Einleitung eines Außerstreitverfahrens, das allerdings erst dann durchgeführt werden dürfe, wenn vorher die Schlichtungsstelle angerufen worden sei. Wie sich aus § 40 Abs 1 MRG ergebe, sei dieser Antrag binnen 14 Tagen seit dem Tag, an dem die Gemeinde entschieden hat, bei Gericht einzubringen. Die Sache sei erst dann bei Gericht anhängig gemacht, wenn der Antrag beim zuständigen Gericht eingelangt sei. Das Einlangen des Antrages auf Anrufung des Gerichtes bei der Schlichtungsstelle oder bei einem unzuständigen Gericht sei für die Einhaltung der Frist ohne Belang. Zwar sei die Frist gemäß § 89 GOG auch dann gewahrt, wenn der Antrag am letzten Tag der Frist zur Post gegeben worden sei. Dies setze aber voraus, daß der Antrag richtig an das zuständige Gericht adressiert gewesen sei, andernfalls sei das Einlangen beim zuständigen Gericht maßgebend (MietSlg 6032/65, 36.533, 38.576). Das gelte auch im außerstreitigen Verfahren (RZ 1978/93, SZ 52/155). Habe die Partei ihren Antrag statt an das zuständige Gericht an eine andere Behörde gerichtet, so habe sie die hiedurch bedingte Verlängerung des Postenlaufes zu tragen (MietSlg 2611). § 89 GOG sei auf die Frist des § 40 MRG nur dann anwendbar, wenn der Antrag beim zuständigen Gericht überreicht oder an dieses aufgegeben worden sei (MietSlg 6032/65 mwN). Nach § 37 Abs 1 MRG entscheide in den dort genannten Verfahren das für Zivilrechtssachen zuständige Bezirksgericht, in dessen Sprengel das Miethaus gelegen sei. Zufolge der Lage des gegenständlichen Miethauses im zweiten Wiener Gemeindebezirk sei zur Durchführung dieses Verfahrens das Bezirksgericht Donaustadt zuständig (Bundesgesetz über die Errichtung des Bezirksgerichtes Donaustadt BGBl. 1985/203). Für den konkreten Fall bedeute dies, daß die Anrufung des Bezirksgerichtes durch Postaufgabe am 7. Februar 1986 an das unzuständige Gericht erfolgt sei und daß auch nicht innerhalb von 14 Tagen nach wirksamer Zustellung (6. Februar 1986) der Antrag beim zuständigen Bezirksgericht Donaustadt eingelangt sei. Auf diesen Fristenlauf habe weder der Verbesserungsauftrag noch der Überweisungsbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien irgendeinen Einfluß. Da das Verfahren beim zuständigen Bezirksgericht Donaustadt erst am 5. März 1986 eingelangt sei, sei die Anrufung des Gerichtes verspätet erfolgt. In Stattgebung des Rekurses sei daher der erstgerichtliche Sachbeschluß und das diesem vorangegangene gerichtliche Verfahren mit dem Nichtigkeitsgrund der durch die Schlichtungsstelle entschiedenen Streitsache behaftet. Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem Antrag, in Abänderung des angefochtenen Beschlusses den erstgerichtlichen Sachbeschluß wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Antragsteller beantragen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben, ohne im übrigen die sachliche Richtigkeit des erstgerichtlichen Sachbeschlusses zu bestreiten.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt. Fasching vertritt unter Berufung auf die in EvBl 1937/166 veröffentlichte Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien die Ansicht (Kommentar I 281), daß dann, wenn überhaupt eine Überweisung möglich ist, der Zeitpunkt des Einlangens des Antrages in den im § 44 Abs 1 JN bezeichneten Verfahren schon mit seiner Anbringung beim unzuständigen Gericht anzunehmen sei (vgl. auch Oberster Gerichtshof in JBl 1967, 531). Damit übereinstimmend führt er in seinem Lehrbuch unter Rz 223 aus, daß ein irrtümlich bei dem Gericht, an das überwiesen wurde, gegen die Überweisung eingebrachter Rekurs in entsprechender Anwendung des § 44 JN an das andere Gericht weiterzuleiten und jedenfalls dann, wenn die Frist an sich gewahrt war, auch für das andere Gericht rechtzeitig sei. Der Oberste Gerichtshof schließt sich dieser den Intentionen des Gesetzgebers entsprechenden Ansicht an (vgl. zu den in dieselbe Richtung weisenden Bestimmungen der §§ 230 a und 261 Abs 6 ZPO Fasching, Lehrbuch Rz 218 und Kommentar III 218 f Anm. 17 zu § 261 ZPO).
Daraus folgt für den gegenständlichen Fall, daß der Antragsgegner das Gericht im Sinne des § 40 Abs 1 MRG dann rechtzeitig angerufen hat, wenn sein an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien gerichteter (rechtzeitig verbesserter) und sodann gemäß § 44 JN an das Bezirksgericht Donaustadt überwiesener Antrag innerhalb von 14 Tagen ab Wirksamkeit der Zustellung der Entscheidung der Schlichtungsstelle an ihn zur Post gegeben worden ist. Da die Postaufgabe am 7. Februar 1986 und die Unwirksamkeit der postamtlichen Hinterlegung am 22. Jänner 1986 wegen damaliger Abwesenheit des Antragsgegners von der Abgabestelle (§ 17 Abs 1 und Abs 3 Satz 3 ZustG) feststehen, wäre die Rechtzeitigkeit der Anrufung des Gerichtes selbst dann zu bejahen, wenn das Wirksamwerden der Zustellung nicht erst mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag, sondern mit dem Tag angesetzt würde, an dem die Entscheidung der Schlichtungsstelle dem Sohn des Antragsgegners ausgefolgt worden ist, welcher Vorgang unwiderlegt frühestens am 24. Jänner 1986 stattfand.
Es war daher dem Revisionsrekurs Folge zu geben und spruchgemäß zu beschließen.
Anmerkung
E15770European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0050OB00072.88.0920.000Dokumentnummer
JJT_19880920_OGH0002_0050OB00072_8800000_000