TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/29 2005/11/0125

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Veröffentlicht am 29.09.2005
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Führerscheingesetz;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §67a Abs1 Z2;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §25 Abs1;
FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs3 Z5;
KFG 1967 §57 Abs8 idF 1984/522;
KFG 1967 §58 Abs1 idF 1984/522;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des M in H, vertreten durch Dr. Peter Paul Wolf, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Esteplatz 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 10. Mai 2005, Zl. MIS1-FE-04700/4, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 3. Februar 2005 wurde die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für Kraftfahrzeuge der Klassen A und B auf die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab Zustellung des Bescheides (welche am 14. Februar 2005 erfolgte), entzogen. Die Erstbehörde sprach auch aus, dass der Beschwerdeführer verpflichtet sei, seinen Führerschein sofort bei der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach oder beim Gendarmerieposten in Wolkersdorf abzugeben. Ferner wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen. Als Rechtsgrundlagen nannte die Erstbehörde die §§ 3, 7, 24, 25 und 29 Abs. 3 FSG sowie § 64 Abs. 2 AVG. Die Erstbehörde nahm als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer am 5. September 2004 einen Pkw in Wien an einer näher bezeichneten Örtlichkeit gelenkt habe, obwohl der technische Zustand des Kraftfahrzeuges eine Gefährdung der Verkehrssicherheit (§ 58 Abs. 1 KFG 1967) dargestellt habe, weil der Zustand des Fahrzeuges im Vergleich zum genehmigten Zustand um 5 cm auf eine Bodenfreiheit von 60 mm reduziert worden sei. Dadurch seien am Unterboden und an exponierten Fahrzeugteilen (Katalysator) deutlich Schleifspuren zu sehen gewesen und es sei die Möglichkeit von Folgeunfällen durch Ölaustritt nach Beschädigungen am Unterboden sowie an der Ölwanne des Fahrzeugmotors im Zuge des Überfahrens von natürlichen und künstlichen Bodenwellen extrem erhöht worden. Dies sei im Gutachten des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. Jänner 2005 nachgewiesen worden. Wegen dieser Verwaltungsübertretung sei der Beschwerdeführer mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien vom 22. September 2004 gemäß § 4 Abs. 1 sowie § 33 Abs. 1 iVm § 33 Abs. 6 KFG 1967 rechtskräftig bestraft worden. Die Behörde sehe daher die ihm vorgeworfene Tathandlung als erwiesen an. Der Beschwerdeführer habe in seiner Stellungnahme vom 25. Jänner 2005 wohl den Inhalt des Gutachtens des Amtssachverständigen bestritten, habe dieses jedoch nicht durch das Gutachten eines anderen Sachverständigen erschüttert. Der Beschwerdeführer habe eine bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs. 3 Z. 5 FSG verwirklicht. Im Rahmen der Wertung sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer durch seine Tat eine besonders große Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer, insbesondere auch durch die Möglichkeit von Folgeunfällen geschaffen habe. Er sei daher für den Zeitraum von drei Monaten als verkehrsunzuverlässig anzusehen.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 10. Mai 2005 wurde der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. Die belangte Behörde verdeutlichte, dass der Beschwerdeführer, wie anlässlich der Verkehrskontrolle vom 5. September 2004 beanstandet wurde, ein Kraftfahrzeug gelenkt habe, das nicht der Genehmigung des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 19. November 1998 entsprochen habe. Die Radhauskante der ersten Achse sei statt 620 mm nur 570 mm über der Fahrbahn, jene der zweiten Achse 565 mm statt 600 mm über der Fahrbahn gelegen. Die Spezialschraubenfeder sei entgegen der Genehmigung um ca. 50 mm tiefer geschraubt worden, wodurch die erforderliche Bodenfreiheit von 110 mm ohne entsprechende Genehmigung nicht eingehalten worden sei. Im Bereich des Katalysators habe eine Bodenfreiheit von rund 60 mm (ohne Fahrer gemessen) bestanden. Im Übrigen seien deutlich Schleifspuren am Katalysator und am Unterboden zu sehen gewesen. Gegenüber dem Beamten habe der Beschwerdeführer angegeben, an einem Wettkampf in Deutschland teilgenommen und die Schraubenfeder um ca. 5 cm heruntergedreht zu haben. Der Beschwerdeführer wisse, dass er so nicht fahren dürfe und komme so, weil der Unterboden anstehe, auch nicht in seine Garage. Basierend auf den Angaben in der Anzeige habe der kraftfahrzeugtechnische Amtssachverständige festgehalten, dass der technische Zustand eine Gefährdung der Verkehrssicherheit im Sinn des § 58 Abs. 1 KFG dargestellt habe. In seiner ergänzenden Stellungnahme habe der kraftfahrzeugtechnische Amtssachverständige festgehalten, dass durch die geringe Bodenfreiheit von rund 6 cm Gefahr im Verzug gegeben sei, weil die Möglichkeit von Folgeunfällen gegeben sei. Der Beschwerdeführer habe im Übrigen das "Tieferlegen" des Fahrzeuges sowie den verbleibenden Bodenabstand von nur mehr rund 6 cm nicht in Abrede gestellt. Der Beschwerdeführer habe somit, wie bereits von der Erstbehörde beurteilt, eine bestimmte Tatsache gemäß § 7 FSG verwirklicht, im Hinblick auf die Gefährlichkeit seines Handelns für andere Verkehrsteilnehmer könne der Annahme seiner Verkehrsunzuverlässigkeit durch die Erstbehörde nicht entgegen getreten werden.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 3 Z. 5 FSG bildet es eine für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit maßgebliche bestimmte Tatsache, wenn jemand ein Kraftfahrzeug lenkt, dessen technischer Zustand und weitere Verwendung eine Gefährdung der Verkehrssicherheit (§ 58 Abs. 1 KFG 1967) darstellt, sofern die technischen Mängel dem Lenker vor Fahrtantritt hätten auffallen müssen. Für die - bei Beurteilung, ob eine Verkehrsunzuverlässigkeit des Betreffenden anzunehmen ist, erforderliche - Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind gemäß § 7 Abs. 4 deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend. Gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (darunter gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 die Verkehrszuverlässigkeit) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen. Gemäß § 25 Abs. 1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Gemäß § 25 Abs. 3 leg. cit. ist bei der Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungszeit von mindestens drei Monaten festzusetzen.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die Bodenfreiheit seines Fahrzeuges an der tiefsten Stelle nur 6 cm betragen hat. Welche Schleifspuren bzw. ob Beschädigungen am Unterboden seines Fahrzeuges bereits sichtbar waren, ist für die Beurteilung des vorliegenden Beschwerdefalles nicht relevant, daher vermag der Beschwerdeführer auch nicht, einen der belangten Behörde unterlaufenen relevanten Verfahrenmangel aufzuzeigen.

Es trifft zu, dass der Amtssachverständige in seiner Stellungnahme vom 5. Jänner 2005 auch auf derartige Beschädigungen Rücksicht genommen hat, in seiner Stellungnahme vom 18. April 2005 stellte er jedoch klar, dass sich die Gefährlichkeit des Handelns des Beschwerdeführers und die Gefahr im Verzug ausschließlich aus der festgestellten Bodenfreiheit von nur 6 cm ergebe. Er führte darin u.a. wie folgt aus:

"...

3) Als Mangel mit der Beurteilung 'Gefahr im Verzug' wurden nicht die Schleifspuren am Katalysator und am Unterboden beurteilt sondern die Unterschreitung der Mindestbodenfreiheit von 11 cm um ca. 5 cm und die sich daraus ergebende Bodenfreiheit von ca. 6 cm.

4) Allein die festgestellte Bodenfreiheit von ca. 6 cm (deutlich weniger als 11 cm) stellt, unabhängig vom Vorhandensein von Schleifspuren am Katalysator und am Unterboden, einen Mangel mit der Beurteilung 'Gefahr im Verzug' dar, ...

6) Dem Lenker muss der vorschriftswidrige Zustand seines Kraftfahrzeuges vor Fahrtantritt bewusst gewesen sein, da dieser Zustand durch bewusstes Handeln herbeigeführt werden muss und nicht von selbst passiert (siehe auch Rechtfertigung in der Anzeige der Bundespolizeidirektion Wien vom 5. September 2004).

..."

Gegen die Schlüssigkeit dieses Gutachtens vermag der Beschwerdeführer nichts Stichhältiges aufzuzeigen. Vor dem Hintergrund der wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen über das Vorliegen von "Gefahr im Verzug" durfte die belangte Behörde daher davon ausgehen, dass sich der Mangel augenscheinlich als so schwer erweist, dass unter Zugrundelegung von kraftfahrrechtlichem Erfahrungswissen befürchtet werden muss, es werde sich bei weiterer (bestimmungsgemäßer) Verwendung des Fahrzeuges im Straßenverkehr eine Unfallsituation ergeben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. Mai 2001, Zl. 2001/11/0037, und vom 20. September 2001, Zl. 2000/11/0048).

Damit sind die hier zu beurteilenden Rechtsfragen vergleichbar mit jenen im Beschwerdefall, der mit dem hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2005, Zl. 2004/11/0050, entschieden wurde, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen wird.

Auch die vorliegende Beschwerde ist, was die Dauer der Entziehung anlangt, im Ergebnis begründet: Die belangte Behörde hat den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt, mit welchem eine Entziehungsdauer von drei Monaten ab Zustellung des Bescheides (14. Februar 2005) ausgesprochen worden war. Berücksichtigt man, dass der Beschwerdeführer das eine bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs. 3 Z. 5 FSG darstellende Verhalten am 5. September 2004 gesetzt hatte, hat die belangte Behörde (wie schon die Erstbehörde) im Ergebnis eine Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers in der Dauer von über acht Monaten angenommen. In Anbetracht des Umstandes, dass weitere strafbare Handlungen des Beschwerdeführers von der belangten Behörde nicht angenommen wurden, somit von seinem Wohlverhalten auszugehen ist, und der Beschwerdeführer - was auch die belangte Behörde nicht widerlegt hat - umgehend den der Rechtsordnung entsprechenden Zustand des Fahrzeuges wieder hergestellt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch für die Dauer von mindestens drei Monaten als verkehrsunzuverlässig anzusehen war. Damit kam eine Entziehung der Lenkberechtigung für die in § 25 Abs. 3 FSG vorgesehene Mindestentziehungsdauer von drei Monaten nicht mehr in Betracht. Die Entziehung der Lenkberechtigung erweist sich daher insoweit als rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 29. September 2005

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005110125.X00

Im RIS seit

04.11.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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