TE OGH 1988/9/20 11Os126/88

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Veröffentlicht am 20.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.September 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Knob als Schriftführerin in der Strafsache gegen Walter Leopold L*** wegen des Vergehens des Betruges nach dem § 146 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 24. Februar 1987, GZ 2 U 322/84-30, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 24. Februar 1987, GZ 2 U 322/84-30, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen des § 16 Abs. 1 und Abs. 2 Z 12 StVG sowie in dem sich aus den Vorschriften des XX. Hauptstückes der Strafprozeßordnung ergebenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft.

Dieser Beschluß wird aufgehoben.

Text

Gründe:

Der am 2.November 1949 geborene Walter Leopold L*** wurde nach teilweiser Verbüßung von zwei Freiheitsstrafen, und zwar der über ihn mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Linz vom 22. Dezember 1982, AZ 23 E Vr 1.481/82, wegen Vergehens der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach dem § 170 Abs. 1 StGB sowie wegen Vergehens des Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 StGB verhängten in der Dauer von acht Monaten (nach Widerruf dieser ursprünglich bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe) und der weiters über ihn mit Urteil des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 23. April 1985, GZ 2 U 322/84-19, wegen Vergehens des Betruges nach dem § 146 StGB verhängten (unbedingten) Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat, zufolge Beschlusses eines Drei-Richter-Senates des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Vollzugsgericht vom 2.Juli 1985, GZ BE 266/85-8 (die Beschlußfassung durch den Drei-Richter-Senat war verfehlt, hiezu wäre gemäß dem § 16 Abs. 1 letzter Satz StVG vielmehr der Einzelrichter des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Vollzugsgericht berufen gewesen), bei einem noch offenen Strafrest von drei Monaten am 13.August 1985 für eine Probezeit von einem Jahr bedingt entlassen. Nachdem Walter Leopold L*** innerhalb dieser Probezeit infolge Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber seinem minderjährigen Sohn erneut straffällig und deshalb mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 16.April 1986, GZ 23 U 65/86-24, wegen Vergehens nach dem § 198 Abs. 1 StGB zu zwei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden war, widerrief auf Antrag des öffentlichen Anklägers das gemäß dem § 179 StVG zuständige Landesgericht für Strafsachen Wien nach Anhörung des Walter Leopold L*** und des für ihn bestellten Bewährungshelfers mit dem noch innerhalb der Frist des § 56 StGB gefaßten Beschluß des Einzelrichters vom 26. Jänner 1987, GZ 18 e BE 785/85-36, die mit dem eingangs angeführten Beschluß des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 2. Juli 1985, GZ BE 266/85-8, verfügte bedingte Entlassung und ordnete den Vollzug des noch offenen Strafrestes von drei Monaten an. Dieser Widerrufsbeschluß erwuchs in Rechtskraft. Ersichtlich in Unkenntnis des Widerrufsbeschlusses des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26.Jänner 1987 sah das Bezirksgericht Neulengbach, das mit Urteil vom 23.April 1985 die einmonatige Freiheitsstrafe wegen Vergehens des Betruges nach dem § 146 StGB verhängt hatte, auf Antrag des Bezirksanwaltes mit Beschluß vom 24.Februar 1987, GZ 2 U 322/84-30, die über Walter Leopold L*** "verhängte und bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe" von einem Monat endgültig nach (gemeint war wohl: die endgültige Entlassung des Genannten aus dieser Freiheitsstrafe).

Rechtliche Beurteilung

Dieser Beschluß des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 24. Februar 1987 steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Angesichts der Zuständigkeitsvorschrift des § 16 Abs. 1 StVG iVm Abs. 2 Z 12 dieser Gesetzesstelle war das Bezirksgericht Neulengbach (als Titelgericht) zur Entscheidung darüber, daß die bedingte Entlassung endgültig geworden sei, gar nicht berufen. Durch diese Entscheidung des hiefür unzuständigen Gerichtes wurde somit zunächst das Gesetz in den vorgenannten Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes verletzt. Da das gemäß dem § 179 StVG als Strafvollzugsgericht zuständige Landesgericht für Strafsachen Wien bereits am 26.Jänner 1987 die bedingte Entlassung des Walter Leopold L*** gemäß dem § 53 Abs. 1 StGB aF widerrufen, zugleich unter anderem den Vollzug der vom Bezirksgericht Neulengbach mit Urteil vom 23.April 1985 verhängten einmonatigen Freiheitsstrafe angeordnet hatte und dieser Widerrufsbeschluß mit Ablauf des 12.Februar 1987 auch in Rechtskraft erwachsen war, stand der neuerlichen (gegenteiligen) Entscheidung in dieser Sache, daß nämlich die bedingte Entlassung endgültig geworden sei, die materielle Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26.Jänner 1987 und die damit verbundene Sperrwirkung entgegen. Somit verstößt der Beschluß des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 24.Feber 1987 über die endgültige Strafnachsicht auch gegen den sich aus dem XX.Hauptstück der Strafprozeßordnung ergebenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft (vgl. 14 Os 156/87).

Der Beschluß des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 24. Februar 1987 konnte weder den schon vorher durch das Landesgericht für Strafsachen Wien als das im vorliegenden Fall nach dem Gesetz (§ 179 StVG iVm dem § 16 Abs. 1 und Abs. 2 Z 12 StVG) zuständige Gericht mit bereits rechtskräftigem Beschluß vom 26. Jänner 1987 (mit konstitutiver Wirkung) ausgesprochenen Widerruf der bedingten Entlassung des Walter Leopold L*** beseitigen noch sonst für ihn irgendwelche Rechtswirkungen erzeugen. Daß dieser Beschluß - ungeachtet der Textierung seines Spruches - auch nicht als endgültige Nachsicht einer bedingt ausgesprochenen Strafe (§ 43 Abs. 2 StGB) angesehen werden kann, und zwar schon deshalb nicht, weil es am Ausspruch einer bedingt nachgesehenen Strafe von vornherein fehlte, sei nur noch am Rand erwähnt.

Der Beschluß des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 24.Feber 1987 war sohin, da ihm keinerlei Rechtswirkungen zukommen, durch Aufhebung zu eliminieren (14 Os 156/87).

Anmerkung

E15094

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0110OS00126.88.0920.000

Dokumentnummer

JJT_19880920_OGH0002_0110OS00126_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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