Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 21.September 1988 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bogensberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Margarete K*** und einen anderen wegen des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 und 13 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Margarete K*** gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 24.März 1988, GZ 7 Vr 1123/86-33, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, der Angeklagten und des Verteidigers Dr. Puttinger zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die über die Angeklagte Margarete K*** verhängte Geldstrafe auf 700.000 S (siebenhunderttausend Schilling) und die für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe auf 4 (vier) Monate herabgesetzt sowie der Ausspruch über die Verhängung einer Freiheitsstrafe aus dem Urteil ausgeschaltet; überdies wird gemäß § 295 Abs 1 Satz 2 StPO auch die über den Mitverurteilten Wolfgang S*** verhängte Geldstrafe auf 350.000 S (dreihundertfünfzigtausend Schilling) und die für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe auf 2 (zwei) Monate herabgesetzt und auch bei ihm der Ausspruch über die Verhängung einer Freiheitsstrafe aus dem Urteil ausgeschaltet. Im übrigen wir der Berufung der Angeklagten K*** nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten Margarete K*** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde (ua) die nunmehr 48-jährige Geschäftsfrau Margarete K*** des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 13 FinStrG schuldig erkannt. Darnach hat
sie - zusammengefaßt wiedergegeben - in Ried im Innkreis als Mitunternehmerin der Gesellschaft bürgerlichen Rechts "Margarete K*** und Wolfgang S*** Uhrmacher- und Uhren- und Schmuckhandelsbetrieb" dadurch, daß sie die Entgelte für Lieferungen und sonstige Leistungen nicht vollständig aufzeichnete, vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Verkürzung bescheidmäßig festzusetzender Abgaben, nämlich der Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für die Jahre 1981 bis 1983, um insgesamt 1,194.956 S bewirkt (Punkt a des Urteilssatzes) und für das Jahr 1984 um einen Gesamtbetrag von 356.436 S zu bewirken versucht (Punkt b).
Rechtliche Beurteilung
Die Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 4, 5, 5 a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Eine Beeinträchtigung ihrer Verteidigungsrechte (Z 4) erblickt die Beschwerdeführerin zunächst in der Ablehnung des von ihrem Verteidiger in der Hauptverhandlung vom 24.März 1988 gestellten Antrages auf Einholung des Gutachtens eines Buchsachverständigen zum Nachweis dafür, daß bei Anerkennung der (ihr aus dem Verwandtenkreis gewährten bzw. zurückgezahlten) Darlehen und der Vorsteuern der strafbestimmende Wertbetrag unter einer Million Schilling liege und demnach keine gerichtliche Zuständigkeit (§ 53 Abs 1 lit b FinStrG) gegeben sei (S 215), ferner im Unterbleiben der Vernehmung des Zeugen Bernhard S*** über die in den Jahren 1981 und 1983 an sie geleisteten Darlehensrückzahlungen (S 234).
Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat die Angeklagte den am 28. September 1987 schriftlich gestellten Antrag (vgl. ON 21 S 127) auf Vernehmung des genannten Zeugen in der (am 24.März 1988 gemäß § 276 a StPO neu durchgeführten) Hauptverhandlung nicht wiederholt; sie ist daher insoweit zur Erhebung einer Verfahrensrüge (Z 4) nicht legitimiert (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 30 ff zu § 281 Z 4). Die Abweisung der Einholung des Gutachtens eines Buchsachverständigen begründete das Erstgericht (sinngemäß) mit dem Hinweis auf die Bindung des Gerichts an rechtskräftige Bescheide des Finanzamts gemäß § 55 FinStrG (S 216).
Diese Begründung folgt der herrschenden Rechtsprechung, von welcher abzugehen sich der Senat ungeachtet der Ausführungen in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht veranlaßt sieht; derzufolge ist im gerichtlichen Finanzstrafverfahren die rechtskräftige, bescheidmäßige und endgültige Abgabenfestsetzung durch die Finanzbehörden, soweit es (ua) die Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer betrifft, absolut präjudiziell in Ansehung der Höhe der Abgabenschuld (vgl. Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch FinStrG § 55 ENr. 3, 4, 11-14). Für die Bindungsfrage ist es dabei unerheblich, ob die Finanzbehörde zu dem verkürzten Abgabenbetrag auf Grund eines weitwendigen Feststellungsverfahrens oder einer Schätzung gelangt ist, welcher die am Abgabenverfahren beteiligt gewesene Beschwerdeführerin angesichts der Rechtskraft der Bescheide nicht widersprochen hat. Eine Überprüfung der Abgabenschuldigkeit durch einen Sachverständigen ist daher unzulässig (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch aaO ENr. 11), weshalb sämtliche (weiteren) in diese Richtung zielenden Einwendungen der Mängel-, Tatsachen- und Rechtsrüge keiner gesonderten Erörterung bedürfen. Da das Strafgericht jedoch in der Beurteilung der Strafbarkeit des Verhaltens eines Beschuldigten völlig frei ist und selbständig und unabhängig die objektiven Tatbestandsmerkmale
sowie - uneingeschränkt - die innere Tatseite einschließlich des Bewußtseins der Rechtswidrigkeit selbst zu prüfen hat (vgl. insbesondere das im verstärkten Senat gefaßte Erkenntnis 13 Os 28/76 = SSt. 48/36 = EvBl 1977/166 = RZ 1977/71), ist noch auf das darauf ausgerichtete Beschwerdevorbringen einzugehen. Von einer im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) relevierten Undeutlichkeit in bezug auf die vom Erstgericht festgestellten Tathandlungen kann entgegen dem Beschwerdevorbringen, wonach "Schwarz" eine Farbe und keine Sache im Sinn des ABGB sei und daher weder gekauft noch verkauft werden könne, keine Rede sein, weil es einer näheren Erläuterung der dem allgemeinen Sprachgebrauch entnommenen Begriffe "Schwarzeinkäufe" und "Schwarzverkäufe", worunter für jedermann erkennbar zum Ausdruck gebracht wird, daß bei derartigen Geschäften keine Steuern abgeführt wurden, keineswegs bedurfte. Im übrigen hat sich die Angeklagte wiederholt selbst auf die Abwicklung solcher "Schwarzgeschäfte" berufen (vgl. insbesondere S 71, 155, 156).
Entgegen dem weiteren Einwand einer unzureichenden Begründung der Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite hat das Schöffengericht die Annahme eines Handelns der Angeklagten mit Verkürzungsvorsatz aus ihrem eigenen (Teil-)Geständnis (S 70 ff, 149 ff, 214) betreffend die Geschäftsjahre 1983 und 1984, aber auch aus dem Geständnis des Mitangeklagten S*** und dem Umstand, daß für die "Schwarzverkäufe" sogar eigene Paragons verwendet wurden, abgeleitet (US 5 f, 10). Daraus konnten die Tatrichter im Zusammenhalt mit dem Ergebnis der finanzbehördlichen Erhebungen beweiswürdigend sehr wohl zur Überzeugung gelangen, daß die Angeklagte derartige (steuersparende) Geschäfte auch schon in den Jahren 1981 und 1982 vorsätzlich getätigt hat. Auf die konkrete Höhe des (außerhalb des Tatbestands gelegenen) strafbestimmenden Wertbetrages hingegen muß sich der (zur Tatbestandsverwirklichung erforderliche, prinzipielle) Verkürzungsvorsatz des Täters nicht erstrecken, weil der strafbestimmende Wertbetrag als (einschränkend wirkende) Voraussetzung gerichtlicher Strafbarkeit - in Abgrenzung zur (lediglich) verwaltungsbehördlichen (§ 53 FinStrG) - gleichwie als Faktor der Strafrahmenobergrenze für die angedrohte Geldstrafe rein objektiv determiniert ist (ÖJZ-LSK 1983/117 = SSt. 54/17 ua). Ebenso ist in rechtlicher Beziehung aktuelles Unrechtsbewußtsein gar nicht erforderlich; für die Zurechnung zur Schuld genügt vielmehr virtuelles (potentielles) Bewußtsein des Unrechts (vgl. Leukauf-Steininger Komm.2 § 9 RN 3).
Soweit die Beschwerdeführerin ihr bereits erörtertes Vorbringen auch unter dem Gesichtspunkt der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO zum Tragen zu bringen sucht, sind den bezüglichen Einwendungen keine konkreten aktenkundigen Umstände zu entnehmen, aus welchen sich für den Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der für den angefochtenen Schuldspruch entscheidenden Tatsachen ergeben könnten.
Mit der Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite behauptenden Rechtsrüge (Z 9 lit a) hinwieder bringt sie die Beschwerde nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung, weil sie den als erwiesen angenommenen Urteilssachverhalt, nämlich ihr vorsätzliches Handeln (vgl. insbesondere US 10), übergeht und sich solcherart über den (gesamten) Inhalt der hiefür maßgebenden Entscheidungsgründe hinwegsetzt.
Aus der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO schließlich rügt die Angeklagte, das Erstgericht habe durch die Verhängung einer ihren Einkommensverhältnissen und Sorgepflichten nicht entsprechenden Geldstrafe, durch die Verweigerung deren bedingter Nachsicht sowie durch die Verhängung einer zusätzlichen - bedingt
nachgesehenen - Freiheitsstrafe nach § 15 FinStrG für die Strafbemessung maßgebende entscheidende Tatsachen offenbar unrichtig beurteilt und in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen über die Strafbemessung verstoßen.
Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagte nach § 33 Abs 5 sowie § 15 FinStrG zu einer Geldstrafe von 1 Million Schilling, im Fall der Uneinbringlichkeit zu sechs Monaten Ersatzfreiheitsstrafe sowie zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten. Dabei wertete es die Begehung der Abgabenhinterziehung während eines längeren Zeitraumes als erschwerend, hingegen das Tatsachengeständnis und den bisher ordentlichen Lebenswandel als mildernd.
Aus dem zweiten Anwendungsfall der Z 11 (nF) des § 281 Abs 1 StPO kann nur eine offenbar unrichtige rechtliche Beurteilung der für den bekämpften Strafausspruch maßgebenden Strafzumessungstatsachen gerügt werden. Nur eine solche hat nämlich eine unrichtige Anwendung des Strafgesetzes zur Folge, auf welche die materiellrechtlichen Nichtigkeitsgründe und damit auch die Z 11 der zitierten Gesetzesstelle in allen ihren Anwendungsfällen abstellen (vgl. EvBl 1988/115 ua; Tschulik in RZ 1988, 51). Die Angeklagte führt jedoch zum einen - wie etwa mit dem Einwand der Nichtberücksichtigung einer erfolgten Schadensgutmachung - nur tatsächliche Umstände an, die die Feststellung des Strafzumessungssachverhalts betreffen und unter diesem Aspekt ihrer Meinung nach im Urteil ausdrücklich hätten wiedergegeben werden sollen. Sie vermag aber auch mit den weiteren Einwendungen keine rechtsfehlerhafte Bewertung von sie betreffenden Strafzumessungstatsachen aufzuzeigen. Schließlich stehen die vom Erstgericht für die Verhängung einer (zusätzlichen) Freiheitsstrafe nach § 15 FinStrG und die Verweigerung der bedingten Strafnachsicht (der Geldstrafe) angeführten Gründe mit den allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung wie auch den diesbezüglich im Gesetz enthaltenen Beurteilungskriterien nicht im Widerspruch. Es liegt demnach insoweit auch kein unvertretbarer Verstoß gegen Bestimmungen über die Strafbemessung vor.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Der Berufung der Angeklagten, mit welcher sie eine Herabsetzung der - bereits bei Erörterung der Nichtigkeitsbeschwerde (Z 11) unter Anführung der vom Schöffengericht herangezogenen Strafzumessungsgründe näher bezeichneten - Geldstrafe und deren bedingte Nachsicht sowie die Ausschaltung der (zusätzliche) verhängten Freiheitsstrafe anstrebt, kommt teilweise Berechtigung zu. Entgegen dem Berufungsvorbringen kann zwar von einer als (weiteren) Milderungsgrund reklamierten "eher ungeplanten und amateurhaften" Tatausführung keine Rede sein. Ebensowenig sind die angestellten Vergleiche zum Tagessatzsystem (§ 19 StGB) zielführend, weil dessen Unanwendbarkeit auf die von strafbestimmenden Wertbeträgen abhängigen Strafdrohungen des Finanzstrafgesetzes den ausdrücklich erklärten Intentionen des Gesetzgebers entspricht (EBRV zur Finanzstrafgesetznovelle 1975, 1130 Blg NR 13.GP zu § 23). Andrerseits hat jedoch das Erstgericht den Umstand, daß die Abgabenhinterziehung im Jahr 1984 nur das Versuchsstadium erreichte, unberücksichtigt gelassen. Hinzu kommt, daß die Angeklagte - wovon sich der Oberste Gerichtshof durch eine auf Grund des bezüglichen Berufungsvorbringens veranlaßte Anfrage beim Finanzamt Ried im Innkreis überzeugen konnte - die gesamte (verfahrensgegenständliche) Abgabenschuld am 7.Jänner 1987 bezahlt hat.
Unter Beachtung auch dieser weiteren (gewichtigen) mildernden Umstände erschien dem Obersten Gerichtshof eine Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe in der aus dem Spruch ersichtlichen Höhe als dem Unrechtsgehalt der Tat und dem Verschulden der Angeklagten angemessen; dabei wurden auch ihre persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit entsprechend berücksichtigt. Des weiteren war der Ausspruch über die Verhängung einer (zusätzlichen) Freiheitsstrafe aus dem Urteil auszuschalten. Eine solche ist nämlich gemäß § 33 Abs 5 FinStrG nach Maßgabe des § 15 FinStrG und demzufolge nach dessen Absatz 2 nur unter den dort näher bezeichneten besonderen Voraussetzungen zu verhängen, die vorliegend (noch) nicht gegeben sind.
In diesem Umfang war daher der Berufung der Angeklagten Folge zu geben.
Die aufgezeigten Gründe kommen gleichermaßen dem Mitverurteilten Wolfgang S*** zustatten, der das Urteil nicht wirksam angefochten hat. Es waren daher auch bei ihm die verhängte Geldstrafe (von 500.000 S) auf 350.000 S und die für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe (von drei Monaten) auf zwei Monate herabzusetzen und der Ausspruch über die Verhängung einer (einmonatigen) Freiheitsstrafe aus dem Urteil auszuschalten (§ 295 Abs 1 StPO).
Die von der Angeklagten außerdem begehrte bedingte Nachsicht der verhängten Geldstrafe mußte - wenngleich nicht so sehr aus den vom Erstgericht herangezogenen Erwägungen - außer Betracht bleiben. Wohl ist die Angeklagte gerichtlich und finanzstrafbehördlich unbescholten, doch handelte es sich vorliegend nicht um eine einmalige Verfehlung. Angesichts der Tatwiederholung (über mehrere Jahre) und dem daraus resultierenden höheren Grad der Schuld bedarf es aus spezialpräventiven Gründen der Vollziehung der Geldstrafe. Im übrigen sprechen auch generalpräventive Erwägungen bei Delikten der vorliegenden Art gegen eine bedingte Strafnachsicht. Es war daher spruchgemäß zu erkennen.
Anmerkung
E15129European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0140OS00082.88.0921.000Dokumentnummer
JJT_19880921_OGH0002_0140OS00082_8800000_000