Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 21.September 1988 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bogensberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Wilfried M*** und andere Angeklagte wegen des versuchten Verbrechens nach §§ 15 StGB und 12 Abs. 1, Abs. 3 Z 3 SGG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Wilfried M*** und Peter B*** gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 31.März 1988, GZ 20 Vr 1652/87-45, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, sowie der Verteidiger Dr. Unterberger und Dr. Doczekal, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 15.Juli 1948 geborene beschäftigungslose Wilfried M*** und der am 18.Mai 1946 geborene Gastwirt Peter B*** des versuchten Verbrechens nach § 15 StGB und § 12 Abs. 1 und Abs. 3 Z 3 SGG, B*** als Beteiligter nach § 12 (dritter Fall) StGB sowie dieser Angeklagte überdies des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG schuldig erkannt. Darnach hat Wilfried M*** am 4.November (im Ersturteil irrig: 4.1. ..) 1987 in St. Gallenkirch den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr zu setzen versucht, indem er 300 Gramm Heroin mit 51,9 Gramm Heroinbase zu einem als Übergabeort an einen unbekannt gebliebenen Käufer bestimmten Treffpunkt brachte, wobei er die Tat in Beziehung auf ein Suchtgift begangen hat, dessen Menge das 25-fache der "großen Menge" im Sinne des § 12 Abs. 1 SGG überstieg, und Peter B*** zu dieser strafbaren Handlung dadurch beigetragen, daß er Wilfried M*** mit dem Heroin zunächst in seinem PKW nach St. Gallenkirch brachte und sich sodann vor dem Übergabezeitpunkt an den vereinbarten Übergabeplatz begab, um Wilfried M*** durch Beobachtungen und allfällige Zeichen bei der Übergabe des Heroins zu unterstützen (Punkte A und B des Urteilssatzes). Peter B*** hat ferner (zu C/) im Dezember 1986 außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider eine Packung Captagon-Tabletten aus der Bundesrepublik Deutschland nach Österreich verbracht und davon in der Folge in Feldkirch ca 10 Tabletten konsumiert, demnach Suchtgift eingeführt und besessen.
Rechtliche Beurteilung
Die von den Angeklagten dagegen aus der Z 10, von Peter B*** auch aus den Z 4 und 5 des § 281 Abs. 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden sind nicht begründet.
Der Verfahrensrüge (Z 4) des Angeklagten B*** zuwider konnte die Einvernahme des von ihm in der Hauptverhandlung beantragten Zeugen Reinhold H*** zum Beweis dafür, daß der Beschwerdeführer "keinen Tatbeitrag" (zum Verbrechen des Mitangeklagten M***) geleistet habe, ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten unterbleiben, weil dem für die Beurteilung der Relevanz einer Beweisaufnahme allein maßgeblichen (vgl SSt 41/71) Vorbringen in erster Instanz in keiner Weise zu entnehmen war, zu welchen konkreten Tatsachen der Zeuge befragt werden sollte. Die gegen die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen im Hinblick auf seine im Vorverfahren gemachten Angaben ins Treffen geführten Bedenken können im gegebenen Zusammenhang unbeachtet bleiben, weil das Schöffengericht diese Bekundungen zur Stützung des bekämpften Schuldspruchs nicht heranzog (siehe US 12 f).
Ähnliches gilt in Ansehung des Zeugen Peter S***, dessen Vernehmung darüber begehrt worden war, "unter welchen Voraussetzungen und Umständen das (den Beschwerdeführer belastende) Gedächtnisprotokoll vom 15.November 1987 zustande gekommen sei". Denn auch hier mangelte es im Zeitpunkt der Antragstellung an der erforderlichen Konkretisierung jener Umstände, über welche der Zeuge befragt werden sollte, weshalb sich auch dieses Beweisbegehren der Sache nach als unzulässiger Erkundungsbeweis darstellt, welcher Makel durch die in der Beschwerdeschrift nachgetragene Substantiierung nicht saniert werden kann.
Ein erörterungsfähiges konkretes Beweisthema läßt auch der Antrag auf "Einholung der Entbindung der Gendarmeriebeamten vom Amtsgeheimnis und deren neuerliche Vernehmung" vermissen; abgesehen davon wäre der Beschwerdeführer bei der gegebenen Sachlage - die betreffenden Beamten waren ja bereits einmal vernommen worden - gehalten gewesen, anzuführen, aus welchen Gründen erwartet werden könne, daß die neuerliche Befragung ein anderes, für ihn günstigeres Ergebnis zeitigen könnte. In gleicher Weise hat es der Angeklagte auch verabsäumt, aufzuzeigen, aus welchen Gründen durch die Beantwortung der vom erkennenden Gericht nicht zugelassenen, einzelne Details der Überwachungstätigkeit der das Tatgeschehen observierenden Beamten betreffenden Fragen deren grundsätzlich belastende Bekundungen hätten erschüttert werden können. Angesichts dieser unsubstantiierten, durch das nachträgliche Beschwerdevorbringen nicht heilbaren Antragstellung kann sohin auch in diesen Fällen von einer relevanten Schmälerung der Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers keine Rede sein. Daß dies mit Bezug auf den Antrag, "Sachbefund" darüber zu erheben, daß Captagon-Tabletten nicht den Bestimmungen des Suchtgiftgesetzes unterlägen, zutrifft, muß nicht weiter erläutert werden, weil es sich hiebei evidentermaßen um eine allein vom erkennenden Gericht zu beantwortende Rechtsfrage handelt. Nur der Vollständigkeit halber sei bereits an dieser Stelle klargelegt, daß die Eignung des in den Captagon-Tabletten enthaltenen Fenetyllin zum Deliktsobjekt nach dem Suchtgiftgesetz außer Zweifel steht (vgl SGV, Anhang IV; Anm zu § 1 SGV; Foregger-Litzka, SGG2, S 189 und 196). Dem Erstgericht ist ferner auch darin beizupflichten, wenn es die beantragte Vernehmung der Zeugen Emmi B*** und Herbert M*** bzw "Anfrage bei der H***-Bank Feldkirch und Einholung des betreffenden Zivilaktes des Landesgerichtes Feldkirch" als ungeeignet erachtet hat, Einfluß auf die Entscheidung der Strafsache zu üben. Denn daß der Angeklagte M*** drei Ringe von Emil B*** zum angeblichen Weiterverkauf übernommen bzw im Zuge seines Aufenthaltes im Familienanwesen in St.Gallenkirch mit seinem Bruder Herbert M. ein kurzes Gespräch über einen allfälligen Autokauf geführt hat, wurde vom Erstgericht ohnedies im Sinne des Antragsvorbringens als erwiesen angenommen und bedurfte sohin keines weiteren Beweises (siehe US 8); inwieweit aber durch die Vernehmung der nach der Aktenlage in das inkriminierte Tatvorhaben nicht eingeweihten Zeugen der Nachweis erbracht hätte werden können, daß dem Beschwerdeführer "vom beabsichtigten Heroingeschäft nichts bekannt gewesen" sei und er die Fahrt nach St.Gallenkirch ausschließlich wegen des erwähnten Fahrzeugverkaufes angetreten habe, ist dem Antragsvorbringen nicht zu entnehmen, hätte aber zufolge der evidenten Unwahrscheinlichkeit eines derartigen Beweisergebnisses einer besonderen Begründung bedurft (Mayerhofer-Rieder StPO2 § 281 Abs. 1 Z 4 EGr 19). Der unter Beweis gestellte Umstand schließlich, daß der Beschwerdeführer "die Kosten seines Lebensunterhalts ausschließlich aus Darlehen bzw Belastung seiner Liegenschaften deckte und auf allfällige Einkünfte aus Heroin nicht angewiesen war", schließt die Möglichkeit der Begehung der urteilsgegenständlichen Tat von vornherein in keiner Weise aus, sodaß auch durch die Abweisung dieses Beweisantrages ersichtlich Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht bbeinträchtigt werden konnten.
Ebensowenig begründet wie die Verfahrensrüge ist die Mängelrüge (Z 5) des Angeklagten B***, die der Sache nach durchwegs auf eine im schöffengerichtlichen Verfahren (nach wie vor) unzulässige Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung hinausläuft. Im einzelnen ist dem beizufügen, daß in Ansehung des Zeugen H*** formale Begründungsmängel in der Bedeutung des relevierten Nichtigkeitsgrundes nicht einmal andeutungsweise behauptet werden und daß die gegen die Richtigkeit der Aussage des Zeugen H*** vorgetragenen Bedenken schon deshalb auf sich beruhen können, weil das Erstgericht, wie bereits erwähnt, dieses Beweisergebnis zur Stützung des bekämpften Schuldspruches gar nicht herangezogen hat. Weshalb die Bezugnahme auf Angaben, die in einem "Kreuzverhör" zustandegekommen sind, in dessen Verlauf der Befragte "zusammengebrochen" ist, verfehlt sein soll, wird in der Beschwerde nicht weiter dargetan, wobei das Rechtsmittel in diesem Zusammenhang die Fülle jener Indizien, welche die Richtigkeit der ursprünglichen Verantwortung des Angeklagten M*** unterstützten (vgl US 12), völlig unberücksichtigt läßt.
Den sich auf das Gutachten des Beirates zur Bekämpfung des Mißbrauchs von Alkohol und anderen Suchtmitteln berufenden Subsumtionsrügen (Z 10) der Angeklagten, mit welchen sie die Ausschaltung der Qualifikation des § 12 Abs. 3 Z 3 SGG mit der Begründung anstreben, daß bei Heroin dem Tatbestandsmerkmal der "großen Menge" erst bei etwa 5 Gramm Reinsubstanz entsprochen werde und vorliegend das 25fache dieser Quantität nicht gegeben sei, genügt es zu erwidern, daß das genannte Gutachten lediglich ein nicht verbindliches Hilfsmittel für die Lösung der dem Gericht allein vorbehaltenen Rechtsfrage darstellt und daß der Oberste Gerichtshof in seiner ausführlich begründeten Grundsatzentscheidung vom 24.März 1987, 11 Os 18/87 (= RZ 1987/48 = EvBl 1988/3; im gleichen Sinne auch 14 Os 29/88 und 12 Os 56/88) insoweit unmißverständlich die Auffassung vertreten hat, daß die in den Beschwerden zitierte Mengenermittlung des genannten Beirates der Gefährlichkeit des Suchtgiftes Heroin nicht gerecht werde und daß bei gebührender Berücksichtigung der auch im Gutachten dargelegten medizinischen Erfahrungswerte die verbrechensqualifizierende Grenzmenge für das genannte Suchtgift nicht höher als mit 1,5 Gramm anzunehmen ist. Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies, daß die urteilsgegenständliche Menge von 51,9 Gramm Reinsubstanz Heroin das 25fache dieser Grenzmenge von 1,5 Gramm bei weitem überstiegen hat, weshalb der bekämpften Qualifikation kein Rechtsirrtum anhaftet. Nach dem Gesagten waren mithin die zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagten gemäß § 12 Abs. 3 SuchtgiftG (bei B*** unter Anwendung des § 28 StGB) Freiheitsstrafen in der Dauer von drei (M***) bzw zwei (B***) Jahren, wobei es als erschwerend bei M*** nichts und bei B*** das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen in Betracht zog. Als mildernd hielt es dagegen M*** das Geständnis, B*** die Leistung seines Tatbeitrages im Auftrag von M*** und beiden Angeklagten die bisherige Unbescholtenheit sowie ferner zugute, daß die (Haupt-)Tat beim Versuch geblieben ist.
Die Berufungen der beiden Angeklagten, mit denen sie Strafherabsetzung anstreben, sind nicht begründet.
Daß M*** zu seinem Verhalten durch einen Lockspitzel verleitet wurde, findet im Urteil keine Stütze und muß in Ansehung der Strafbemessung umso mehr auf sich beruhen, als M*** bereits im Besitz des Suchtgiftes und zu dessen Verkauf entschlossen war, als er von "Gerhard" angesprochen wurde (US 14). Andere zusätzliche Milderungsgründe werden von den Berufungswerbern nicht ins Treffen geführt und sind auch den Akten nicht zu entnehmen. Geht man aber von den tatrichterlichen Strafzumessungsgründen aus, dann erweisen sich bei dem anzuwendenden, bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe reichenden Strafsatz die geschöpften Unrechtsfolgen als durchaus tatschuldgerecht und mithin einer Ermäßigung unzugänglich. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E15136European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0140OS00078.88.0921.000Dokumentnummer
JJT_19880921_OGH0002_0140OS00078_8800000_000