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L94409 Krankenanstalt Spital Wien;Norm
ABGB §547;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Dkfm. DDr. W in W, vertreten durch Dr. Helmut Krenn, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stephansplatz 10, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 27. Juli 2000, Zl. MA 15-II-St 21/97, betreffend Vorschreibung von Pflegegebühren nach dem Wiener Krankenanstaltengesetz 1987, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 27. Juli 2000 wies die Wiener Landesregierung die rechtzeitig eingebrachten Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Zahlungsaufforderung des Magistrats der Stadt Wien vom 20. Februar 1997, mit der er zur Bezahlung der Pflegegebühren für Frau W. S. in der Höhe von S 13.600,-- aufgefordert wurde, gemäß §§ 52 und 54 des Wiener Krankenanstaltengesetzes 1987 (Wr. KAG) ab.
In der Begründung führte die Wiener Landesregierung aus, Frau W. S. habe sich vom 1. April bis zum 6. September 1993 in stationärer Pflege des Sozialmedizinischen Zentrums Ost der Stadt Wien befunden. Die Wiener Gebietskrankenkasse habe eine Kostenübernahme ab 21. August 1993 abgelehnt, weil ab diesem Zeitpunkt Asylierung im Sinne des § 144 Abs. 3 ASVG vorgelegen sei. Für diese Pflege seien Pflegegebühren in Höhe von S 13.600,-- aufgelaufen. Frau W. S. sei am 3. Dezember 1995 verstorben. Die aushaftenden Pflegegebühren in Höhe von S 13.600,-- seien zur Verlassenschaft angemeldet worden. Mit Zahlungsaufforderung vom 20. Februar 1997 sei dem Beschwerdeführer ein Betrag in Höhe von S 13.600,-- auf Grund seiner bedingten Erbserklärung nach Frau W. S. vorgeschrieben worden.
Nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens führte die Wiener Landesregierung aus, die Zahlungspflicht des Patienten nach § 52 Abs. 1 Wr. KAG hänge davon ab, ob der Sozialversicherungsträger Ersatz leiste, nicht jedoch, ob er dazu verpflichtet wäre. Das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung, die Wiener Gebietskrankenkasse solle die Pflegegebühren noch bis zum 3. September 1993 übernehmen, ginge ins Leere. Es bedürfe auch keiner besonderen Benachrichtigung des Patienten oder seiner Angehörigen, dass nach Ansicht des Sozialversicherungsträgers ab einem bestimmten Zeitpunkt ein Pflegefall vorliege. Aus der Aktenlage sei ersichtlich, dass die Asylierung ab 21. August 1993 vom Einschauarzt der Wiener Gebietskrankenkasse festgestellt worden sei. Dies sei von der Patientin am 3. September 1993 nachweislich zur Kenntnis genommen worden. Die Unterfertigung des Pflegeheimantrages sei zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt erfolgt, unabhängig von einer eventuell eintretenden Asylierung. Der Antrag auf Aufnahme in ein Pflegeheim bewirke lediglich, dass nach Ablehnung der Kostenübernahme durch den Sozialversicherungsträger wegen Asylierung ein Teil der auflaufenden Pflegegebühren vom Sozialhilfeträger übernommen werde. In Asylierungsfällen, in denen der Patient einer städtischen Krankenanstalt auf Transferierung in ein städtisches Pflegeheim warte, würden ab dem Zeitpunkt, ab dem die Krankenkasse nicht mehr zahle, nur mehr Beträge in Höhe des jeweiligen Pflegeentgeltes verrechnet. Der Beschwerdeführer sei bereits im Rahmen des Parteiengehörs darauf hingewiesen worden, dass die Ablehnung der Übernahme nur im Leistungsstreitverfahren mit dem Sozialversicherungsträger bekämpft werden könne, nicht aber im Verfahren über die Vorschreibung der Pflegegebühren.
Soweit der Beschwerdeführer in seiner Berufung ein Mitverschulden einer Krankenschwester an einer von Frau W.S. in der Krankenanstalt während des Aufenthalts erlittenen neuerlichen Fraktur ins Treffen führe, sei ihm zu entgegnen, dass dies nichts an der Verpflichtung des Patienten bzw. des Erben oder Rechtsnachfolgers zur Bezahlung der Pflegegebühren ändere. Die Verschuldensfrage und der Anspruch auf Schmerzensgeld wären auf dem Zivilrechtsweg zu klären.
Aus der Aktenlage sei ersichtlich, dass der Beschwerdeführer zur Verlassenschaft eine bedingte Erbserklärung abgegeben habe. Aus dem Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 30. April 1996 gehe hervor, dass ein Reinnachlass in Höhe von S 458.381,06 vorhanden gewesen sei. Die aushaftenden Pflegegebühren seien daher auf Grund der Höhe des Reinnachlasses dem Erben vorzuschreiben. Daraus ergebe sich die Vorschreibung der aushaftenden Pflegegebühren in Höhe von S 13.600,-- an den Beschwerdeführer als Erbe und Rechtsnachfolger von Frau W. S.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Beschwerdeführer machte von seinem Recht nach § 36 Abs. 8 zweiter Satz VwGG Gebrauch und erstattete eine "Beschwerdeergänzung".
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen des Wr. KAG lauten (auszugsweise):
"§ 52 (in der Fassung LGBl. Nr. 40/1989)
(1) Zur Bezahlung der Pflege- und Sondergebühren sowie der Kostenbeiträge ist der Patient, im Falle der Einweisung gemäß § 36 Abs. 4, letzter Satz, der Rechtsträger der Behörde verpflichtet. Soweit eine andere physische oder juristische Person auf Grund gesetzlicher Vorschriften Ersatz zu leisten hat, haftet diese im Rahmen ihrer Ersatzverpflichtung mit dem Patienten zur ungeteilten Hand. Ist der Patient sozialversichert, ist er zur Bezahlung der Pflege- und Sondergebühren nur soweit verpflichtet, als der Sozialversicherungsträger auf Grund des ASVG, anderer Gesetze bzw. von Verträgen dem Rechtsträger der Krankenanstalt keinen Ersatz leistet.
...
(3) Für die Einbringung der Pflege- und Sondergebühren sowie der Kostenbeiträge gelten die Vorschriften des § 54.
§ 53 (in der Fassung LGBl. Nr. 13/1997)
(1) Die öffentlichen Krankenanstalten sind verpflichtet, für die eheste Einbringung der Pflege- und Sondergebühren sowie der Kostenbeiträge zu sorgen.
(2) Wenn ein Patient, seine unterhaltspflichtigen Angehörigen, der Versicherte oder die Begleitperson (§ 37 Abs. 2) zur Zahlung verpflichtet sind, dürfen die Pflegegebühren, die Sondergebühren sowie die Kostenbeiträge für die voraussichtliche Pflegedauer, höchstens jedoch für jeweils 28 Tage, vom Zahlungspflichtigen im Vorhinein eingehoben werden.
(3) Die Pflege- und Sondergebühren sowie die Kostenbeiträge für die in einer angegliederten Krankenanstalt untergebrachten Patienten oder Begleitpersonen (§ 37 Abs. 2) sind von der Hauptanstalt (§ 33) einzubringen.
§ 54 (in der Fassung LGBl. Nr. 40/1989)
(1) Die Pflege- und Sondergebühren sowie Kostenbeiträge sind mit dem Entlassungstag des Patienten, dem Tag der jeweiligen Ambulatoriumsbehandlung oder am letzten Tage des Aufenthaltes einer Begleitperson (§ 37 Abs. 2) abzurechnen; der Zahlungspflichtige ist unverzüglich gemäß Abs. 2 zur Zahlung der Pflege- und Sondergebühren sowie Kostenbeiträge aufzufordern. Bei länger dauernder Pflege kann die Abrechnung auch mit dem letzten Tag jedes Pflegemonats erfolgen. Die Gebühren und Beiträge sind mit dem Tag der Aufforderung fällig. Nach Ablauf von sechs Wochen ab dem Fälligkeitstag können gesetzliche Verzugszinsen verrechnet werden.
(2) Zur Einbringung der Pflege- und Sondergebühren sowie der Kostenbeiträge ist eine Zahlungsaufforderung auszufertigen. ...
(3) Gegen die Zahlungsaufforderung stehen dem Zahlungspflichtigen (Abs. 2) Einwendungen zu. Diese können binnen zwei Wochen nach Zustellung der Zahlungsaufforderung bei der Stelle, die die Zahlungsaufforderung erlassen hat, schriftlich oder mündlich erhoben werden. Diese Stelle hat die Einwendungen und ihre Stellungnahme dem Magistrat vorzulegen.
(4) Über die Einwendungen entscheidet der Magistrat als Bezirksverwaltungsbehörde.
(5) Werden gegen die Zahlungsaufforderung keine Einwendungen erhoben oder wird den Einwendungen nicht stattgegeben, ist der Anspruch vollstreckbar. Die Zahlungsaufforderung gilt in diesem Fall als Rückstandsausweis.
(6) Auf Grund des Rückstandsausweises für Pflege- und Sondergebühren sowie für Kostenbeiträge einer öffentlichen Krankenanstalt ist die Vollstreckung im Verwaltungsweg zulässig, wenn die Vollstreckbarkeit vom Magistrat als Bezirksverwaltungsbehörde bestätigt wird.
..."
2. Die Beschwerde ist unbegründet.
2.1. Die Zahlungspflicht von Patienten öffentlicher Krankenanstalten ist durch das Wr. KAG abschließend geregelt. Die Verpflichtung des Patienten bzw. seines Rechtsnachfolgers zur Bezahlung der Pflegegebühren ergibt sich unmittelbar aus § 52 Abs. 1 Wr. KAG. Bei der Verpflichtung zur Bezahlung der Pflegegebühren handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Schuld (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 5. August 1997, Zl. 95/11/0351, mwN).
2.2. Entgegen dem Beschwerdevorbringen findet das Rechtsinstitut der Verjährung im Beschwerdefall keine Anwendung, weil im Wr. KAG keine Verjährung des Anspruchs auf Pflegegebühren vorgesehen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2001, Zl. 2000/11/0304, zum Fall von Sondergebühren, sowie bereits früher das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1993, Zl. 93/11/0006; vgl. auch die ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, zB. VfSlg 12.197/1989). Die Verjährung des Anspruchs auf Pflegegebühren im Beschwerdefall kann entgegen dem Beschwerdevorbringen auch nicht im Auslegungsweg aus § 54 Abs. 1 erster Satz, letzter Halbsatz Wr. KAG abgeleitet werden, weil es zwar zutrifft, dass nach dieser Bestimmung der Zahlungspflichtige "unverzüglich" zur Zahlung der Pflege- und Sondergebühren sowie Kostenbeiträge aufzufordern ist, die Bestimmung aber keinen Hinweis darauf bietet, dass eine nicht unverzügliche Aufforderung - anders als etwa in § 107 Abs. 2 ASVG -
den Anspruchsverlust mit sich bringen könnte.
2.3. Soweit der Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Bescheid ins Treffen führt, er selbst sei nie Patient der in Rede stehenden Krankenanstalt gewesen, zeigt er eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ebenfalls nicht auf. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt der Erbe eines verstorbenen Patienten, sobald er die Erbschaft angenommen hat, in Rücksicht auf diese den Erblasser vor und wird mit dem Erblasser in Beziehung auf einen Dritten (hier: den Rechtsträger der Krankenanstalt) für eine Person gehalten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. Dezember 1971, Zl. 1461/71, vom 1. Oktober 1974, Zl. 707/73, und vom 28. Februar 1985, Zlen. 81/08/0131, 0159 (=Slg Nr. 11.686/A)).
Auch in seiner späteren Judikatur (vgl. zB. das bereits erwähnte hg. Erkenntnis Zl. 95/11/0351) hat der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken gegen die Vorschreibung der Pflegegebühren an Erben von verstorbenen Patienten nach Antritt ihrer Erbschaft geäußert, soferne die Patienten ihrerseits zur Bezahlung der Pflegegebühren verpflichtet waren.
2.4. Soweit der Beschwerdeführer schließlich versucht, dem öffentlich-rechtlichen Pflegekostenersatzanspruch einen privatrechtlichen Schadenersatzanspruch (Schmerzensgeldanspruch) der verstorbenen Patientin W.S. aufgrund einer am 28. Mai 1993 erlittenen Fraktur compensando entgegen zu halten, ist ihm zu entgegnen, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der öffentlich-rechtliche Pflegegebührenanspruch eines Krankenanstaltenträgers gegen den Pflegling nicht an die Erfüllung des Behandlungsvertrages gebunden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 1996, Zl. 93/11/0240) und es jedenfalls dem mit den Regelungen der §§ 52 ff Wr. KAG über die Einbringung von Pflege- (Sonder-)gebühren erkennbar verfolgten Zweck widerspräche, die Einbringung der Gebühren durch öffentliche Krankenanstalten zu erleichtern, würde man in strittigen Fällen das behördliche Verfahren zur Durchsetzung des Gebührenanspruchs gegenüber dem Pflegling mit der vorfrageweisen Beurteilung von Schadenersatzansprüchen des Pfleglings belasten, die wie im Beschwerdefall weder gerichtlich festgestellt noch unbestritten sind, weshalb es dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden kann, derartiges beabsichtigt zu haben.
2.5. Da es nach § 52 Abs. 1 Wr. KAG, wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Judikatur (vgl. erneut das hg. Erkenntnis Zl. 95/11/0351) betont, allein darauf ankommt, ob der Sozialversicherungsträger tatsächlich Ersatz von Pflegegebühren leistet, nicht jedoch, ob er dazu verpflichtet wäre (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 16. November 2004, Zl. 2002/11/0245), die Nichtleistung des Ersatzes durch die Wiener Gebietskrankenkasse im strittigen Zeitraum in der Beschwerde unbestritten ist und der Beschwerdeführer auch den ihm vorgeschriebenen Betrag der Höhe nach nicht in Zweifel zieht, erweist sich nach den bisherigen Darlegungen die Vorschreibung dieses Betrages an ihn als Erben der zahlungspflichtigen verstorbenen Patientin W. S. nicht als rechtswidrig.
Die Beschwerde war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 29. September 2005
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Organisationsrecht Justiz - Verwaltung Verweisung auf den Zivilrechtsweg VwRallg5/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2000110232.X00Im RIS seit
04.11.2005