TE OGH 1988/9/22 7Ob607/88

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Veröffentlicht am 22.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erwin S***, Landwirt, Iringsdorf 7, vertreten durch Dr. Manfred Pochendorfer, Rechtsanwalt in Ried i.I., wider die beklagte Partei B*** G*** H***, Maria Schmolln, vertreten

durch Dr. Walter Ratt, Rechtsanwalt in Mauerkirchen, wegen S 50.000,-- und Wiederherstellung (Streitwert S 700.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 8. März 1988, GZ 12 R 103/87-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Ried i.I. vom 29. Mai 1987, GZ 2 Cg 199/86-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird im Umfang der Anfechtung der Abweisung des Zahlungsbegehrens zurückgewiesen. Im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 16.369,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.488,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Maria Schmolln vom 30. Mai 1984 wurde für den zu errichtenden Güterweg "Holzhäusler" eine Beitragsgemeinschaft gebildet, der auch der Kläger angehört. Der Kläger behauptet, daß die Trasse des Güterweges mit 3,5 m projektiert gewesen sei. Er habe sich bereit erklärt, den für die vorgesehene Trasse erforderlichen Grund kostenlos abzutreten. Tatsächlich sei jedoch der Güterweg mit einer Breite von 4,5 m und teilweise mit einer Breite von 6 m errichtet worden. Im Zuge des Baues seien 23 Bäume auf seinem Waldgrundstück geschlägert worden. Die ungehinderte Zufahrt zu seinem Grundstück sei ihm zugesichert worden. Tatsächlich sei jedoch die Zufahrt derart verändert worden, daß sie anstelle einer Steigung von ursprünglich nur ca. 10 % nunmehr eine solche von ca. 20 % aufweise. Dadurch sei sein Grundstück um mindestens 50 % entwertet worden. Der Kläger begehrt Schadenersatz von S 50.000,-- für die geschlägerten Bäume und die Wiederherstellung des früheren Zustandes des Zufahrtsweges, letzteres unter Einräumung einer Lösungsbefugnis von S 700.000,--. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen fand am 2. Mai 1984 eine Verhandlung über die Neuerrichtung des Güterweges "Holzhäusler" und die Bildung einer Beitragsgemeinschaft statt. In der Projektbeschreibung war für die Haupttrasse eine Kronenbreite von 4,5 m, für die Zufahrten eine solche von 3,5 m und für die in Abständen von ca. 200 m zu errichtende Ausweichen eine Kronenbreite von 5,50 m vorgesehen. Bereits mit Grundabtretungsprotokoll vom 15. Dezember 1978 hatten die Liegenschaftseigentümer erklärt, den erforderlichen Grund kostenlos und lastenfrei abzutreten. Die auf der vorgesehenen Wegtrasse befindlichen Bäume sollten vom Eigentümer oder von der Bauleitung ohne Anspruch auf Entschädigung entfernt werden. Bei Aufnahme des Protokolls war der Kläger allerdings nicht anwesend. Der Kläger erklärte bei der Verhandlung am 2. Mai 1984 sein Einverständnis zum Güterwegprojekt und nahm das Verhandlungsergebnis zustimmend zur Kenntnis. Er erklärte sich bereit, den für die Verbreiterung des Güterweges erforderlichen Grund kostenlos und lastenfrei abzutreten. Durch die Verbreiterung des Güterweges war es notwendig, auf dem Grundstück des Klägers befindliche Bäume zu fällen. Johann R***, der Obmann der beklagten Partei, teilte dem Kläger mit, daß das Holz auch aufgearbeitet werde und der Kläger das Holz nur mehr abtransportieren müsse. Insgesamt mußten etwa 9 Bäume des Klägers mit 5 bis 6 fm Holz beseitigt werden. Die Bäume befinden sich zum Teil noch im Wald: Wer einen Teil abtransportiert hat, konnte nicht festgestellt werden. Der Güterweg weist im Bereich der Liegenschaft des Klägers eine beschotterte Breite von 4 m auf. Im Bereich des geschaffenen Holzlagerplatzes ist eine beschotterte Fläche in einer Breite von 5,5 m vorhanden. Anschließend an den Holzlagerplatz (Fahrtrichtung Mauerkirchen) mündet senkrecht nach links ein Waldweg in das Grundstück des Klägers ein, der auf eine Länge von etwa 30 m beschottert ist und eine Steigung von ca. 20 % aufweist. Anschließend beträgt die Steigung über eine Strecke von rund 30 m etwa 14 % und über eine weitere Strecke von 120 m rund 10 %. Im letzten Bereich des Weges, der in einem Jungwald endet, beträgt die Steigung wieder 20 %. Die Gesamtlänge des Weges beträgt rund 230 m. Vor der Neutrassierung des Güterweges war für den Waldweg nur ein Auffahrtstrichter in Fahrtrichtung Mauerkirchen vorhanden. Die ersten 20 bis 30 m ab der Einfahrt sind noch steiler verlaufen als nach der Neutrassierung. Durch den Ausbau des Güterweges ist es nunmehr möglich, aus beiden Fahrtrichtungen zu- und abzufahren. Bei der Steigung von ca. 20 % ist die Auffahrt auch mit Traktoren möglich. Die frühere Waldauffahrt war gegenüber der jetzigen schlechter, weil sie schmäler und für Langholzfuhren ungeeignet war.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes habe die beklagte Partei bei der Fällung der Bäume nicht rechtswidrig gehandelt. Der Kläger habe sich zur kostenlosen Abtretung des für die vorgesehene Verbreiterung des Güterweges erforderlichen Grundes bereit erklärt. Von dieser Einwilligung seien auch die auf dem abgetretenen Grund befindlichen Bäume erfaßt gewesen. Daß der Güterweg über die vorgesehene Projektbreite hinaus errichtet worden sei, sei nicht erwiesen. Mangels eines rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens der beklagten Partei stehe dem Kläger ein Anspruch auf Schadenersatz nicht zu. Da die Zufahrt zum Waldgrundstück des Klägers vor der Verbreiterung des Güterweges annähernd die gleiche Steigung aufgewiesen habe wie nachher und die Behauptung einer ursprünglichen Steigung von bloß 10 % sich als unrichtig erwiesen habe, sei auch das Wiederherstellungsbegehren nicht berechtigt. Durch die Erweiterung der Zufahrtsmöglichkeit habe das Grundstück des Klägers nicht nur keine Wertminderung, sondern vielmehr eine Werterhöhung erfahren.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch dessen Rechtsansicht. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes schon nach der Geldsumme, die der Kläger anstelle der begehrten Wiederherstellung anzunehmen sich erboten habe, S 300.000,-- übersteigt.

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Klägers ist im Umfang der Anfechtung der Bestätigung der Abweisung des Zahlungsbegehrens unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 502 Abs. 3 ZPO ist die Revision gegen ein bestätigendes Urteil des Berufungsgerichtes unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld oder Geldeswert den Betrag von S 60.000,-- nicht übersteigt. Wenn in einer Klage mehrere Ansprüche geltend gemacht werden, ist bei Beurteilung, inwieweit sie Gegenstand einer bestätigenden Entscheidung des Berufungsgerichtes waren, zu prüfen, ob diese Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht, wenn jeder der mehreren Ansprüche für sich unabhängig von dem anderen nicht bestehen kann oder wenn die Forderungen aus einer gemeinsamen Tatsache oder aus einem gemeinsamen Rechtsgrund entstanden sind. Für den rechtlichen Zusammenhang gilt dabei als Kriterium, daß die Ansprüche aus einer Gesetzesstelle abgeleitet werden oder miteinander in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches Schicksal haben kann oder wenn ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den mehreren Ansprüchen nicht besteht (MietSlg. 34.768 mwN). Im vorliegenden Fall begehrte der Kläger den Zuspruch von S 50.000,-- aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes mit der Behauptung, die beklagte Partei habe über die einvernehmlich erfolgte Grundabtretung hinaus den Güterweg verbreitert und 23 Bäume des Klägers geschlägert. Seinen Anspruch auf Wiederherstellung der Zufahrt zu seinem Grundstück mit einer Steigung von nur 10 % gründet der Kläger auf eine Zusage der beklagten Partei. Beide Ansprüche werden auf verschiedene Rechtsgründe gestützt und können ein ganz verschiedenes rechtliches Schicksal haben. Es besteht zwischen ihnen auch kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang. In Ansehung des Zahlungsbegehrens liegt somit eine nach § 502 Abs. 3 ZPO unanfechtbare Entscheidung des Berufungsgerichtes vor.

Im Umfang der Anfechtung der Bestätigung der Abweisung des Begehrens auf Wiederherstellung ist die Revision des Klägers nicht berechtigt.

Der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor

(§ 510 Abs. 3 ZPO).

Bei der nach den Bestimmungen des Oberösterreichischen Landesstraßenverwaltungsgesetzes, die als Normen des öffentlichen Rechtes dem Verwaltungsrecht angehören, gebildeten beklagten Beitragsgemeinschaft handelt es sich um eine Zwangsgemeinschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit (SZ 47/21). Da eine Entscheidung der Vorinstanzen über die Zulässigkeit des Rechtsweges nicht vorliegt, ist vorerst diese Frage zu prüfen. Bei Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend. Es kommt auf die Natur des erhobenen Anspruchs an. Ohne Einfluß ist es hingegen, was die beklagte Partei einwendet oder ob der behauptete Anspruch begründet ist: Es kommt nur darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (RZ 1984/18 mwN). Im vorliegenden Fall beruft sich der Kläger hinsichtlich seines Wiederherstellungsbegehrens auf eine ihm im Zuge des Verwaltungsverfahrens über die Errichtung des Güterweges gegebene Zusage (auf ein Übereinkommen). Ein im Zuge des Verwaltungsverfahrens getroffenes gütliches Übereinkommen stellt einen Privatrechtstitel dar, sodaß zur Entscheidung über den erhobenen Anspruch auf Zuhaltung der behaupteten Zusage die Gerichte berufen sind (JBl. 1979, 547; VwGHSlg. 3014 A). Die Vorinstanzen haben jedoch zutreffend den behaupteten Anspruch des Klägers verneint. Es fehlt zwar eine Feststellung darüber, ob die vom Kläger mit dem an die Gemeinde Maria Schmolln gerichteten Schreiben vom 26. Juni 1985 verlangte Zusage von der beklagten Partei gemacht wurde. Die Vorinstanzen haben jedoch nicht als erwiesen angenommen, daß die Zufahrt zum Grundstück des Klägers ursprünglich nur eine Steigung von 10 % aufwies und im Zuge der Verbreiterung des Güterweges auf 20 % geändert wurde. Aus den Feststellungen ergibt sich vielmehr, daß die Steigung ursprünglich größer war und dem Kläger nach Verbreiterung des Güterweges nicht nur die ungehinderte Zufahrt zu seinem Grundstück möglich ist, sondern daß die Zufahrtsmöglichkeit sogar verbessert wurde. Eine allenfalls gegebene Zusage der beklagten Partei wäre dann aber ohnehin erfüllt. Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der beklagten Partei gebührt Kostenersatz aber nur auf der Basis eines Streitwertes von S 700.000,--, weil sie auf die Unzulässigkeit der Revision hinsichtlich des Teilanspruches auf Zahlung nicht hingewiesen hat und insoweit die Revisionsbeantwortung daher einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht dienlich war.

Anmerkung

E15482

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00607.88.0922.000

Dokumentnummer

JJT_19880922_OGH0002_0070OB00607_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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