Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22.September 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Manquet als Schriftführers in der Strafsache gegen Rudolf H*** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 22.Juni 1988, GZ. 6 c Vr 2707/88-66, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen A II und B sowie im Ausspruch über die Verhängung einer Freiheitsstrafe gemäß § 28 StGB., § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. und in dem auf § 13 Abs. 1 SuchtgiftG. gestützten Einziehungsausspruch aufgehoben und die Sache gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte hierauf verwiesen.
Text
Gründe:
Der am 25.Mai 1956 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Rudolf H*** ist des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG., auch in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB., und des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SuchtgiftG. schuldig erkannt worden. Darnach hat er in Wien Suchtgifte in großer Menge in Verkehr gesetzt (A I) bzw. in Verkehr zu setzen getrachtet (A II), nämlich zwischen November 1987 und Anfang März 1988 durch Verkauf von mindestens drei Kilogramm Haschisch an unbekannte Abnehmer sowie an Viktor J*** (A I) und am 8.März 1988 durch Bereithalten eines Suchtgiftvorrats von 115 Gramm Haschisch zum Verkauf an nicht ausgeforschte Abnehmer (A II) sowie zwischen November 1987 und 8.März 1988 Haschisch und Kokain erworben und besessen (B).
Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte aus § 281 Abs. 1 Z. 5, 5 a, 9 lit. a und 10 StPO. mit Nichtigkeitsbeschwerde. Die Mängelrüge (Z. 5) wirft dem Erstgericht unzureichende, weil nicht nachvollziehbare Begründung des Schuldspruchs A I für die Annahme des beweismäßig nicht gedeckten Suchtgiftverkaufs vor. Von einer offenbar unzureichenden Begründung kann aber keine Rede sein, weil das Schöffengericht die Erkenntnisquellen für die Ablehnung der die Suchtgiftweitergabe bestreitenden Verantwortung des Beschwerdeführers hinreichend dargelegt hat. Darnach fußt der angefochtene und denkrichtig begründete Ausspruch hauptsächlich auf der Aussage des Wolfgang P***, wonach der Angeklagte für ihn Suchtgiftverkäufe durchgeführt hat (S. 140, 147 in Verbindung mit S. 371).
Mit seiner auf die divergierenden Angaben des Wolfgang P*** hinweisenden Tatsachenrüge (Z. 5 a) zielt der Angeklagte darauf ab, die Glaubwürdigkeit der ihn belastenden Darstellungen des Genannten in Frage zu stellen. Er übersieht aber mit seinem Vorbringen, daß die Würdigung eines Beweismittels durch die Tatrichter der Anfechtung aus diesem Nichtigkeitsgrund entzogen ist (12 Os 40/88; 14 Os 41/88; 14 Os 62/88 u.a.). Soweit sich der Beschwerdeführer dagegen wendet, daß das Erstgericht den bezüglichen Feststellungen nicht die von P*** zunächst vor der Polizei und dann in der Hauptverhandlung vom 22.Juni 1988 behauptete (geringere) Suchtgiftmenge von 400 Gramm zugrundegelegt hätte und daraus Bedenken abzuleiten trachtet, bekämpft er nach der Art einer Schuldberufung abermals die schöffengerichtliche Beweiswürdigung, macht aber keine Verletzung der Pflicht des Gerichts zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit infolge Übergehung irgendwelcher Teile des Akteninhalts geltend (vgl. 11 Os 44/88, 12 Os 53/88, 13 Os 68/88).
Rechtliche Beurteilung
Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt jedoch Berechtigung zu, soweit zum Schuldspruch A II ein Feststellungsmangel in bezug auf das versuchte Inverkehrsetzen von 115 Gramm Haschisch releviert wird. Das Gericht stellte hiezu fest, daß der Beschwerdeführer die erwähnte Suchtgiftmenge zum Verkauf an nicht ausgeforschte Abnehmer in seiner Wohnung bereitgehalten hätte (S. 379, 383 f.). Maßgebend für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungshandlung und Versuch (§ 15 Abs. 2 StGB.) ist eine dem Plan des Täters entsprechende ausführungsnahe Handlung (Leukauf-Steininger2, RN. 6 ff. zu § 15 StGB.). Ob das Verhalten im unmittelbaren Vorfeld der Tatbestandsverwirklichung liegt, ist anhand der dem jeweiligen Tatbild entsprechenden Ausführungshandlung zu prüfen. Der eine Subsumtion unter § 14 a SuchtgiftG. anstrebenden Rechtsrüge (Z. 10) ist sonach einzuräumen, daß die bloße Feststellung, aufbewahrtes Suchtgift verkaufen zu wollen (S. 379, 383, 384), zu einer Verurteilung wegen versuchten Inverkehrsetzens mangels Ausführungsnähe nicht ausreicht. Hiezu wäre vielmehr die weitergehende Feststellung vonnöten gewesen, daß es sich um eine (im Sinn des § 15 StGB. ausführungsnahe) Zwischenlagerung des in nächster Zeit an bekannte Abnehmer abzusetzenden Suchtgifts handelte
(LSK. 1975/74 = EvBl. 1975/283 = SSt. 46/22; EvBl. 1979/73;
LSK. 1981/33 = EvBl. 1981/104; JBl. 1986, 601). Eine den Urteilsannahmen zufolge nicht auszuschließende Bevorratung von Rauschgift, das zu noch ungewissen Zeitpunkten in Verkehr gesetzt werden sollte, wäre dagegen nur eine Vorbereitungshandlung in bezug auf das - darnach ebenso ungewisse - Inverkehrsetzen (Foregger-Litzka2, Suchtgiftgesetz S. 31 f.). Für die vom Beschwerdeführer angestrebte Beurteilung in der Richtung des § 14 a SuchtgiftG. wäre Voraussetzung, daß - mit Verbreitungsvorsatz - eine "große Menge" (§ 12 Abs. 1 SuchtgiftG.) besessen oder erworben worden wäre, was hier nicht der Fall war (siehe Urteilsspruch). Schließlich erweist sich auch der weitere rechtliche Beschwerdeeinwand (Z. 9 lit. a), der Schuldspruch wegen des Vergehens (B) verstoße gegen die im § 16 Abs. 1 SuchtgiftG. enhaltene Subsidiaritätsklausel ("wer außer den Fällen der §§ 12 und 14 a ......"), weil den Schuldsprüchen A und B dieselben Suchtgiftmengen zugrundelägen, als begründet. In der Tat folgt aus der Subsidiaritätsklausel, daß eine Beurteilung des Erwerbs und Besitzes von Suchtgift als Vergehen nach § 16 Abs. 1 SuchtgiftG. neben dem Verbrechenstatbestand des § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. ausgeschlossen ist, wenn das betreffende, vom Täter erworbene und in seinem Besitz gewesene Rauschgift zu dem schon vom Schuldspruch nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. erfaßten Suchtgift gehörte. Den Entscheidungsgründen kann indes nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnommen werden, daß der Angeklagte, der offenbar selbst kein Haschisch, sondern, wenn überhaupt Suchtgift, nur Kokain für den Eigengebrauch behielt (S. 378, 379, 383), über die für die Weitergabe bestimmte Haschischmenge hinaus noch Rauschgift solcher Art erworben und besessen hat, weshalb die vorhandenen Feststellungen den Schuldspruch wegen § 16 Abs. 1 SuchtgiftG. nicht tragen können.
Die aufgezeigten Feststellungsmängel lassen eine verläßliche Beurteilung des inkriminierten Sachverhalts nicht zu, weshalb in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde die Aufhebung der Schuldsprüche A II und B sowie der Aussprüche über die Verhängung der Freiheitsstrafe gemäß § 28 StGB., § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. sowie der Einziehung gemäß § 13 Abs. 1 SuchtgiftG. und die Verfahrenserneuerung im Umfang der Aufhebung anzuordnen waren. Im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde als offenbar unbegründet bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO.).
Mit seiner Berufung war der Angeklagte hierauf zu verweisen. Die Aussprüche über die Verhängung einer Wertersatzstrafe gemäß § 13 Abs. 2 SuchtgiftG., über die Vorhaftanrechnung (§ 38 Abs. 1 StGB.) und den Kostenersatz (§ 389 StPO.) blieben, von der Aufhebung unberührt, aufrecht.
Anmerkung
E15602European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0130OS00129.88.0922.000Dokumentnummer
JJT_19880922_OGH0002_0130OS00129_8800000_000