Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22.September 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Manquet als Schriftführers in der Strafsache gegen Heinrich S*** wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 15, 127, 129 Z. 1 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde, die Berufungen und die Beschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 10.Mai 1988, GZ 3 b Vr 14.371/86-76, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung wegen Strafe und die damit sachlich zusammenhängende Beschwerde nach § 494 a Abs 4 StPO. werden die Akten gemäß § 285 i StPO. dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet (§ 494 a Abs 5 StPO.).
Text
Gründe:
Der am 6.Jänner 1962 geborene Heinrich S*** wurde (im zweiten Rechtsgang) des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127 und 129 Z. 1 StGB. schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien am 18.November 1986 durch Einschlagen der Glastüre des Supermarkts der Firma Johann B*** Ges.m.b.H. (A & O Supermarkt), um dort einzusteigen, fremde bewegliche Sachen, nämlich Geld und Lebensmittel mit dem Vorsatz wegzunehmen getrachtet, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs 1 Z. 5, 5 a, "9" und 10 StPO.
Zur Mängelrüge (Z. 5):
Daß sich die Polizeibeamten L*** und B*** am Tag ihrer gerichtlichen Einvernahme (10.Mai 1988) an den "konkreten Vorfall" oder an Einzelheiten ihrer Amtshandlung am 18.November 1986 nicht mehr erinnern konnten, bedurfte als nahezu zwingende Folge des Zeitablaufs keiner gesonderten Erwähnung im Urteil. Kein erörterungsbedürftiger Widerspruch findet sich in der Aussage der Zeugin D***, die einerseits bekundete, sie glaube, daß das Loch in der Glastür so groß gewesen sei, daß man in das A & O Geschäft einsteigen konnte, andrerseits aussagte, es seien zur Zeit ihres Erscheinens am Tatort weder Splitter noch die zerbrochene Scheibe vorhanden gewesen. Gleichviel, die Zeugin hat den von ihr deponierten Eindruck gewonnen, was allemal der Beweiswürdigung unterliegt.
Nicht entscheidend ist, daß das im A & O Geschäft vorhanden gewesene Bargeld in einem Safe aufbewahrt war und daß Kleider, in welchen sich allenfalls Geld befand, in einem - offenbar versperrten - Spind befanden; denn dem Beschwerdeführer wird zur Last gelegt, aus dem Supermarkt stehlenswerte Gegenstände, insbesonders Geld sowie Waren aus dem Angebot des Geschäfts, wegzunehmen versucht zu haben. Er konnte den Diebstahl nicht vollenden, weil er bereits nach dem Eintreten der Tür vom Zeugen P*** gesehen wurde und daher flüchtete. Daß sich in dem Supermarkt stehlenswerte Waren befanden, steht außer Zweifel; daß das Geld in einem Safe und in einem Spind verwahrt war, schließt nicht aus, daß der Einbrecher - wäre er unentdeckt
geblieben - zumindest den Spind aufbrechen und sich das darin befindliche Geld aneignen hätte können.
Die teilweise Wiedergabe der Aussage des Zeugen P*** in der Rechtsmittelschrift läßt nicht erkennen, worin der Nichtigkeitswerber eine relevante Urteilsunvollständigkeit erblickt; dieses Vorbringen ist sonach einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich.
Die Beschwerdebehauptung, eine Reihe von zitierten Feststellungen (S. 365) sei vom Erstgericht unzureichend oder gar nicht begründet worden, erweist sich schlichtweg als falsch. Der Rechtsmittelwerber ist hier, sofern seine Ausführungen überhaupt in verständlicher Weise vorgebracht werden, auf die ausdrücklichen Erwägungen des Urteils (S. 335-338) zu verweisen. Die unsachliche gleichwie polemische Behauptung, das Erstgericht habe unbegründet festgestellt, ein Kieshaufen eigne sich nicht zur Verrichtung der Notdurft, erweist sich als aktenwidrig, weil das Schöffengericht eine derartige Feststellung überhaupt nicht getroffen hat (vgl. S. 336).
Zur Tatsachenrüge (Z. 5 a):
Heinrich S*** behauptet, es bestünden erhebliche Bedenken dagegen, daß er die Scheibe bei A & O eingeschlagen habe. Nach eingehender Prüfung der zu diesem Nichtigkeitsgrund vorgebrachten Einwände und des Akteninhalts gelangt der Oberste Gerichtshof zur Überzeugung, daß sich - bei Bedacht auf § 258 Abs 2 StPO. - gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen keine erheblichen Bedenken ergeben.
Zu den Rechtsrügen:
Nicht gesetzmäßig ausgeführt ist die Nichtigkeitsbeschwerde, sofern sie die Gründe des § 281 Abs 1 Z. "9" und 10 StPO. releviert. Der Angeklagte behauptet, ausgehend von der Tatsachenfeststellung, daß er die Scheibe eingeschlagen und sich dann entfernt habe, es hätte ihm entweder tätige Reue zugebilligt werden müssen oder er hätte lediglich wegen "boshafter Sachbeschädigung" verurteilt werden dürfen.
Die prozeßordnungsgemäße Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrunds setzt voraus, daß der festgestellte Urteilssachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz verglichen wird. Vorliegend negiert der Beschwerdeführer die Konstatierungen des Schöffengerichts, daß er nach dem Einschlagen der Glasscheibe den Tatort deswegen verlassen hat, weil er vom Zeugen P*** gesehen wurde (S. 334 f.). Der Nichtigkeitswerber reklamiert für sich den Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue (richtig wohl jenen des Rücktritts vom Versuch gemäß § 16 StGB., weil tätige Reue im Sinn des § 167 StGB. nur bei Diebstahlsvollendung begrifflich in Frage kommt). Aus der erwähnten übergangenen Urteilsannahme folgt jedoch unzweideutig, daß der Rücktritt vom Versuch infolge Entdeckung durch einen Dritten und sonach keineswegs freiwillig zustandekam. Sofern der Rechtsmittelwerber die Subsumierung seiner Tat als Sachbeschädigung begehrt, übersieht er die Konstatierung, daß er die Glastür des Supermarkts mit Diebstahlsvorsatz eintrat, sodaß für eine Beurteilung der Tat als bloße Sachbeschädigung kein Raum ist. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils gemäß § 285 d Abs 1 Z. 2 StPO. als offenbar unbegründet, teils nach Z. 1 dieser Gesetzesstelle i.V.m. § 285 a Z. 2 StPO. als nicht gesetzmäßig ausgeführt, bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen. Ihr Schicksal teilt die angemeldete Berufung, allerdings nur punkto Nichtigkeit und Schuld, weil diese Rechtsmittel nach der Strafprozeßordnung gegen schöffengerichtliche Urteile nicht vorgesehen sind.
Anmerkung
E15329European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0130OS00085.88.0922.000Dokumentnummer
JJT_19880922_OGH0002_0130OS00085_8800000_000