TE OGH 1988/9/22 13Os130/88

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Veröffentlicht am 22.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.September 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichthofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Manquet als Schriftführers in der Strafsache gegen Viktor J*** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 19. (offenbar 29.) Juni 1988, GZ 6 b Vr 4536/88-16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Der zuletzt keiner Beschäftigung nachgegangene, am 27.Mai 1956 geborene Viktor J*** ist des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG (A) und des Vergehens nach § 16 Abs 1 SuchtgiftG (B) schuldig erkannt worden. Darnach hat er in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider zwischen November 1987 und März 1988 durch den Verkauf von mindestens vier Kilogramm Haschisch an zahlreiche unbekannt gebliebene Personen dieses Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt (A) und ab einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt des Jahrs 1984 bis zum 8.März 1988 Haschisch wiederholt erworben und besessen (B).

Rechtliche Beurteilung

Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte aus § 281 Abs 1 Z. 5, 5 a und "9" StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde.

Als Begründungsmangel (Z. 5) wird zunächst gerügt, daß nur Gründe für die Glaubwürdigkeit der den Angeklagten belastenden Depositionen des Zeugen P***, nicht aber für die Unglaubwürdigkeit der Verantwortung des Angeklagten, lediglich 100 bis 150 Gramm Haschisch von P*** bezogen zu haben, angeführt worden seien. Indes: Abgesehen davon, daß sich das Gericht mit der Einlassung des Angeklagten unter deren aktengetreuer Wiedergabe ohnedies argumentativ auseinandergesetzt hat (S. 232 f.), verkennt der Beschwerdeführer den Umfang und die Grenzen der Begründungspflicht des Gerichts. Dieses hat gewiß alle für und wider den Angeklagten vorgeführten Beweismittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen (§ 258 Abs 2 StPO), muß aber deshalb nicht im einzelnen begründen, weshalb es die Aussage eines Zeugen, nicht aber die Verantwortung des Angeklagten für glaubwürdig hält; denn entscheidend ist der persönliche Eindruck, der sich aber in den für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit entscheidenden Nuancierungen oft nicht in Worten wiedergeben läßt und damit einer verbalen Erfassung entzieht. Hat das Gericht, wie hier, mit einer aktengetreuen und in sich geschlossenen Begründung die Tatsachen festgestellt, die einen logischen Schluß auf die Täterschaft des Angeklagten zulassen, stellt auch die behauptete Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" nur eine Bekämpfung der Beweiswürdigung dar.

Wenn das Gericht vermeint, der Zeuge P*** habe sich von allem Anfang an selbst belastet und sei diesbezüglich bereits rechtskräftig verurteilt worden, eine fälschliche Belastung des Angeklagten durch ihn sei daher unwahrscheinlich (S. 233), dann liegt auch darin ein Akt freier Beweiswürdigung, dem die Beschwerde mit der Version von einer möglichen Deckung unbekannter Zwischenhändler durch eine wahrheitswidrige Belastung anderer Abnehmer mit höheren Suchtgiftmengen nur spekulativ begegnet (S. 247). Daß P*** seinerseits in dem gegen ihn geführten Strafverfahren bloß auf Grund der ihm nachgewiesenen Einkaufsmengen, nicht aber auf Grund des von ihm in Verkehr gesetzten Suchtgiftquantums schuldig erkannt worden sei und sein Geständnis mit dem Umfang der ihm nachgewiesenen Einkaufsmengen jeweils sukzessiv erweitert habe - so die Beschwerde -, steht zu den den Schuldspruch A tragenden Feststellungen in keinem erörterungsbedürftigen Widerspruch.

Wie der Nichtigkeitswerber selbst einräumt (S. 248), ist die einzige über sein Geständnis hinausgehende Mengenangabe der im Urteil verwerteten Zeugenaussage des Wolfgang P*** zu entnehmen, der angab, dem Angeklagten vier bis fünf Kilogramm Haschisch übergeben zu haben (S. 11, 137 in Verbindung mit S. 225; S. 224). Daß diese Konstatierung ohne Begründung geblieben sei, trifft sohin nicht zu. Den Haschischbezug von H*** hat der Angeklagte selbst eingestanden (S. 117 in Verbindung mit S. 225; S. 222). Daß der Angeklagte vier bis fünf Kilogramm Haschisch von P*** bezogen und davon mindestens vier Kilogramm durch Verkauf an zahlreiche unbekannt gebliebene Personen gewinnbringend in Verkehr gesetzt hat (S. 232 oben), ist eine im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung aus dem Erwerb dieses Suchtgifts, das ja beim Angeklagten nicht zustandegebracht wurde (S. 234), gezogene Schlußfolgerung des Gerichts, die als Grundlage des Schuldspruchs A zu akzeptieren ist, denn eine Urteilsbegründung muß nicht auf logisch zwingenden Ableitungen beruhen. Auch in freier Beweiswürdigung gezogene Wahrscheinlichkeitsschlüsse sind zur Begründung von Tatsachenfeststellungen geeignet, sofern nur den solcherart getroffenen Konstatierungen die richterliche Überzeugung von der Richtigkeit der "wahrscheinlichen" Tatsachen im Sinn des § 258 Abs 2 StPO zugrundeliegt. Eine Beschränkung auf geradezu zwingende Beweise wäre mit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht vereinbar (Mayerhofer-Rieder2 ENr. 26 bis 31 a bei § 258 StPO; ENr. 149 bei § 281 Abs 1 Z. 5 StPO; zuletzt 13 Os 91/88). P*** hat die Frage, ob er in der gegen ihn selbst geführten Verhandlung die Gewichtsangaben wieder verändert habe, als Zeuge nur hinsichtlich H*** unter Berufung auf einen gegen ihn geübten Druck bejaht, sonst aber, also insbesondere auch hinsichtlich des Angeklagten, ausdrücklich verneint (S. 224, 225). Einer von der Beschwerde vermißten Erörterung dieses Verfahrensergebnisses bedurfte es daher mangels Entscheidungsrelevanz nicht. Daß der Angeklagte Haschisch von P*** in 200 bis 250 Gramm schweren Laibchen übernommen habe - so die Beschwerde (S. 249) -, wird im Urteil nicht festgestellt. Die Vermutung des Gerichts, daß der beim Angeklagten sichergestellte Betrag von genau 5.000 S dem weiteren Drogenankauf dienen sollte, ist im Beweisverfahren gedeckt (S. 43, 115, 125 in Verbindung mit S. 225), für diesen Schuldspruch aber nicht entscheidend.

Daß schließlich das von H*** erworbene Suchtgift (B) nicht unter den weitergegebenen Rauschgiftquanten (A) enthalten ist, ergibt sich unmißverständlich aus der Konstatierung, daß der Angeklagte zumindest vier Kilogramm des von P*** bezogenen Suchtgifts gewinnbringend in Verkehr gesetzt hat ("davon ..."; S. 232).

Der Rüge nach Z. 5 a zuwider bestehen keine Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen. Die Beschwerde erschöpft sich hiezu mit dem Hinweis auf die Unglaubwürdigkeit des Zeugen P***, der falsch ausgesagt habe, in einer gegen Urteile von Kollegialgerichten nach wie vor unzulässigen Schuldberufung. Ein Hinweis auf Aktenstellen, die bei der Erforschung der materiellen Wahrheit unbeachtet geblieben wären und "erhebliche" Bedenken hinsichtlich der entscheidenden Sachverhaltsfeststellungen deutlich machen könnten (vgl. 11 Os 44/88, 12 Os 53/88, 13 Os 68/88, 13 Os 95,96/88), findet sich in der Beschwerde nicht.

Die undifferenziert "§ 281 Zif. 9 StPO" zitierende Rechtsrüge setzt sich mit der Behauptung, das Urteil sei "rechtswidrig, weil es infolge unrichtiger Anwendung des Gesetzes keine Feststellungen über die Vorwerfbarkeit der Tat enthält", und erst bei Konstatierungen über die Schuldfrage hätte beurteilt werden können, ob der Beschwerdeführer die unter Anklage gestellten Delikte verwirklicht habe (S. 250), über den klaren Schuldspruch (S. 229: "ist schuldig ...") hinweg und entbehrt damit einer gesetzmäßigen Ausführung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO). Über die Berufung des Angeklagten wird das Oberlandesgericht Wien zu befinden haben (§ 285 i StPO).

Anmerkung

E15125

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0130OS00130.88.0922.000

Dokumentnummer

JJT_19880922_OGH0002_0130OS00130_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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