Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22.September 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer (Berichterstatter) und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Manquet als Schriftführers in der Strafsache gegen Anton P*** und Thomas S*** wegen des Verbrechens des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Anton P*** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengerichts vom 18.April 1988, GZ 35 Vr 4065/87-41, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Jerabek, und des Angeklagten Anton P***, jedoch in Abwesenheit seines ordnungsgemäß geladenen Verteidigers Dr. Beck, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten Anton P*** die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 31.Juli 1967 geborene Koch Anton P*** wurde des Verbrechens des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB. schuldig erkannt. Darnach hat er mit dem zugleich rechtskräftig abgeurteilten Kellner Thomas S*** am 12.November 1987 in Innsbruck die gemeinsame Ausführung von Raubtaten verabredet. Sie beschlossen, nachgenannte Personen zu überfallen, wobei sie ihnen unter Verwendung einer Waffe Geldbeträge in unbekannter Höhe bzw. ein Sturmgewehr mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz wegnehmen bzw. abnötigen wollten, und zwar
1.
Angestellte der Wechselstube am Hauptbahnhof in Innsbruck;
2.
einen Streifenposten in der Kaserne in Absam;
3.
Angestellte eines SPAR-Geschäfts in Thaur und
4.
eine Straßenpassantin in Innsbruck.
Anton P*** erhebt eine auf § 281 Abs 1 Z. 5 a, 9 lit a und 9 lit b StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerdeausführungen zur Tatsachenrüge (Z. 5 a) sind nicht geeignet, sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Urteilsfeststellung aufzuzeigen, daß der Beschwerdeführer zur Begehung der in Rede stehenden Raubtaten ernstlich entschlossen war. Der Einwand, diese Feststellung "gehe am Inhalt der Akten und der unwiderlegten Verantwortung des Beschwerdeführers vorbei", richtet sich in Wahrheit lediglich gegen die schlüssige Erwägung des Schöffensenats, der uneingeschränkt geständigen und den Beschwerdeführer massiv belastenden Verantwortung des Mitangeklagten S*** Glauben zu schenken und der zuletzt leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers eben diese Glaubwürdigkeit zu versagen. Auf dessen Schuldbekenntnis vor dem Untersuchungsrichter nach Belehrung über den Tatbestand (S. 31 a) wurde gar nicht zurückgegriffen. Im übrigen wäre nicht einzusehen, weshalb gegen eine Belehrung durch einen Richter irgendwelche, geschweige denn erhebliche Bedenken obwalten sollten. Als urteilsfremd erweist sich das Vorbringen der auf Z. 9 lit a gestützten Rechtsrüge. Der Beschwerdeführer geht unter Vernachlässigung der ausdrücklich entgegengesetzten Urteilsannahmen davon aus, daß er bei der Verabredung der Raubtaten jeweils "Vorbehalte" gemacht habe und zu deren gemeinsamen Begehung nicht (ernstlich) entschlossen gewesen wäre. Derart wird die behauptete unrichtige rechtliche Beurteilung jedoch nicht, wie dies eine prozeßordnungsgemäße Darstellung jedes materiellen Nichtigkeitsgrunds erfordert, aus einem Vergleich des festgestellten Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz abgeleitet. Gleiches gilt zum überwiegenden Teil auch für die auf Z. 9 lit b gestützte Rechtsrüge, mit welcher der Beschwerdeführer den Strafaufhebungsgrund des § 277 Abs 2 StGB. für sich in Anspruch nimmt. Während er betreffend das Faktum 3 (SPAR-Geschäft), der Sache nach erneut in Geltendmachung der Z. 9 lit a, entgegen dem Urteilsinhalt jeden deliktischen Vorsatz in Abrede stellt, leitet er den angeführten Strafaufhebungsgrund in den Fakten 1 und 2 (Wechselstube, Streifenposten) aus dem Umstand ab, daß die rege Betriebsamkeit auf dem Tatort (1) und das Nichterscheinen des Wachpostens während fünfzehn Minuten (2) zum Unterbleiben der Raubüberfälle führte. Abgesehen davon, daß damit noch keine freiwillige Verhinderung im Sinne des § 277 Abs 2 StGB. behauptet wird, übergeht dieses Vorbringen, daß festgestelltermaßen auch die erkannte mangelnde Effektivität der mitgeführten Waffen bzw. das (einer erfolgversprechenden Flucht hinderliche: siehe Angabe des Mitangeklagten S*** S. 14) übersichtliche Tatortgelände maßgebend für die Unterlassung der Ausführung gewesen sind. Daß dieser Urteilssachverhalt nicht berücksichtigt wird, bewirkt abermals die Prozeßordnungswidrigkeit der Rechtsrüge.
Zwar gesetzmäßig ausgeführt, indes unbegründet ist schließlich das Begehren nach Annahme der freiwilligen Verhinderung des Raubüberfalls im Faktum 4 (Passantin). Als Mittel der Verhinderung "auf andere Art" (§ 277 Abs 2 StGB.) kommt auch
der - freiwillige - Rücktritt von der verabredeten Tat in Betracht (Foregger-Serini3 S. 568 Punkt III). Sind mehrere Komplottanten im Spiel, so müssen zwecks Herstellung des Strafaufhebungsgrunds alle zurücktreten, weil man sonst nicht von "Verhinderung" sprechen könnte. Die Freiwilligkeit der Verhinderung ist aber nur dann gegeben, wenn die Komplottanten die Vorstellung haben, die Ausführung ihres Vorhabens sei noch möglich (Foregger-Serini a. a.O.). Sehen sich die Täter auf Grund der Situation jedoch außerstande, das Ziel plangemäß zu erreichen, so kommt eine freiwillige Abstandnahme von der Tatausführung nicht in Frage (SSt. 52/40 u.a.). Dies gilt umsomehr dann, wenn die Ausführung, wie im vorliegenden Fall, nur deshalb unterblieben ist, weil die als Raubopfer ausgewählte Frau plötzlich die Straße verlassen und ein Haus betreten hat, womit den Angeklagten die Verwirklichung der ins Auge gefaßten Tat unmöglich erschien.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zu verwerfen. Dieses Schicksal teilt die eine Strafreduktion anstrebende Berufung des Anton P***, der nach §§ 28, 277 Abs 1 StGB. zu einer zehnmonatigen, gemäß § 43 Abs 1 StGB. für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Strafe verurteilt worden ist. Als erschwerend wurden dazu genannt: die wiederholte Tatbegehung, als mildernd: die Unbescholtenheit, das Alter unter 21 Jahren, das Geständnis sowie die untergeordnete Beteiligung an der Tat. Der vom Berufungswerber reklamierte Milderungsgrund des § 34 Z. 2 StGB. wurde vom Erstgericht unter dem Begriff Unbescholtenheit genannt und gewertet. P*** war nach den Urteilsfeststellungen (S. 219) mit dem Tatvorschlag des S*** sofort einverstanden. Der Milderungsgrund des § 34 Z. 4 StGB. liegt somit mangels Einwirkung, Furcht oder Gehorsam nicht vor, ebensowenig jener nach § 34 Z. 7 StGB. (Unbesonnenheit), weil absprachegemäß vier völlig gleichgelagerte Straftaten verabredet wurden; dies abgesehen davon, daß bei einem in einer "Verabredung" bestehenden Delikt eine Unbesonnenheit überhaupt kaum möglich erscheint.
Die verhängte Strafe ist sonach tat- und tätergerecht.
Anmerkung
E15148European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0130OS00094.88.0922.000Dokumentnummer
JJT_19880922_OGH0002_0130OS00094_8800000_000