TE OGH 1988/9/22 7Ob649/88 (7Ob650/88)

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Veröffentlicht am 22.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei

R*** V*** reg. Genossenschaft m.b.H., Voitsberg,

Conrad von Hötzendorfstraße 5, vertreten durch Dr. Jürgen Hadler, Rechtsanwalt in Voitsberg, wider die beklagten Parteien

1.) Elisabeth M***, Gastwirtin, und 2.) Kurt K***, Pensionist, beide Graz, Bergstraße 42 a, vertreten durch Dr. Otmar Franiek, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 300.000,-- und S 500.000,-- s.A., infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 11. Mai 1988, GZ 2 R 99, 100/88-28, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Handelsgerichtes vom 16. Februar 1988, GZ 8 Cg 44/87-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1.) den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Soweit sich die Revision gegen den Zuspruch von

S 300.000,-- s.A. (8 Cg 44/87 des Landesgerichtes für ZRS Graz als Handelsgerichtes) richtet, wird sie zurückgewiesen.

2.) zu Recht erkannt:

Spruch

Im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 18.278,86 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.661,71 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hat der Erstbeklagten ein Darlehen gewährt. Der Zweitbeklagte ist dieser Vereinbarung als Bürge und Zahler beigetreten. Im Abstattungskreditvertrag hatte sich die Erstbeklagte verpflichtet, den jeweiligen Schuldbetrag zu dem von der Kreditgeberin jeweils festgesetzten Zinsfuß (damals 8,5 % p.a.) zu verzinsen und bei Zahlungsverzug überdies Verzugszinsen in der von der Kreditgeberin jeweils festgesetzten Höhe, damals 7 % p.a., zu entrichten. Die Erstbeklagte hat den Kreditvertrag vor Unterfertigung durchgelesen und auch erklärt bekommen. Sie wurde in zahlreichen Gesprächen auf Änderungen des Zinsniveaus hingewiesen. Schon in einem Versäumungsurteil vom 11. April 1984, 2 C 122/84, des Bezirksgerichtes Voitsberg waren 11,5 % Zinsen und 5 % Überziehungszinsen enthalten. Auf diese Zinsen wurde von der Klägerin sogar gesondert Exekution durch Zwangsversteigerung einer Liegenschaft geführt.

Der Zweitbeklagte hat sich in einem Bürgschaftsvertrag den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Kreditgebers unterworfen und die von ihm geführten Handelsbücher und Auszüge für die Höhe der bestehenden Forderungen als Beweis anerkannt. Das erwähnte Versäumungsurteil war gegen beide Beklagte gerichtet. In der diesem Urteil zugrundeliegenden Klage hatte die Klägerin auf die Zinsenvereinbarung verwiesen und vorgebracht, daß derzeit ein Anspruch von 11,5 % Zinsen und 5 % Überziehungszinsen bestehe. Ebenso wurde in einer weiteren, beiden Beklagten zugestellten Klage, die zu einem Versäumungsurteil führte, auf eine nunmehrige Zinsenhöhe von 13 % samt 10 % Überziehungszinsen p.a. verwiesen. Über diese Klage erging ebenfalls ein Versäumungsurteil. Auch zur Hereinbringung dieser Zinsen wurde Exekution geführt. Allerdings wurde dann aufgrund einer neuen Vereinbarung mit den Beklagten die Exekution eingestellt und auf den bisherigen Exekutionstitel verzichtet. Der Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens war ein Anbot der Beklagten vom 9. März 1985 vorausgegangen, in dem diese monatliche Raten aber auch die Zahlung der rückständigen Zinsen (11,5 % und 5 % Überziehungszinsen p.a.) zusagten. Den Beklagten war damals bekannt, daß die Klägerin für den Kredit derzeit 11,5 % Zinsen p.a. verrechnet. Die Klägerin modifizierte das Anbot der Beklagten nur bezüglich der Höhe eines rückständigen Betrages, worauf die Beklagten das modifizierte Anbot annahmen. Irgendwelche Vorbehalte bezüglich der Zinsen wurden nicht gemacht. Die Klägerin hat in der Folge auch immer die bankmäßigen Zinsen verrechnet, wobei sie unter anderem einmal der Erstbeklagten mitteilte, daß ab 1. Jänner 1987 die Primärrate auf 9 % p.a. gesenkt werde.

Die von der Klägerin jeweils in Rechnung gestellten Zinsen entsprachen den banküblichen Zinssätzen.

Mit der Behauptung, die Erstbeklagte sei mit ihren Zahlungsverpflichtungen in Verzug geraten, weshalb sie den gesamten Kredit fälliggestellt habe, begehrte die Klägerin vorerst zu 8 Cg 44/87 des Landesgerichtes für ZRS Graz S 300.000,-- samt Anhang und dann zu 8 Cg 269/87 des Landesgerichtes für ZRS Graz die Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages über S 500.000,-- s.A. In beiden Klagen wurde die Behauptung aufgestellt, die klägerische Forderung übersteige in Wahrheit S 800.000,--, es werde vorläufig nur ein Teilbetrag geltend gemacht.

Die Vorinstanzen haben dem Klagebegehren stattgegeben. Einen Zulassungsausspruch hat das Berufungsgericht mit der Begründung als entbehrlich erachtet, daß sich beide Klagen auf das gleiche Kreditverhältnis stützen und im übrigen gemäß § 55 Abs. 3 JN der gesamte noch offene Kredit maßgebend wäre.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berfungsgericht im wesentlichen aus, die getroffene Zinsenvereinbarung verstoße nicht gegen die guten Sitten.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich die Revision gegen die zu 8 Cg 44/87 des Landesgerichtes für ZRS Graz ergangene Entscheidung (Zuspruch von S 300.000,-- s.A.) richtet, ist sie nicht zulässig. Im übrigen ist sie nicht gerechtfertigt.

1.) Zu der Revision betreffend die zu 8 Cg 289/87 des Landesgerichtes für ZRS Graz eingebrachte Klage:

Die Mängelrüge betrifft ausschließlich angebliche Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens, deren Vorliegen das Berufungsgericht bereits verneint hat. Das neuerliche Aufrollen dieser Frage in der Revision ist daher unzulässig (SZ 27/4, EvBl 1969/263 u.a.). Im übrigen unternehmen die Beklagten sowohl mit der Mängelrüge als auch zum Teil mit der Rechtsrüge den unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen. Auf diesen Teil der Revision ist daher nicht mehr weiter einzugehen. Daß die von der Klägerin in Rechnung gestellten Zinsen dem banküblichen Zinssatz entsprochen haben und daß sie von der Klägerin auch richtig errechnet worden sind, wurde von den Vorinstanzen festgestellt. Ferner wurde festgestellt, daß insbesondere die Erstbeklagte mehrfach ausdrücklich auf die getroffene Zinsenvereinbarung hingewiesen worden ist. Sowohl ihr als auch dem Zweitbeklagten war die Variabilität der Zinsen bekannt. Vor allem aus dem Schreiben der Beklagten vom 9. März 1985 ergibt sich eindeutig, daß sie sich der Berechtigung der Klägerin, die Zinsen den jeweils banküblichen anzupassen, bewußt waren. Bei der Zinsenvereinbarung handelt es sich daher nicht um eine Vereinbarung, die lediglich aus allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern, die von der Klägerin verwendet wurden, abgeleitet worden sind, sondern um eine Vereinbarung, die Gegenstand ausdrücklicher Besprechungen zwischen den Vertragspartnern waren. Der Vertragspartner des Verwenders allgemeiner Vertragsbedingungen kann sich aber auf die Nichtigkeit ungewöhnlicher Klauseln, die er bei Vertragsabschluß nicht erkannt hat, die aber im Zuge der Vertragserfüllung zur Sprache kamen und nachträglich von ihm ausdrücklich oder schlüssig akzeptiert wurden, nicht mehr berufen (RdW 1987, 406).

Im übrigen ist objektiv ungewöhnlich im Sinne des § 864 a ABGB eine Klausel nur, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht. Es muß sich also um eine Klausel handeln, mit der der Vertragspartner nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte. Der Klausel muß ein Überrumplungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnen (RdW 1987, 406).

Im vorliegenden Fall waren die Zinsenvereinbarungen einerseits Gegenstand ausdrücklicher Besprechungen. Sie wichen andererseits nicht von jenen Erwartungen ab, die bei einem von einer Bank Kredit nehmenden Vertragspartner vorauszusetzen sind. Demnach kann von einer Nichtigkeit der Zinsenvereinbarung nach § 864 a ABGB keine Rede sein.

Welche andere gesetzliche Bestimmung eine Nichtigkeit der Zinsenvereinbarung bewirken hätte sollen, ist nicht ersichtlich und wird von den Beklagten in der Revision auch nicht ausgeführt. Der oben erwähnte Teil der Revision ist demnach nicht gerechtfertigt.

2.) Zu der Revision betreffend das zu 8 Cg 44/87 des Landesgerichtes für ZRS Graz ergangene Urteil:

Gemäß § 502 Abs. 4 ZPO sind gegen bestätigende Entscheidungen mit einem Streitwert, der an Geld oder Geldeswert S 300.000,-- nicht übersteigt, Revisionen nur nach Maßgabe der Z 1 zulässig. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes übersteigt der Streitwert der erwähnten Klage nicht S 300.000,--. Eine Zusammenrechnung mit dem in der zweiten Klage eingeklagten Geldbetrag kommt nicht in Frage, weil die beiden Verfahren lediglich zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden und die Streitwerte verbundener Rechtssachen nie zusammenzurechnen sind (JBl. 1984, 554 u.a.).

Der Hinweis des Berufungsgerichtes auf § 55 Abs. 3 JN übersieht, daß diese Bestimmung für die Streitwertberechnung nach § 500 Abs. 4 ZPO nicht gilt. Hier kommt es lediglich auf jenen Streitwert an, der Gegenstand der Entscheidung des Berufungsgerichtes war (6 Ob 690/86, 5 Ob 541/80, JBl. 1975, 493 u.a.).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß betreffend die hier erwähnte Klage ein Ausspruch im Sinne des § 500 Abs. 2 Z 3 ZPO entbehrlich war, ist also nicht zutreffend.

Übersteigt bei bestätigenden Entscheidungen der Wert des Streitgegenstandes nicht S 300.000,--, so darf gemäß § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO die Entscheidung des Berufungsgerichtes nur angefochten werden, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes oder des Verfahrensrechtes abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Wie bereits oben dargelegt wurde, ist das hier nicht der Fall. Die Revision enthält zum überwiegenden Teil eine nicht gesetzgemäß ausgeführte Verfahrensrüge. Die einzige von der Revision angeschnittene Rechtsfrage wurde von der Judikatur bereits im oben aufgezeigten Sinn gelöst. Daraus ergibt sich aber, daß die Revision, weil der Oberste Gerichtshof gemäß § 508 a Abs. 1 ZPO bei der Prüfung der Zulässigkeit an den Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs. 3 ZPO nicht gebunden ist, auf keinen Fall zulässig wäre. Eine allfällige Zurückstellung der Sache an das Berufungsgericht zur Nachholung eines Ausspruches nach § 500 Abs. 3 ZPO wäre daher ein rein formaler Schritt ohne praktische Konsequenz. Da § 500 Abs. 3 ZPO nicht den Zweck verfolgt, sinnlose, rein formelle Schritte zu unternehmen, ist eine Revision, der die Zulassungsvoraussetzungen des § 502 Abs. 4 ZPO fehlen, trotz fehlenden Ausspruches nach § 500 Abs. 3 ZPO vom Obersten Gerichtshof sofort zurückzuweisen, weil eine Ergänzung des fehlenden Ausspruches an dem Ergebnis der Zurückweisung nichts ändern kann (8 Ob 1001/84). Die erwähnte Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Der Klägerin waren auch Kosten für ihre Ausführungen zu der unzulässigen Revision zuzusprechen, weil sie auf dessen Unzulässigkeit hingewiesen hat.

Anmerkung

E16259

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00649.88.0922.000

Dokumentnummer

JJT_19880922_OGH0002_0070OB00649_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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