TE OGH 1988/9/22 8Ob613/88

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Veröffentlicht am 22.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch, Dr.Huber, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Klara Maria M***, geb. F***, Raumpflegerin, Bürgle 3 a, 6850 Dornbirn, vertreten durch Dr.Josef Spiegel und Dr.Martin Spiegel, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider den Antragsgegner Josef Hellmuth M***, Pensionist,

Forachstraße 98 b, 6850 Dornbirn, vertreten durch Dr.Armin Rhomberg, Rechtsanwalt in Lustenau, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens gemäß §§ 81 f EheG, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 1.Juni 1988, GZ 1 a R 247/88-42, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 22.Dezember 1987, GZ F 21/86-27, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen

Entscheidung in die erste Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Streitteile schlossen am 16.August 1952 die Ehe, der fünf Kinder entstammen. Mit dem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 27. August 1985 wurde die Ehe gemäß § 55 EheG geschieden. Es wurde ausgesprochen, daß den Antragsgegner das alleinige Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft. Die Elternrechte hinsichtlich eines noch mj. Kindes stehen der Antragstellerin zu. Der Antragsgegner ist zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 2.000,-- verpflichtet.

Die Antragstellerin beantragte die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens im Verhältnis 60 : 40 zu ihren Gunsten. Der Antragsgegner stellte keine Anträge, sondern bestritt bloß das Vorbringen der Antragstellerin.

Das Erstgericht ordnete die Übertragung des Hälfteanteiles des Antragsgegners an den Liegenschaften EZ 7933 und EZ 9525 KG Dornbirn an die Antragstellerin an, so daß diese Alleineigentümerin der Liegenschaften wurde. Die Rückzahlung eines Kredites von S 70.000,-- trug es beiden Teilen auf. Eine weitere Kreditschuld von 2mal S 36.000,-- habe die Antragstellerin zu begleichen; ein restlicher Schuldenbetrag von S 2.126,-- sei vom Antragsgegner zu bezahlen. Außerdem sprach es der Antragstellerin die gesamten Verfahrenskosten von S 130.030,02 zu.

Folgender Sachverhalt wurde festgestellt:

Mit dem Schenkungsvertrag vom 13.Jänner 1955 erhielten die Streitteile je zur Hälfte von den Eltern des Antragsgegners das Grundstück 5726/2 in EZ 7933 Grundbuch Dornbirn und errichteten darauf ein Einfamilienhaus. Hiefür wurde vorwiegend Abbruchmaterial verwendet. Die Arbeiten wurden hauptsächlich in Eigenregie geleistet. Am 27.September 1963 erhielten die Streitteile je zur Hälfte von den Eltern des Antragsgegners einen weiteren Grundstücksteil und die Liegenschaft EZ 9525 Grundbuch Dornbirn mit dem Grundstück 5728/2. Der Antragsgegner arbeitete zunächst "in verschiedenen Baugeschäften". Die Antragstellerin war in den ersten Jahren der Ehe als Näherin und später als Aushilfskellnerin berufstätig. Seit dem Jahr 1969 ist sie Raumpflegerin. Im Jahre 1986 erzielte sie ein durchschnittliches Einkommen von nahezu S 7.000,--. Die Antragstellerin besorgte den gesamten Haushalt und betreute die im gemeinsamen Haushalt wohnenden Kinder.

Von 1957 bis 1982 betrieb der Antragsgegner ein Tiefbauunternehmen und beschäftigte hiebei bis zu 35 Mitarbeiter. Aufgrund eines im Februar 1982 erlittenen Unfalles wurde er arbeitsunfähig und gab bald danach sein Unternehmen auf. Er bezieht eine Pension von etwa S 10.000,-- pro Monat und eine Unfallrente von monatlich ca. S 1.700,--. Er hat eine Unfallsabfindung von mindestens S 800.000,-- erhalten und für sich verwendet. Schon ab dem Jahre 1959 begann der Antragsgegner, "ein flottes Leben zu führen": Er war nur mehr selten zu Hause, hielt sich öfters in Gasthäusern auf und wandte sich anderen Frauen, insbesonders seiner späteren Lebensgefährtin Gisela S*** (und nunmehrige Ehegattin) zu; diese lernte er im Jahre 1961 kennen. Im Herbst 1961 zog er aus der Ehewohnung aus und lebt seither mit Gisela S*** zusammen. Sie haben gemeinsam fünf Kinder, wovon das älteste am 11. Juni 1962 und das jüngste am 22.August 1972 geboren wurde. Ab dem Jahre 1963 lebte der Antragsgegner mit Gisela S*** zunächst in einer an der Forachstraße erstellten Baubaracke. Schließlich erstellte er auf einem Nachbargrundstück ein Einfamilienhaus, in welches er etwa 1980/82 mit seiner neuen Familie übersiedelte.

Nach der Aufhebung der Ehegemeinschaft zwischen den Parteien leistete der Antragsgegner seiner Ehegattin keinen Unterhalt mehr. Für die gemeinsamen Kinder bezahlte er nur bescheidene Unterhaltsbeiträge.

Im Jahre 1964 kaufte der Antragsgegner die Liegenschaft EZ 9650 GSt 9306/4 zum Kaufpreis von S 50.000,-- und erstellte darauf zwei Baubaracken. Eine davon wurde von ihm, Gisela S*** und deren Familie bewohnt. Außerdem errichtete er auf dieser Liegenschaft eine Garage für einen Teil seines Fuhrparkes. Diese Liegenschaft, von der das Grundstück 9306/9 im Ausmaß von 700 m2 abgeschrieben wurde, verkaufte er im Jahre 1986 zum Preis von S 450.000,--. Der Wert des Grundstückes samt Garage beträgt derzeit S 300.000,--. Das abgeschriebene Grundstück 9306/9, das einen Verkehrswert von S 455.000,-- hat, verkaufte er im Jahre 1984 um S 500.000,--. Am 16.Mai 1972 kaufte der Antragsgegner das Grundstück 9306/5 in EZ 12.151 um S 49.275,--. Von dieser Liegenschaft wurde das Grundstück 9306/8 im Ausmaß von 928 m2 abgeschrieben. Im Jahre 1980 verkaufte der Antragsgegner die neu gebildete Gp 9306/5 (1044 m2) zur Gänze seiner damaligen Lebensgefährtin Gisela S***. Auf diesem Grundstück wurde von beiden ein Bungalow erstellt. Über den Wert dieses Grundstückes konnte das Erstgericht keine Feststellungen treffen, weil der Antragsgegner darüber keine Angaben machte und eine Schätzung verhinderte. Außerdem verkaufte der Antragsgegner seiner damaligen Lebensgefährtin die Hälfte des Grundstückes 9306/8 (928 m2). Der Gesamtkaufpreis (GSt 9306/5 und 9306/8) betrug S 180.000,--. Die Liegenschaft 9306/8 in EZ 12.152 hat jedoch einen Verkaufswert von S 603.200,--.

Das Haus Bürgle Nr. 3 a, Bp 4180 (Schenkung der Eltern des Antragsgegners) hat einen Verkehrswert von S 1,050.000,--. Auf dieser Liegenschaft haftet ein Pfandrecht von restlich S 40.078,40. Die monatlichen Rückzahlungen von S 564,90 werden von der Antragstellerin geleistet. Auf dem Anteil der Antragstellerin ist noch eine offene Forderung von S 22.685,50 sichergestellt. Die monatlichen Rückzahlungsraten von S 2.100,-- werden von der Antragstellerin getragen. Auf dem Anteil des Antragsgegners ist ein Pfandrecht von S 2.126,-- eingetragen. Die besicherte Schuld ist noch offen. Das Grundstück 5728/2 in EZ 9525 Grundbuch Dornbirn hat einen Verkehrswert von S 38.460,--.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß die Antragstellerin Anspruch auf die Hälfte des Gesamtvermögens von S 2,390.860,-- habe. Durch die Zuweisung des Hälfteeigentums an den genannten Liegenschaften erhalte sie nur Werte von S 1,088.460,--. Die Kreditschuld von S 70.000,-- sei für Reparaturarbeiten am Haus begründet worden; beide Parteien hätten daher zur Rückzahlung zu gleichen Teilen beizutragen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners nicht Folge. Es sprach aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Aufgrund anders gelagerter Erwägungen gelangte das Rekursgericht zu dem gleichen Ergebnis wie das Erstgericht:

Für die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens gelte als Stichtag der Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Es sei jedoch zu bedenken, daß nach dem Auszug des Antragsgegners aus der Ehewohnung die eheliche Gemeinschaft noch nicht zur Gänze aufgelöst war. Der Antragsgegner sei immer wieder in die Ehewohnung zurückgekehrt; es sei dabei auch zu geschlechtlichen Beziehungen gekommen. Die Antragstellerin habe in dieser Zeit durch ihren Konsumverzicht einen weiteren Beitrag zu dem vom Antragsgegner erworbenen Vermögen erbracht. Der Antragsgegner sei im Grunde genommen mit der Übertragung der genannten Liegenschaften in das Alleineigentum der Antragstellerin einverstanden gewesen. Es sei zu berücksichtigen, daß die Antragstellerin schon Jahrzehnte lang diese Liegenschaften nutzte und die vormalige Ehewohnung auch noch von den beiden jüngsten Kindern benützt wird. Es sei darauf Bedacht zu nehmen, daß die Antragstellerin beim Hausbau mitarbeitete, darüber hinaus den Haushalt einer siebenköpfigen Familie führte und die fünf ehelichen Kinder betreute. Zusätzlich sei sie zumindest stundenweise einer Erwerbstätigkeit (als Näherin bzw. Aushilfskellnerin) nachgegangen. Zumindest in der Zeit von 1959 bis 1961 bzw. bis zur gänzlichen Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft habe der Antragsgegner nach den unbekämpften Feststellungen ein "flottes Leben" geführt, während die Antragstellerin für ihren Unterhalt und teilweise für den ihrer Kinder selbst aufkommen mußte. Ihr Konsumverzicht sei als wesentlicher Beitrag bei der Aufteilung zu berücksichtigen. Im übrigen solle der an der Ehescheidung völlig unschuldige Teil infolge der durch das ehewidrige Verhalten des anderen Teiles ausgelösten Aufteilung nicht in unzumutbare wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen: Es wäre höchst unbillig, wenn die Antragstellerin im Hinblick auf ihre Beitragsleistungen verpflichtet würde, dem Antragsgegner eine Ausgleichszahlung im Sinne des § 94 EheG zu leisten. Die Antragstellerin habe auch nach dessen Auszug die Liegenschaften erhalten und großteils für die Kreditrückzahlungen Sorge tragen müssen. Wegen des Verhaltens des Antragsgegners sei sie zu einer sparsamen Lebensführung gezwungen gewesen, während dieser - da er nicht ordnungsgemäß für den Unterhalt der Antragstellerin und der Kinder sorgte - Vermögenswerte anschaffen konnte. Die Antragstellerin wäre im übrigen finanziell nicht in der Lage, eine Ausgleichszahlung, die im übrigen nicht begehrt wird, zu leisten.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem Antrag, den angefochtenen sowie den erstinstanzlichen Beschluß aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen. Hilfsweise wird beantragt, die vorinstanzlichen Beschlüsse dahin abzuändern, daß das Grundstück Nr. 5728/2 der EZ 9525 durch Übertragung des Hälfteeigentums der Antragstellerin zur Gänze an den Antragsgegner falle, die Antragstellerin eine Ausgleichszahlung von S 150.000,-- zu leisten und das Darlehen von S 70.000,-- allein zurückzuzahlen habe.

In der Revisionsrekursbeantwortung beantragt die Antragstellerin, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Der Antragsgegner vertritt den Standpunkt, daß es bei der Beurteilung der Frage, welches Vermögen der Aufteilung nach §§ 81 ff EheG unterliegt, auf die Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Jahre 1961 ankomme. Daher hätten nur die beiden Liegenschaften EZ 7933 und 9525 der KG Dornbirn in die Aufteilung einbezogen werden dürfen. Es wäre wohl unrichtig, der Antragstellerin das Haus Dornbirn, Bürgle 3 a, zu nehmen; es könnte ihr aber eine Ausgleichzahlung von S 150.000,-- und die Kreditrückzahlung von S 70.000,-- auferlegt, die relativ geringwertige Liegenschaft EZ 9525 jedoch dem Antragsgegner zugesprochen werden.

Dazu war zu erwägen: Das Rekursgericht hat ohnedies nur die beiden Grundstücke EZ 7933 und EZ 9525 KG Dornbirn in seine Aufteilungserwägungen einbezogen. Es hat auch zutreffend darauf verwiesen, daß nach ständiger Rechtsprechung der an der Ehescheidung völlig unschuldige Teil infolge der durch das ehewidrige Verhalten des anderen Teiles ausgelösten Aufteilung nicht in unzumutbare wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen darf (JBl 1983, 598; EFSlg 43.770 uza). Es nahm weiters unter dem Aspekt der gegenseitig abwägbaren Beitragsleistungen mit Recht darauf Bedacht, daß der Antragsgegner in den Jahren 1959 bis 1961 ein "flottes Leben" führte, die Antragstellerin gänzlich vernachlässigte und ihr sowie teilweise auch den Kindern keinen Unterhalt reichte; alle mit dem Haus während dieser Periode zusammenhängenden Lasten konnte die Antragstellerin daher nur durch Verzicht auf eigenen Konsum tragen. Es ist aber ständige Rechtsprechung, daß der Aufteilung nur die eheliche Errungenschaft, also nur das unterzogen werden kann, was die Ehegatten während der Ehe, d.h. bis zur Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft, erarbeitet oder erspart haben (SZ 55/163; 8 Ob 609/85 ua). Der Stichtag für die vorzunehmende Aufteilung ist daher jener, zu welchem der Antragsgegner aus der Ehewohnung auszog. Dies war nach den Feststellungen im Herbst 1961 der Fall. Wenngleich nun feststeht, daß die Antragstellerin spätestens ab dem Jahr 1959 alle mit der ehelichen Gemeinschaft verbundenen Lasten im wesentlichen selbst zu tragen hatte, weil der Antragsgegner nur mehr selten zu Hause war, keinen oder nur ungenügenden Unterhalt leistete, viel Zeit in Gasthäusern zubrachte und sich anderen Frauen insbesondere seiner späteren Lebensgefährtin zuwandte, fehlt es doch an einer verläßlichen Feststellungsgrundlage darüber, in welchem Ausmaß der Antragsgegner bis zur Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft Aufwendungen (allenfalls auch für die Lebensgefährtin oder ihr Kind) vornahm, die sonst der Antragstellerin als Ehefrau zugute gekommen wären und deren Ausfall sie nur durch einen entsprechenden Verzicht auf eigenen Konsum ausgleichen konnte. Erst wenn diese Umstände entsprechend klargestellt werden, wird sich endgültig absehen lassen, ob die Beitragsleistung der Antragstellerin zur Aufteilungsmasse gegenüber jener des Antragsgegners so überwiegt, daß von einer Ausgleichzahlung an ihn Abstand genommen werden kann.

Von dem Feststellungsergebnis wird auch die Beurteilung der weiteren noch offenen Anträge des Antragsgegners abhängen, zu denen - solange die dargestellten Umstände nicht geklärt sind - noch nicht abschließend Stellung genommen werden kann.

Der Revisionsrekurs des Antragsgegners erweist sich somit im Sinne der dargestellten Erwägungen als berechtigt.

Der Kostenausspruch beruht auf § 234 AußStrG.

Anmerkung

E15814

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0080OB00613.88.0922.000

Dokumentnummer

JJT_19880922_OGH0002_0080OB00613_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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