TE OGH 1988/9/27 4Ob572/88

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Veröffentlicht am 27.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Dr. Werner Schwind, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei R*****, vertreten durch Dr. Manfred Hintersteininger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 312.500,-- S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 29. Februar 1988, GZ 11 R 275/87-38, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 29. Juni 1987, GZ 29 Cg 229/85-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 10.766,25 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 978,75 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist der Geschäftsführer der H***** Gesellschaft mbH, einer Baugesellschaft. Der im Jahr 1948 geborene Beklagte betreibt das „T*****“ (in der Folge „TCF“ genannt). er lernte den im Jahre 1929 geborenen Ing. Gottfried S***** zu einem Zeitpunkt kennen, als der Beklagte noch unselbständig war und sich mit dem Gedanken trug, sich selbständig zu machen. Damals war Ing. S***** Vorstandsdirektor der „W*****“ und als solcher eine „mächtige Persönlichkeit“. Mit Gesellschaftsvertrag vom 20. 6. 1975 trat Ing. S***** mit Wirkung vom 28. 4. 1975 formell als stiller Gesellschafter in das TCF ein. Der Beklagte sah sich als wirtschaftlich von Ing. S***** abhängig, Ing. S***** war derjenige, der die wirtschaftlichen Angelegenheiten erledigte und „das Sagen“ hatte; der Beklagte kümmerte sich (lediglich) um die manuellen Tätigkeiten (Plätze, Trainerstunden etc.).

Zwecks Ausbaues des TCF standen große Bauarbeiten heran. Ing. S***** suchte einen entgegenkommenden Baumeister, da wenig Geld vorhanden war; seine Wahl fiel auf den ihm beruflich bekannten Kläger. Die Beteiligten machten keinen Unterschied zwischen dem Kläger persönlich und der H***** Gesellschaft mbH. Ing. S***** erteilte dem Kläger den Auftrag zur Durchführung der Bauarbeiten, die im Februar 1975 begannen.

Nach Abschluß der ersten Bauphase legte die H***** Gesellschaft mbH eine Schlußrechnung gemäß Kostenvoranschlag; darüber hinaus stellte der Kläger die Entgelte für jene Leistungen zusammen, die er über die förmliche Abrechnung hinaus zu erhalten habe. Diese Forderung wurde mit Ing. S***** abgestimmt, von diesem anerkannt und darüber der Schuldschein vom 15. 12. 1975 ausgestellt. Gegen diesen Schuldschein wurde kein Geld zugezählt; er bezieht sich vielmehr auf die genannte offene Forderung des Klägers. Der Schuldschein hatte folgenden Wortlaut:

„SCHULDSCHEIN

Wir bestätigen hiermit, daß wir Herrn H*****, S 305.000,-- (dreihundertfünftausend) zu gleichen Teilen schulden.

Die offene Summe werden wir bei Vorlage dieses Schuldscheines bezahlen.“

Damals war daran gedacht, die im Schuldschein genannte Summe binnen ein bis zwei Jahren abzuzahlen.

Der Schuldschein wurde von Ing. S***** dem Beklagten, der damals keine Kenntnis von dem Kostenvoranschlag und der Schlußrechnung (der H***** Gesellschaft mbH) hatte, zur Unterfertigung vorgelegt. Allerdings war dem Beklagten (offensichtlich gemeint: vor Beginn der Bauarbeiten) von Ing. S***** ein Betrag genannt worden, der ihm nicht unangemessen vorkam. Da dem Beklagten die Sache unbedenklich erschien und er der wirtschaftlichen Erfahrung Ing. S*****s vertraute, der den Schuldschein bereits unterfertigt hatte und von dem er wußte, daß er die Abrechnungen mit dem Kläger abgestimmt hatte, akzeptierte er das und unterfertigte gleichfalls. Nachdem der Kläger den von Ing. S***** und vom Beklagten unterfertigten Schuldschein erhalten hatte, vernichtete er die ihm zugrunde liegenden Unterlagen.

In der Folge kam es zu einer zweiten Bauphase beim TCF; auch hier erledigte Ing. S***** die wirtschaftlichen Angelegenheiten, erteilte die Aufträge und informierte den Beklagten über den Kostenumfang, was dieser zur Kenntnis nahm. Nach Abschluß der Arbeiten sprach der Kläger wiederum Kosten neben Kostenvoranschlag und Schlußrechnung(en) (der H***** Gesellschaft mbH) an; die Forderung wurde wiederum mit Ing. S***** abgestimmt, von diesem anerkannt und hierüber ein zweiter Schuldschein vom 6. 3. 1978 mit demselben Wortlaut wie der erste Schuldschein, nur über den Betrag von 320.000,-- S, ausgestellt. Wie im ersten Fall unterfertigten den Schuldschein Ing. S***** und der Beklagte, der mit dem Kläger keine Gespräche über die Kosten und dergleichen geführt hatte. Der Kläger, der damals schon gerne Geld aus dem ersten Schuldschein gesehen hätte, wurde von Ing. S***** vertröstet. Nach Erhalt des zweiten Schuldscheins vernichtete er auch die diesem zugrunde liegenden Unterlagen.

Bei überschlägiger Überprüfung der Schlußrechnungen der H***** Gesellschaft mbH ergibt sich, daß mit den dort verrechneten Beträgen – soweit nachträglich feststellbar – für die Werkherstellung kein Auslangen zu finden ist; unter Berücksichtigung des vorgefundenen Bauvolumens erscheint vielmehr ein Mehraufwand von etwa 625.000,-- S gerechtfertigt.

In jenem Zeitraum ließ sich Ing. S***** selbst eine Villa errichten. Auch bei diesem Bauvorhaben wurde von ihm neben anderen Baufirmen der Kläger herangezogen. Die H***** Gesellschaft mbH legte ihm über die von ihr durchgeführten Bauarbeiten Rechnungen vom 2. 4. 1976 und 3. 3. 1977 über 76.700,-- S und 23.010,-- S.

In der Folge wurde gegen Ing. S***** wegen des Verdachtes umfangreicher Malversationen ein Strafverfahren eingeleitet. Er wurde im Dezember 1978 zeitweise in Haft genommen; die „W*****“ trennte sich von ihm und er verlor so seinen wirtschaftlichen Einfluß.

1979 setzte sich der Beklagte mit Ing. S***** auseinander und verschaffte sich die Buchhaltung und sämtliche Unterlagen bezüglich des TCF. Er ließ diese von einem Ing. B***** durchsehen, der meinte, daß – was den Kläger anlange – alle Rechnungen bezahlt seien; dessen Forderungen aus den Schuldscheinen könnten nicht aus Bauleistungen für den TCF resultieren, möglicherweise aber aus solchen für Ing. S*****s Villa. Der Beklagte war daher nicht bereit, dem Kläger irgendwas zu zahlen. Die Schuldscheine wurden dem Beklagten allerdings erst im Februar 1985 präsentiert; davor hatte ihm gegenüber der Kläger nur mündlich – ohne Vorlage der Schuldscheine – auf Zahlung gedrängt. Vom Beklagten ist darauf bislang nichts gezahlt worden.

Mit dem am 6. 9. 1985 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger vom Beklagten unter Bezugnahme auf die beiden Schuldscheine die Zahlung jeweils der Hälfte der darin genannten Beträge, sohin insgesamt die Zahlung von 312.500,-- S sA. Er habe dem Beklagten gemeinsam mit Ing. S***** am 15. 12. 1975 ein Darlehen über 305.000,-- S und am 6. 3. 1978 ein solches über 320.000,-- S gewährt und zugezählt. Die klagsgegenständlichen Geldbeträge seien vom Kläger persönlich „eingeklagt“ (gemeint offenbar: „vorgelegt“) worden, während die H***** Gesellschaft mbH die Bauleitung erbracht habe. Es seien nämlich am Nordbahnhof Hilfsarbeiter eingesammelt worden, die der Kläger jeweils persönlich bezahlt habe. Die Leistungen dieser Hilfsarbeiter seien (gemeint offenbar: von der H***** Gesellschaft mbH) weder angeboten noch verrechnet worden; vielmehr hätten diese vereinbarungsgemäß bauseitig beigestellt werden sollen. Die vom Kläger rechtlich als Darlehen qualifizierten Geldbeträge seien nicht bar zugezählt worden; vielmehr sei an Hand der von ihm geführten Listen über die von ihm ausbezahlten Hilfskräfte eine Summe gebildet worden, welche Gegenstand der Schuldscheine sei.

Der Beklagte hielt dem entgegen, daß ihm nie ein Darlehen zugezählt worden sei. Der Kläger habe im Auftrag von Ing. S***** die Tennisanlage des TCF – einer damals noch bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechtes, an der der Beklagte und Ing. S***** beteiligt waren – errichtet. Im Dezember 1975 seien das Betriebsgebäude und vier Tennisplätze fertiggestellt worden. Ing. S***** habe damals dem Beklagten erklärt, daß der Kläger für einen Teil seiner Leistungen schwarz zu bezahlen sei. Zu diesem Zweck hätten er und Ing. S***** den ersten Schuldschein unterfertigt. Am 6. 3. 1978 sei dann die Tennishalle fertiggestellt worden, der Kläger habe eine Rechnung gelegt und Ing. S***** habe erklärt, daß dem Kläger darüberhinaus eine weitere Forderung zustehe, die schwarz abzugelten sei. Aus diesem Grunde habe Ing. S***** den Beklagten den zweiten Schuldschein unterfertigen lassen. Paralell zu diesem Bauvorhaben habe der Kläger aber auch Bauleistungen für die Villa des Ing. S***** erbracht. Die Überprüfung der Buchhaltungsunterlagen anläßlich der Gesellschafterauseinandersetzung zwischen dem Beklagten und Ing. S***** habe ergeben, daß der Kläger über die von ihm gelegten Schlußrechnungen hinaus nichts zu fordern habe. Die dem Beklagten von Ing. S***** gemeinsam mit dem Kläger unterschobenen Schuldscheine hätten daher keinen anderen Zweck gehabt, als ihn unter Vorspiegelung falscher Tatsachen die Bauführung der Villa mitfinanzieren zu lassen. Überdies habe er in Teilbeträgen bereits 45.000,-- S auf den Klagebetrag gezahlt; allfälligen Ansprüchen des Klägers aus seiner Bautätigkeit für das TCF oder der daraus resultierenden Rechnungsabstimmung werde im Hinblick auf die bereits im Jahre 1978 erfolgte Fertigstellung der Tennisanlage die Einrede der Verjährung entgegengesetzt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren – mit Ausnahme einer in Rechtskraft erwachsenen Abweisung des 4 % übersteigenden Zinsenmehrbegehrens – Folge. Es stellte im wesentlichen den eingangs geschilderten Sachverhalt fest und verneinte in rechtlicher Hinsicht den Eintritt der vom Beklagten eingewendeten Verjährung: Unabhängig davon, ob die kurze oder die lange Verjährungsfrist anzuwenden sei, beginne die Verjährung erst mit dem Eintritt der Fälligkeit zu laufen; das sei aber erst mit der Präsentation der beiden Schuldscheine im Februar 1985 der Fall gewesen, so daß die Klageforderungen auch bei Annahme einer dreijährigen Verjährungsfrist noch nicht verjährt seien. Die Anerkennung und Zusammenfassung offener Forderungen aus Entgelten für Arbeitsleistungen und die hierüber erfolgende Ausstellung eines Schuldscheins könnten durchaus als Novation angesehen werden; jedenfalls sei aber die vorbehaltslose Unterfertigung der Schuldscheine durch den Beklagten nach außen hin als Genehmigung der Abrechnung anzusehen. Damit sei ein selbständiger Verpflichtungsgrund geschaffen worden, der Einwendungen über den Umfang der Arbeiten und deren Preisangemessenheit ausschließe. Die vom Beklagten behauptete listige Irreführung durch den Kläger und Ing. S***** zu seinem Nachteil – Belastung des Beklagten mit Kosten, die in Wahrheit zur Finanzierung der Villa des Ing. S***** gedient hätten – sei nicht erwiesen.

Das Berufungsgericht bestätigte und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte rechtlich aus, daß unter den vorliegenden Umständen durch die Ausstellung der beiden Schuldscheine jeweils eine Novation der Forderungen des Klägers aus den von ihm geleisteten Schwarzarbeiten erfolgt sei. Auch die einvernehmliche Festlegung verschiedener, zwar nicht ausdrücklich bestrittener, aber der Höhe nach noch ungeklärter Teilforderungen mit einem bestimmten Gesamtbetrag sei als wirtschaftlicher Zweck und damit als neuer Rechtsgrund anzuerkennen; damit werde das Ergebnis einer (sonst) zu legenden Abrechnung außer Streit gestellt. Im vorliegenden Fall habe der Beklagte jeweils gewußt, daß sein Partner Ing. S***** die Kosten der vom Kläger geleisteten Schwarzarbeiten geprüft und sie mit den in den Schuldscheinen aufscheinenden Beträgen, die ihm selbst auch nicht unangemessen erschienen, anerkannt hatte. Dadurch, daß er dies akzeptiert und die Schuldscheine gleichfalls unterfertigt habe, seien die Ansprüche des Klägers infolge der Absicht der Streitteile, die zweifellos komplizierte Abrechnung endgültig zu erledigen, auf einen neuen Rechtsgrund gestellt worden. Überdies habe die Rechtsprechung (EvBl 1961/403) in der Zusammenlegung verschiedener Forderungen in eine Gesamtforderung auch bereits eine „Verwechslung des Hauptgegenstandes“ im Sinne des § 1376 ABGB gesehen, wenngleich im dortigen Fall die Vertragspartner darüberhinaus auch noch die alte Vereinbarung ausdrücklich aufgehoben und für null und nichtig erklärt hätten.

Das Erstgericht habe auch zutreffend erkannt, daß die Ansprüche des Klägers – unabhängig davon, ob die dreijährige oder die dreißigjährige Verjährungsfrist zur Anwendung komme – noch keinesfalls verjährt seien. Die Verjährung könne erst mit dem Eintritt der Fälligkeit eines Anspruches beginnen; hier hätten aber die Parteien die Fälligkeit nach dem Inhalt der Schuldscheine ausdrücklich auf den Zeitpunkt ihrer Präsentation festgelegt. Letztere sei erst im Februar 1985 erfolgt. Der Umstand, daß der Kläger den Beklagten bereits früher mündlich auf Zahlung gedrängt habe, bedeute demnach keine rechtswirksame Fälligstellung.

Für die vom Beklagten behaupteten Arglist des Klägers böten die Feststellungen keinerlei Anhaltspunkte. Eine Prüfung der den Schuldscheinen zugrunde liegenden Baumeisterleistungen des Klägers in bezug auf deren Umfang und Preisangemessenheit erübrige sich schon deshalb, weil diese Forderungen durch die Novation auf einen neuen Rechtsgrund gestellt worden seien; eine Prüfung der ursprünglichen Leistungen sei daher ausgeschlossen.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger stellt den Antrag, dem Rechtsmittel des Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO), im Ergebnis aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelausführungen des Beklagten lassen sich dahin zusammenfassen, daß in der Ausstellung der Schuldscheine mangels eines auf Änderung des Entstehungsgrundes der Ansprüche gerichteten Parteiwillens und mangels Änderung des Hauptgegenstandes keine Novation, sondern eine bloße Schuldänderung liege. Eine solche verändere aber den Rechtscharakter von Forderungen auf Grund erbrachter Leistungen ebensowenig wie ein darin allenfalls zu erblickendes Anerkenntnis dieser Forderungen. Es sei daher unverändert die von Anfang an dreijährige Verjährungsfrist auf die Forderung des Klägers anzuwenden. Der Formulierung der Schuldscheine könne nicht entnommen werden, daß die Fälligkeit der Forderungen jeweils mit der Vorlage der Schuldscheine verknüpft werden sollte; danach müßte vielmehr auch eine mündliche Fälligstellung möglich sein, weil in einem solchen Fall die Vorlage der Schuldscheine gleichermaßen jederzeit möglich und bei Zahlung auch erforderlich gewesen wäre. Schließlich sei die Sache wegen der vom Beklagten eingewendeten listigen Irreführung noch nicht spruchreif, weil danach auch hätte geprüft werden müssen, ob der Kläger die seinen Forderungen entsprechenden Bauleistungen ihm gegenüber überhaupt erbracht habe.

Diese Ausführungen erweisen sich aus nachstehenden Gründen als nicht stichhältig:

Schuldscheine sind – sofern sie nicht in der Form eines Wertpapiers ausgestellt werden – nur Beweisurkunden (Stanzl in Klang2 IV/1, 764); sie haben daher im allgemeinen nur deklarative Bedeutung, weil ihnen bloße „Vorstellungsmitteilungen“ (Wissenserklärungen) zugrunde liegen (Koziol-Welser8 I 262). Das schließt aber nicht aus, daß im Einzelfall mit dem Schuldschein der Aussteller auch eine ihn bindende rechtsgeschäftliche Willenserklärung abgeben kann. Entgegen der Meinung des Klägers ist die Ausstellung eines Schuldscheins keineswegs auf die Dokumentation einer Darlehensschuld beschränkt (Stanzl aaO), auch wenn seine Form in der letzten Bestimmung (§ 1001) des 21. Hauptstückes des ABGB geregelt ist. Im übrigen ist der erste Satz des § 1001 ABGB im Hinblick auf den nunmehr geltenden Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 272 ZPO) gegenstandslos, sein zweiter Satz im Hinblick auf § 294 ZPO inhaltlos geworden (Stanzl aaO; Schubert in Rummel, ABGB, Rz 1 und 2 zu § 1001). Ein Schuldschein ist, soweit er – wie auch hier – ein Schuldbekenntnis des Ausstellers enthält, ein Anerkenntnis. Ob es sich dabei um ein deklaratorisches oder um ein konstitutives Anerkenntnis handelt, hängt davon ab, ob das Schuldbekenntnis vom Aussteller als bloße Wissenserklärung über das Bestehen der Schuld oder mit einem entsprechenden rechtsgeschäftlichen Bindungswillen – nämlich die einbekannte Schuld jedenfalls gegen sich gelten lassen zu wollen – abgegeben wurde. Im letztgenannten Fall käme mit der Annahme des Schuldscheins durch den Gläubiger der für ein konstitutives Anerkenntnis erforderliche Feststellungsvertrag zustande. Dies ist auch schon für den Fall der Ausstellung eines Schuldscheins bejaht worden (SZ 25/279) und trifft insbesondere dann zu, wenn der Gläubiger auf Grund eines bestimmten Sachverhaltes vorher ernstlich das Bestehen einer Forderung behauptet und der Schuldner die Zweifel am Bestehen der Forderung durch die Ausstellung des Schuldscheins beseitigt hat. Als Feststellungsvertrag ist das konstitutive Anerkenntnis dem Vergleich im Sinne der §§ 1380 ff ABGB nahe verwandt; es unterscheide sich jedoch von ihm dadurch, daß der andere Teil nicht nachgibt. Das konstitutive Anerkenntnis begründet das anerkannte Schuldverhältnis auch für den Fall, daß es nicht bestanden haben sollte, und schafft somit eine neue selbständige Verpflichtung (Koziol-Walser8 I 274 mwH in FN 2; Ertl in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 1380 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Ob ein konstitutives Anerkenntnis vorliegt, ist durch Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall zu ermitteln. Dabei sind vor allem die mit dem Anerkenntnis verfolgten Zwecke, die beiderseitige Interessenlage und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses maßgebend. Da aber auch beim konstitutiven Anerkenntnis die Vertrauenstheorie gilt, ist unter dem Parteiwillen nicht eine nicht erklärte oder nicht erkennbare Absicht des Erklärenden zu verstehen; es kommt also auch hier nicht auf die wahre Absicht des Erklärenden, sondern darauf an, welchen Eindruck der Vertragspartner auf dem Verhalten des Erklärenden redlicherweise haben mußte (EvBl 1979/45; EvBl 1981/122 mwH; 8 Ob 575/83; 2 Ob 2/87 ua).

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich schon im Hinblick auf das in den beiden Schuldscheinen enthaltene unbedingte Zahlungsversprechen der beiden Aussteller, daß das voranstehende Schuldbekenntnis keine bloße Wissenserklärung, sondern eine auf den Eintritt von Rechtsfolgen gerichtete Willenserklärung ist. Berücksichtigt man weiters, daß nach den Feststellungen dem Beklagten als Aussteller der Schuldscheine bekannt war, daß sein Gesellschafter Ing. S***** vorher mit dem Kläger dessen Forderungen in bezug auf von ihm im Zusammenhang mit den Bauarbeiten am TCF erbrachten Leistungen abgestimmt und die Schuldscheine bereits unterschrieben hatte, und daß nach dem eigenen Parteivorbringen des Beklagten ihm gegenüber das Erfordernis der Ausstellung von Schuldscheinen jeweils damit begründet wurde, daß dem Kläger über die (von der H***** Gesellschaft mbH) gelegten Rechnungen hinaus weitere Forderungen zustünden, die „schwarz“ abzugelten seien, so ergibt sich als wesentlicher Zweck der Schuldscheine die Deckung und Sicherung dieser Forderungen, die ja sonst zur Vermeidung steuerlicher Folgen in der Buchführung der Beteiligung in keiner Weise mehr aufscheinen sollten. Der dem Beklagten bekannte Zweck der vom Kläger und Ing. S***** gewählten Vorgangsweise, die ihren Niederschlag in den beiden Schuldscheinen gefunden hat, lag somit darin, die – auch in Ansehung des Schuldbetrages durch die vorangegangene Forderungsabstimmung zum Ausdruck kommende – unsichere Rechtslage zur Sicherstellung der abgestimmten Forderungen des Klägers zu beenden (vgl SZ 25/279). Es liegt daher ein konstitutives Anerkenntnis vor.

Das Anerkenntnis ist im übrigen nicht besonders gesetzlich geregelt, doch wird es als Unterart des Vergleiches angesehen und im wesentlichen nach den dafür bestehenden Regeln behandelt (Koziol-Welser aaO). Ebensowenig wie ein Vergleich entgegen § 1380 ABGB unter allen Umständen ein Neuerungsvertrag im Sinne des § 1376 ABGB ist (Ertl aaO Rz 2; SZ 55/152; EvBl 1984/75 ua), trifft dies auch auf ein konstitutives Anerkenntnis zu. Einem solchen kommt vielmehr novierende Wirkung nur dann zu, wenn nach dem Willen der Parteien das ursprüngliche Schuldverhältnis im Wege der Änderung des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstandes durch ein neues ersetzt wird. Ein Neuerungsvertrag setzt die Absicht der Parteien voraus, durch Begründung einer neuen Verbindlichkeit die alte Verbindlichkeit zu tilgen (animus novandi). Diese Absicht wird nicht vermutet, sondern muß nachgewiesen werden; der Wille der Parteien muß erweislich dahin gegangen sein, daß auf das alte Schuldverhältnis nicht mehr zurückgegriffen werden soll (SZ 44/179; SZ 55/132 und 152). Unter dem animus novandi ist allerdings nichts anderes zu verstehen als der – in der Regel schon aus den beiderseitigen Erklärungen erkennbare – eindeutige Parteiwille, an die Stelle einer früheren Verbindlichkeit eine andere zu setzen (RZ 1978/88; SZ 55/132; 1 Ob 625/86 ua). Eine Änderung des Rechtsgrundes ist unter diesen Voraussetzungen dann anzunehmen, wenn jene rechtserzeugende Tatsache, aus der die Obligation entspringt – somit der Entstehungsgrund des Anspruches –, geändert wird. Eine Änderung des Hauptgegenstandes tritt hingegen dann ein, wenn ein wesentlich anderer an seine Stelle tritt; es muß eine artliche Verschiedenheit sein, eine bloß maßliche genügt nicht (SZ 44/179; SZ 55/152). Dem Kläger ist im Sinne seiner in der Revisionsbeantwortung erhobenen Vorwürfe zuzubilligen, daß sich den vorliegenden Feststellungen nicht mit ausreichender Deutlichkeit entnehmen läßt, ob die zwischen ihm und Ing. S***** abgestimmten Forderungen, die sodann zur Ausstellung der beiden Schuldscheine geführt haben, solche für im Rahmen des Bauauftrages betreffend das TCF erbrachte Bauarbeiten sind (also Werklohnforderungen) oder aber im Sinne seines Vorbringens Aufwendungen für die Bezahlung von Hilfsarbeitern betroffen haben, die im Rahmen der genannten Bauaufträge vom TCF beizustellen gewesen wären (also Aufwandsersatzforderungen). Das schadet aber deshalb nicht, weil es sich in beiden Fällen um Geldforderungen handelt, die durch das konstitutive Anerkenntnis jedenfalls artlich nicht verändert wurden. Nach den Feststellungen besteht aber auch nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, daß die Parteien durch die Ausstellung und Annahme der Schuldscheine diese Werklohn- oder Aufwandersatzforderungen in eine Darlehensforderung verändern wollten. Mit Recht bekämpft daher der Beklagte die Ansicht des Berufungsgerichtes über die novierende Wirkung der Schuldscheinausstellung.

Damit ist allerdings für ihn noch nichts gewonnen, weil auch einem konstitutiven Anerkenntnis, das nicht zugleich ein Neuerungsvertrag ist, rechtsbegründende Wirkung zukommt. Aus seiner Bereinigungswirkung folgt, daß ein Irrtum des Anerkennenden darüber, wie weit die anerkannte Forderung zu Recht besteht, belanglos ist. Die Anfechtung ist nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung nur wegen eines Irrtums über die „Vergleichsgrundlage“ also über jene Umstände zulässig, die die Parteien als feststehend angenommen habe; weiters ist die Anfechtung auch zulässig, wenn der Gegner den Irrtum listig hervorgerufen hat (Ertl aaO Rz 3 zu § 1385; JBl 1975, 206; JBl 1977, 486; EvBl 1979/45; ZVR 1980/44, 2 Ob 2/87 ua). Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren den Anfechtungseinwand der arglistigen Irreführung bei Ausstellung der Schuldscheine ausschließlich damit begründet, daß der Kläger über die (von der H***** Gesellschaft mbH) gelegten Schlußrechnungen hinaus nichts zu fordern gehabt hätte; die Schuldscheine seien ihm von Ing. S***** gemeinsam mit dem Kläger nur zu dem Zweck unterschoben worden, ihn unter Vorspiegelung falscher Tatsachen die Bauführung der Villa des Ing. S***** mitfinanzieren zu lassen. Beides ist aber durch die Feststellungen widerlegt. Die Vorinstanzen sind daher zutreffend davon ausgegangen, daß dem Kläger der Beweis für die von ihm behauptete listige Irreführung nicht gelungen ist.

Was schließlich die Verjährungsfrage anlangt, so kann es dahingestellt bleiben, ob mit der in den Schuldscheinen enthaltenen Zusage der Zahlung der Schuldbeträge jeweils „bei Vorlage dieses Schuldscheines“ eine einvernehmliche Festsetzung oder Verschiebung des Fälligkeitszeitpunktes oder eine die bereits eingetretene Fälligkeit der Werklohn- bzw. Aufwandersatzforderungen des Klägers nicht berührende „reine“ Stundung bewirkt werden sollte. Im ersteren Fall konnte die Verjährungsfrist vor dem Eintritt der Fälligkeit (Vorlage der Schuldscheine an den Beklagten im Februar 1985) nicht zu laufen beginnen; im zweiten Fall war sie jedenfalls bis dahin gehemmt (Koziol-Welser8 I 215; Ehrenzweig-Mayrhofer, Schuldrecht I3, 83; Schubert in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1478). Zum Zeitpunkt der Klagseinbringung waren die Forderungen des Klägers daher ohne Rücksicht darauf, ob auf sie die kurze oder lange Verjährungszeit anzuwenden wäre, noch keinesfalls verjährt. Daß die Parteien nachträglich einvernehmlich von dem in den Schuldscheinen festgelegten Erfordernis der Vorlage in dem Sinn abgegangen wären, daß für die Fälligstellung bzw. für die Beendigung der Stundung bereits ein mündliches Abdrängen des Klägers ohne gleichzeitige Vorlage der Schuldscheine ausreichen sollte, hat der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren nie behauptet; er hat die von ihm erhobene Einrede der Verjährung vielmehr ausschließlich darauf gestützt, daß die Tennisanlage des TCF bereits im Jahr 1978 fertiggestellt worden sei. Es ist ihm daher nunmehr auch verwehrt, aus dem festgestellten mündlichen Andrängen des Klägers auf Zahlung vor Februar 1985, als erstmalig dabei auch die Schuldscheine vorgelegt wurden, einen früheren Verjährungsbeginn abzuleiten.

Der Revision mußte aus allen diesen Gründen ein Erfolg versagt bleiben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E15760

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00572.880.0927.000

Im RIS seit

10.01.1995

Zuletzt aktualisiert am

04.04.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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