TE OGH 1988/9/27 2Ob588/88

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Veröffentlicht am 27.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am 12. November 1981 geborenen mj. Sabrina D*** infolge Revisionsrekurses des Vaters Helmut D***, Büchsenmachermeister, 5090 Lofer 57, vertreten durch Dr. Michael Kinberger, Rechtsanwalt in Zell am See, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 15. Juli 1988, GZ 2 R 293/88-85, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Ferlach vom 17. Juni 1988, GZ P 64/83-80, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Helmut D*** hat für sein aus der geschiedenen Ehe mit Elisabeth D***, wiederverehelichte R***, stammendes Kind mj. Sabrina D*** ab 1. Februar 1987 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.000,-- zu bezahlen. Daneben leistet er als Sonderunterhalt Beiträge zu den Kosten für den krankheitsbedingten Meeresaufenthalt der Tochter.

Elisabeth D***, wiederverehelichte R***, beantragte ab 1. Februar 1988 die Erhöhung des laufenden monatlichen Unterhaltsbetrages für das Kind auf S 2.000,-- und ab 1. September 1988 auf S 2.500,--.

Helmut D*** bestritt die Voraussetzungen für eine Unterhaltserhöhung sowohl vom Standpunkt seiner Leistungsfähigkeit als auch von der Warte der Bedürfnisse des Kindes her. Das Erstgericht erhöhte den von Helmut D*** für die mj. Sabrina zu bezahlenden monatlichen Unterhaltsbetrag ab 1. September 1988 auf S 2.500,-- und wies das Mehrbegehren auf Erhöhung der monatlichen Unterhaltsleistung für die Zeit vom 1. Februar bis 31. August 1988 von S 2.000,-- auf S 2.200,-- ab, wobei es von folgenden Feststellungen ausging: Helmut D*** ist selbständiger Büchsenmachermeister. Seinem Betrieb entnimmt er, seinen Angaben entsprechend, monatlich zwischen S 7.000,-- und S 10.000,--, also im Durchschnitt S 8.500,--. Er hat keine sonstigen Sorgepflichten. Für den Meeresaufenthalt seiner Tochter im Vorjahr mußte er an Sonderunterhalt zusätzlich S 2.310,-- bezahlen. Elisabeth R*** hat ein Monatsdurchschnittseinkommen von ca. S 10.000,--. Die Tochter befindet sich in ihrem Haushalt und wird von ihr betreut. Die Minderjährige wird ab September 1988 die Volksschule besuchen.

Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, daß gegenwärtig keine wesentlichen Veränderungen vorlägen, die ein Abgehen von der bestehenden Unterhaltsregelung rechtfertigen würden, daß aber mit Schulbeginn im Herbst unbeschadet allfälliger Hortkosten, für die die Mutter aufzukommen hätte, fühlbare Mehrauslagen für das Kind zu erwarten wären, welche die Unterhaltsanhebung, die dem Vater auch zugemutet werden könne, begründet erscheinen ließen. Der Rekurs des Vaters blieb erfolglos; das Rekursgericht führte aus, von einem selbständigen Büchsenmachermeister müsse man erwarten, daß er bei entsprechendem Einsatz solche Einkünfte erwirtschafte, die ihn befähigten, seinem einzigen sechs Jahre alten Kind ab dessen Schulbeginn einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.500,-- zu bezahlen. Wäre er dazu tatsächlich außerstande, müßte man von ihm verlangen, daß er sich wie ein verantwortungsbewußter Unterhaltsschuldner verhalte und um eine Anstellung als unselbständig Erwerbstätiger bemühe, welche er als gesuchte Fachkraft auch in der heutigen Zeit unschwer erhalten müßte. Hier könnte er jedenfalls soviel ins Verdienen bringen, daß eine derartige Unterhaltsleistung keine Probleme aufwerfe.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs des Vaters aus den Anfechtungsgründen der Nichtigkeit bzw. der offenbaren Gesetzwidrigkeit der Entscheidung im Sinn des § 16 AußStrG. Der Rechtsmittelwerber führt aus, es liege keine Frage der Bemessung des Unterhaltes im Sinne des § 14 AußStrG vor, da durch die vorliegende Entscheidung gesetzliche Leitsätze des Unterhaltsrechtes verletzt wurden und das Rekursgericht die nach dem Gesetz maßgebenden Umstände verkannt und daher Feststellungen über die Grundlagen der Unterhaltsbemessung unterlassen habe. Das Rekursgericht begnüge sich in seiner Entscheidung damit, daß von einem selbständigen Büchsenmachermeister erwartet werden könne, daß er bei entsprechendem Einsatz Einkünfte erwirtschafte, die ihn befähigen, einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.500,-- zu bezahlen. Eine Prozentwertberechnung bei der Unterhaltsfestsetzung lehne das Rekursgericht ab. Grundlegende und für jede Unterhaltsbemessung notwendige Feststellungen, wie einerseits der Unterhaltsbedarf des minderjährigen Kindes, andererseits die Leistungsfähigkeit des Vaters, bzw. im Falle der Anwendung der Anspannungstheorie Feststellungen darüber, welche Einkünfte der Kindesvater als unselbständig Erwerbstätiger beziehen könnte, vernachlässige das Rekursgericht. Es könne sicherlich nicht genügen, den Antragsgegner vor die Alternative zu stellen, sich um eine Anstellung als unselbständig Erwerbstätiger umzusehen, ohne einerseits weder die gesamtösterreichischen Marktwirtschaftsverhältnisse im spezifischen Bereich des Büchsenmachergewerbes darzulegen, noch andererseits die lokalen Verhältnisse des Wohnortes des Antragsgegners zu überprüfen. Die Feststellung, daß es sich beim Büchsenmachermeistergewerbe um eine gesuchte Fachkraft handle, die auch in der heutigen Zeit unschwer eine Anstellung nach sich ziehen müßte, sei mehr als gewagt, betrachte man die konjunkturelle Entwicklung gerade im Bereich des Büchsenmachergewerbes, in dem gerade der ausländische Konkurrenzdruck einerseits zu erheblichen konjunkturellen Einbußen bei selbständigen Büchsenmachermeistern und andererseits zu Personalsenkungen in der fabriksmäßigen Herstellung führe, so daß gerade für den Antragsgegner allgemein gültige Grundsätze - soweit diese überhaupt herangezogen werden sollten - keinesfalls Gültigkeit hätten. Da sich das Rekursgericht nicht an die in ständiger Judikatur entwickelte Prozentwertberechnung halte, würden gesetzliche Leitsätze des Unterhaltsrechtes verletzt. Es sei zwar zuzugeben, daß der Gesetzestext selbst keine Prozentwertberechnung vorsehe, es müsse jedoch andererseits festgehalten werden, daß eine langjährige Übung in der Auslegung einer gesetzlichen Bestimmung einem gesetzlichen Leitsatz gleichkomme.

Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß gemäß § 14 Abs 2 AußStrG Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche überhaupt unzulässig sind. Diese Bestimmung hat Vorrang vor

§ 16 Abs 1 AußStrG (EFSlg 52.755), das heißt, daß in Unterhaltsbemessungsfragen jede Anfechtungsmöglichkeit - selbst eine solche nach § 16 Abs 1 AußStrG - ausgeschlossen ist (EFSlg 44.602, 52.710 u.a.). Nach dem Judikat 60 neu (SZ 27/177) gehört zur Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes die Beurteilung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten, der zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Mittel, die vor der Leistung des Unterhaltspflichtigen heranzuziehen sind, sowie die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. Um eine bloße Unterhaltsbemessungsfrage handelt es sich demnach, wenn bei Streit nur das Ausmaß, das Mehr oder Weniger einer Unterhaltsverpflichtung, betroffen wird (SZ 51/110; EFSlg 47.152, 52.694; 6 Ob 608/87 ua). Dabei ist die Beurteilung dieser Umstände durch die zweite Instanz auch dann unanfechtbar, wenn es strittig ist, ob sie zur völligen Ablehnung eines Anspruches auf Unterhaltsleistung führt (Punkte II und III des Judikates 60 neu; EFSlg 47.170, 49.863 ua). Zum Bemessungskomplex gehört die Frage der Höhe der Bemessungsgrundlage (EFSlg 49.878 uva) ebenso wie die Frage, ob nach den Grundsätzen der sogenannten "Anspannungstheorie" vom Unterhaltspflichtigen die Erzielung eines bestimmten Einkommens vorausgesetzt werden kann (EFSlg 49.872 uva). Die Beurteilung der Frage, ob der Unterhaltsverpflichtete auf Grund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse in der Lage ist, einen bestimmten Unterhaltsbetrag zu leisten, gehört ausschließlich zum Bemessungskomplex und unterliegt daher der Rechtsmittelbeschränkung des § 14 Abs 2 AußStrG (EFSlg 44.587 ua). Ob das Gericht zweiter Instanz bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen alle in Betracht kommenden Beweisaufnahmen durchgeführt hat oder ob es die feststehenden Fakten richtig gewürdigt hat, kann als zur Unterhaltsbemessung gehörend vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden (vgl. EFSlg 52.693 ua). Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet, stellt sich das Vorbringen des Rechtsmittelwerbers lediglich als gemäß § 14 Abs 2 AußStrG unzulässige Bekämpfung der vom Rekursgericht vorgenommenen Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche dar, so daß der Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen war.

Anmerkung

E15368

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00588.88.0927.000

Dokumentnummer

JJT_19880927_OGH0002_0020OB00588_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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