TE OGH 1988/9/27 10ObS229/88

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Veröffentlicht am 27.09.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer als weitere Richter und durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Dafert (Arbeitgeber) und Dr. Renate Klenner (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Elisabeth K***, Pensionistin, 1160 Wien, Pfenniggeldgasse 6-8/5/1, vertreten durch den Sachwalter Dr. Robert B***, Notariatskandidat, 1160 Wien, Ottakringer Straße 39, dieser vertreten durch Dr. Axel Friedberg, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei

P*** DER A*** (Landesstelle Wien),

1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr. Kurt Scheffenegger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rückforderung eines Überbezuges (Revisionsinteresse 51.174,92 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. April 1988, GZ 32 Rs 27/88-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 19. August 1987, GZ 15 Cgs 1099/87-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil der ersten Instanz mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, daß seine Punkt 1. und 4. als Punkt 1. zu lauten haben:

"Die beklagte Partei hat die Rückforderung des mit ihrem Bescheid vom 16. 2. 1987 für die Zeit vom 1. 2. 1976 bis 31. 12. 1985 festgestellten Überbezuges an Ausgleichszulage von 61.568 S von der Klägerin zu unterlassen und dieser die seit 1. 3. 1987 einbehaltenen Beträge binnen 14 Tagen nachzuzahlen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die mit 3.397,35 S (darin 308,85 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 16. 2. 1987 stellte die beklagte Partei den Anspruch der Klägerin auf die ihr mit Bescheid vom 2. 6. 1967 zur Invaliditätspension gewährte Ausgleichszulage für die Zeit vom 1. 2. 1976 bis 31. 12. 1985 neu fest, forderte den in diesem Zeitraum entstandenen Überbezug von 62.198,70 S nach § 107 Abs 1 ASVG zurück und rechnete ihn nach § 103 Abs 1 Z 2 ASVG auf die laufende Pension auf. Sie begründete dies damit, daß die Klägerin im genannten Zeitraum Einkünfte aus Kapitalvermögen bezogen und nicht rechtzeitig gemeldet habe.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Klage bestritt die Klägerin die Höhe der von der beklagten Partei angenommenen Einkünfte aus Kapitalvermögen, weil davon die jährlichen Belohnungen ihres Sachwalters abzuziehen seien, und die Berechtigung zur Rückforderung der nach Oktober 1984 ausgezahlten Ausgleichszulagenbeträge mangels Verletzung der Meldepflicht. Sie beantragte, die Ausgleichszulage für die Zeit vom 1. 2. 1976 bis 31. 12. 1985 unter Berücksichtigung ihrer Einwendungen festzusetzen und festzustellen, daß eine Rückforderung der nach Oktober 1984 ausbezahlten Ausgleichszulagenbeträge nicht statthaft sei.

Die beklagte Partei beantragte, die Klage abzuweisen und der Klägerin den Rückersatz von 62.198,70 S aufzuerlegen. Das Erstgericht stellte fest, daß der von der beklagten Partei erhobene Anspruch auf Rückersatz der an die Klägerin in der Zeit vom 1. 2. 1976 bis 31. 12. 1985 gezahlten Ausgleichszulage in der Höhe von 61.568 S nicht zu Recht bestehe (Punkt 1.), wies das Mehrbegehren festzustellen, daß der von der beklagten Partei erhobene Anspruch auf Rückersatz hinsichtlich eines Teilbetrages von 630,70 S nicht zu Recht bestehe, ab (Punkt 2.), erkannte die Klägerin schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen 630,70 S (Punkt 3.) und die beklagte Partei schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die seit 1. 3. 1987 von der Pension einbehaltenen Beträge (Punkt 4.) zu zahlen.

Es ging von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:

Die Klägerin bezieht von der beklagten Partei seit 27. 5. 1966 eine Invaliditätspension samt Hilflosenzuschuß und Ausgleichszulage. Sie wurde am 10. 11. 1975 wegen Geisteskrankheit und Geistesschwäche beschränkt entmündigt und erhielt am 19. 1. 1976 Dr. Robert B*** zum Beistand, der seit Inkrafttreten des Sachwalterschaftsgesetzes als Sachwalter mit der Einkommens- und Vermögensverwaltung sowie der Vertretung vor Ämtern und Behörden und bei privaten Rechtsgeschäften betraut ist. Die medizinische und soziale Betreuung wird von den behandelnden Ärzten und dem Verein für Wiener Sozialdienste wahrgenommen. Am 19. 10. 1984 gab der Sachwalter der beklagten Partei erstmals bekannt, daß in den vergangenen Jahren Zinsenerträge aus Girokonto und Sparbuch angefallen seien und ersuchte, die Ausgleichszulage vorläufig vorsorglich einzustellen. Am 29. 11. 1984 übermittelte er Bankauskünfte über sämtliche Zinserträge für die Zeit vom 1. 1. 1976 bis 31. 12. 1983. Am 6. 12. 1984 gab er seine Belohnungen für die Jahre 1976 bis 1984 bekannt, am 26. 2. 1985 Bankzinsen von 8.503,87 S für das Jahr 1984, am 12. 5. 1986 Bankzinsen von 12.694,33 S für das Jahr 1985 und, daß er für dieses Jahr keine Belohnung angesprochen habe. Die Klägerin bezog in den nachgenannten Jahren aus Girokonto, Sparbuch und Wertpapierdepot folgende Zinsen, denen folgende vom Pflegschaftsgericht festgesetzte jährliche Belohnungen des Sachwalters (in Klammer) gegenüberstehen.

1976      1.076,-- S         ( 4.756,-- S)

1977      1.866,50 S         ( 4.000,-- S)

1978      2.561,50 S         ( 4.000,-- S)

1979      3.177,60 S         ( 4.000,-- S)

1980      4.349,-- S         (12.300,-- S)

1981      7.174,30 S         (12.300,-- S)

1982     10.352,10 S         (12.300,-- S)

1983      8.135,10 S         ( 8.250,-- S)

1984      8.503,90 S         ( 8.250,-- S)

1985     12.694,30 S         (     0,-- S)

Das Erstgericht vertrat die Rechtsmeinung, daß die

Sachwalterkosten von den Einkünften aus Kapitalvermögen abzuziehen

seien, weshalb die Klägerin in den Jahren 1976 bis 1983 keine

zusätzlichen Einkünfte, im Jahre 1984 solche von 253,90 S und im

Jahr 1985 von 12.694,30 S bezogen habe, woraus in diesen beiden

Jahren ein Ausgleichszulagenüberbezug von insgesamt 12.559,60 S

entstanden sei. Dieser könne aber mangels einer kausalen

Meldepflichtverletzung nicht zurückgefordert werden. Deshalb habe

die beklagte Partei keinen Anspruch auf Rückforderung von insgesamt

61.568,-- S. Sie könne nur den mit ihrem Bescheid vom 14. 4. 1982

vorläufig gestundeten Überbezug an Hilflosenzuschuß von 630,70 S

zurückfordern.

Die beklagte Partei bekämpfte dieses Urteil insoweit, als es ihren Anspruch auf Rückersatz der der Klägerin in der Zeit vom 1. 2. 1976 bis 31. 10. 1984 gezahlten Ausgleichszulage als nicht zu Recht bestehend feststellte und die beklagte Partei schuldig befand, der Klägerin die seit 1. 3. 1987 von der Pension einbehaltenen Beträge binnen 14 Tagen zu zahlen. Die Berufungswerberin wendete sich im wesentlichen gegen die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Sachwalterkosten als Verluste anzusehen und den Gewinnen aus Zinsenerträgen gegenüberzustellen seien und beharrte auch auf eine Meldepflichtverletzung durch den Sachwalter bis Oktober 1984, die sie zur Rückforderung der bis 31. 10. 1984 zu Unrecht ausgezahlten Ausgleichszulage von 51.174,92 S berechtige, so daß der rückforderbare Gesamtüberbezug unter Berücksichtigung des rechtskräftig auferlegten Betrages von 630,70 S 51.805,62 S betrage. Das Berufungsgericht gab der Berufung Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß dieses unter Einbeziehung des unbekämpft gebliebenen Teiles zu lauten habe:

"Die beklagte Partei ist schuldig, die Rückforderung der zu Unrecht bezogenen Ausgleichszulage von 10.393,08 S zu unterlassen; hingegen wird das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, eine weitere Rückforderung zu Unrecht bezogener Ausgleichszulage von 51.805,62 S zu unterlassen, abgewiesen. Die Klägerin ist daher schuldig, der beklagten Partei 51.805,62 S in Monatsraten von 600,-- S unter Berücksichtigung allenfalls schon einbehaltener Beträge ab dem auf die Zustellung des Urteils folgenden Monatsersten zu zahlen".

Das Berufungsgericht verglich die Belohnung des Sachwalters mit einem Rechtsanwaltshonorar für Vertretungshandlungen, das nach § 292 Abs 3 ASVG ebenfalls nicht berücksichtigt werden könne. Eine solche Belohnung könnte allenfalls auch mit Aufwendungen für die Lebensführung im Sinn des § 20 Abs 1 Z 2 Einkommensteuergesetz verglichen werden, die weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden könnten. Die Klägerin habe auch ihre Meldepflicht verletzt, weil sie die Zinsen erstmals im Oktober 1984 bekanntgegeben habe.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen Nichtigkeit des Berufungsurteils, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit des Berufungsurteils und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das angefochtene Urteil "im Umfang des in Beschwerde gezogenen Teiles" im klagestattgebenden Sinn abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 2 Z 2 ASGG zulässige Revision ist berechtigt.

Erreicht die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des

Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens ... nicht die Höhe

des für ihn geltenden Richtsatzes ..., so hat der

Pensionsberechtigte ... nach § 292 Abs 1 ASVG Anspruch auf eine

Ausgleichszulage zur Pension. Nettoeinkommen im Sinn des zitierten Absatzes ist nach Abs 3 dieser Gesetzesstelle, soweit in deren folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt wird, die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge ... Soweit nicht anderes bestimmt ist, sind nach § 282 ABGB die Bestimmungen für den Vormund auch für die Rechte und Pflichten des Sachwalters (Kurators) maßgebend. Der Sachwalter einer behinderten Person hat auch die erforderliche Personensorge, besonders auch die ärztliche und soziale Betreuung, sicherzustellen, soweit das Gericht nicht anderes bestimmt. Für die jährliche Belohnung des Sachwalters gilt daher § 266 ABGB, nach dem das Gericht emsigen Vormündern aus den "in Ersparung kommenden Einkünften" eine verhältnismäßige jährliche Belohnung zuerkennen kann, die jedoch nie mehr als 5 v.H. der reinen Einkünfte betragen darf.

Insbesondere aus der letztzitierten Bestimmung ergibt sich, daß es sich bei der vom Pflegschafts- bzw. Sachwalterschaftsgericht zuzuerkennenden jährlichen Belohnung des Sachwalters um "gesetzlich geregelte Abzüge" im Sinn des § 292 Abs 3 ASVG handelt, die "aus den in Ersparung kommenden Einkünften" der behinderten Person zuzuerkennen sind und diese Einkünfte daher entsprechend vermindern. Solche Belohnungen sind deshalb Werbungskosten im einkommensteuerrechtlichen Sinn ähnlich und von den Einkünften des Pensionsberechtigten abzuziehen.

Eine gegenteilige Auslegung wäre mit dem sozialen Zweck der Ausgleichszulage, die dem Pensionisten ein zur Bestreitung der Kosten einer einfachen Lebenshaltung ausreichendes Mindesteinkommen sichern soll, nicht zu vereinbaren, weil der der Belohnung des Sachwalters entsprechende Teil der Einkünfte dem Pensionisten ja nicht zur Verfügung steht und daher auch nicht zur Bestreitung seiner Lebenshaltung verwendet werden kann.

Daraus folgt, daß die Klägerin für die Zeit vom 1. 2. 1976 bis 31. 12. 1983 schon deshalb keine Pflicht zum Rückersatz von Ausgleichszulagenleistungen trifft, weil ihr die beklagte Partei für diese Zeit solche Leistungen nicht zu Unrecht erbracht hat. Für diesen Zeitraum mußten daher die weiteren (besonderen) Rückforderungsvoraussetzungen nach § 107 Abs 1 ASVG nicht geprüft werden.

Für die Zeit vom 1. 1. 1984 bis 31. 12. 1985 erbrachte die beklagte Partei der Klägerin zwar zu Unrecht Ausgleichszulagenleistungen. Daß die Klägerin für die für die Zeit vom 1. 11. 1984 bis 31. 12. 1985 erbrachten Leistungen keine Rückersatzpflicht trifft, wurde bereits vom Erstgericht rechtskräftig festgestellt. Die Klägerin ist aber auch nicht verpflichtet, die für die Zeit vom 1. 1. bis 31. 10. 1984 zu Unrecht erbrachten Ausgleichszulagenbeträge zu ersetzen, weil es hinsichtlich der für die ersten zehn Monate dieses Jahres bezogenen Zinsen an einer besonderen Rückforderungsvoraussetzung des § 107 Abs 1 ASVG, insbesondere einer Verletzung der Meldevorschriften fehlt.

Das Urteil des Berufungsgerichtes ist zwar nicht wegen des im

§ 477 Abs 1 Z 9 ZPO bezeichneten Mangels nichtig und auch die

geltend gemachte Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit

(§ 503 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO) liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 leg cit).

Das angefochtene Urteil beruht jedoch auf der dargelegten

unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache, weshalb es durch

Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils mit der aus dem

Spruch ersichtlichen Maßgabe abzuändern war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

Anmerkung

E15542

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00229.88.0927.000

Dokumentnummer

JJT_19880927_OGH0002_010OBS00229_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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