TE OGH 1988/9/28 1Ob597/88

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Veröffentlicht am 28.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Theresia Maria F***, geboren am 2.August 1939, Hausfrau, Tannenweg 29, 4850 Timelkam, vertreten durch Dr.Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Alfons Friedrich F***, geboren am 17. Februar 1936, Angestellter, Am Hochkogl 39, 4810 Gmunden, vertreten durch Dr.Franz Hitzenberger und Dr.Christian Rumplmayr, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 17.März 1988, GZ 13 R 6/88-32, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 28.September 1987, GZ 5 Cg 351/86-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die zwischen den Streitteilen am 28.März 1959 vor dem Standesamt Gmunden zu Nr. 17/1959 geschlossene Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten geschieden wird.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 25.945,70 (darin S 2.358,70 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 28.März 1959 vor dem Standesamt Gmunden zu Nr. 17/1959 die beiderseits erste Ehe geschlossen. Der Ehe entstammen vier Kinder, der am 19.Juni 1960 geborene Andreas, die am 25. August 1962 geborene Barbara, der am 17.Juli 1968 geborene Peter und der am 28.Februar 1970 geborene Werner. Die Streitteile sind österreichische Staatsbürger und konfessionslos. Ihr letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt befand sich in Timelkam, Tannenweg 29.

Das Erstgericht gab dem auf § 49 EheG gegründeten Scheidungsbegehren der Klägerin, welchem der Beklagte u.a. einen Mitschuldantrag entgegensetzte, dahin statt, daß es die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten schied und der Klägerin die Hälfte ihrer Prozeßkosten zusprach. Es stellte im wesentlichen fest:

Der Beklagte habe schon bald wenig Interesse für ein Beisammensein bzw. eine Beschäftigung mit der Klägerin und überhaupt mit der Familie gezeigt. Die Kontakte und Gespräche zwischen den Streitteilen hätten sich deshalb zumindest zeitweise auf das Nötigste beschränkt, geschlechtliche Beziehungen hätten nur sporadisch stattgefunden. In allen Fragen des gemeinsamen Lebens habe die Klägerin die Initiative ergreifen müssen. Auch gegenüber dem von der Klägerin ausgehenden Erwerb eines Hauses habe sich der Beklagte gleichgültig gezeigt. Überhaupt habe er sich über seine Vorstellungen kaum ausgesprochen und den Dingen im allgemeinen ihren Lauf gelassen. Mit den Kindern habe er nur über Aufforderung der Klägerin etwas unternommen; die schulischen Belange der Kinder habe er ihr gänzlich überlassen. Als die Klägerin wegen ihrer Unzufriedenheit mit der Ehesituation erstmals die Ehescheidung in Betracht gezogen und darüber mit dem Beklagten gesprochen habe, habe er sich nur darauf beschränkt, diesem Ansinnen nicht zuzustimmen. Zu einem echten Gespräch über die ehelichen Probleme und die mangelnde Gemeinsamkeit sei es nicht gekommen. Der Klägerin habe die Gleichgültigkeit des Beklagten seelisch schwer zu schaffen gemacht, so daß bei ihr Depressionen entstanden seien. Zufolge des getrübten bzw. gespannten Verhältnisses zwischen den Streitteilen sei es zwischen ihnen auch zu Auseinandersetzungen und Streitigkeiten gekommen. Ab Anfang 1983 habe die Klägerin mit dem Beklagten nicht mehr sexuell verkehren wollen. Nach einer vor dem Erstgericht in der Streitverhandlung vom 1.Juli 1983 - zugleich mit dem Ruhen des Verfahrens vereinbarten vorübergehenden Trennung sei die Klägerin auf den vom Beklagten geäußerten Wunsch, in die eheliche Wohnung zurückzukehren, nicht mehr eingegangen, weil dieser nicht bereit gewesen sei, über die Ursachen der Eheprobleme zu sprechen; sie habe deshalb ein neuerliches Aufflammen der unbewältigten Konflikte im Falle der Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft befürchtet. Daraus folgerte das Erstgericht rechtlich, daß die Ehe der Streitteile zerrüttet sei und die Zerrüttung auf das einleitende und überwiegende Verschulden des Beklagten zurückgehe. Das (Mit-)Verschulden der Klägerin erblickte es darin, daß sie ab Anfang 1983 nicht mehr ernstlich an einer Aufrechterhaltung der Ehe interessiert gewesen sei. Dies habe zur Beendigung der geschlechtlichen Beziehungen zwischen den Streitteilen geführt und seinen Ausdruck darin gefunden, daß die Klägerin den Beklagten nicht mehr in die eheliche Wohnung zurückkehren lassen wollte, weil ihrer Meinung nach keine Änderung gegenüber dem früheren Zustand zu erwarten gewesen sei. Die Verfehlungen der Klägerin seien aber überwiegend als Überreaktionen auf das Desinteresse des Beklagten, auf dessen Verhalten die Zerrüttung der ehelichen Beziehung in erster Linie zurückzuführen sei, anzusehen.

Das Gericht zweiter Instanz gab den Berufungen beider Parteien nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch dessen Rechtsansicht über das Mitverschulden der Klägerin an der Ehezerrüttung. Die Klägerin habe nach Ablauf der vereinbarten Trennungsfrist in dem Zeitpunkt, als der Beklagte die eheliche Gemeinschaft wieder aufnehmen habe wollen, noch nicht jede eheliche Gesinnung verloren gehabt, weil sie nicht grundsätzlich einer Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft widersprochen, sondern diese von einer Aussprache über die Eheprobleme abhängig gemacht habe. Auch der Beklagte habe durch den Wunsch, in die eheliche Wohnung zurückzukehren, seinen Ehewillen bekundet. Da sohin damals (im Herbst 1983) noch keine unheilbare Zerrüttung der Ehe vorgelegen sei, sei zu prüfen, ob die Klägerin ausreichende Gründe für die Ablehnung der Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft gehabt habe. Die Weigerung des Beklagten, vor der Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft mit der Klägerin über die Ursachen der Eheprobleme zu sprechen, sei kein solcher ausreichender Grund gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Lediglich die Klägerin bekämpft das Urteil zweiter Instanz mit Revision. Die Revision ist auch berechtigt.

Der vorliegende Sachverhalt bietet keine Anhaltspunkte für die Annahme der Vorinstanzen, daß die Zerrüttung der Ehe der Streitteile erst nach der - oder gar durch die Ablehnung des Wunsches des Beklagten auf Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft durch die Klägerin eingetreten ist. Im Herbst 1983 ist nur ein weiterer Versuch der zu Recht die Ehescheidung begehrenden Klägerin, die Ehe doch noch zu retten, gescheitert, weil, wie die Vorinstanzen feststellten, der Beklagte nicht bereit war, über die Ursachen der Eheprobleme zu sprechen. Er war damit auch nicht bereit, die Ursachen der Absicht der Klägerin, sich wegen des Verhaltens des Beklagten eventuell scheiden zu lassen, zu beheben oder auch nur darüber zu sprechen. Der Klägerin kann im Scheidungsverfahren kein Nachteil daraus erwachsen, daß sie wegen der ehewidrigen Verhaltensweisen des Beklagten infolge Zerrüttung der Ehe ihren Ehewillen verlor und die Scheidungsklage erhob, aber doch noch - aus welchen Gründen immer - längere Zeit hindurch versuchte, die Ehe doch noch zu retten, indem sie dem Beklagten Gelegenheit zur Änderung seines ehewidrigen Verhaltens gab. Wenn sie dann nach Ablauf der vereinbarten Trennungszeit und Feststellung, daß der Beklagte nicht bereit war, über eine Änderung seines Verhaltens auch nur zu sprechen, nicht mehr damit einverstanden war, die Ehegemeinschaft mit dem lediglich in die Ehewohnung zurückstrebenden Beklagten wieder aufzunehmen, kann ihr daraus eine schwere Eheverfehlung und somit eine Mitschuld an der Ehezerrüttung nicht angelastet werden (EvBl. 1961/226; EvBl. 1958/78 uam). Der Ausspruch eine Mitschuld des klagenden Ehegatten im Sinne des § 60 Abs. 3 EheG ist nur zulässig, wenn der beklagte Ehegatte auf Grund der betreffenden Umstände erfolgreich auf Scheidung wegen Verschuldens hätte klagen können (EFSlg. 51.655 ua). Ein solches Recht bestand aber nicht.

Über die berechtigte Revision der Klägerin sind daher die Urteile der Vorinstanzen im Sinne des Scheidungsausspruchs aus dem Alleinverschulden des Beklagten abzuändern.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten aller drei Instanzen beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E15354

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00597.88.0928.000

Dokumentnummer

JJT_19880928_OGH0002_0010OB00597_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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