TE OGH 1988/9/28 14Os120/88

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Veröffentlicht am 28.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.September 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Swoboda als Schriftführer, in der Strafsache gegen Robert H*** wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 26. Mai 1988, GZ 7 Vr 119/88-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wird der Akt gemäß § 285 i StPO nF dem Oberlandesgericht Linz zugemittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 22.Oktober 1964 geborene Robert H*** der Verbrechen der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes) und der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (Punkt 2) schuldig erkannt.

Darnach hat er am 15.Feber 1988 in Gopperding, Gemeinde St. Florian am Inn, Anna R***

(zu 1) mit Gewalt, nämlich dadurch, daß er eine brennende Zigarette auf ihrem linken Handrücken ausdrückte, sie gewaltsam niederdrückte und ihr den Kopf zurückbog, sowie durch die Äußerung, wenn sie sich nicht ausziehe, werde er mit einem Messer nachhelfen, sohin (auch) durch gefährliche Drohung, zum außerehelichen Beischlaf genötigt, und

(zu 2) durch die Äußerung, wenn sie wegen des unter 1 angeführten Tatbestandes (gemeint wegen der unter 1 angeführten Tat) Anzeige erstatte, werde er sie umbringen, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zur Unterlassung der Anzeigeerstattung zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 4, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die jedoch teils offenbar unbegründet, teils nicht den Prozeßgesetzen entsprechend ausgeführt ist. Verfehlt ist zunächst der vom Beschwerdeführer im Rahmen der Verfahrensrüge (Z 4), sachlich jedoch in Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 1 StPO erhobene Einwand, der Vorsitzende des Schöffengerichtes sei von der Mitwirkung an der Hauptverhandlung ausgeschlossen gewesen, weil er an der Haftprüfungsverhandlung vom 7.März 1988 als Beisitzer teilgenommen habe (S 117). Gemäß § 68 Abs 2 StPO sind jedoch nur solche Richter von der Mitwirkung und Entscheidung in der Hauptverhandlung ausgeschlossen, die in derselben Sache als Untersuchungsrichter tätig waren oder an der Entscheidung über den Einspruch gegen die Versetzung in den Anklagestand teilgenommen haben. Auf einen Richter, der in einer Haftprüfungsverhandlung tätig gewesen ist, trifft dies nicht zu (vgl. ÖJZ-LSK 1975/126 ua). Davon abgesehen hätte sich der Angeklagte auf den in Rede stehenden Nichtigkeitsgrund (Z 1) selbst im Fall der Beteiligung eines tatsächlich ausgeschlossenen Richters an der Hauptverhandlung nur dann erfolgreich berufen können, wenn er diesen Umstand schon beim Beginn der Hauptverhandlung oder sogleich, nachdem er in dessen Kenntnis gelangt war, geltend gemacht hätte. Soweit aber der Angeklagte in der Beschwerde unter Hinweis auf den erwähnten Umstand der Sache nach eine Befangenheit des Vorsitzenden behauptet, macht er damit gleichfalls keine Nichtigkeit im aufgezeigten Sinn geltend (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 11 zu § 74).

Es versagt aber auch die Verfahrensrüge (Z 4), mit welcher der Angeklagte die Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages (S 284) auf Beiziehung eines (weiteren) Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie zur Widerlegung des vom Sachverständigen Univ.Prof. Dr. J*** unter anderem über seinen Geisteszustand erstatteten Gutachtens rügt. Dieser Antrag wurde damit begründet, daß "der" - im Beweisantrag nicht näher bezeichnete - Test (ersichtlich gemeint jedoch der sogenannte "FPI-Test" - vgl. S 193 ff), den der Sachverständige Dr. J*** - der zudem sämtliche Tests nicht persönlich durchgeführt habe - zur Diagnosestellung über den Geisteszustand des Angeklagten herangezogen habe, keine taugliche Grundlage für die Gutachtenerstellung abgeben könne, weil darin enthaltene sogenannte "Wahrheitsfragen" das Gesamtergebnis verfälscht und damit eine unrichtige Diagnose bewirkt hätten (S 284). Der Sachverständige, der vom Erstgericht mit der Begutachtung des Angeklagten in bezug auf eine allfällige abnorme Veranlagung sowie auf eine etwaige Gefährlichkeit (im Sinn des § 21 StGB) beauftragt worden war (vgl. S 3 b), kam nach Auswertung einer Vielzahl von Beurteilungsgrundlagen, darunter auch der Ergebnisse zahlreicher Tests, zum Ergebnis, daß die Persönlichkeit des Angeklagten durch eine egozentrische Einstellung, insbesondere auch gegenüber dem anderen Geschlecht sowie durch eine Neigung zur Aggressivität geprägt ist (ON 22).

Abgesehen davon, daß gemäß § 134 Abs 1 StPO das Gericht lediglich dann verpflichtet ist, die Untersuchung des Geistes- oder Gemütszustandes eines Angeklagten durch Sachverständige zu veranlassen, wenn Zweifel darüber entstehen, ob der Angeklagte zur Zeit der Tat den Gebrauch seiner Vernunft besessen oder ob er an einer Geistesstörung gelitten hat, wodurch seine Zurechnungsfähigkeit aufgehoben war, hat der Angeklagte - bei dem keine Symptome vorliegen, die auf einen der im § 11 StGB bezeichneten Geistesdefekte hindeuten und der auch selbst eine Zurechnungsunfähigkeit zur Tatzeit nicht behauptete - bei Stellung des Antrages auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen dem bezüglichen Gutachten anhaftende Mängel im Sinn der §§ 125, 126 StPO gar nicht behauptet. Die Beschwerdeausführungen erschöpfen sich vielmehr in einer unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung des Erstgerichts, welches das Gutachten als mängelfrei, ausreichend und schlüssig beurteilte (S 304). Die vom Angeklagten der Sache nach relevierte Frage der Schlüssigkeit des Gutachtens aber bleibt der Beurteilung durch die Tatsacheninstanz (§ 258 Abs 2 StPO) vorbehalten und ist demnach unter dem Gesichtspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes nicht anfechtbar (vgl. insbesondere Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 132 und 133 zu § 281 Z 4). Durch die Ablehnung der beantragten Beweisaufnahme - die für die Entscheidung über die Schuld aus den dargelegten Gründen ohne Bedeutung ist - sind demnach keine Gesetze verletzt oder Verfahrensgrundsätze hintangesetzt worden, deren Beachtung durch das Wesen eines (auch) die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten gewesen wäre.

Auch die Darlegungen zum Nichtigkeitsgrund der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO vermögen die durch die Gesamtheit der Verfahrensergebnisse vermittelte Sach- und Beweislage nicht in einem Maß zugunsten des Angeklagten zu ändern, daß die Beweiswürdigungserwägungen der Tatrichter ihre intersubjektive Überzeugungskraft verlieren, das heißt untervertretbar erscheinen und die Annahme entscheidungswesentlicher Tatsachen ernstlich in Frage stellen würden. Die Prüfung der - insbesondere die Wertung der Aussage der Zeugin R*** durch das Schöffengericht

betreffende - Tatsachenrüge des Beschwerdeführers vermochte sohin keine aus den Akten resultierenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang zum Ausdruck bringt, die Urteilsbegründung stehe mit dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht im Einklang, sei nur der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, daß dem österreichischen Strafprozeß jede Beweisregel fremd ist und demnach der zuvor bezeichnete Grundsatz keineswegs die Bedeutung einer "negativen" Beweisregel hat, derzufolge sich das Gericht bei Verfahrensergebnissen, die mehrere Deutungen und Schlußfolgerungen zulassen, grundsätzlich die für den Angeklagten günstigste der sich anbietenden Varianten zu eigen machen muß. Denn das Gericht hat darüber, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist, stets nach seiner freien, aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider den Angeklagten vorgebrachten Beweismittel gewonnenen Überzeugung zu entscheiden, wobei es sich jede Meinung bilden kann, die den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung nicht widerspricht. Insoweit ist es jedenfalls nicht erforderlich, daß Schlußfolgerungen aus (zweifelsfrei festgestellten) Prämissen zwingend sind; genug daran, daß sie den Denkgesetzen entsprechen (JBl 1951, 386 uva). Nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt ist schließlich die Rechtsrüge (Z 9 lit a), in welcher der Beschwerdeführer das Fehlen der Urteilsfeststellung vermißt, daß die Zeugin R*** keine Gegenwehr geleistet habe. Denn die Beschwerde übergeht dabei die anderslautenden Urteilskonstatierungen, wonach die Zeugin zu fliehen versuchte (S 297) und weitere Abwehrmaßnahmen schließlich aus Angst unter ließ, nachdem der Angeklagte ihre versuchte Gegenwehr gewaltsam unterdrückt hatte (S 298). Solcherart vergleicht die Beschwerde nicht, wie dies zur gesetzmäßigen Ausführung des angezogenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes (auch bei der Behauptung von Feststellungsmängeln) erforderlich wäre, den im Urteil tatsächlich als erwiesen angenommenen vollständigen Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz. Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit teils gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils gemäß der Z 1 dieser Gesetzesstelle in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die übrigen Entscheidungen gründen sich auf die bezogenen Gesetzesstellen.

Anmerkung

E15338

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0140OS00120.88.0928.000

Dokumentnummer

JJT_19880928_OGH0002_0140OS00120_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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