Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef Fellner und Hermann Peter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gottfried G***, Hilfsarbeiter, Weitensfeld, Edling 4, vertreten durch Dr. Hans Primus, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei G*** & Co, Hoch- und Tiefbau, Feldkirchen, Lastenstraße 11, vertreten durch Dr. Gerhard Hernler, Rechtsanwalt in Feldkirchen, wegen S 42.800,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. April 1988, GZ 8 Ra 18/88-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 9. November 1987, GZ 34 Cga 1167/87-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 42.800,-- samt 4 % Zinsen seit dem Klagstag binnen 14 Tagen zu zahlen, abgewiesen wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.696,40 (darin S 972,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit S 4.357,85 (darin S 214,35 Umsatzsteuer und S 2.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 5.329,75 (darin S 257,25 Umsatzsteuer und S 2.500,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der Beklagten seit 1. August 1979 mit saisonalen Unterbrechungen bis 4. Dezember 1986 als Hilfsarbeiter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Arbeitgeberkündigung. Mit der am 15. September 1987 erhobenen Klage begehrt er S 42.800,-- netto sA an Abfertigung, weil ihn die Beklagte nach Ablauf der 120-Tagefrist nicht mehr eingestellt habe. Die Beklagte habe den Abfertigungsanspruch überdies in der geltend gemachten Höhe ausdrücklich anerkannt.
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Ein allfälliger Abfertigungsanspruch des Klägers sei gemäß § 14 Z 3 des Kollektivvertrages für Bauindustrie und Baugewerbe (kurz Kollektivvertrag) verjährt (verfallen), da die Beklagte einen solchen Anspruch abgelehnt und der Kläger diesen nicht innerhalb von 8 Wochen nach der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht habe. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:
Mit Schreiben vom 23. April 1987 ersuchte zunächst der Kläger die beklagte Partei selbst, ihm die Abfertigung auszuzahlen. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 8. Mai 1987, daß laut Auskunft der Kammer keine Abfertigungspflicht bestehe. Der Kläger wandte sich daraufhin an die Gewerkschaft, worauf der Sekretär der Baugewerkschaft, Siegfried K***, am 25. Mai 1987 ein Schreiben an die Beklagte richtete, in dem er um Zahlung einer Abfertigung in Höhe von 3 Monatsentgelten an den Kläger ersuchte. Da er keine Nachricht erhielt, urgierte er dieses Ersuchen mit Schreiben vom 29. Juni 1987.
Am 7. Juli 1987 telefonierte K*** mit dem Geschäftsführer der Beklagten, August G***, der ihm mitteilte, daß der Kläger deshalb keinen Abfertigungsanspruch habe, weil er entlassen worden sei. Nachdem eine Überprüfung die Unrichtigkeit dieser Behauptung ergeben hatte, suchte K*** den Geschäftsführer der Beklagten am 21. Juli 1987 persönlich auf. Dieser erklärte ihm nunmehr, daß er den Anspruch des Klägers auf Grund einer Auskunft der Handelskammer ablehne, ohne sagen zu können, welcher Referent ihm diese Auskunft erteilt hätte. K*** schlug G*** vor, er werde selbst darüber mit Mag. L*** als dem zuständigen Sekretär der Handelskammer reden und meinte, daß G*** den Abfertigungsanspruch des Klägers dann anerkennen möge, wenn er von Mag. L*** die Auskunft erhalte, daß der Anspruch zu Recht bestehe. G*** erwiderte, daß er den Abfertigungsanspruch "bezahlen" werde, wenn die Handelskammer mitteile, daß der Kläger darauf Anspruch habe.
Am 23. Juli 1987 sprach K*** mit Mag. L***. Dieser
sagte nach Überprüfung der von K*** vorgelegten Unterlagen, daß der Anspruch des Klägers zu Recht bestehe, und versprach, dies G*** mitzuteilen. Eine Durchschrift des Schreibens der Handelskammer an G*** erhielt K*** jedoch nicht.
Da die Abfertigung weiterhin nicht gezahlt wurde, schrieb K*** am 7. August 1987 neuerlich an die Beklagte. Es erfolgte darauf keine Reaktion und auch eine Intervention der Arbeiterkammer blieb erfolglos.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Abfertigungsanspruch des Klägers nach dem Kollektivvertrag zwar verfallen sei, daß der Geschäftsführer der Beklagten den Anspruch aber konstitutiv anerkannt und damit auf die Einrede der Verjährung verzichtet habe.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes über das Vorliegen eines wenn auch bedingten konstitutiven Anerkenntnisses und führte ergänzend aus, daß die von August G*** beigesetzte Bedingung dadurch eingetreten sei, daß die Handelskammer Kärnten der Beklagten schriftlich bestätigte habe, daß der Kläger Anspruch auf eine Abfertigung in Höhe von 3 Monatsgehältern habe. Es sei dabei ohne Bedeutung, ob die Handelskammer hiebei die Frage eines allfälligen Verfalls des Klageanspruches geprüft habe, da die Beklagte einen Verfall des Anspruches bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht eingewendet hätte. Es spiele auch keine Rolle, ob K*** vom Kläger zum Einschreiten bevollmächtigt gewesen sei, da die Erklärung G*** für den Kläger bestimmt gewesen und von diesem angenommen worden sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Gemäß § 14 Z 3 des Kollektivvertrags beträgt die Geltendmachungsfrist hinsichtlich eines gesetzlichen Abfertigungsanspruches 5 Monate. Lehnt der Arbeitgeber den Anspruch ab, verfällt er, wenn er nicht innerhalb von 8 Wochen nach Ablehnung gerichtlich geltend gemacht wird.
Der Kläger machte seinen Abfertigungsanspruch gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 23. April 1987 zwar noch innerhalb der Frist von 5 Monaten geltend, er brachte jedoch trotz der bereits mit Schreiben vom 8. Mai 1987 erfolgten Ablehnung seine Klage erst am 15. September 1987, sohin nach Ablauf der kollektivvertraglichen Klagefrist ein. Auch wenn man annimmt, daß dem Kläger das Schreiben der Beklagten vom 8. Mai 1987 erst am 11. Mai 1987 zugekommen ist, war die Frist von 8 Wochen abgelaufen, bevor der Sekretär K*** G*** am 21. Juli 1987 den Vorschlag machte, den Anspruch des Klägers anzuerkennen. Zu diesem Zeitpunkt war der Anspruch des Klägers auf gesetzliche Abfertigung gemäß § 14 Z 3 KV schon verfallen (Koziol-Welser, Grundriß7 173; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht 229; Martinek-Schwarz, AngG6 638 ff;
Mayer-Maly/Marhold, Österreichisches Arbeitsrecht I 122 f;
Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser,
Arbeitsrecht3 I 196 f; Arb. 10.219, 10.475 ua).
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen liegt keine über den gesetzlichen Anspruch des Klägers hinausreichende, neue selbständige Verpflichtung der Beklagten auf Zahlung der Abfertigung vor. Richtig ist, da ein konstitutives Anerkenntnis das anerkannte Schuldverhältnis auch für den Fall ins Leben ruft, daß es nicht bestanden hat und damit eine neue selbständige Verpflichtung schafft (SZ 51/176). Es setzt aber grundsätzlich die Absicht des Erklärenden voraus, unabhängig von dem bestehenden Schuldgrund eine neue selbständige Verpflichtung zu schaffen (Arb. 9.937 ua). Die Erklärung G***, er werde den Abfertigungsanspruch "bezahlen", wenn die Handelskammer mitteile, daß der Kläger darauf Anspruch habe, konnte entgegen der Ansicht der Vorinstanzen im Rahmen der auch für Anerkenntnisse geltenden Vertrauenstheorie aber nur dahin verstanden werden, daß G*** eben nur dann zahlen wolle, wenn ihm von rechtskundiger Seite bestätigt werde, daß der gesetzliche Anspruch des Klägers tatsächlich zu Recht bestehe. Er wollte damit erkennbar keine vom bestehenden Schuldgrund unabhängige Verpflichtung eingehen, sondern im Gegenteil seine Zahlungsverpflichtung allein von der bestehenden (und ihm offenbar nicht geläufigen) Rechtslage abhängig machen. Sein Anerkenntnis erfolgte sohin nicht konstitutiv, sondern lediglich deklarativ (Ertl in Rummel, ABGB § 1380 Rz 7; Koziol-Welser aaO 261), so daß daraus kein neuer Verpflichtungsgrund abgeleitet werden kann. Es bleibt daher noch zu prüfen, ob G*** durch seine festgestellte Erklärung auf die Einrede des Verfalls verzichtete (vgl. SZ 50/110). Ein solcher Verzicht wurde vom Kläger nicht behauptet. Aber selbst wenn man das Vorliegen eines nach Verfall des Anspruches erklärten deklarativen Anerkenntnisses als Verzicht auf die Verfallseinrede wertet, ist davon auszugehen, daß G*** dem Sekretär der Handelskammer damit keine Schiedsrichterfunktion übertrug, sondern seine Zahlungszusage nach erkennbarer Absicht vielmehr von einer nach umfassender Prüfung der Rechtslage richtig erteilten Wissenserklärung abhängig machte. Seine Erklärung umfaßte jedenfalls nicht eine auf Grund fehlender Prämissen zu erwartende Fehlbeurteilung. Es entspricht nämlich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht den vom Erstgericht übernommenen Feststellungen, daß die Zahlungszusage einschränkend allein dadurch bedingt gewesen wäre, daß Mag. L*** lediglich zu der von K*** vorgelegten Aufstellung der Arbeitszeiten des Klägers Stellung nehmen hätte sollen (Beilage VI). Da sohin die Auskunft der Handelskammer lückenhaft blieb und im Sinne einer redlichen Verkehrsübung (Rummel in Rummel ABGB § 914 Rz 9 ff) nach Bekanntgabe des gesamten Sachverhalts ergänzt hätte werden müssen, konnte die von G*** gesetzte Bedingung seines Zahlungsversprechens und ein daraus ableitbarer Verzicht auf die Verfallseinrede nicht eintreten.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
Anmerkung
E15560European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00180.88.0928.000Dokumentnummer
JJT_19880928_OGH0002_009OBA00180_8800000_000