Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Robert F***, Zeitungsverkäufer, Nüziders, Im Hag 50, vertreten durch Dr. Gerold Hirn, Dr. Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in Feldkirch, wider die beklagte Partei Seraphine M***, Pensionistin, Bludenz, Montafoner Straße 20, vertreten durch Dr. Michael Gnesda, Rechtsanwalt in Wien, wegen restlicher S 20.912,45 und Feststellung, hier: wegen Ablehnung infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 4.Juli 1988, GZ 2 Nc 102/88-4, womit ein Ablehnungsantrag der beklagten Partei zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Seraphine M*** wurde mit Urteil des Landesgerichts
Feldkirch vom 30.6.1986, 18 b E Vr 544/86-73, bestätigt mit Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 23.10.1986, 4 Bs 542/86-83, schuldig erkannt, am 23.7.1983 den Robert F*** durch einen Stoß mit einem Weinglas ins Gesicht und gegen den rechten Unterarm vorsätzlich am Körper durch Schnittwunden derart verletzt zu haben, daß die Tat an sich schwere Verletzungen verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit zur Folge hatte.
Robert F*** begehrte im Verfahren 6 Cg 156/86 des Landesgerichtes Feldkirch von Seraphine M*** die Zahlung des Betrages von S 34.252,60 samt Anhang an Schmerzengeld und Verdienstentgang sowie die Feststellung, daß Seraphine M*** ihm für sämtliche nachteilige Folgen und Schäden aus dem Vorfall vom 23.7.1983 hafte. Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 2.2.1988, ON 22, über Berufung der Seraphine M*** bestätigt mit Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 4.5.1988, 3 R 120/88-29, wurde Seraphine M*** schuldig erkannt, dem Robert F*** den Betrag von S 20.912,45 samt Anhang zu bezahlen. Weiters wurde festgestellt, daß sie dem Robert F*** gegenüber für sämtliche nachteilige Folgen und Schäden aus dem Vorfall vom 23.7.1983 zu 3/4 zu haften habe. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 60.000 nicht übersteigt. Das Urteil des Berufungsgerichtes wurde dem Vertreter der Seraphine M*** am 1.6.1988 zugestellt. Am 8.6.1988 lehnte Seraphine M*** die erkennenden Richter des Oberlandesgerichtes Innsbruck als befangen ab. Die Berufungsentscheidung lege in ihrer Begründung zureichende Gründe offen, die volle Unbefangenheit des erkennenden Berufungssenates in Zweifel zu ziehen.
Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Oberlandesgericht Innsbruck den Ablehnungsantrag zurück. Ein Ablehnungsantrag könne nach Rechtskraft einer Entscheidung in der Regel nicht mehr gestellt werden, ausgenommen den hier nicht vorliegenden und auch nicht behaupteten Fall des § 530 Abs 1 Z 4 ZPO, weil die Bestimmungen der §§ 19 f JN der Sicherung der richterlichen Objektivität im Einzelfall dienten, nach Rechtskraft einer Entscheidung der betroffene Richter mit derselben aber nicht mehr befaßt sein könne. Im übrigen sei der Ablehnungsantrag auch sachlich nicht gerechtfertigt. Die Behandlung der Verfahrensrüge der Berufung in der Berufungsentscheidung lasse jedenfalls nicht erkennen,daß sich der abgelehnte Senat bei seiner Entscheidung von anderen als sachlichen Erwägungen habe leiten lassen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Ablehnungswerberin ist nicht berechtigt. Es entspricht zwar Rechtsprechung und Lehre (SZ 43/104; Fasching, Kommentar I 213 f), daß ein Richter auch noch nach Schluß der mündlichen Verhandlung und nach Fällung seines Urteiles abgelehnt werden kann. In diesem Fall muß aber in der Sache selbst noch ein Rechtsmittel offen stehen, in dem dann die erfolgreiche Ablehnung geltend gemacht werden kann (§ 477 Abs 1 Z 1 ZPO). Im vorliegenden Fall war gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck die Revision gemäß § 502 Abs 3 ZPO unzulässig, das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck ist rechtskräftig. Nach § 529 Abs 1 Z 1 ZPO kann eine rechtskräftige Entscheidung, durch welche eine Sache erledigt ist, durch Nichtigkeitsklage angefochten werden, wenn ein erkennender Richter von der Ausübung des Richteramtes in dem Rechtsstreit kraft Gesetzes ausgeschlossen war. Die Teilnahme eines bloß wegen Befangenheit erfolgreich abgelehnter Richter an der Entscheidung bildet zwar den Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO, dieser Mangel heilt aber mit der formellen Rechtskraft der Entscheidung, so daß darauf eine Nichtigkeitsklage erfolgreich nicht gestützt werden kann (SZ 43/104 ua, zuletzt 5 Ob 379/87; 8 Ob 547/87; Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 2046; Petschek-Stagel, Der Österreichische Zivilprozeß 410; Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht2 39; Sperl 701). Heilt aber die Teilnahme eines (noch nicht rechtskräftig) abgelehnten Richters selbst für den Fall seiner erfolgreichen Ablehnung mit der formellen Rechtskraft der Entscheidung, so daß eine Wiederaufrollung des Verfahrens aus diesem Grund ausgeschlossen ist, mangelt es der Ablehnungswerberin an einem rechtlich geschützten Interesse, das Vorliegen der Befangenheit von Richtern nach rechtskräftiger Entscheidung in der Hauptsache geltend zu machen (Rechberger-Simotta3 Rz 41).
Dem Rekurs ist der Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E15358European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00637.88.0928.000Dokumentnummer
JJT_19880928_OGH0002_0010OB00637_8800000_000