Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Dr.Renate F***, Beamtin, Graz, Quellengasse 53, vertreten durch Dr.Dietrich Roessler, Dr.Hans Pritz und Dr.Birgit Roessler-Thaler, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegner
1.) KommRat Otto M***, Pensionist, 2.) Ilse M***, Hausfrau, beide Kitzbühel, Aschbachbichl 28, beide vertreten durch Dr.Herwig Grosch, Dr.Günther Harrasser, Dr.Simon Brückl, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen Einräumung eines Notweges infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 22.April 1988, GZ 3 b R 33/88-88, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 15.Jänner 1988, GZ 1 Nc 183/81-82, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Revisionsrekurswerber haben die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Antragsgegner sind auf Grund eines mit Gerald Reichsfreiherr P*** VON H*** am 14.August 1978 abgeschlossenen
Kaufvertrages Eigentümer des Grundstückes 1777/14 KG Kitzbühel-Land. Im Punkt 4 dieses Kaufvertrages nahmen die Antragsgegner zur Kenntnis, daß entlang der Südwestseite des Grundstückes auf einem 5 m breiten Streifen die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens zugunsten der nunmehr im Eigentum der Antragstellerin stehenden Grundstücke 1777/15 und 1777/9 besteht. Im Punkt 10 des Vertrages wurde darauf hingewiesen, daß der Zugang und die Zufahrt vom öffentlichen Gut zum Grundstück 1777/14 über einen in der Natur schon vorhandenen Weg erfolgt. Gerald Reichsfreiherr P*** VON H*** übernahm es, diesen Zufahrtsweg bis zur Westgrenze des Grundstückes 1777/14 auf eine Breite von 5 m zu bringen und eine Stützmauer zu errichten. An den Gesamtkosten hatten sich die Antragsgegner zu einem Drittel, höchstens jedoch mit S 70.000 zu beteiligen. Die Verbreiterung der Straße und ihrer Oberflächenbeschaffenheit hatte nach den im Baubescheid ersichtlichen Auflagen zu erfolgen. Da Gerald Reichsfreiherr P*** VON H*** trotz Urgenzen des Erstantragsgegners die Straße nicht verbreiterte und die Stützmauer nicht errichtete, gab der Erstantragsgegner die entsprechenden Arbeiten selbst in Auftrag. Er wendete dafür einen Betrag von S 372.881,82 auf. Zwecks rechtlicher Absicherung des 5 m breiten Zufahrtsweges erwarben die Antragsgegner in der Folge mit Kaufverträgen vom 20.Jänner und 7.Mai 1979 die neu gebildeten Grundstücke 1777/18 und 1775/7. Weiters wurde ihnen über das Grundstück 1777/13 die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens eingeräumt. Damit war für sie die Zufahrt zum Grundstück 1777/14 vom öffentlichen Wegenetz sichergestellt.
Auf Grund eines von Ellen del F***, einer Tochter des Gerald Reichsfreiherr P*** VON H*** am 12.Dezember 1979 gestellten, von der Antragstellerin am 27.Juli 1979 angenommenen Kaufanbotes ist die Antragstellerin Eigentümerin des Grundstückes 1777/9 KG Kitzbühel-Land und auf Grund eines von Renate P*** VON H***, der Gattin des Gerald Reichsfreiherr P*** VON H***, am 19.März 1979 gestellten, von der Antragstellerin am 27. Juli 1979 angenommenen Anbotes auch Eigentümerin des davon südöstlich gelegenen Grundstückes 1777/15 KG Kitzbühel-Land. Das Grundstück 1777/9 grenzt im Nordwesten an das Grundstück 1777/14. Die Verkäuferinnen übernahmen die Haftung, daß alle für die Errichtung eines Wohnhauses notwendigen "Erschließungsrechte", darunter Zugang und Zufahrt, vorhanden seien. Sie übernahmen gemeinsam mit Gerald Reichsfreiherr P*** VON H*** die Verpflichtung, den Zufahrtweg von der öffentlichen Straße bis zur Westgrenze des Grundstückes 1777/9 in einer Breite von durchgehend 5 m und eine Stützmauer zu errichten. Die Antragstellerin war den Verkäuferinnen gegenüber jeweils verpflichtet, ein Drittel der Kosten der Errichtung von Straße und Stützmauer zu übernehmen. Ihr Eigentumsrecht wurde am 9.Februar 1981 einverleibt. Sie erwarb zur Sicherstellung einer Wegeverbindung mit dem öffentlichen Gut ebenso wie die Antragsgegner ein Geh- und Fahrtrecht über das Grundstück 1777/13. Verhandlungen zwischen den Streitteilen im Jahr 1980 über die Einräumung eines Wegerechtes an den Grundstücken 1777/18 und 1775/7 zugunsten der Antragstellerin scheiterten.
Unter Berufung auf die Bestimmungen des Notwegegesetzes beantragte die Antragstellerin, ihr das Notwegerecht durch Einräumung einer Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über die Grundstücke 1777/18 und 1775/7 beide Wege zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Grundstücke 1777/15 und 1777/9 je KG Kitzbühel-Land und deren Mitbenützung des ob diesem Grundstreifen bereits bestehenden Privatweges sowie eine Zufahrt zu den Grundstücken 1777/15 und 1777/9 in einer Gesamtbreite, die den baubehördlichen Vorschriften entspricht, das seien 5 m, allenfalls unter Festsetzung einer angemessenen an die Antragsgegner zu bezahlenden einmaligen Entschädigung, einzuräumen.
Im ersten Rechtsgang wies das Erstgericht den Antrag ab, weil der Antragstellerin im Sinn des § 2 Abs 1 NWG eine auffallende Sorglosigkeit vorzuwerfen sei. Diese Rechtsansicht wurde vom Rekursgericht in seinem Beschluß vom 17.August 1982, 2 R 48/82-17, bestätigt vom erkennenden Senat in seiner Entscheidung vom 12. Jänner 1983, 1 Ob 802/82, nicht gebilligt. Der Oberste Gerichtshof führte dazu aus, der Begriff der auffallenden Sorglosigkeit nach § 2 Abs 1 NWG ist mit dem im § 1324 ABGB verwendeten ident. Ob eine auffallende Sorglosigkeit vorliegt, ist immer nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Auffallende Sorglosigkeit (grobe Fahrlässigkeit) wird immer dann angenommen, wenn die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlicher und darum auffallender Weise vernachlässigt wurde und dieser objektiv besonders schwerwiegende Sorgfaltsverstoß auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist. Auffallende Sorglosigkeit der Antragstellerin muß nach diesen Grundsätzen verneint werden, da sie als Käuferin mit den Verkäuferinnen eine Vereinbarung dahin abschloß, wonach diese sich verpflichteten, den Zufahrtsweg vom öffentlichen Wegenetz bis zum verkauften Grundstück in einer Breite von 5 m gegen Kostenbeteiligung von einem Drittel zu errichten. Dafür, daß die Antragstellerin wissen hätte müssen, daß die Verkäuferinnen vertragsbrüchig sein würden, bestehen keine Anhaltspunkte. Daß der Antragstellerin zum Zeitpunkt der Annahme der Kaufanbote der Erwerb der für den Weg benötigten Grundfläche durch die Antragsgegner sowie der Kostenaufand des Erstantragsgegners für die Verbreiterung des Weges und seine damit verbundenen Forderungen bekannt waren, ist schon deshalb nicht entscheidend, weil die Antragstellerin annehmen konnte, daß der Einräumung eines um 1 m breiteren als des ihr bereits zustehenden Wegerechtes auf einem in Natur bereits vorhandenen, nur noch zu asphaltierenden Weg keine unüberwindlichen Schwierigkeiten entgegenstehen werden.
Im zweiten Rechtsgang war nur mehr die Höhe der zu leistenden Entschädigung strittig. Dazu führte der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 18.Februar 1987, 1 Ob 701/86, aus, daß der Schaden der Antragsgegner in der Differenz in ihrem Vermögen vor und nach der Einräumung des Notweges zuzüglich des nach § 6 NWG zu ermittelnden Kapitalbetrages für die durch die Mitbenützung der Weganlage in Zukunft zu erwartenden Mehrauslagen der Wegeerhaltung zu ermitteln sei.
Im dritten Rechtsgang brachten die Antragsgegner ergänzend vor, die Antragstellerin habe, da die Verkäufer ihre Zusage, daß alle für die Errichtung eines Wohnhauses notwendigen Erschließungsrechte, darunter Zugang und Zufahrt, vorhanden seien, nicht eingehalten hätten, S 400.000 von den vereinbarten Kaufpreisen zurückbehalten und in einem darüber geführten Prozeß obsiegt. Die Antragstellerin habe daher für den strittigen Weg S 400.000 erlöst. Ihr nunmehriges Begehren auf Einräumung eines Notweges mit den zu erwartenden Entschädigungsverpflichtungen an die Antragsgegner sei daher angesichts des positiven Wissens um das Fehlen des Weges zum Zeitpunkt des Grundstückserwerbes als auch auf Grund der Vermögensvermehrung um S 400.000 eine mißbräuchliche Inanspruchnahme dieses Rechtsinstitutes.
Das Erstgericht räumte den begehrten Notweg ein und setzte die Entschädigung mit dem Betrag von S 84.067 fest. Es stellte fest, durch die Einräumung des Notweges trete eine nach der Differenzmethode errechnete Wertminderung im Vermögen der Antragsgegner von S 39.000 ein, der nach § 6 NWG ermittelte Kapitalbetrag für die durch die Mitbenützung der Weganlage in Zukunft zu erwartenden Mehrauflagen der Wegeerhaltung betrage S 45.067. Auch wenn die Antragstellerin auf Grund des vertragswidrigen Verhaltens der Verkäufer eine Preisminderung habe durchsetzen können, könne eine mißbräuchliche Inanspruchnahme des Notwegeverfahrens nicht angenommen werden. Dies deute lediglich darauf hin, daß die Antragstellerin beim Kauf der Grundstücke alles unternommen habe, um den nötigen Zufahrtsweg zu erlangen. Es könne ihr eine auffallende Sorglosigkeit nicht unterstellt werden. Daß die Antragstellerin gegen die Verkäufer eine Preisminderung habe durchsetzen können, habe überdies auf dieses Verfahren und auf ihren Anspruch gegen die Antragsgegner auf Einräumung des Notweges keinen wie immer gearteten Einfluß.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegner, die weiterhin die Abweisung des Antrages auf Einräumung eines Notweges, allenfalls die Erhöhung des Entschädigungsbetrages auf S 396.916,45 anstreben, in der Hauptsache nicht Folge. Über die Frage der auffallenden Sorglosigkeit sei bereits rechtskräftig entschieden worden. Auch das neue Vorbringen der Antagsgegner lasse sich nicht der auffallenden Sorglosigkeit im Sinn des § 2 Abs 1 NWG einordnen. Die Antragstellerin habe bei Leistung des Kaufschillings für die von ihr erworbenen Grundstücke einen Betrag von insgesamt S 400.000 zurückbehalten, weil die Verkäufer ihrer vertraglichen Verpflichtung auf Errichtung des Zufahrtsweges in der erforderlichen Breite nicht nachgekommen seien. Dies sei als Druckmittel zu sehen, damit sich die Verkäufer doch noch eines Besseren besinnen und ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkämen; ein von der Antragstellerin gegenüber ihren Verkäuferinnen abgegebener Verzicht auf die vereinbarte Wegeverbreiterung lasse sich aus ihrer Vorgangsweise jedoch keinesfalls ableiten. Zwischen der von der Antragstellerin vorgenommenen Kaufpreisreduktion und ihrem Notwegebegehren bestehe kein rechtlicher Zusammenhang.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegner, die ihre Rekursanträge wiederholen, ist unzulässig.
Da das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichtes in der Hauptsache bestätigte, ist der Revisionsrekurs gemäß dem auch im Verfahren über die Einräumung von Notwegen anzuwendenden § 16 AußStrG auf die dort angeführten Rechtsmittelgründe beschränkt (JBl 1969, 349; RZ 1964, 142; 1 Ob 669/83 uva). Die von den Revisionsrekurswerbern behauptete offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nicht vor.
Bereits in der in dieser Rechtssache ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 12.Jänner 1983, 1 Ob 802/82, wurde ausgesprochen, daß eine auffallende Sorglosigkeit der Antragstellerin zu verneinen sei, da sie mit den Verkäufern eine Vereinbarung dahin schloß, wonach diese sich verpflichteten, den Zufahrtsweg gegen Kostenbeteiligung zu errichten. Dafür, daß die Antragstellerin wissen hätte müssen, daß die Verkäuferinnen vertragsbrüchig sein würden, bestehen keine Anhaltspunkte. Daran ändert das Vorbringen der Antragsgegner nichts, die Antragstellerin habe in der Folge wegen des Vertragsbruches der Verkäufer einen Teil des Kaufpreises in der Höhe von S 400.000 zurückbehalten dürfen. Gerade durch die Zurückbehaltung dieses Betrages hätte erwartet werden können, daß die Verkäufer ihren vertraglichen Pflichten doch noch nachkommen werden, in welchem Fall sich die Antragstellung auf Einräumung eines Notweges erübrigt hätte. Soweit die Antragsgegner der Antragstellerin unterstellen, sie hätte sich nicht um die Schaffung der rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen zum Erhalt einer gesicherten Verbindung mit dem öffentlichen Wegenetz bemüht, sondern abgewartet, bis das die anderen getan hätten, und sich dann unabhängig von deren Gestehungskosten auf dem Umweg der Rechtseinrichtung des Notweges die Mitbenützung an dem von den anderen geschaffenen Weg besorgt, gehen sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Von einer mißbräuchlichen Inanspruchnahme des Rechtsinstitutes der Einräumung eines Notweges kann daher keine Rede sein. Daß die Vorteile des Notweges nicht die Nachteile überwiegen, die durch denselben den Grundstücken der Antragsgegner insgesamt erwachsen (§ 2 Abs 1 erster Fall NWG), wurde in erster Instanz nicht behauptet. Diese Voraussetzungen sind auch nicht gegeben, weil die Nachteile der Antragsgegner schon unter Berücksichtigung der kapitalisierten Mehrkosten für die Erhaltung des Weges nur S 84.067 betragen, der Antragstellerin aber ohne Einräumung des Notweges eine Verbauung ihrer Grundstücke unmöglich wäre. Daß die Antragsgegner für die Schaffung der von ihnen zu benützenden Weganlage beträchtlich höhere Beträge aufwendeten, ist kein Nachteil, der ihnen durch die Einräumung eines auf Mitbenützung dieser Weganlage gewährten Notweges entstand.
Der Revisionsrekurs ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 25 Abs 1 NWG.
Anmerkung
E15150European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00651.88.0928.000Dokumentnummer
JJT_19880928_OGH0002_0010OB00651_8800000_000